Profilbild von frenx

frenx

Lesejury Star
offline

frenx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit frenx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.03.2019

Lebensrückblick eines Killers

Billy
0

„Billy“ ist eine Geschichte, die sich langsam, sehr langsam entwickelt. So richtig ist das, was der Schriftsteller mit dem Pseudonym „einzlkind“ hier präsentiert, auch keine Geschichte. Es ist vielmehr ...

„Billy“ ist eine Geschichte, die sich langsam, sehr langsam entwickelt. So richtig ist das, was der Schriftsteller mit dem Pseudonym „einzlkind“ hier präsentiert, auch keine Geschichte. Es ist vielmehr der Lebensrückblick eines Killers, der für Gerechtigkeit mordet. Billy ist nämlich in den USA unterwegs, auf dem Weg nach Las Vegas. Und auf dem Weg lässt er immer wieder sein Leben Revue passieren.

Nach dem frühen Tod seiner Eltern wächst Billy bei seinem Onkel in Schottland auf. Der bringt ihm nicht nur die Philosophie näher, sondern auch das Ausführen von Auftragsmorden. Allerdings – eine Marktlücke! – wird nur ermordet, wer es nach Meinung des Familienunternehmens auch verdient hat. Wohl deshalb entsteht ein festes Ritual, das Billy immer anwendet: das Opfer darf noch seine Lebensgeschichte erzählen und hat einen Liedwunsch frei.

So unterhaltsam die USA-Reise zum Teil auch erzählt ist, deutlich interessanter ist der Lebensbericht von Billy, der nach und nach präsentiert wird. Auch die Diskussionen um Schuld, Reue und Rache nehmen einen großen Platz in dem Buch ein. Selbst wenn sie hier und da zu sehr ins Komische abgleiten, greifen sie doch spannende Fragestellungen auf: Fühlt sich jemand schuldig, der für Gerechtigkeit sorgt? Was wird aus Selbstjustiz, wenn jemand anderes sie ausführt? Allerdings hat man beim Hören den Eindruck, dass sich inhaltlich hier doch vieles wiederholt.

Es ist tatsächlich kein Zug in der Geschichte, die Handlung plätschert vor sich hin, die Diskussionen wiederholen sich. Gut geschrieben ist das Buch aber allemal. Man lernt Billy kennen, kommt ins Grübeln über eine Gerechtigkeit jenseits des Rechts. „Billy“ ist sicherlich kein Hörbuch, das man gehört haben muss. Bereichernd ist es aber allemal.

Veröffentlicht am 06.03.2019

Abenteuerliche Reise auf dem Amazonas

Die Jangada
0

Eine Fahrt auf dem Amazonas. verbunden mit einer spannenden Geschichte um spätes Recht: darum geht es in Jules Vernes Abenteuer-Roman "Die Jangada".

Die Jangada ist das, was man auf dem Cover sieht: ein ...

Eine Fahrt auf dem Amazonas. verbunden mit einer spannenden Geschichte um spätes Recht: darum geht es in Jules Vernes Abenteuer-Roman "Die Jangada".

Die Jangada ist das, was man auf dem Cover sieht: ein dicht bebautes Schiff, ein kleines Dorf auf einem riesen Floß, das auf dem Amazonas unterwegs ist. Auf diesem Boot befindet sich Joam Garral, der Brautvater, mit seiner Familie und Angestellten. Denn die Hochzeit soll bei den Schwiegereltern in Belem gefeiert werden - was eine Reise von 800 Meilen auf dem Amazonas bedeutet.

Doch Joam Garral will vor der Hochzeit noch altes Unrecht aufheben lassen - was außer ihm aber niemand weiß. Zumindest so lange, bis ein mysteriöser Mann namens Torres, ein Waldläufer, auf die Reisegesellschaft trifft, der im Besitze eines Kryptogramms ist, das die Unschuld Garrals beweisen könnte.

Wer spannungsarme Reisebeschreibungen nicht mag, wird am ersten Teil des Buches keine große Freude finden. Hier herrschen Beschreibungen der Natur vor, es regieren die kleinen Abenteuer einer Flussfloßfahrt die Handlung. Nur manchmal blitzt der feine Humor von Jules Verne beim Beschreiben der Personen oder bei der Darstellung der Umgebung hervor.

