Profilbild von franzosenleser

franzosenleser

Lesejury-Mitglied
offline

franzosenleser ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit franzosenleser über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.08.2023

Erschrend, wie aktuell das Buch ist

Kleiner Mann – was nun?
0

Das Buch erschien erstmals 1932 und wurde damals stark gekürzt um nicht mit den extrem wachsenden nationalsozialistischen Ideen zu kollidieren. Diese Ausgabe ist die ursprüngliche, ungekürzte Originalausgabe, ...

Das Buch erschien erstmals 1932 und wurde damals stark gekürzt um nicht mit den extrem wachsenden nationalsozialistischen Ideen zu kollidieren. Diese Ausgabe ist die ursprüngliche, ungekürzte Originalausgabe, die erstmals verfügbar ist.

Die Geschichte führt uns in die Weimarer Republik, eine Zeit des politischen Umbruchs und wirtschaftlichen Niedergangs. Wir begleiten das junge Paar Johannes und Emma (Lämmchen) durch Höhen und Tiefen des Lebens. Johannes, ein einfacher kleiner Mann, kämpft darum, seine Familie durchzubringen, während Emma ihn liebevoll unterstützt. Die beiden stehen vor den Herausforderungen einer Wirtschaftskrise, von Armut und sozialer Ungerechtigkeit, die nicht nur ihre Liebe, sondern auch ihren Lebensmut auf eine harte Probe stellen.

Fallada zeichnet ein lebendiges Bild der damaligen Zeit, das auch heute noch – oder wieder – schockierend aktuell ist. Der Autor fängt die Stimmung der Gesellschaft während der Weltwirtschaftskrise meisterhaft ein und zeigt die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit vieler Menschen, die ihre Existenzgrundlage verloren haben. Die wirtschaftlichen und sozialen Probleme jener Zeit scheinen auf erschreckende Weise in der heutigen gesellschaftlichen Situation widerzuspiegeln.

Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet und so realistisch, dass man meint, sie persönlich zu kennen. Johannes‘ innere Kämpfe, seine Selbstzweifel und seine Sehnsucht nach einem besseren Leben berührten mich zutiefst. Emma, die treue und starke Frau an seiner Seite, verkörpert den Glauben an eine bessere Zukunft und gibt ihm Halt. Ihre Liebe zueinander wird zur Quelle der Hoffnung inmitten einer Welt voller Entbehrungen.

Doch Fallada wäre nicht Fallada, würde er uns nicht auch die Schattenseiten der menschlichen Natur vor Augen führen. Die Grausamkeit und Gleichgültigkeit, mit der die Gesellschaft die Armen und Schwachen behandelt, ist entsetzlich und das drückt auf die Seele. Die Machenschaften derer, die von der Not anderer profitieren, sind erschreckend aktuell und erinnern uns daran, dass wir auch heute mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben.

Herausragend ist Falladas Fähigkeit, die Sprache der einfachen Menschen einzufangen. Seine klare, einfache und dennoch eindrucksvolle Prosa vermittelt die Emotionen und Gedanken der Charaktere auf höchst unmittelbare Weise. Man kann die Verzweiflung und den Schmerz, aber auch die kleinen Freuden und Hoffnungen der Figuren förmlich spüren und mitfühlen.
Der Roman ist nicht nur ein beeindruckendes literarisches Werk, sondern auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Realität. Die Themen Armut, soziale Ungerechtigkeit und das Streben nach einem besseren Leben sind zeitlos und betreffen auch heute noch viele Menschen. Das Buch regt zum Nachdenken an und sollte uns daran erinnern, dass wir als Gesellschaft eine Verantwortung gegenüber den Schwachen und Bedürftigen haben.

Abschließend kann ich nur sagen, dass »Kleiner Mann – was nun?« von Hans Fallada ein Roman ist, den man nicht so schnell vergessen wird. Er berührt Herz und Seele gleichermaßen und öffnet unsere Augen für gesellschaftliche Missstände. Ich kann dieses Buch jedem empfehlen, der nach einer tiefgründigen und bewegenden Lektüre sucht, die auch nach zuklappen des Buchs noch sehr lange nachklingt. Ein literarisches Meisterwerk, das auch im 21. Jahrhundert seine volle Wirkung entfaltet.

