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Veröffentlicht am 07.08.2023

Herrliche Sommerempfehlung

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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In zwei, sich allmählich annähernden Zeitebenen erzählt Alena Schröder in ihrem neuen Roman "Bei euch ist es immer so unheimlich still" die Geschichte von Silvia und ihrer Mutter Evelyn. Nach all den Jahren ...

In zwei, sich allmählich annähernden Zeitebenen erzählt Alena Schröder in ihrem neuen Roman "Bei euch ist es immer so unheimlich still" die Geschichte von Silvia und ihrer Mutter Evelyn. Nach all den Jahren treffen sie im Sommer 1989 unverhofft wieder aufeinander, war der Kontakt zwischen Mutter und Tochter nach Silvias Flucht aus dem elterlichen Nest, das keines war, nur ein seidener Faden, der immer wieder zu reißen drohte. Seit dem Tod ihres Mannes Karl vor einigen Jahren war Evelyn alleine, hatte sein Verlust ihr den letzten Meter Boden unter den Füßen geraubt, nachdem sie bereits mit ihrem Ruhestand jene Zielstrebigkeit verloren hatte, die ihr so zu eigen war.
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Beginnend im Jahr Evelyns Hochzeit mit Karl 1940 entwirft Schröder aus verschiedenen Perspektiven, etwa der ihrer Schwägerin Betti oder eben jenem Gatten, ein eindrückliches, wie in Sepiafarben gehülltes Bild der Nachkriegszeit, beschreibt die Wege des Schicksals, die Evelyn ein Teil der Familie Borowski haben werden lassen; die Narben, die der Krieg bei Karl hinterließen und seine Beziehung zu seiner Schwester Betti nachhaltig veränderten; die Schwierigkeiten, mit denen Evelyn als Frau Doktor in einer patriarchalischen Welt umzugehen hat. Am meisten Schwierigkeiten bereitete ihr jedoch die Rolle als Mutter: Nachdem es einige Jahre dauerte, bis sie endlich schwanger war, fühlte sie sich als Mutter so hilflos wie noch nie in ihrem Leben – und entsprechend
distanziert war die Beziehung zu ihrer Tochter. Betti hingegen, ihre Tante und das
Enfant terrible der Familie, sollte für Silvia eine Vertrauensperson in den dunkelsten Stunden ihres jungen Lebens werden. Sie waren einander ähnlicher als Mutter und Tochter, schlugen über die Stränge, suchten die Grenzen, die Freiheit, waren ihrer Zeit weit voraus, doch das Schicksal hatte anderes im Sinn.
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Mitreißend und wärmend offenbart Schröder nach und nach Versatzstücke aus vergangenen Zeiten, aus Silvias Jugend und Kindheit, aus Evelyns Leben als Neigschmeckte, Mutter und Ehefrau, aus zwei unterschiedlichen Lebenswelten. Ihre Entwicklung, wie sie sich miteinander verändern, an der neuerlichen Verbundenheit wachsen, hat mich in Atem gehalten, konnte ich mich von Beginn an in ihrer beider Gedanken und Beweggründe einfühlen. Besonders Betti als handlungsweisende Nebenfigur ist mir auch sehr ans Herz gewachsen, sticht sie doch in der Prinzipientreue der elitären Borowskis heraus. Eine herrlich atmosphärische Geschichte und große Empfehlung!

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Veröffentlicht am 28.07.2023

Absolut mitreißend

Die Einladung
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Sie ist wie eines der Rehe in den Hamptons, von denen keiner weiß, wie sie auf ihr Grundstück gekommen sind; eine Wanze in einer scheinbar perfekten Welt, in der das Schicksal sie nicht vorgesehen hat; ...