Mit dem zweiten Teil des Buches beginnt dann der spannungsgeladenere Teil. Als Torres auf dem Floß mitfährt, kommt Bewegung in die illustre Reisegruppe. Nicht nur, dass aus der Hochzeit eine Doppelhochzeit wird, auch Joam Garral muss unter Beweis stellen, dass er ein Ehrenmann ist.

Die Art, wie Jules Verne hier erzählt, empfand ich als sehr angenehm. Man wird als Leser an die Hand genommen, ohne dass man das Gefühl hat, belehrt zu werden. Dabei hat mir sowohl die Beschreibung des Amazonas gut gefallen wie auch die sich entwickelnde Handlung. Dank Vernes detailreichen Beschreibungen hätte ich auf die abgedruckten Bilder gut verzichten können. Auch wenn der Erzählfluss etwas langsam ist (was auf jeden Fall der langsamen Fließgeschwindigkeit des Amazonas entspricht!) und etwa das Dechiffrieren des Kryptogramms sehr langatmig erzählt wird, habe ich an "Die Jangada" doch großen Gefallen gefunden. Jules Verne gelingt es, dass einem die Personen bald schon vertraut wirken und man sich mit ihnen freut, wenn sie die große Stadt schließlich erreichen.

Veröffentlicht am 24.02.2019

Heimat und Abschied

Fünf Tage im Mai
0

Die Tage im Mai sind es, die Illys Leben maßgeblich beeinflussen. Fünf Tage im Mai greift Autorin Elisabeth R. Hager heraus, um durchzubuchstabieren, was Heimat ist und wie Abschied gelingen kann.

Fünf ...

Die Tage im Mai sind es, die Illys Leben maßgeblich beeinflussen. Fünf Tage im Mai greift Autorin Elisabeth R. Hager heraus, um durchzubuchstabieren, was Heimat ist und wie Abschied gelingen kann.

Fünf Tage im Mai: Nicht fünf aufeinanderfolgende Tage, sondern fünf Maitage in ganz unterschiedlichen Jahren bilden den zeitlichen Rahmen des Romans von Elisabeth R. Hager. Die Handlung spannt sich zwischen den Jahren 1986 und 2004, also über einen Zeitraum von 18 Jahren.

Elisabeth R. Hager erzählt Ausschnitte aus dem Leben von Illy, die Episoden dazwischen lässt sie aus. Wo sie wichtig sind, kommen sie rückblickend zum Vorschein. Auch wenn man zwischendurch den Eindruck hat, dass einem Informationen fehlen: Am Schluss des Buches hat man als Leser den Eindruck, dass die Geschichte rund ist. Dafür sorgt auch, dass in jeder der fünf Geschichten ihr Urgroßvater Korbinian vorkommt, den sie seit ihrer Kindheit liebevoll Tat’ka nennt.

Der Roman beginnt mit der herrlich komischen Geschichte von der Erstkommunion Illys. Dass ihr schlecht wird, sie aus der Kirche rennt, das ist schnell erzählt. Aber mit welcher Raffinesse und mit welchem Ausbund an feinsinnigem Humor das erzählt wird!

Darauf folgt die erste – unglücklich endende – Liebe, darauf wiederum die Heimfahrt von ihrem Studienort Marseille zur Geburtstagsfeier des Urgroßvaters. Die Rückfahrt nach Tirol fällt ihr dabei alles andere als leicht: „Etwas in mir war zum Stillstand gekommen und roch ranzig wie die Haut unter einer zu selten abgelegten Uhr, während die Zeit einfach weiterlief und der Schaffner einen Halt nach dem nächsten ankündigte.“

Die große Kunst, die Elisabeth R. Hager so meisterlich versteht, ist nicht nur das Finden wunderbarer Bilder (vor allem, wenn die großen Festivitäten beschrieben werden), sondern auch das geschickte Verpacken von großen Themen in kleinen Geschichten. Wie überhastet Illy aufgebrochen sein muss, wie schwer ihr die Rückkehr (sei es auch nur auf der Durchreise) fallen musste, all das wird erst nach und nach deutlich. Heimat und Abschiednehmen entpuppen sich erst nach und nach als die beiden zentralen Themen des Romans.

So hält man mit „Fünf Tage im Mai“ zwar eine leichtfüßige, unterhaltsame Geschichte in Händen, zugleich aber auch ein Buch, das die ernsten, prägenden Themen des Lebens zum Tragen bringt.

Veröffentlicht am 16.02.2019

Gelungenes Debut

Wallace
0

Ein kleines, feines Buch hat der Schöffling-Verlag in diesem Jahr mit „Wallace“ herausgebracht. Sein Autor, Anselm Oelze, stellt uns dabei Alfred Russel Wallace (1823-1913) vor. Ein Naturwissenschaftler, ...

Ein kleines, feines Buch hat der Schöffling-Verlag in diesem Jahr mit „Wallace“ herausgebracht. Sein Autor, Anselm Oelze, stellt uns dabei Alfred Russel Wallace (1823-1913) vor. Ein Naturwissenschaftler, der zur gleichen Zeit wie Darwin seine Überlegungen zur Evolution niederschrieb. Oelze inszeniert in seinem Buch sehr geschickt Wallace als Kontrahent Darwins, dem zu Unrecht der Ruhm versagt wurde.

Erzählt wird die Geschichte von Wallace auf zwei Ebenen. Oelze lässt den Nachtwächter eines Museums auf dieses scheinbare Unrecht stoßen. Der, nachdem er erst einmal Lunte gerochen hat, vertieft sich immer mehr in das Leben von Wallace und schmiedet schließlich einen Plan, der Wallace doch noch zu seinem Recht (und seinem Ruhm) in der Geschichte bringen soll. Zu dieser Schelmengeschichte gesellt sich ein zweiter Erzählstrang, die Entdecker- und Abenteuergeschichte von Wallace bis zum Jahr 1858, wobei Oelze Wallace – wozu auch immer diese Marotte dienen soll – immer nur den „jungen Bärtigen“ bzw. später den „Bärtigen“ nennt.

Oelze orientiert sich dabei an der Biographie von Wallace, lässt zum Beispiel auch dessen Hang zum Spiritismus nicht aus. Hinzu kommt allerdings Oelzes sprachgewaltige Ausschmückung der beschriebenen Szenen. Wenn Wallace seine Theorie von der Entstehung der Arten entwirft, so tut er das in einem Fieberrausch, bei dem der Leser die explodierende Begeisterung, das Heureka! miterleben kann. Vergessen ist der unerträgliche Geruch des verwesenden Schweins vor der Hütte, wenn sich kaskadenhaft Überlegung an Überlegung reiht. Denn: „seine Gedanken rasten so schnell, dass er sie nicht anzuhalten vermochte“.

An solchen Stellen spürt man förmlich den Spaß am Spiel mit Worten und Formulierungen. Manches mag zwar etwas überzogen beschrieben sein, manches wirkt eher wie ein Exkurs als zur Handlung gehörig, anderes dafür ist einfach nur großartig erzählt. „Wallace“ ist ein Roman, der mir mit seiner Erzählkraft und mit seinem Witz beim Lesen enorm viel Freude bereitet hat.

Veröffentlicht am 13.02.2019

Das Leben der einfachen Menschen in Holt - beeindruckend erzählt

Abendrot
0

Mit einem nüchternen Blick skizziert Kent Haruf in seinem Buch „Abendrot“ die Ränder der amerikanischen Gesellschaft. Die fiktive Kleinstadt Holt ist Schauplatz des Romans und zugleich der Ort, der die ...

Mit einem nüchternen Blick skizziert Kent Haruf in seinem Buch „Abendrot“ die Ränder der amerikanischen Gesellschaft. Die fiktive Kleinstadt Holt ist Schauplatz des Romans und zugleich der Ort, der die Handlung mit ihren unterschiedlichen Figuren zusammenhält. „Abendrot“ ist die Fortsetzung von „Lied der Weite“ des bereits verstorbenen amerikanischen Autors. Ein Fortsetzungsband zu „Abendbrot“ soll noch bei Diogenes erscheinen.

Kent Haruf zeigt in seinem Roman eine gesellschaftliche Kälte, der die Figuren kaum genügend eigene Wärme entgegensetzen können, um zu bestehen. Selbst der Rinderzüchter Raymond, die einzige ausschließlich positiv wirkende Figur des Romans, kommt kaum über die Runden und steht immer wieder vor der Pleite.

Holt erweist sich als ein Ort, an dem man sich behaupten muss, auch wenn man nur sein eigenes kleines Glück bewahren will. Die großen Träume haben in Kent Harufs „Abendrot“ keinen Platz. Umso zerbrechlicher wirken bereits die kleinen Träume der Einwohner von Holt. Haruf gelingt es in seinem Buch, dass man beim Lesen immer damit rechnet, dass nichts so bleibt, wie es beschrieben ist. