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Veröffentlicht am 22.11.2020

Agenten und Banditen - Thriller aus einer dystopischen DDR

Die Republik
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Mit "Die Republik" hat Maxim Voland eine buchstäblich explosive und temporeiche Dystopie geschrieben, in der die Geschichte von Bundesrepublik und DDR völlig anders verlaufen ist als in unserer Realität. ...

Mit "Die Republik" hat Maxim Voland eine buchstäblich explosive und temporeiche Dystopie geschrieben, in der die Geschichte von Bundesrepublik und DDR völlig anders verlaufen ist als in unserer Realität. In dieser nicht allzu fernen Zukunft endete das Wendejahr 1989 nicht mit der deutschen Einigung. Statt dessen ist die DDR ein wirtschaftlich höchst erfolgreicher Staat, der seine Westgrenze zu Frankreich, Belgien usw hermetisch absichert und seine Bürger mit einer Vielzahl von Maßnahmen und Spitzeln überwacht. Von der Bundesrepublik hingegen ist nur "Deutschland-Berlin" geblieben, ein Ort der internationalen Spione, heruntergekommen und lediglich in der Mitte mit florierendem Nachtleben und einigem Wohlstand.

Einen der Protagonisten, der desillusionierte Stasi-Oberst Gustav, hat jahrelang geholfen, diese Sicherheits- und Überwachungsmaschinerie in Gang zu halten. Offenbar mit stalinistischen Methoden, wie wiederholt angedeutet wird. Das Leben der Funktionäre in Wandlitz (das gibt es auch in der alternativen Roman-DDR!) stößt ihn allerdings ab. Angesichts dieses Ausverkaufs sozialistischer Werte denkt er an Republikflucht und einen Neuanfang mit seiner jungen Geliebten.

Währenddessen bereitet sich in Paris der französische Dolmetscher Christopher auf eine kurze Reise ins Saarland vor - nicht für einen dienstlichen Einsatz, sondern um nach dem Tod des Urgroßvaters die unbekannte DDR-Verwandtschaft kennenzulernen. Seine Eltern sind einst in den Westen gegangen, Christopher selber sieht sich als Franzose und ist neugierig auf die unbekannte Verwandtschaft.

In Berlin-Deutschland ist die MI6-Agentin Harper unterdessen eine Art weiblicher James Bond, amoureusen Abenteuern und Nebenjobs nicht abgeneigt und zur milden Verzweiflung ihres noch aus den Zeiten des Kalten Kriegen stammenden Vorgesetzten zu unorthodoxen Alleingängen neigend.

Die Wege dieser drei Menschen kreuzen sich im Verlauf der Handlung auf dramatische Weise und zwingen sie trotz aller Gegensätze zur Zusammenarbeit. Eine Giftgasexplosion in Berlin bedeutet für Gustav nicht nur eine persönliche Tragödie, sondern zugleich die Beförderung zum Sonderermittler: Handelte es sich um einen Unglücksfall mit militärischen Altlasten oder um einen Terrorakt? Und gibt es noch weiteres Giftgas, das die Bevölkerung gefährden könnte? Von den einstigen sowjetischen Veteranen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs lebt kaum noch jemand, doch irgendwo soll es noch eine alte Karte geben...

Schmutzige Geheimdienst-Intrigen, Kompetenzgerangel zwischen NVA und Stasi, russische Mafia und reichlich Gewalt prägen diesen Agenten-Thriller, bei dem man leicht den Überblick über die vielen Toten verliert. Der Autor drückt bei der Handlung stets aufs Tempo, und langweilig wird es dabei nie. Volkswitze, die wohl noch aus der "echten" DDR stammen, sind vielen der Kapitel vorangestellt und lassen ebenso schmunzeln wie die vielen Verweise auf einstmals real existierende DDR-Produkte und -Gewohnheiten, angefangen vom Goldbroiler bis hin zu den Rotkäppchen-Erzeugnissen, die mittlerweile eine echte Champagner-Konkurrenz sind. Für alle, die sich nicht mehr so genau an Interhotel und Konsum,Subbotnik oder Mitropa erinnern, gibt es im Anhang eine Erläuterung der DDR-Ausdrücke. Eine spannende Lektüre, die "was wäre, wenn...?"-Gedanken konsequent weiterentwickelt.