Sie ist wie eines der Rehe in den Hamptons, von denen keiner weiß, wie sie auf ihr Grundstück gekommen sind; eine Wanze in einer scheinbar perfekten Welt, in der das Schicksal sie nicht vorgesehen hat; die Antiheldin, abhängig von Tabletten und der Güte ihrer Sugar Daddys. Emma Cline hat mit Alex eine Protagonistin geschaffen, die mir mit jeder Seite mehr ans Herz gewachsen ist. Dabei ist sie eigentlich diejenige, die für ihre Taten – Diebstahl, Betrug, Urkundenfälschung – belangt werden sollte. Es ist diese feine Beobachtungsgabe Clines, der klare Blick auf die Gesellschaft, die Reichen und Schönen, die im System zuoberst stehen, der eine so bittersüße Umkehr von Gut und Böse bewirkt und Alex ihrer Rolle als „Bad Girl“ entheben – teilweise zumindest. Sie bewegt sich auf einem schmalen Grat, aber sie sieht keinen anderen Weg, sind es ihre Obsession zu Simon und ihre Angst vor ihrem Ex-Freund Dom, die ihre Spirale der Verwüstung weiter vorantreiben.
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"Sie kannte Leute wie Jack, Kinder der Reichen oder Berühmten, deren Persönlichkeit verzerrt war durch eine falsche Realität. Kein Mensch reagierte jemals aufrichtig auf sie, kein Mensch gab ihnen sinnvolles soziales Feedback, also hatten sie nie ein vernünftiges Selbstbild kultiviert.“ (S. 201)
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Clines Stil besticht durch den szenenhaften, atmosphärischen Ton, ihre präzisen und demaskierenden Beschreibungen der Rich Kids und alten weißen Männer sowie die grandiose Charakterzeichnung ihrer Protagonistin Alex. Durch bewusst gesetzte blinde Flecken, etwa in Bezug zu Alex und ihre Vergangenheit, öffnet sie Räume, in denen die Geschichte wächst, diese und jene Wege nehmen kann, doch, egal welche Fantasien man spinnt, es bleibt dieses ungute Gefühl, eine Vorahnung, dass das nicht mehr lange gut gehen kann. Ein Roman, den man nicht mehr aus der Hand legen mag. Große Empfehlung!
Aus dem Englischen von Monika Baark

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Veröffentlicht am 25.07.2023

Leider nicht mein Buch

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Die Erinnerungen an ein Leben verändern sich im Laufe der Zeit, werden blasser, nehmen andere Gestalten an und manifestieren sich als diese Schatten im Gedächtnis, schreiben die Geschichte eines Lebens ...

Die Erinnerungen an ein Leben verändern sich im Laufe der Zeit, werden blasser, nehmen andere Gestalten an und manifestieren sich als diese Schatten im Gedächtnis, schreiben die Geschichte eines Lebens um. Doch letztlich ändert auch die Frage nach der Wahrhaftigkeit nichts mehr an dem Ist-Zustand, befindet die Protagonistin aus Doris Knechts neuem Roman „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“, hat sie schließlich ganz andere Probleme: Sie muss eine neue Wohnung finden. Und sie muss sich daran gewöhnen, alleine zu wohnen. Mit Hund. In lakonischen, anekdotenhaften Kapiteln erzählt Knecht aus der Perspektive ihrer Protagonistin von ihren gegenwärtigen Aufgaben, von den Dingen, die sie ein Leben lang begleiteten und solchen, die sie verloren hat, von Zeiten in ihrem Leben, die sie veränderten und prägten, etwa einem gewalttätigen Exfreund, einer Abtreibung, der Geburt ihrer Zwillinge. Dem ersten Moment in ihrem Leben, in dem sie sich gesehen und umsorgt fühlte. Und flugs fallen gelassen wurde, als sie ihre Aufgabe als Gebärmaschine erledigt hatte, nur noch Hülle war (vgl. S. 141). Es sind immer wieder diese Momente, Schlagwörter eines Lebens, die sie zu umfassenderen Betrachtungen des Lebens und der Gesellschaft, ihrem Wandel mit den Jahren veranlasst, etwa dem gesellschaftlichen Blick auf die Rolle der Frau oder das Familienleben, die Immobilienpreise und das Leben als paradoxes Konstrukt. Dabei hinterfragt sie aber auch immer wieder ihr eigenes Verhalten und das Bild, das sie anhand ihrer Erinnerungen und Wahrnehmung weiterträgt.
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„Möglicherweise tut man den Kindern etwas Gutes, wenn man ihnen eine Rückkehr ins Kindersein, in den Mutterschoß so schwer wie möglich macht, vielleicht werden sie nur so erwachsen.“ (S. 23)
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Das klingt alles ja eigentlich ziemlich fein. Naja, ihr merkt schon, was ich damit sagen möchte. Wirklich übergesprungen ist der Funke nicht, ein bisschen warm wurde mir schon, aber das war es auch. Ich mochte den bilderbuchartigen Aufbau und die Interaktion zwischen der Protagonistin und ihren Kindern, den leicht ironischen Ton sehr, fand mich auch das ein oder andere Mal in Mila und Max wieder (und entschuldigte mich gedanklich bestimmt mehr als einmal bei meinen Eltern für alles, was sie mit mir ertragen mussten). Und: die Reflexion eines Lebens, die melancholischen Gedanken, die bestimmte Gegenstände, sei es der Tisch Modell Ingo oder die Sonnenbrille aus dem Urlaub, auslösen, die Geschichten und Erinnerungen, die daran hängen. Könnte mich den ganzen Tag lang nur in solchen Gedanken verlaufen, das macht ein ganz wohliges Kribbeln unter der Haut. Aber: die Protagonistin hat mich unendlich genervt. Ich verstehe ja, dass sie vor großen Veränderungen steht, dass das aufregend ist und auch und vor allem finanzielle Schwierigkeiten mit sich bringt, aber es ändert auch nichts daran, wenn sie sich alle paar Seiten immer wieder darüber beklagt – zumal sie aber auch drei Immobilien besitzt, hä. Darüber hinaus hat für mich der Spannungsbogen gefehlt, plätschert die Geschichte so mehr oder weniger monoton vor sich hin, bis – das sollte kein Spoiler sein – die Kinder aus dem Haus, der Hund im Körbchen, die alte Wohnung verlassen ist. Einige Gedanken habe ich wirklich gerne weitergesponnen, auf mein Leben übertragen und in Frage gestellt, doch viel mehr konnte mir das Buch leider nicht geben. Schade!

