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Veröffentlicht am 05.08.2022

Eleganter Krimi in der Verlagswelt

Eine verdächtig wahre Geschichte
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Ein Bestseller, mehrere Morde und ein rätselhafter Autor - mit "eine verdächtig wahre Geschichte" führt Antoine Laurain die Leser*innen in die Welt des Pariser Literaturbetriebs. Sie ist womöglich noch ...

Ein Bestseller, mehrere Morde und ein rätselhafter Autor - mit "eine verdächtig wahre Geschichte" führt Antoine Laurain die Leser*innen in die Welt des Pariser Literaturbetriebs. Sie ist womöglich noch eine Spur eleganter, kapriziöser, großbürgerlicher als anderswo, jedenfalls wenn die Beschreibung der Figuren des Buchs ein Indiz ist. Violaine Lepage hat es aus bescheidenen Anfängen an die Spitze eines Literaturverlags geschafft, ist zugleich die Chefin der Manuskriptabteilung. Die Lektoren, die hier arbeiten, sind mit Trüffelschweinen der Literatur vergleichbar - shließlich müssen sie in dem Wust unverlangt eingesandte Manuskripte das Gespür für den Text haben, der auf dem Buchmarkt den Durchbruch schafft.

"Die Zuckerblumen" von Camille Desencres ist so ein Buch, mausert sich zur Sensation, wird für den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs nominiert. Und plötzlich hat der Verlag ein Problem. Denn sobald der Preisträger oder die Preosträgerin bekannt ist, folgt eine Pressekonferenz mit Live-Übertragung, Fernsehauftritte und der Autor oder die Autorin wird zum öffentlichen Star. Leider weiß niemand, wer Camille Desencres ist, nicht einmal, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt - Das Manuskript wurde ohne Adresse eingesandt, alle Kontakte liefen über eine Email, Camille schwieg sich über sämtliche persönliche Informationen aus. Niemand hat ihn oder sie je zu Gesicht bekommen.

Und plötzlich interessiert sich auch die Polizei für das Buch. Denn sie ermittelt in zwei Mordfällen, die sich vor Erscheinen des Buchs ereignet haben und die in dem Text so genau beschrieben sind, dass es nach einer verdächtig wahren Geschichte aussieht, nach Täter- oder zumindest Zeugenwissen. Ist Camille Desencres ein Mörder? Dass Violaine nach einem Unfall im Koma lag und nun unter Gedächtnislücken und Visionen toter Autoren leidet, macht es nicht einfacher.

Doppelbödiges Versteckspiel mit Seitenhieben auf literarische Abgründe, Spannung und ein bißchen Liebe, viele Geheimnisse und ein fulminanter Abschluss - Laurain weiß, wie er seine Leser fesselt und unterhält. Das war mein erstes Buch des Autoren, den ich mir nun merken werde. Esprit und Überraschungen, elegante Literaturwelt und dunkle Vergangenheit machen die gerade mal gut 200 Seiten zum Lesegenuss und Rätselvergnügen gleichermaßen. Buchfans kommen da eigentlich nicht dran vorbei.

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Veröffentlicht am 05.08.2022

Mittelprächtig

Rupert undercover - Ostfriesisches Finale
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Mit dem ostfriesischen Finale endete die Triologie um die Undercover-Mission des ostfriesischen Kleinstadtpolizisten Rupert als Drogenboss Federico, samt "Mietehefrau", die sowohl Bodyguard- als auch Callgirl-Qualitäten ...

Mit dem ostfriesischen Finale endete die Triologie um die Undercover-Mission des ostfriesischen Kleinstadtpolizisten Rupert als Drogenboss Federico, samt "Mietehefrau", die sowohl Bodyguard- als auch Callgirl-Qualitäten hat. Für Rupert, den Möchtegern-Frauenhelden, eine rundum erfreuliche Sache, jedenfalls, nachdem er den vegetarischen Weinexperten Federico vorsichtig zum currywurstfutternden Biertrinker umstylen konnte, ohne dass dessen Kumpane sich darüber wunderten. Das war bereits Thema der ersten beiden Bände, nun geht es im Ostfriesen-Spin Off von Klaus Peter Wolf darum, verschiedene Erzählstränge zusammenzuführen - der totgeglaubte Federico taucht ebenso wieder auf wie der psychopathische Serienkiller "Geier" und der eher ethisch veranlagte Serienmörder Doktor Sommerfeld. Das kann schon mal konfus werden.