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Veröffentlicht am 22.11.2020

Exotik-Erwartungen und globale Annäherungen

Mit offenem Blick
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In seinem Buch "Mit offenem Blick" hat Gerhard Schweizer zu einem Rundumschlag zum Thema unterwegs sein ausgeholt, einschließlich der Reflektion eigener Reiseerfahrungen in mehr als vier Jahrzehnten und ...

In seinem Buch "Mit offenem Blick" hat Gerhard Schweizer zu einem Rundumschlag zum Thema unterwegs sein ausgeholt, einschließlich der Reflektion eigener Reiseerfahrungen in mehr als vier Jahrzehnten und dem Wandel des Reisens. Zugegeben, ich hatte zunächst eine andere Vorstellung zu dem Buch, erwartete eine Auseinandersetzung mit Kulturschocks und der Sensibilisierung für die anderen Sichtweisen in bereisten Regionen, gerade in völlig anderen Kulturkreisen.

Dabei schilderte Schweizer allerdings zuerst seinen eigenen Blick, bei frühen Reisen etwa nach Nordafrika und Asien in einer Zeit, als die meisten Menschen in Deutschland allenfalls von einem Sommerurlaub an der Adria träumen konnten und Fernreisen für die Mehrheit der Menschen ein Ding der Unmöglichkeit war - entweder finanziell oder aus Zeitgründen. Da war ein Rucksackurlaub etwa nach Marokko noch etwas völlig Exotischen - und Exotik erwartete auch der junge Schweizer: Eben Menschen in traditioneller Kleidung, enge Kasbah-Straßen, verfallende Häuser wurden von dem jungen Reisenden als malerischempfunden und ein wenig rümpfte er die Nase, wenn ein einheimischer Reiseführer auf neue, moderne Stadtviertel hinweist, eine Vorliebe für "westliche"Kleidung zeigt. Kurz: Genau die Welt bewundert, der der Reisende eigentlich entfliehen will.

Und auch in späteren Jahren ist der Reisende enttäuscht, wenn Modernisierung die "Exotik" abhanden kommt, mokiert er sich über die Ortsansässigen, die sich von ihrer traditionellen Lebensweise entfernt haben und den Anschluss an die - überall gleich langweilige ? - Moderne vollziehen. Und klar, es darf auch nicht die Abgrenzung zu den Europäern oder gar Landsleuten fehlen, die dann in späteren Jahren ebenfalls in den gleichen Gebieten unterwegs sind, nur eben nicht monate lang - puh, Touristen, bäh!

Da musste ich dann doch grinsen, denn da der Autor ein paar Jahrzehnte älter ist als ich habe ich zwar die frühen Rucksackreisenden auf Hippie Trail usw nicht erlebt, bin in Südostasien aber später auf ähnliche Spezies gestoßen, die sich - mitunter leicht arrogant - als "Reisende" bezeichneten und keinesfalls Touristen sein wollten. Wer wie ich nur fünf, sechs Wochen mit dem Rucksack unterwegs war, wurde leicht abschätzig behandelt. Ist ja auch zu blöd, keine reichen Eltern im Hintergrund zu haben und einer bezahlten Beschäftigung nachgehen zu müssen, um sich das Reisen leisten zu können.

Was ich seinerzeit allerdings nie verstand war, warum eben diese Traveller dann mit Vorliebe in Backpacker Kneipen hockten, mit dem immer gleichen Essen in jedem Land, den immer gleichen Typen und den Einheimischen als Servicekräften. Oder warum sie so wenig Sensibilität für die lokalen Befindlichkeiten hatten, dass Tank Top und Shorts auch in Regionen getragen werden müssen, wo die Kleidergewohnheiten eher zur Ganzkörperbedeckung tendierten. Wobei da wieder die Frage nach dem "offenen Blick" aufkommt.

In Schweizers Buch ist davon wenig die Rede, wohl aber von der Frage, wie Tourismus auch zum Erhalt lokaler Kulturen beitragen kann oder sie sogar, Beispiel Nepal, vor der Zerstörung durch übereifrige moderne Stadtplaner schützen kann. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Reisen aus Neugier oder als Freizeitbeschäftigung im Gegensatz zu Migration, die aus der Notwendigkeit geboren wurde - seien es die Auswanderer im 19. Jahrhundert. seien es die türkischen "Gastarbeiter", denen der Autor in den 60-er Jahren in Zügen nach Südosteuropa begegnete, seien es die Flüchtlinge und Migranten der Gegenwart. Wie verändern diese globalen Bewegungen die Herkunfts- und die Ankunftsgesellschaft? Wie breiten sich globale Trends immer mehr aus, sorgen moderne Kommuikationsmittel und soziale Medien für ein völlig verändertes Unterwegssein?

Eine "Anleitung" zur Auseinandersetzung mit fremden Kulturen gibt "Mit offenem Blick" nicht, wohl aber die eine oder andere Denkanregung und Überlegung zum Zusammenleben in einer pluralistischen multikulturellen Gesellschaft mit ihren Herausforderungen und Chancen. Aber das ist vielleicht auch ganz gut so. Denn den offenen Blick erreicht man sicherlich am besten durch den eigenen Aufbruch.

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Veröffentlicht am 21.11.2020

Hier sind nicht nur die Ratten mies

Kreuzberg Blues
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Immobilienspekulation, Mietwucher und Häuserkampf - das ist nur der Anfang brandaktueller Themen in Wolfgang Schorlaus "Kreuzberg Blues". Der Stuttgarter Privatermittler und Ex-BKA-Zielfahnder Dengler ...

Immobilienspekulation, Mietwucher und Häuserkampf - das ist nur der Anfang brandaktueller Themen in Wolfgang Schorlaus "Kreuzberg Blues". Der Stuttgarter Privatermittler und Ex-BKA-Zielfahnder Dengler begleitet seine Freundin Olga zu einem Freundschaftsdienst aus der Schwabenmetropole nach Kreuzberg. Olgas alte Freundin Silke wohnt in einem Mietshaus, das luxussaniert werden soll. Die dann anstehende Miete, das weiß Silke, wird sie nicht zahlen können. Zusammen mit anderen Mietern stellt sich Silke den Plänen des Immobilienmagnaten Kröger entgegen.

Der Konflikt wird mit harten Bandagen ausgetragen - mal fällt die Heizung aus, mal sollen mitten im Winter Fenster ausgetauscht werden oder das Dach abgetragen. Methoden, die nicht nur Mieter in Kreuzberg kennen, sondern überall dort, wo alteingesessene Bewohner nicht schnell genug den Gentrifizierungsmaßnahmen weichen. Und jetzt hat obendrein jemand Ratten im Treppenhaus ausgesetzt. Eines der Tiere gelangte in Silkes Wohnung und verletzte ihre kleine Tochter. Silke ist sicher: dahinter steckt Kröger.

Mit dem Thema Mietenwahnsinn, Spekulantentum, Gentrifizierung hätte Schorlau locker einen Roman füllen können, zumal außer Kröger auch die "Deutsche Eigentum", befeuert von einem US-Fonds, den angespannten Wohnungsmarkt befeuert. Eine Mieterinitiative drängt auf einen Volksentscheid zur Enteignung von großen Immobilieneigentümern, die Bausenatorin will Mietdeckelung erreichen.

Aber irgendwie hat das dem Autor nicht gereicht. Es muss auch noch um finstere Machenschaften einer Art Staat im Staat gehen, eine Geheimorganisation, aufgebaut von alten Nazis, mit festen Seilschaften in Innenministerium und Sicherheitskreisen, bis hin zur Elitetruppe KSK. Da werden gleich Erinnerungen an den NSU 2.0-Skandal wach, an rechte Netzwerke, an NS-Devotionalien in Kasernen und die immer neuen rechtsextremen Auffälligkeiten beim KSK bis hin zu massenweise verschwundener Munition und Sprengstoff. Eigentlich reichlich Themenmaterial für ein weiteres Buch, doch Schorlau hat nicht nur beide Themen zusammengeworfen, auch Corona wird noch beigemischt, die Mobilisierung neuer, eher nichtsahnender Unterstützer für rechte Verschwörer.

Genau hier liegt mein Problem mit dem Buch - es ist einerseits brandaktuell, auf der anderen Seite aber überfrachtet. Das geht dann auch auf Kosten der doch arg holzschnittartig gezeichneten Charaktere und Dialoge. Spannend ist "Kreuzberg Blues" ja, aber weniger wäre mehr gewesen und hätte dem Autor obendrein mehr Raum für mehr Tiefe gegeben.

So aber gibt es ein wenig subtiles Schwarz-Weiß-Schema, die fiesen Schurken müssen auch noch feist und mit Minderwertigkeitskomplexen beladen sein, die Guten sind selbstverständlich immer erfolgreich und reichlich mit Talenten gesegnet und kommen auch in den schwierigsten Situationen höchstens mit ein paar blauen Flecken davon. Da werde ich als Leser den Eindruck nicht los, dass das Buch mehr Drehbuchvorlage als eigenständiger Roman ist - bei 90 Minuten Action kommt es für den Zuschauer vielleicht nicht so auf die Tiefe der Dialoge an. Schade eigentlich - ich kenne zwar die vorangegangenen Dengler-Romane nicht, aber angesichts des durchaus spannenden Plots wurden hier Möglichkeiten verspielt.

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Veröffentlicht am 15.11.2020

Inflation, Hass und eine mutige Hebamme

Fräulein Gold: Scheunenkinder
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Hulda Gold, die Hebamme mit dem detektivischen Spürsinn, lernt in Anne Sterns historischem Kriminalroman "Scheunenkinder" das Berlin der 1920-er Jahre abseits der "goldenen Zeiten" kennen. Die selbstbewusste ...

Hulda Gold, die Hebamme mit dem detektivischen Spürsinn, lernt in Anne Sterns historischem Kriminalroman "Scheunenkinder" das Berlin der 1920-er Jahre abseits der "goldenen Zeiten" kennen. Die selbstbewusste junge Frau kommt dank ihres Berufs in ganz unterschiedliche Milieus der Stadt - doch das Scheunenviertel in Berlin Mitte war für sie bisher ein unbekanntes Pflaster. Über die Vermittlung ihres Vaters soll sie in dem Stadtteil, der wegen seiner vielen ostjüdischen Einwohner wie ein galizische Stetl mitten in Berlin ist, der hochschwangeren Tamar durch die Geburt helfen. Die fromme orthodoxe Familie legt Wert auf eine jüdische Hebamme - auch wenn Hulda, deren Mutter Christin war, im Sinne des jüdischen Religionsgesetzes gar nicht als Jüdin anerkannt ist und auch ihr Vater als Vertreter des liberalen Reformjudentums wenig mit der Glaubenswelt der frommen und bitterarmen Ostjuden gemeinsam hat.

Bei aller Faszination für die fremde Welt des Scheunenviertels merkt Hulda schnell, dass Tamar bei aller Vorfreude auf ihr Kind in der Familie isoliert ist. Zwar liebt sie ihren Ehemann Zvi, wird von der Schwiegermutter aber vehement abgelehnt, da sie keine Jüdin, sondern Armenierin ist. Als Hulda nach der weitgehend unkomplizierten Geburt wenige Tage später nach Tamar schaut, ist die junge Mutter apathisch und depressiv - und von dem Kind ist keine Spur zu finden. Huldas Fragen laufen ins Leere, vergeblich versucht sie, ihren Freund, den Kriminalkommissar Karl, für den Fall zu interessieren. Doch der steckt bis über beide Ohren in Arbeit nach dem Fund mehrerer toter Kinder, die wohl als Arbeitssklaven verkauft worden sollten. Gibt es womöglich Bezüge zu dem verschwundenen Baby? Hulda jedenfalls lässt sich nicht abwimmeln, weder von Tamars Schwiegermutter noch von Karl. Und auch der junge Rabbiner der Familie, über den sich Hulda nicht ganz klar ist, muss sich allerlei Fragen gefallen lassen...

Mit Hulda Gold hat Anne Stern eine sympatische Hauptfigur geschaffen, die aufgeschlossen und neugierig durch die Stadt geht und mit viel Mitgefühl "ihren" werdenden Müttern begegnet. Anna Thalbach gibt in diesem Hörbuch nicht nur Hulda eine Stimme, sondern zeigt ihre ganze Bandbreite von burschikosen "Straßen-Berlinerisch" bis hin zur angeblich feinen Gesellschaft. Mit ihrer Interpretation schafft sie es, Kopfkino des historischen Berlins der 1020-er Jahre zu erzeugen.