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Veröffentlicht am 16.06.2023

Zwiegespaltenes Highlight

22 Bahnen
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Tilda hat es sich zur Gewohnheit gemacht, Menschen anhand der Dinge, die sie aufs Kassenband legen, zu erraten. Bei mir wären das wohl Brokkoli, Vly-Joghurt, Bananen, vegane Chickenchunks. Und Schokolade, ...

Tilda hat es sich zur Gewohnheit gemacht, Menschen anhand der Dinge, die sie aufs Kassenband legen, zu erraten. Bei mir wären das wohl Brokkoli, Vly-Joghurt, Bananen, vegane Chickenchunks. Und Schokolade, ganz sicher. Ich könnte Stunden im Supermarkt verbringen, im Urlaub immer der erste Suchbegriff bei Google Maps, und entsprechend groß war mein Lächeln, als ich die ersten Seiten von „22 Bahnen“, dem Debütroman von Caroline Wahl, las. Doch die Leichtigkeit wurde bald von Beklemmung abgelöst, dem Blick hinter die Fassade. Eindrücklich beschreibt die Autorin die familiären Umstände, die Tilda zu kitten versucht: die Krankheit ihrer Mutter, die Ungewissheit und Armut, die Gewalt – und wie sie zugunsten ihrer Schwester zurücksteckt. Tilda ist selbstlos, verantwortungsbewusst, liebevoll im Umgang mit Ida, tut alles, im ihr ein sicheres Leben zu ermöglichen. Und wenn es das Geld zulässt, Miracoli statt Gut & Günstig zu kaufen.
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Doch während Ida ihre Schwester und ihre Bilder hat, hat Tilda niemanden. Früher, da gab es Marlene. Sie waren beste Freundinnen, doch die Zeit und ihre unterschiedlichen Lebensrealitäten hatten sie entzweit. Da ist nur die Vergangenheit, die sie verbindet: wie sie nebeneinander auf dem Feld lagen in diesem letzten Sommer, über die Zukunft nachdachten, wie sie sich an der Hand hielten während der Beerdigung von Ivan, ihrem Freund, gemeinsam lachten und weinten. Marlene war eine Zuflucht für sie, damals, als es Ida noch nicht gab; jeden Tag saß sie bei ihrer Familie am Abendbrottisch, um nur nicht Zuhause zu sein. Eine Nacht vergessen, die Angst, die Aggressionen, nur sie selbst sein - sie kann, darf nicht mehr vor ihrem eigentlichen Zuhause flüchten. Mit Ida hatte sie wieder einen Anker, wieder eine Familie, um die sie sich kümmern musste, damit sie nicht weiter zerbrach.
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Bis dahin war es eine Heldinnengeschichte, der Weg zur Selbstermächtigung zweier Schwestern - und mein Herz war voll. Doch als Viktor kam, war es, als hätte jemand den Stöpsel im Schwimmbecken gezogen. Ich hab's nicht mehr gefühlt. Die Dynamiken veränderten sich, alles wirkte überhastet und aufgesetzt, zu konstruiert; ich war ernüchtert, denn Viktor hätte es nicht gebraucht. Entsprechend genervt war ich von der zweiten Hälfte, dem Hin und Her zwischen Tilda und Viktor, dem vermeintlichen Freiheitsschlag. Einzig Idas Entwicklung hat mich ungemein gefreut: Sie wächst, wird selbstbewusster, kommt aus sich heraus - und stellt sich auch dem Monster, der Mutter, mit klaren Worten gegenüber. Aber ja, das war's leider auch.