Schon bei den beiden vorangegangen Bänden hatte ich gemischte Gefühle - der Eindruck bleibt auch am Ende des Finales. Denn einerseits ist es eine witzige Idee: Der Möchtegern-Superbulle, Kleinstadtcasanova und nicht gerade intellektuell brillierende Rupert, der immer von höheren Dingen wie einer Karierre beim BKA geträumt hat und im Schatten seiner Kollegin Ann-Kathrin Klaaasen stand (niemand fasste so viele Serienmörder wie sie), kann sich endlich mal beweisen. Kann in die Rolle eines Mannes schlüpfen, der ihm ähnelt wie ein eineigier Zwilling, aber unterschiedlicher nicht sein könnte: kunstsinnig, über Rotwein philosophierend und heimlich schwul. Das darf unter den Machos seines Gangsterimperiums natürlich nicht bekannt werden.

Alles sehr überzogen und stellenweise sehr witzig - jedenfalls da, wo der Autor mit ironischer Distanz und einem Augenzwinkern das Geschehen seinen Lauf nehmen lässt.Das sind dann die bei weitem gelungensten Szenen des Buches, die mir gut gefallen haben.

Die ebenfalls überzeichneten Psychopathen sind dann nicht wirklich witzig und so manche Bluttat scheint eher eine Sache des Effekts zu sein. Da fehlt mir dann ein bißchen die Stringenz der Geschichte. Entweder Ironie oder härterer Krimi, die Kombination funktioniert vielleicht bei Tarrantino, aber nicht bei Wolf.

Und leider, leider verschenkt der Autor das Potenzial des Buches, eine Nebenfigur der Hauptserie in den Mittelpunkt zu stellen, ein neues Setting zu erarbeiten und etwas weitgehend Neues zu schaffen. Doch weit gefehlt - das Finale wird einmal mehr zur Ann Kathrin Klaasen-Show. Der Schwerpunkt verrutscht immer stärker zu Ruperts ostfriesischen Kollegen, die bereits in einer eigenen Reihe den Ton angeben und auch jetzt wieder die entscheidende Rolle spielen können.

Ja, es ist schon klar, der Autor hat eine Schwäche für seine Kommissarin. Aber so perfekt, so brillant, so entscheidend für jeden Fall nervt sie mich einfach. Superhelden und Superheldinnen sind, gerade weil so super, für mich eher langweilig. Es ist ja eh klar - am Ende retten sie die Welt, lösen den Fall etc etc

Insofern - hübsche Idee, aber leider nur mittelprächtig ausgeführt.

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Veröffentlicht am 03.08.2022

Betrug, bunt wie Bollywood

Bekenntnisse eines Betrügers
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Bunt und wirbelig wie ein Bollywood-Film, absurd-komisch, liebenswürdig und mit zahlreichen verrückten Wendungen kommen die "Bekenntnisse eines Betrügers" vo Rahul Raina daher. In seinem Debütroman zeichnet ...

Bunt und wirbelig wie ein Bollywood-Film, absurd-komisch, liebenswürdig und mit zahlreichen verrückten Wendungen kommen die "Bekenntnisse eines Betrügers" vo Rahul Raina daher. In seinem Debütroman zeichnet er ein aberwitziges, pralles Porträt seiner Heimatstadt Neu Delhi, auch wenn er wie so viele der von ihm beschriebenen ehrgeizigen Mittelschichtsinder längst kosmopolitisch zwischen dem Subkontinent und westlichen Ländern unterwegs sind, in Rainas Fall Großbritannien.

Ich-Erzähler Ramesh kommt aus einem Teil Delhi, in dem dieser Traum unerfüllbar scheint. Die Mutter starb bei der Geburt, aufgezogen wird er von seinem prügelnden, lieblosen Vater, kann als Kind kaum zur Schule gehen, da er für den Teestand des Vaters Gewürze mahlen muss. Dass er zum Betrüger, Entführungsopfer und Möchtegern-Kidnapper wurde, hat er letzlich dem Traum vom Bildungsaufstieg zu verdankem und einer Nonne, die ihm den Schulbesuch ermöglichte.

Ein gerader Weg zum Erfolg wird Ramesh allerdings nicht zuteil - statt dessen schlägt er sich zu Beginn des Romans als "Prüfungsberater" durch - sprich, er absolviert gehen entsprechende Entlohnung die Abschlussprüfung für reiche, aber faule oder unbegabte Söhne der indischen Mittelschicht und ebnet ihne so den Weg an amerikanische, englische oder australische Universitäten. Die größte Angst wann wird er zu alt sein, um als Abiturient durchzugehen?

