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Veröffentlicht am 26.10.2020

Nette Lektüre für Zwischendurch

Du wirst mein Herz verwüsten
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Wenn ich an dich denke, herrscht in mir Sommer.

Du wirst mein Herz verwüsten ist eine Sammlung von Textnachrichten, die die französische Autorin und Instagramerin Morgane Ortin auf ihrem Account @amours_solitaires ...

Wenn ich an dich denke, herrscht in mir Sommer.

Du wirst mein Herz verwüsten ist eine Sammlung von Textnachrichten, die die französische Autorin und Instagramerin Morgane Ortin auf ihrem Account @amours_solitaires zugesandt bekommen hat. Aus all diesen Textbausteinen hat sie die Geschichte zweier Menschen zusammengetragen, die sich finden, sich lieben und allen Beziehungsfragen gegenüberstehen. Gleichzeitig ist es ihr Appell an die Revolution der Liebe: mehr Ehrlichkeit und Offenheit, Kommunikation und Legitimität. Es ist ihr ein Anliegen, jedem Menschen und seiner Art zu leben und zu lieben, ohne Vorbehalte gegenüberzustehen, respektvoll zu sein.

Das Format des Buches hat mir sehr gefallen, da das Lesetempo durch die kurzen Absätze schnell ist und man dem Gesprächsverlauf einfach folgen kann. Jedoch finde ich die sprachliche Gestaltung der Textnachrichten nicht sehr realistisch, für ein solches Format viel zu hochsprachlich und formell. Auch die Liebesbekundungen sind phasenweise sehr übertrieben formuliert, kitschig und cringey, doch vereinzelt konnte ich mir auch rührende und herzliche Zitate markieren.

Insgesamt eine wirklich schöne Lektüre, die durchaus eine wichtige Message hat, jedoch auch ihre Schwächen hat.

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Veröffentlicht am 19.10.2020

Augen öffenend und packend

Hundert Augen
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Stell dir eine Welt vor, in der du durch die Augen eines Kuscheltiers das Leben eines anderen Menschen beobachten könntest…

Hundert Augen von Samanta Schweblin ist ein dystopischer Roman, der unsere vernetzte ...

Stell dir eine Welt vor, in der du durch die Augen eines Kuscheltiers das Leben eines anderen Menschen beobachten könntest…

Hundert Augen von Samanta Schweblin ist ein dystopischer Roman, der unsere vernetzte Gegenwart perfide überspitzt, aber erschreckend real in seiner Idee darstellt, und wachrüttelt.
Sie sind überall: Kentukis. Keine Haustiere oder Roboter, eher menschliches Bewusstsein in Gestalt eines Kuscheltiers. Sie sind mit Mikrofonen, Webcams und Rädern ausgestattet, und die ID für die Befehlsgewalt über das Tier kann von jedem Menschen auf der Welt gekauft werden. Der Besitzer des Kentukis selbst hat über seine Handlungen keinen Einfluss, nur die unbekannte Person mit den Steuertasten kann es lenken und leiten.
Der Roman besteht aus mehreren, in kurzen Kapiteln dargestellten, Sichtweisen: Da ist die zunächst liebenswerte Begegnung von Emilia aus Mexiko, die von ihrem Sohn die ID eines Kentukis in Dresden bekommen hat, und sich schnell mit der Besitzerin des kleinen Häschens anfreundet, eine tiefe Beziehung entwickelt. Oder von dem Halbwaisen, der durch sein Kentuki zum ersten Mal in Norwegen den Schnee sieht. Doch allmählich zeigt sich, dass der technische Fortschritt auch Nachteile hat, und die Waage zwischen persönlichem und öffentlichem Lebensbereich, Überwachung und Freiheit neigt sich bedrohlich.

Der kurzweilige, packende Schreibstil hat mir gut gefallen und die Brisanz und Aktualität des Themas optimal transportiert. Die Autorin hält sich nicht mit ausschweifenden Beschreibungen auf, sondern erzählt simpel und treffsicher die Geschichten der Besitzer und der Steuernden. Die kulturelle Vielfalt der Akteure „vor“ und „hinter“ den Kentukis macht den Roman lebendig und zeigt, dass der technische Fortschritt immer mehr überhandnimmt, jedem Menschen auf der ganzen Welt zugänglich ist. Die perfide Kontroverse, Gefallen am überwachen und überwacht werden zu finden, scheint weit hergeholt zu sein, und ist doch gegenwärtiger denn je. So überzeugt mich der Roman nicht nur mit seiner packenden Sprache, sondern vor allem mit seinem Fingerzeig auf unser Nutzungsverhalten sozialer und digitaler Medien.

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Veröffentlicht am 18.10.2020

Herzensbuch

Das Jahr ohne Worte
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Sich zu verlieben ist, als würde man Zirkusartisten dabei zusehen, wie sie durch die Luft wirbeln, sich drehen und rollen, immer mit dem Risiko, in den Tod zu stürzen (…).

In ihrem Debütroman Das Jahr ...

Sich zu verlieben ist, als würde man Zirkusartisten dabei zusehen, wie sie durch die Luft wirbeln, sich drehen und rollen, immer mit dem Risiko, in den Tod zu stürzen (…).

In ihrem Debütroman Das Jahr ohne Worte erzählt Syd Atlas eine ergreifende Liebesgeschichte, die sich genau so vor wenigen Jahren zugetragen hat. In einem Café im Prenzlauer Berg lernt Syd den Filmemacher Theo kennen. Er ist alleinstehend, charismatisch und sie weiß, dass sie diese Art von Liebe, die sie beide verbindet, vermutlich nur einmal erleben wird. Sie bekommen ein Kind, ziehen zusammen und alles scheint in ihrer kleinen Patchworkfamilie perfekt – bis Theo immer eine schwerwiegende Diagnose erhält: ALS [amyotrophe Lateralsklerose]. Von Tag zu Tag baut Theo ab, körperlich und emotional, doch Syd kämpft dafür, ihr gemeinsamen Glück bis zum letzten Tag aufrecht zu erhalten – bis sie eines Tages eine furchtbare Entdeckung macht.

Dieses Buch hat mich auf einer Achterbahn der Gefühle begleitet, ließ mich lachen und weinen, aus Ergriffenheit genauso wie vor Erschütterung. Mit einfachen Worten, kleinen lustigen Anekdoten und scheinbar nebensächlichen Bemerkungen hat Syd Atlas eine authentische, zutiefst emotionale Liebesgeschichte geschrieben, ungeschönt und ehrlich. Die Geschichte lebt von ihrer Zwanglosigkeit und Situationskomik, einem harmonischen Erzählfluss, ist emotions- und spannungsgeladen und umgibt den Leser von Beginn an wie eine herzliche Umarmung. Die Stärke und Zuversicht, mit der Syd und Theo mit der Diagnose umgehen, es den Kindern schonend beibringen, nie die Hoffnung aufgeben und dabei ganz sie selbst bleiben, hat mich beeindruckt und bewegt, ja geradezu bewundert. Durch meine Arbeit in der Neurologie konnte ich mich im Hinblick auf die medizinischen Aspekte und Perspektiven noch besser in die Protagonisten einfühlen – was es für mich zu einem ganz besonderen Herzensbuch macht, über das ich auch in Zukunft noch nachdenken werde.

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Veröffentlicht am 16.10.2020

Ein Meisterwerk

Zugvögel
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Man kann die Wirkung eines Lebens an dem messen, was es gibt und hinterlässt, aber man kann sie auch an dem messen, was es der Welt wegnimmt.

Zugvögel ist der Debütroman von Charlotte McConaghy, zu dem ...

Man kann die Wirkung eines Lebens an dem messen, was es gibt und hinterlässt, aber man kann sie auch an dem messen, was es der Welt wegnimmt.

Zugvögel ist der Debütroman von Charlotte McConaghy, zu dem sie von ihrer Passion zur Natur und Tierwelt sowie den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels inspiriert wurde; eine Ode an die wilden Geschöpfe dieser Erde und eine Geschichte über die Wege, die wir für die Menschen gehen, die wir lieben.
Von klein auf an war Franny wild und frei, zog die Natur und Vögel den Menschen vor, war beinahe selbst einer von ihnen; ein Zugvogel. Als die letzten Seeschwalben allmählich zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin ihnen zu folgen, und findet sich inmitten der ungewöhnlichen Crew der Sanghani, einem der letzten Fischerboote, wieder. Den Naturgewalten der weiten Meere ausgeliefert, sind nur die Vögel ihr Kompass und leiten sie, doch vor ihrer Vergangenheit kann Franny nicht fliehen. Auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit, ihren Ängsten und auf der Suche nach Erlösung wird ihre letzte Reise zum Überlebenskampf.

Mit einfühlsamen Worten und intensiven Gefühlen beschreibt die Autorin die tragische Geschichte der jungen Franny Stone. In verschiedenen Zeitebenen folgt man der jungen Frau, die früh ihre Eltern verloren hat und bei ihrer Großmutter in Australien aufwachsen musste. Auf der Suche nach ihrer Herkunft kehrt sie sich Jahre später zurück nach Irland um nach ihrer verschollenen Mutter zu suchen, und trifft dort auf den Ornithologen und Professor Niall Lynch, den sie kurz darauf heiratet; für ihn begibt sie sich schließlich auch auf die letzte Reise der Seeschwalben, mit einem klaren Ziel vor Augen. Die humorvolle Beschreibung der exzentrische Fischercrew bringt ein nie dagewesenes Licht in Frannys Zerrissenheit, und beschert der Geschichte ein abwechslungsreiches Erzähltempo. Zwischen den Zeilen, fast schon beiläufig, spricht die Autorin intensive Themen an; ohne plakativ zu wirken werden die Emotionen fühlbar, erwischen den Leser aus dem Hinterhalt. Für all den Schmerz, die Gefühle von Verlust, Vereinsamung, Hoffnung findet McConaghy die richtigen Worte zur rechten Zeit, und hat damit ein großartiges Buch geschaffen, das mich wirklich beeindruckt und meinen Erfahrungsschatz bereichert hat.

Vielen Dank an den Fischer-Verlag!

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Veröffentlicht am 12.10.2020

Schöne Fortsetzung

Hiding Hurricanes
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Zeig den Leuten, wer du wirklich bist. Niemand muss dich in- und auswendig kennen, um dich nicht leiden zu können, also kannst du genauso gut ehrlich und frei sein.

Hiding Hurricanes ist der dritte Band ...

Zeig den Leuten, wer du wirklich bist. Niemand muss dich in- und auswendig kennen, um dich nicht leiden zu können, also kannst du genauso gut ehrlich und frei sein.

Hiding Hurricanes ist der dritte Band der Fletcher-University-Reihe von Tami Fischer. Lenny James führt ein gefährliches Doppelleben: tagsüber unscheinbare Studentin, nachts verführerische Tänzerin. Um ihr Geheimnis zu wahren, gibt sie sich tagsüber unnahbar und trägt unförmige Kleidung, lässt niemanden an sich heran – besonders ihren besten Freund und heimlichen Schwarm Creed. Doch als dieser eines Abends in dem Nachtklub auftaucht, in dem sie arbeitet und einen privaten Tanz bei ihrem Alter Ego „Daisy“ bucht, bricht sie ihre Regeln, gibt sich dem Verlangen hin und küsst ihn. Vollkommen in ihren Bann gezogen, verliebt sich Creed in die geheimnisvolle Tänzerin und versucht, sie näher kennenzulernen – weiß er doch nicht, dass es sich bei „Daisy“ um seine beste Freundin handelt.

Ich stehe diesem Buch sehr zwiespältig gegenüber. Der Schreibstil von Tami ist wirklich wunderschön, sie beschreibt die Protagonisten herzlich und eingehend, sodass man sich gut in ihre Beweggründe, ihre Vergangenheit, ihre gegenwärtigen Aktionen einfühlen kann. Der Spannungsaufbau ist optimal gewählt, wenn auch ersichtlich, aber nichtsdestotrotz fesselnd und schafft bereits einen guten Übergang zum Folgeband. Doch leider zog sich die Handlung phasenweise arg in die Länge und manche Charaktere und ihre klischeehafte, aufreißerische Art zu sprechen und zu agieren nervten mich. Doch meine Kritikpunkte sollen keineswegs Tami angekreidet werden, merke ich doch, dass ich dem Genre entwachsen bin.
Insgesamt ein solider und packender New Adult-Roman und ein aufregender Ausflug zurück zur Fletcher University.

Herzlichen Dank an Droemer Knaur!

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