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Denken wir uns den zweiten Teil einmal weg, hätte "22 Bahnen" eines meiner liebsten Bücher dieses Frühjahrs werden können. Ich mochte die dynamische, mit unterschiedlichen Stilen spielende Sprache sehr, die gleichermaßen leicht wie schwermütig daherkommt, und der Geschichte an den richtigen Stellen Licht und Schatten gibt. Und: die Thematik. Tilda und Ida sind bei weitem das wunderbarste Geschwisterpaar, das mir seit langem in der Literatur begegnet ist, da ist mir wirklich das Herz aufgegangen. Insbesondere Tilda hat mir sehr imponiert in ihrem Auftreten gegenüber der Mutter, ihrer Selbstlosigkeit und Fürsorge. Ach puh. Und ich meine, natürlich wünsche ich ihr ein Happy End, einen Ritter in goldener Rüstung, der sie aus dem Schloss rettet und in den Sonnenuntergang reitet oder zum Schwimmbad, was weiß ich, aber ach, lassen wir das. Das war nicht der richtige Moment dafür, weder in der Geschichte noch für mich, als ich die Torstraße entlangstolpernd das Buch las. Aber alles davor: total gefühlt, sehr gemocht. Freue mich auf mehr, Caro!

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Veröffentlicht am 06.05.2023

Jahreshighlight

Malibu Rising
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„Familiengeschichten sind im Grunde auch nur Geschichten. Mythen, die wir über unsere Vorfahren erzählen, um eine Erklärung dafür zu finden, warum wir sind, wie wir sind.“ (S. 35)

Malibu, 1983. Wenn Nina ...

„Familiengeschichten sind im Grunde auch nur Geschichten. Mythen, die wir über unsere Vorfahren erzählen, um eine Erklärung dafür zu finden, warum wir sind, wie wir sind.“ (S. 35)

Malibu, 1983. Wenn Nina sich konzentrierte, konnte sie hören, wie das Meer an den Klippen bricht; der Soundtrack ihres Lebens. Sie hatte immer davon geträumt, am Meer zu wohnen, in einem Bungalow, der auf Stelzen über dem Meer schwebte – wie in ihrer Kindheit. Aber Brandon hatte eine Villa auf der Klippe gewollt. Glas und Beton, seelenlos. Und nun war weg, der Verräter: Er hatte sie verlassen für Carrie Soto, den Up-and-Coming-Star der WTA. Am liebsten würde sie im Bett bleiben, die Augen wieder schließen und sich dem Rauschen der Wellen hingeben, einfach niemanden mehr sehen, aber: heute ist die Nacht der Nächte, die jährliche Sommerparty der berühmten Riva Geschwister. Die Party ist DAS Event des Jahres. Von Jahr zu Jahr wird sie immer größer und man bildete sich etwas darauf ein, sagen zu können, dass man dabei gewesen war. Nina möchte ihre Freunde nicht enttäuschen – und sie möchte stark sein, auch wenn in ihr alles zerbrochen ist. Doch nicht nur Nina leidet unter der Trennung von ihrem Mann, auch ihre Geschwister tragen Geheimnisse mit sich, die ihnen jegliche Vorfreude auf die Party nehmen. Und was sie alle noch nicht wissen: Es wird eine Nacht, die sie niemals vergessen werden, und nichts wird jemals wieder so sein, wie es war.