Die große Wende kommt, als Ramesh so erfolgreich wie nie zuvor ist: Rudraksh (oder Rudi), der pummelige, unglückliche und emotional vernachlässigte Sohn eines Mittelschichtpaares, wird Zweiplatzierter bei den All-Indian Exams. Das der Beste aller Schüler einen muslimischen Namen hat, konzentriert sich die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf Rudi, der zum Social-Media und Fernsehstar mit eigener Rateshow wird. Plötzlich führt der 17-jährige das Leben eines Rock-Stars, Sex und Drugs inbegriffen und Ramesh ist als sein Manager Fixer, Berater, Diener und Kindermädchen in einer Person.

Als Rudi der Erfolg zu Kopf steigt und er in der Show einen Teenager grausam demütigt, hat das ungeahnte Folgen. Plötzlich müssen Ramesh und Rudi um Gefahr für Leib und Leben fürchten. Korruption, Materialismus, Social Media-Ruhm, kriminelle Energie und ein bißchen Liebe werden in die turbulente Handlung eingebracht. Ein Highlight sind die sarkastischen Reflektionen Rameshs über das moderne Indien, über die Gegensätze zwischen Arm und Reich, zwischen Ost und West, über die Härten des Lebens und die verbleibenen Träume. Dabei wird auch der Yoga- und Ayurveda-verklärte Blick westlicher Wohlstandsmenschen auf den Subkontinent auf die Schippe genommen. Die "Bekenntnisse eines Betrügers" sind unterhaltsam, spannend, lebendig und farbenfroh erzählt.Ein gelungenes Debüt!

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Veröffentlicht am 28.07.2022

Kosaken, Sowjetmenschen und eine Welt im Umbruch

Samson und Nadjeschda
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Vor wenigen Monaten las ich "Graue Bienen" von Andrej Kurkow und war ziemlich hingerissen. Als nun "Samson und Nadjeschda" als neuester Roman Kurkows erscheint, war für mich klar, dass ich ihn unbedingt ...

Vor wenigen Monaten las ich "Graue Bienen" von Andrej Kurkow und war ziemlich hingerissen. Als nun "Samson und Nadjeschda" als neuester Roman Kurkows erscheint, war für mich klar, dass ich ihn unbedingt lesen wollte. Gleich vorneweg - die Bücher unterscheiden sich beträchtlich, sowohl vom Zeitgefüge als auch in der Erzählweise. Eine Enttäuschung ist "Samson und Nadjeschda" allerdings dennoch nicht, sondern für sich ein spannender und erhellender Roman, für den Kurkow allerdings in die Vergangenheit eintaucht, als gäbe es aus seiner ukrainischen Heimat nicht aktuell unendlich viel Material für einen Schriftsteller.

Wobei: Die Unsicherheiten, die Gewalt, der Überlebenskampf, mit dem sich Samson im Kiew nach dem ersten Weltkrieg konfrontiert sieht, ähnelt dem vieler Kiewer gut 100 Jahre später. Wie allgegenwärtig der Tod ist, bekommt Samson gleich auf den ersten Seiten zu spüren. Kosaken töten seinen Vater, als er gemeinsam mit Samson unterwegs zum Schneider ist. Samson hätte ein ähnliches Schicksal erlitten, doch der Kosakensäbel traf "nur" sein Ohr, das künftig in einer Bonbondose ruht und noch eine ganz besondere Rolle spielen wird.

Samson bleibt alleine zurück in der großen, bürgerlichen Wohnung - Mutter und Schwester sind schon vor Jahren gestorben, Die Hausmeisterwitwe will ihn verkuppeln - einerseits, damit er jemand in seinem Leben hat, andererseits, weil sonst schon die neue Sowjetmacht jemanden in der für Samson viel zu großen Wohnung einquartieren dürfte. Mit Nadjeschda hat sie schon jemanden im Auge. Doch die junge Frau, deren Name "Hoffnung" bedeutet, hat ein ganz anderes Ziel als Amouren, will sie doch ein neuer Mensch sowjetischer Prägung sein und mit ihrer Arbeit im Amt für Statistik zum Erfolg der Weltrevolution beitragen.

Eher zufällig stolpert auch Samson in die Arme der Staatsmacht und wird in einem Schnellkurs sowjetischer Milizionär. Ein Kriminalfall, mit dem er es zu tun bekommt, hat indirekt auch mit ihm zu tun. Bei seinen Ermittlungen bewegt er sich in allen Gesellschaftsschichten, sucht in einer Welt, die sich noch selbst erfindet, nach Anhaltspunkten und Verlässlichkeiten. Das Kiew des Jahres 1919, es ist von Gewalt, Umsturz und Versorgungsknappheit gekennzeichnet. Auch ein historischer Roman kann recht aktuell klingen.