Veröffentlicht am 31.08.2023

Packende Schreibkunst, die einerseits präzise und andererseits leichtfüßig ist

Der Himmel muss warten
0

Maria Parker ist des Lebens überdrüssig, sie möchte sterben. Und das ist gar nicht so leicht, wie sie festgestellt hat. Auch von ihrem Arzt kann sie keine Hilfe erwarten. Doch der schlägt ihr einen Deal ...

Maria Parker ist des Lebens überdrüssig, sie möchte sterben. Und das ist gar nicht so leicht, wie sie festgestellt hat. Auch von ihrem Arzt kann sie keine Hilfe erwarten. Doch der schlägt ihr einen Deal vor:

»Gehen Sie in diese Reha, bleiben Sie die vier Wochen dort. Und wenn Sie wiederkommen, gewinnen Sie mich dafür, Sie beim Suizid zu begleiten.«
Der Himmel muss warten Seite 12

Na gut das ist nicht nur ein Deal, der Dialog geht weiter, als Maria ihn fragt:

»Anderenfalls?«
»Soforteinweisung und Medikamententherapie wegen akuter Selbstgefährdung.«
Der Himmel muss warten Seite 12

Maria sieht ein, dass sie nicht ablehnen kann und erkennt die Chance. In der Klinik gibt es doch bestimmt Menschen, denen es genauso geht …

Der Anfang des Romans ist ironisch, witzig, fast in einem sarkastischen Ton erzählt. Das zieht einen rein. Und langsam, ganz langsam, ohne dass sich die Sprache spürbar ändert, wandelt sich der Ton, wurde gefühlvoll, manchmal fast zärtlich und teils schwer.

Tot. Für 72 Stunden legte sich die Glocke aus stummen Schreien schwer über die Klinik.
Der Himmel muss warten Seite 48

Nachvollziehbar zeigt die Autorin die Vielschichtigkeit eines Klinikaufenthaltes. Von dem Auf und Ab der Emotionen war ich gefangen, als sie mich mit ihrer treffenden Wortwahl durch Traurigkeit, Hoffnung, Freude, Ausweglosigkeit, Einsamkeit und dem Gefühl des Verstandenseins führte. Widersprüchliche Empfindungen, eine Achterbahn der Gefühle, die Sandra Reichert kunstvoll in Szene setzt.

Im Verlauf der Erzählung begegnen wir verschiedenen Charakteren. Allen voran der 17-jährige Jan, der nur noch kurz zu leben hat (aber warum ist er hier? Wir erfahren es zu gegebener Zeit). Eine Verbindung von besonderer Tiefe entdecken wir zudem zwischen Holger & Hakan und dann ist da noch Alex, dessen Schicksal mich ins Grübeln brachte, ob es wirklich diesen Platz in der Geschichte haben musste – ich finde im Nachhinein: Auf jeden Fall. Nicht zu vergessen, Julia. Sie wird uns als eine Seele beschrieben, die am eigenen Schicksal zerbricht. Dr. Grün ist der Chefarzt der Klinik – ein Mann, von dem ich mir wünschte, ihm in meinem eigenen Leben als Psychiater getroffen zu haben.

Die facettenreichen Begegnungen mit Therapeuten, Sekretärinnen und Mitpatienten führten mich tief in die menschliche Psyche und ließen mich in die Höhen und Tiefen des Klinikalltags eintauchen. Die Figuren sind in wunderbar lebendiger Art und Weise gezeichnet und ließen mich nicht mehr los. Es ist schier unmöglich, sich ihnen zu entziehen, zu starke Emotionen riefen sie in mir hervor. Doch je nach der eigenen Seelenlage kann dies ganz unterschiedliche Empfindungen auslösen.
Sandra Reichert präsentiert eine packende Schreibkunst, die einerseits präzise und andererseits leichtfüßig ist, ohne dabei jedoch die emotionalen Aspekte zu vernachlässigen. Mit ihren Worten vermag sie die tiefen Gedanken und Gefühle von Maria auf eine so authentische Weise einzufangen, dass man unweigerlich an Marias Entwicklung teilhat. Dabei bleibt die Autorin stets objektiv und vermeidet jeglichen Überschwang an Emotionalität oder ein zu mitleidiges Klangbild.

Der Erzählstil beginnt mit einer Prise Ironie und charmantem Witz, doch mit zunehmender Handlung wird er ernster und gewinnt an Hoffnung. Was anfangs von Todeswünschen dominiert wurde, verwandelt sich am Ende in einen starken Lebenswillen. Inmitten all der Schwere und Dramatik wird dieses Buch somit zu einer Hommage ans Leben: Genieße es, du hast nur das Eine!