Ein warmer Schauer lief mir über die Arme, als ich das Buch zuklappte; die letzten Strahlen der Sonne Kaliforniens tanzten noch vor meinen Augen, im Ohr die sanften Bässe der Musik, Gläserklirren. Unsanft falle ich zurück in die Realität, draußen regnet es, die Waschmaschine läuft. Aber in meinem Herz, da ist Sommer. Und auch ein bisschen Wehmut, denn mit „Malibu Rising“ endet meine Reise mit Taylor Jenkins Reid und den

fabulousfour in das Amerika der 70er und 80er Jahre.

Im Mittelpunkt von "Malibu Rising" steht Nina Riva, die als Model und Surferin bekannt geworden ist - und zuletzt als Exfrau von Brandon Randall. Sie ist bekannt für ihre liebevolle, gütige Art, es jedem immer recht machen zu wollen und dabei ihre eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen; nie sagte sie nein, und ihren kleinen Bruder Hud machte es traurig, "dass Nina sich verlor, weil sie die Bedürfnisse anderer immer wichtiger nahm als ihre eigenen.“ (S. 135) Schon früh musste Nina Verantwortung für sich und ihre drei Geschwister übernehmen: Erst, als ihr Vater sie verließ und ihre Mutter unter der Trennung brach, und schließlich, als sie Halbwaisen waren. Nina brach die Schule ab, um zu arbeiten, um sich und ihre Geschwister, die nun ihre einzige Familie waren, über Wasser zu halten; Müdigkeit und Erschöpfung wurden ihre täglichen Begleiter, doch sie kämpfte sich durch. Es ist ihre Vergangenheit, die Geschichte ihrer Familie, die Nina zu dem Menschen machte, der sie gegenwärtig ist, zu dem ihre Geschwister aufsehen; große Schwester, Anker, Retterin.

Die Geschichte folgt zwei chronologischen Zeitsträngen, springt zwischen dem Tag der Party, von Sonnenaufgang bis Mitternacht, und der Zeit davor, der Riva-Familiengeschichte: vom Kennenlernen von June und Mick über die Geburt ihrer Kinder bis hin zu dem Tag, an dem die Party des Jahres erstmals stattfinden sollte. Gegenwärtig beschreibt TJR einfühlsam und intensiv jeweils aus der Perspektiven der Geschwister, welche Sorgen und Probleme sie beschäftigen und welche Geheimnisse sie voreinander haben. Dabei gibt sie sowohl Hud und Jay als auch Kit und Nina eine ganz eigene Stimme, schafft Ecken und Kanten, die sie so besonders machen, macht sie ungemein nahbar. Ich habe sie alle sofort ins Herz geschlossen, konnte ihre Gedanken nachvollziehen und die Konsequenzen, die sie auf ihr derzeitiges Leben hätten, und doch ist es Nina, der ich mich so nah fühlte, konnte ich mich mit ihr am besten identifizieren, ihrer Selbstlosigkeit, immer zurückzustecken, solange es für alle anderen fein ist. Doch ihre Stärke und ihr Durchhaltevermögen, die hätte ich gerne. Nina, meine Heldin.

Der Countdown läuft. Die Musik wird lauter, Drinks werden verschüttet, die Luft flimmert; immer schneller wechseln die Szenen, kurze Eindrücke der Partypeople, denen der Alkohol und die Hitze zu Kopf gestiegen ist. Auch mein Herz schlägt schneller, eine unliebsame Überraschung folgt der nächsten, Geheimnisse kommen ans Licht, meine Finger kribbeln auf den Seiten. Und eigentlich möchte ich nicht, dass der Abend, dass dieses Buch zuende geht. Aber alles Gute hat ein Ende - und manchmal ist ein Ende auch ein Neuanfang...

"Malibu Rising" hat mich vollends begeistert, die Dynamiken zwischen den Charakteren, die Dramatik, die von Beginn an in der Luft liegt, der Vibe der 70er Jahre, der mich sehr an die Essays von Joan Didion erinnerte, die leichte, mitreißende Sprache - und nicht zuletzt die Feinheit, mit der TJR alle vier Welten der

fabulousfour miteinander verbindet. Vier starke Frauen, vier Heldinnen ihrer Zeit - und ein Jahreshighlight!

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