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Veröffentlicht am 23.08.2022

Klaras Leben

Die karierten Mädchen
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Die einundneunzigjährige blinde Klara lebt noch eigenständig in ihrem Haus. Sie beginnt, ihre Lebensgeschichte auf Kassetten zu sprechen. So wechselt die Zeitebene immer zwischen Gegenwart und Nazideutschland ...

Die einundneunzigjährige blinde Klara lebt noch eigenständig in ihrem Haus. Sie beginnt, ihre Lebensgeschichte auf Kassetten zu sprechen. So wechselt die Zeitebene immer zwischen Gegenwart und Nazideutschland hin und her.
Klara beginnt ihren Lebenslauf als Hauswirtschaftslehrerin in einem Heim für tuberkulosekranke Kinder, dessen Leitung sie bald übernehmen kann. 
Die Zeiten werden immer schwerer, und um das Heim und die ihr lieb gewordenen Kinder halten zu können, arrangiert sich Klara mit dem Naziregime. Das Buch erzählt vom Alltag der Leiterin, von den Schwierigkeiten und von den schönen Momenten. Vor allem erzählt es die Geschichte einer Frau, die sich anpasst und den Mund hält, egal wie schlimm es um sie herum zugeht. Ein paar Jahre lang versteckt sie ein jüdisches Mädchen, aber für den Leser bleibt sie trotzdem eine Mitläuferin wie so viele damals, die den bequemen Weg gegangen sind. Es bleibt eine gewisse Distanz zu dieser Protagonistin. Man fiebert nicht mit, man hat höchstens Achtung vor ihrer Arbeitsleistung. Es gibt auch eine Liebesgeschichte samt langjähriger Ehe, die jedoch das Herz des Lesers nicht sehr berührt. Sehr ärgerlich ist, dass das Buch ziemlich abrupt aufhört. Etwas eher hätte es einen Sinnabschnitt gegeben. Die weiteren Bände werde ich wohl nicht lesen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass andere Leser Klaras Leben interessanter finden, als ich es tue.

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Veröffentlicht am 22.08.2022

Frustfressen

Lügen über meine Mutter
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Daniela Dröscher hat einen ganzen Roman über ihre Mutter verfasst. Diese Frau hätte ich gerne kennengelernt, denn allem Anschein nach war sie eine liebenswerte und gütige Person. Dröschers Vater hat mit ...

Daniela Dröscher hat einen ganzen Roman über ihre Mutter verfasst. Diese Frau hätte ich gerne kennengelernt, denn allem Anschein nach war sie eine liebenswerte und gütige Person. Dröschers Vater hat mit ihr eine lebenslustige, wunderschöne Frau geheiratet, mit der er unbeschwerte erste Ehejahre verbracht hat. Mit der Entscheidung, in sein Elternhaus zu seinen Eltern zurückzuziehen, ändert sich alles.
Mutter kommt aus wohlhabendem Verhältnissen, ist trotz Kind berufstätig, eine gute Hausfrau und vor allem eine ausgezeichnete Köchin. Jetzt muss sie sich mit einer bösartigen Schwiegermutter und einem mit Minderwertigkeitskomplexen behafteten Ehemann arrangieren. Ihre Verzweiflung tötet sie mit tausenden Kalorien. Auf ihren immer üppiger werdenden Körper reagiert der Vater zunehmend gehässig.
Der Roman ist schwer auszuhalten. Natürlich hat man auch Mitleid mit der Autorin, deren Kindheit dermaßen von Streitigkeiten vergiftet war, aber in erster Linie leidet man mit der Mutter, die wie in einer Falle sitzt, aus der ihr auch die eigenen Eltern nicht heraushelfen.
Ich will das Ende nicht vorwegnehmen, aber die Geschichte ist von Anfang an bewegend, erst recht, weil sie eine wahre Geschichte ist.
Keine leichte Lektüre, aber eine lesenswerte.

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Veröffentlicht am 21.08.2022

Gifte und Geheimnisse

Die versteckte Apotheke
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Drei Erzählerinnen in zwei Zeitebenen führen durch diesen Roman.
Die im Verborgenen wirkende Giftmischerin Nella und ihre junge Bewunderin Eliza agieren im London des 18. Jahrhunderts. Nella hilft Frauen, ...

Drei Erzählerinnen in zwei Zeitebenen führen durch diesen Roman.
Die im Verborgenen wirkende Giftmischerin Nella und ihre junge Bewunderin Eliza agieren im London des 18. Jahrhunderts. Nella hilft Frauen, die durch Männer in Not geraten sind, auf unbürokratische Weise. Kein Mann überlebt! Aber bei einer Aktion läuft alles aus dem Ruder und den beiden Frauen droht der Galgen.
Caroline aus den USA kommt in das London der Gegenwart. Sie muss den Seitensprung ihres Ehemanns verkraften und ihr Leben, das sie immer nach den Wünschen anderer ausgerichtet hat, neu sortieren. Ein Fläschchen aus der Giftapotheke fällt ihr in die Hände. Sie begibt sich auf Spurensuche, die ihr auch hilft, ihre wahren Ziele zu erkennen.
Mir haben beide Erzählstränge gut gefallen. Mit Nella und Eliza erlebt der Leser einen spannenden historischen Kriminalfall, und Caroline ist ein gutes Beispiel, dass man seine Ziele nie aus den Augen verlieren sollte und man alles schaffen kann, wenn man nur will.
Die Geschichten werden gut und spannend erzählt. Vor allem der gewiefte Ehemann James bringt Pep in den Handlungsstrang der Gegenwart. Doch mir fehlt es in beiden Handlungsebenen noch etwas an Pep, deswegen gibt es (nur) gute 4 Lesesterne.

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Veröffentlicht am 21.08.2022

Schwere Kindheit

Liebe ist gewaltig
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Die Sprecherin der Hörbuchversion gelingt ein Kunststück: Sie schafft es, den Hörer mit der Lebensgeschichte einer zutiefst unsympathischen Frau zu faszinieren. Ihre Stimme gibt sowohl das Aufsässige, ...

Die Sprecherin der Hörbuchversion gelingt ein Kunststück: Sie schafft es, den Hörer mit der Lebensgeschichte einer zutiefst unsympathischen Frau zu faszinieren. Ihre Stimme gibt sowohl das Aufsässige, das Pampige, wie auch die Verletzlichkeit der Protagonistin Juli so authentisch wider, als würde sie sich persönlich an den Hörer wenden.
Juli wächst in gut situierten Verhältnissen auf. Doch die bürgerliche Fassade der Bilderbuchfamilie ist trügerisch. Hinter verschlossenen Türen spielen sich Szenen einer toxischen Ehe ab, bei der die vier Kinder nützliche Statisten sind und ihren Teil an der Gewalttätigkeit des Vaters abbekommen. Die Mutter ist nur bedingt eine seelische Stütze für die Kinder, von denen sich jedes anders entwickelt. Die beiden Älteren entziehen sich frühestmöglich dem elterlichen Einfluss, der sich dann umso stärker auf die beiden Jüngsten, Juli und Bruno, fokussiert, was sie umso stärker zusammen schweißt.
In allem müssen sie die Besten sein und werden dennoch trotz Spitzenleistungen gedemütigt und geschlagen. 
Juli wählt den Weg der Selbstverletzung in der Jugend, als Studentin ist sie eine hoch dotierte Gamerin und als junge Frau wird sie bürgerlich und verlobt sich mit einem erfolgreichen Manager. Doch egal, welche Rolle sie lebt, der Selbsthass begleitet sie. 
Bei allem Verständnis für die Narben der schrecklichen Kindheit, so bleibt sie dennoch ein gewalttätiger, unbeherrschter Mensch, auf den man sich nicht verlassen kann. Nur Bruno ist die verlässliche Konstante in ihrem Leben, ihn muss sie regelmäßig retten, vor allem aus finanziellen Notlagen.
Juli ist eine Frau, die man sich im normalen Leben am besten vom Leibe hält. Doch hier, verkörpert durch die Stimme von Inka Löwendorf, verfolgt man drei Jahrzehnte lang ihren Werdegang mit grosser Spannung.
"Liebe ist gewaltig" ist nicht für jeden Leser geeignet. Man sollte sich auf jeden Fall erst einmal mit der Lese- bzw. der Hörprobe mit dem Stil der Autorin vertraut machen. Mich hat das Buch sehr berührt und ich kann es weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 20.08.2022

Eine junge Frau spielt Detektiv

Fräulein vom Amt – Die Nachricht des Mörders
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1922 wurden Telefongespräche noch von Hand vermittelt. Alma Täuber ist so ein Fräulein vom Amt. Sie hört in ihrer Dienstzeit unfreiwillig ein Gespräch mit und kombiniert, dass es sich bei einer kürzlich ...

1922 wurden Telefongespräche noch von Hand vermittelt. Alma Täuber ist so ein Fräulein vom Amt. Sie hört in ihrer Dienstzeit unfreiwillig ein Gespräch mit und kombiniert, dass es sich bei einer kürzlich gefundenen Frauenleiche um einen Mordfall handeln muss. Als sie mit ihrem Wissen bei der Polizei aufkreuzt, nimmt sie nur der attraktive Kommissaranwärter Ludwig Schiller ernst. Sein Vorgesetzter dagegen will sich auf keine Ermittlung einlassen.
Also stürzt sich die naive Alma ins Nachtleben, um auf eigene Faust Ergebnisse zu erzielen. Stück für Stück setzt sie ein unglaubliches Mosaik an Indizien zusammen, dass ständig eine neue Beweislage zeigt, bis zu guter letzt der wahre Mörder dingfest gemacht werden kann.
Die spießige Stimmung in den Jahren vor dem 2. Weltkrieg ist wunderbar eingefangen worden:
Eine Vermieterin, die ihre Nase überall hineinsteckt und sich als Anstandswauwau betätigt, fehlt ebenso wenig wie die starre Hierarchie im Polizeiapparat.
Der Mordfall selbst ist schillernd, weil erst nach und nach herauskommt, wie komplex die Lage wirklich ist.
Vielleicht hätte es etwas weniger Liebesgeplänkel auch getan, aber insgesamt ist das Buch eine nette, unterhaltsame Lektüre, der im Januar eine Fortsetzung folgen soll.
Das Hörbuch wird von Dagmar Bittner gut vorgetragen.

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