Ihr ahnt es bestimmt schon: Ich gebe eine klare Leseempfehlung für dieses Buch ab.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 31.08.2023

Ein absolutes Muss für alle, die das Potenzial von Instagram voll ausschöpfen möchten

Instagram-Marketing für Unternehmen
0

Mit »Instagram-Marketing für Unternehmen« liefert Kristina Kobilke einen umfassenden Leitfaden für Unternehmen, die das Potenzial dieser beliebten Social-Media-Plattform nutzen möchten. Mit ihrem präzisen ...

Mit »Instagram-Marketing für Unternehmen« liefert Kristina Kobilke einen umfassenden Leitfaden für Unternehmen, die das Potenzial dieser beliebten Social-Media-Plattform nutzen möchten. Mit ihrem präzisen und informativen Schreibstil gelingt es Kobilke, komplexe Informationen gut verständlich für Leser jeder Erfahrungsstufe aufzubereiten.
Das Buch ist klar strukturiert, was die Lektüre angenehm und leicht verständlich macht. Sie beginnt mit einer Einführung in die Grundlagen des Instagram-Marketings und erklärt die verschiedenen Funktionen und Möglichkeiten, die Unternehmen nutzen können, um ihre Zielgruppe anzusprechen und ihre Marke und Produkte zu stärken. Sie geht dabei nicht nur auf die technischen Aspekte ein, sondern gibt auch wertvolle Tipps zur Entwicklung einer effektiven Content-Strategie, indem sie aktuelle Beispiele präsentiert.
Die Autorin beleuchtet auch die neuesten Trends und Entwicklungen im Bereich des Instagram-Marketings und bietet den Lesenden somit einen echten Mehrwert. Ihre Fähigkeit, komplexe Konzepte verständlich zu erklären und mit anschaulichen Beispielen zu veranschaulichen, macht das Buch zu einer wichtigen Hilfe für alle, die ihren Instagram-Auftritt optimieren möchten.
Darüber hinaus zeichnet sich das Buch durch eine Fülle von Hintergrundinformationen und Fallstudien aus, die den Lesenden einen umfassenden Einblick und ein tiefgehendes Verständnis für das Thema vermitteln. Sie schafft es, Theorie mit praktischer Anwendung zu verbinden, was das Buch sowohl für Anfänger als auch für erfahrene Marketer wertvoll macht. Ihre sachliche und zugleich interessante Art des Schreibens weckt das Interesse der Lesenden und macht das Buch zu einem echten Page-Turner. Dabei geht sie auf alle wichtigen Aspekte von Instagram-Marketing ein, angefangen bei der Erstellung eines ansprechenden Profils über die Nutzung von Hashtags bis hin zum Aufbau einer Community und dem Einsatz von Werbeanzeigen.

Besonders nützlich sind die vielen Tipps und Tricks, die das Buch bietet. Diese stammen vor allem aus der Erfahrung der Autorin als Social Media Managerin. So gibt sie beispielsweise konkrete Empfehlungen zur optimalen Posting-Frequenz oder zeigt auf, wie man durch gezieltes Storytelling eine emotionale Bindung zu seinen Followern aufbauen kann.

Fazit:
Insgesamt ist “Instagram Marketing” ein absolutes Muss für alle, die das Potenzial von Instagram voll ausschöpfen möchten. Das Buch bietet nicht nur wertvolles Wissen, sondern auch Inspiration und Motivation für den eigenen Instagram-Auftritt – unabhängig davon, ob man gerade erst anfängt oder bereits fortgeschritten ist. Deshalb eine fette Leseempfehlung von mir für alle, die mit ihrem Instagram-Auftritt mehr Menschen erreichen möchten.

Veröffentlicht am 31.08.2023

Eine wertvolle Ressource für jeden Internetnutzer

Die Kunst der Anonymität im Internet
0

Ich habe in letzter Zeit einige Bücher rund um Internet-Themen gelesen, die ich für empfehlenswert halte, so auch dieses, was ich deshalb gerne vorstellen möchte. Aber keine Angst mein Interesse gilt weiterhin ...

