Ein Herzensbuch
LichtungenZärtlich und unendlich behutsam zeichnet Iris Wolff in „Lichtungen“ die Bande einer Freundschaft, die von den Jahreszeiten geformt wurde, aber noch die kältesten Winter überdauert hat. Lev und Kato kennen ...
Zärtlich und unendlich behutsam zeichnet Iris Wolff in „Lichtungen“ die Bande einer Freundschaft, die von den Jahreszeiten geformt wurde, aber noch die kältesten Winter überdauert hat. Lev und Kato kennen sich bereits seit ihrer Kindheit, gingen gemeinsam zur Schule. Sie ist ein Samstagskind, wie ihre Mutter sagte, neugierig und klug, doch in den Augen der anderen eine Außenseiterin. Kato hatte einen eigenen Zugang zur Welt, erfuhr sie mit ihren Sinnen, ihrer Fantasie, um dem Jetzt zu entfliehen, denn ihr Vater war Alkoholiker, ihre Mutter nicht mehr da; wann immer möglich, war sie bei Lev zu Hause, um dem Zorn des Vaters zu entfliehen. Lev hingegen ist still und pflichtbewusst, bedacht mit seinen Worten und Handlungen; ein Beobachter. Einer, der bleibt, der festhält an Erinnerungen. An Gefühlen. An drei Worten, die ein Anfang, ein Aufbruch sein können.
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Zunächst nur vage Pinselstriche, Schattenwurf auf weißem Papier, gibt Iris Wolff Lev und Kato und ihrer Umgebung immer mehr Tiefe, Konturen, Merkmale, die sie besonders machen - den suchenden, unsicheren Blick; lockig-glattes Haar; raue Gebirgszüge, karges Land. Beginnend in der Gegenwart, fernab ihrer beider Heimat, bewegt sich die Handlung der Vergangenheit entgegen, in die Maramuresch im Norden Rumäniens. Szenen eines Lebens ziehen vorbei: Grenzen verändern ihre Linienführung, aus einem Land wird ein anderes, aus einer Staatsform eine andere. Angst weicht Erleichterung, Krankheit wird zu Gesundheit, Menschen kommen, bleiben - und sie gehen, flüchten, träumen von einem besseren Leben, von Freiheit, von Geborgenheit. Welchen Sinn und Zweck haben Grenzen, haben Staatsangehörigkeit in diesen Zeiten?
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Es ist magisch, wie geschickt Iris Wolff die einzelnen Versatzstücke aufeinander aufbaut, mit dem Innen und Außen, der Dynamik zwischen Lev und Kato, ihrer Familie und ihrer Umwelt spielt, und vermeintliche Lücken in der Erzählung, sind sie für die handelnden Personen bereits bekannt, mit jedem Schritt der Vergangenheit entgegen schließt. Die Geschichte entwickelt so eine ganz besondere Dramaturgie, die ich bis dahin noch nicht in der Form erlebt habe: unaufgeregt und subtil, aber doch so kraftvoll, unterschwellig drängend, vorantreibend. Einfach richtig gut. Jeder Atemzug, jedes Wort ist poetisch, wärmend, legt sich wohltuend um Herz und Seele. Und dort behalte ich Lev und Kato, ihre Geschichte, diese zarte Flamme tiefer Freundschaft.