Weltwirtschaftskrise und Inflation, Armut und Arbeitslosigkeit, wachsender Nationalismus und Antisemitismus prägen auch den Berliner Alltag. Und auch wenn Hulda selbst ihre jüdische Herkunft nicht zum Thema machen will, erkennt sie zunehmend, dass ihr Name und ihr Aussehen bei manchen Menschen bereits auslösen, Hass auszulösen. Wie nahe Gewalt und antisemitischer Hass auch im Jahr 1923 schon sind, muss Hulda eines Tages im Scheunenviertel erleben - und auch, wie gleichgültig viele Polizisten auf das Pogrom reagieren.

Auch die Beschränkungen, mit denen Frauen in dieser Zeit immer noch konfrontiert sind, macht die Autorin deutlich. Auch wenn Hulda in ihrem Beruf aufgeht - als Ärztin wäre sie sicherlich ebenso erfolgreich. Doch Frauen an den Universitäten - das ist noch immer mit zahlreichen Problemen und Hindernissen verbunden.

"Scheunenkinder" ist weniger ein Whodunit als ein historischer Roman mit "Kriminal-Elementen". Dabei überzeugt die Figur der Hulda als patente und aufgeschlossene junge Frau, die sich nicht mit den Umständen abfinden will, bei ihrem Privatleben allerdings manchmal den Durchblick zu verlieren droht.

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Veröffentlicht am 13.11.2020

Scjhwedenkrimi mit Längen

Tod eines Eisfischers
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Ich war gespannt auf Anna Ihrens "Tod eines Eisfischers", in dem es um einen grausamen Mord an Bord eines Forschungsschiffes geht. Der Expeditionsleiter wird ermordet in seiner Kajüte aufgefunden und ...

Ich war gespannt auf Anna Ihrens "Tod eines Eisfischers", in dem es um einen grausamen Mord an Bord eines Forschungsschiffes geht. Der Expeditionsleiter wird ermordet in seiner Kajüte aufgefunden und der ehemalige SEK-Beamte Dennis Wilhelmson, nunmehr Leiter der Polizei in dem kleinen Schärenort Smögen, nimmt die Ermittlungen auf.

Dabei hilft nicht gerade, dass das Schiff zur Fortsetzung der Expedition wieder auslaufen muss, um weiter nach Bergen und Spitzbergen aufzubrechen.. Zudem droht sich bei mehr als einem Beamten Berufliches und Privates in diesem Fall zu verbinden - eine Polizistin ist in Sorge um die auf dem Forschungsschiff arbeitende Tochter, gleich zwei Beamte sind höchst hingerissen von der Schwester des Mordopfersund Sandra Haraldson, Wilhelmsons engste Mitarbeiterin, muss mit ihrem wieder aufgetauchtem Ex klarkommen.

Das ist allerdings nicht das einzige, was hier verwickelt ist. Wie schon im ersten Band der Reihe gibt es eine zweite Erzählebene mit einem historischen Fall aus Kriegszeiten, der für die Lösung des Mordfalls nicht wirklich relevant ist. Und ebenso wie im ersten Band gibt es zahlreiche Nebengeschichten mit reichlich vorhandenen Freunden, Verwandten und Bekannten der Ermittler, die zwar teilweise amüsant-chaotisch sind, aber letztlich für ein erzählerisches Kuddelmuddel sorgen, zumal die Szenenwechsel sehr sprunghaft und nicht etwa durch Kapitel oder Markierungen abgegrenzt sind. Da wäre weniger mehr gewesen.

Einmal mehr schafft es die Autorin mit ihren Landschaftsschilderungen, ein Bild des diesmal winterlichen hohen Nordens zu zeichnen. Etwa die Beobachtung einer Eisbärin, die sich an eine Robbengruppe heranpirscht, aber auch die Schilderung einer russischen Enklave auf Spitzbergen, der Weg durch das Treibeis oder die Fahrt auf einem Motorschlitten. Gut fand ich auch, dass das Thema Klimawandel/Klimaveränderungen zumindest ansatzweise eingebracht wurde, wenn auch "Tod eines Eisfischers" eher in die Kategorie der unterhaltsamen als der gesellschaftskritischen Schwedenkrimis passt.

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