Ich habe in letzter Zeit einige Bücher rund um Internet-Themen gelesen, die ich für empfehlenswert halte, so auch dieses, was ich deshalb gerne vorstellen möchte. Aber keine Angst mein Interesse gilt weiterhin in erster Linie Romanen.

Kevin D. Mitnick, ein weltweit renommierter Experte für Cybersecurity und ehemaliger Hacker, präsentiert in seinem Sachbuch »Die Kunst der Anonymität im Internet« eine gründliche und umfassende Untersuchung der digitalen Privatsphäre und des Schutzes persönlicher Daten in der Ära der Informationsgesellschaft.

Das Buch zeichnet sich durch eine gut strukturierte und leicht verständliche Darstellung aus, die es dem Leser ermöglicht, auch komplexe Themen der Cybersecurity nachzuvollziehen. Mitnick vermittelt sein fundiertes Fachwissen auf eine zugängliche Weise und spricht dabei sowohl technisch versierte Leser als auch Laien an, ohne dabei in technische Abgründe zu entgleiten.

Was man selbst wahrscheinlich längst weiß, aber immer wieder vergisst, zeigt der Autor auf eindringliche Weise: Er zeigt die Bedeutung der digitalen Anonymität und betont, wie wichtig es ist, unsere persönlichen Daten in der heutigen vernetzten Welt zu schützen. Er verdeutlicht die Gefahren und Risiken, denen wir im Internet ausgesetzt sind, sei es durch Datendiebstahl, Identitätsmissbrauch oder unerwünschte Überwachung.

Besonders lobenswert ist, dass der Autor nicht nur die teils erschreckenden Probleme des Online-Lebens aufzeigt, sondern auch konkrete Lösungsansätze präsentiert. Mitnick bietet eine Vielzahl von Strategien und Techniken, um die eigene digitale Identität zu schützen und sich anonym im Internet zu bewegen. Dabei legt er besonderen Wert auf einen ganzheitlichen Ansatz, der sowohl technische als auch verhaltensbasierte Maßnahmen umfasst.

Das #sachbuch ist durchgehend gut recherchiert und mit zahlreichen Beispielen sowie aktuellen Fallstudien angereichert, was dem Leser hilft, die vorgestellten Konzepte besser zu verstehen und in den realen Kontext einzuordnen. Man merkt auf jeder Seite, dass es ein echter Experte geschrieben hat. Doch der Schreibstil ist keineswegs technisch oder trocken, nein, das Buch ist durch passend eingestreute Anekdoten auch unterhaltsam und stellenweise richtig spannend.

Allerdings sollte erwähnt werden, dass die ständige Weiterentwicklung der Technologie dazu führt, dass einige der in diesem Buch genannten Tools und Techniken möglicherweise nicht mehr auf dem neuesten Stand sind. Eine kontinuierliche Aktualisierung des Inhalts wäre daher wünschenswert, um den Lesern aktuelle und wirksame Lösungen zu bieten.

Fazit:

Zusammenfassend ist »Die Kunst der Anonymität im Internet« von Kevin D. Mitnick ein empfehlenswertes Buch für alle, die sich für Datenschutz und Cybersecurity interessieren. Der Autor vermittelt nicht nur ein solides Verständnis für die Bedeutung der digitalen Privatsphäre, sondern bietet auch praktische und umsetzbare Maßnahmen, um die eigene Sicherheit im digitalen Raum zu erhöhen. Das Werk ist eine wertvolle Ressource für jeden, der sich in der schnelllebigen und komplexen Welt des Internets sicherer bewegen möchte.

Veröffentlicht am 31.08.2023

Eine außergewöhnliche literarische Geschichtsdarstellung

Ein ehrenhafter Abgang
0

»Ein ehrenhafter Abgang« ist kein Roman im klassischen Sinn, sondern eine Form von literarischer Geschichtsdarstellung und kommt ohne einen menschlichen Protagonisten aus. Ganz im Stil seiner vorherigen ...

»Ein ehrenhafter Abgang« ist kein Roman im klassischen Sinn, sondern eine Form von literarischer Geschichtsdarstellung und kommt ohne einen menschlichen Protagonisten aus. Ganz im Stil seiner vorherigen Werke hat sich Vuillard erneut ein Schlüsselereignis aus der Vergangenheit gegriffen und es mit beeindruckender Faktenfülle zu einem packenden literarischen Erlebnis verwoben. In seinem neuesten Werk widmet er sich dem Zusammenbruch der französischen Kolonialbesatzung in Indochina, in Vietnam.