Wie es weitergeht mit Samson und Nadjeschda, den Rätseln eines Schneiders und eines Silberdiebstahls. das soll hier nicht verraten werden. Doch Kurkow hat schon angedeutet, dass weitere Abenteuer und Herausforderungen auf den Milizionär und die Statistikerin warten.

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Veröffentlicht am 23.07.2022

Eine Leidenschaft für Bücher

Papyrus
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Es hat lange gedauert, bis ich mit Irene Vallejos Buch "Papyros" fertig war - nicht weil es mir nicht gefallen hätte - ganz im Gegenteil! - sondern weil hier so viel drinsteckt, dass es am besten in kleinen ...

Es hat lange gedauert, bis ich mit Irene Vallejos Buch "Papyros" fertig war - nicht weil es mir nicht gefallen hätte - ganz im Gegenteil! - sondern weil hier so viel drinsteckt, dass es am besten in kleinen Portionen genossen wird, ähnlich wie Schokolade mit ultrahohem Kakaoanteil. Da ist weniger mehr für den Genuss. Ein Buch über die Geschichte von Büchern und die Geschichte des Lesens und der Schriftstellerei - das war sofort etwas, was mein Interesse erregte. Und obwohl sich Vallejo auf die Welt der Antike konzentrierte, von Alexander dem Großen bis ins alte Rom, so ist "Papyrus" doch gleichzeit ein Galopp durch die Jahrtausende, mit aktuellen Bezügen, mit Streifzügen und Überlegungen.

Für manche mag das ein wenig konfus sein - sind die persönlichen Erinnerungen und Gedankensprünge der Autorin, die sich vom ursprümglichen Thema fortbewegen, wirklich wichtig? Ich denke schon, denn auf diese Weise habe ich das Gefühl, auch Vallejo besser zu kennen, so wie eine neue Bekanntschaft oder vielleicht auch Freundin. Ja, sie schreibt viel über ihre eigenen Erfahrungen, aber sie macht das auf eine reflektierte Art und Weise, nicht so wie manche Autoren, die vor allem Seelenstriptease betreiben und selbstbezogene Nabelschau halten.

"Papyrus" zu lesen, hat mich an die richtig guten Gespräche erinnert, für die man leider viel zu oft nicht die passenden Gesprächspartner hat - es fängt an einem Punkt an ünd springt munter in immer neuen Ideen und Gedanken - was mit antiken Feldzügen beginnt, führt über die Geschichte der Lyrik zu Philosophie, Feminismus oder Gedanken über verschiedene Gesellschaftsordnungen. Es gibt viel zu entdecken in diesem Buch, daher sollte man sich auch die Zeit dafür nehmen und häufig habe ich das Buch auch erst mal beiseite gelegt, um zu einem Thema etwas nachzulesen und zu recherchieren, um mich mit Vallejos Gedankengängen zu beschäftigen.

Stellenweise hatte ich das Gefühl, hier redet beziehungsweise schreibt jemand über Situationen, die ich selber kenne, hat jemand Bücher ähnlich als verändernd, bereichernd und voll Leidenschaft fürs Lesen kennengelernt. Ich kann sie so gut vor mir sehen, die gemobbte junge Irene, die sich dank der Schulbibliothek aus dem unschönen Alltag fortträumen konnte auf Robnisons Insel, mit Hannibal die Alpen überquerte, in Büchern Freunde, Trost, Lehrer fand.

In "Papyrus" gibt sie diese Erfahrungen weiter, gespickt mit historischen Anekdoten, Einblicken in die Welt der Griechen und Römer, aufräumend mit manchem Mythos über die Welt der Klassik. Apropos Klassiker - wenn sie die Werke klassicher Literatur vom staubigen Sockel holt und statt dessen mit alternden Rockstars vergleicht, die immer noch die Stadien füllen, kommt Lust auf, es doch mal wieder mit den alten Größen zu versuchen.

Papyrus ist klug, ein Sachbuch, das nicht langweilt, sondern viele Anregungen gibt, Wissen auf durchaus unterhaltsame Art teilt und Neugier weckt, den Gedankengängen der Autorin zu folgen. Dass der Literaturanhang am Ende ausgesprochen umfangreich geraten ist, ist nicht verwunderlich. Dieses Buch hat seine Vorschusslorbeeren zu Recht erhalten.