Die Art wie Vuillard die Geschichte erzählt, ist außergewöhnlich: Eine Vielzahl vermeintlich isolierter Szenen – sei es auf Kautschukplantagen, auf dem Schlachtfeld oder im französischen Parlament – fügen sich am Ende harmonisch zu einem Gesamtbild der Vorkommnisse zusammen. Indem Vuillard die Geschichte aus der Sicht der Besatzer erzählt, gelingt es ihm, die Hintergründe und Ursachen dieser tragischen Ereignisse in ihrem komplexen Kontext zu beleuchten. Wir als Leserinnen und Leser werden Zeugen einer unvermeidlichen Niederlage der Besatzer. Dabei vermittelt Vuillard auf exzellente Weise, fast genüsslich, die Struktur des Niedergangs, der nach 10 Jahren Krieg mit dem Abzug der Franzosen endet. Die Kriegsgräuel werden das Land noch weitere 20 Jahre erschüttern und erst mit dem Abzug der Amerikaner enden.

Vuillards Erzählstil ist von einer eindrücklichen Intensität geprägt, die uns tief in die Gedankenwelt, die Hintergründe der Geschehnisse eintauchen lässt. Durch seine präzisen Beschreibungen von Orten, Menschen und Begebenheiten zeichnet er ein lebendiges Bild vor unseren Augen. So werden die Kautschukplantagen zu einem quälenden Symbol für die Ausbeutung und das Leid der Menschen, das Schlachtfeld zum Schauplatz verzweifelter Versuche der Besatzer, die schwindende Macht zu retten, das Parlament zum Schauplatz von politischem Geplänkel und strategischen Entscheidungen und die Vorstandssitzungen in der Banque de l’Indochine zum Synonym von menschenverachtendem, gierigen Kapitalismus.

Die Idee eines »ehrenhaften Abgangs« in dieser Geschichte scheint nahezu unerreichbar, auch wenn die Verantwortlichen diesen Begriff anders interpretierten. Ihre Absichten waren keineswegs von Moral geprägt, sondern von einem militärischen Sieg, bevor sie die Kolonie freigeben wollten. Vuillard demontiert den Mythos des »ehrenhaften Abgangs« mit eindringlicher Präzision und enthüllt stattdessen die schmerzhafte Realität dahinter.

Seine Sprache ist von einer knappen, aber eindringlichen Eleganz geprägt, die es ihm ermöglicht, sowohl die Fakten als auch die emotionale Tiefe der Ereignisse zu vermitteln. Ich würde sie als dicht, detailreich und faktengetrieben beschreiben. Vuillard zeichnet sich durch die außergewöhnliche Fähigkeit aus, historische Ereignisse in ihren kleinsten Nuancen zu erfassen und uns Leserinnen und Leser in die Atmosphäre und Stimmung jener Zeit eintauchen zu lassen.
Die präzise Wortwahl ermöglicht es, die komplexen Zusammenhänge der Geschichte klar und verständlich zu vermitteln. Man sollte sich jedoch in der französischen Geschichte des 20. Jahrhunderts gut auskennen oder bereit sein, den einen oder anderen Namen der französischen Finanzaristokratie zu googeln, was ich auch tat. Dann erschließt sich ein außergewöhnlich aufbereitetes Stück französischer Geschichte.

Fazit

»Ein ehrenhafter Abgang« von Éric Vuillard ist mit seiner historischen Akribie, der präzisen Sprache und der eindrucksvollen Atmosphäre zweifellos ein literarisches Meisterwerk, das Leserinnen und Leser mit seiner Tiefe, Genauigkeit und eindringlichen Darstellung in den Bann zieht. Das Buch bietet einen tiefen Einblick in die Epoche des ersten Vietnamkrieges und regt dazu an, über die Bedeutung und Lehren der Geschichte nachzudenken. Es ist eine Lektion über die Tragik der Verflechtung von Wirtschaftsinteressen und Kriegen und ein aufrüttelnder Aufruf, aus geschichtlichen Gegebenheiten zu lernen. Vuillard entfaltet ein beeindruckendes Panorama historischer Ereignisse und macht dabei deutlich, dass der Weg des Zerfalls oft von den Illusionen der Macht und wirtschaftlichem Egoismus gepflastert ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere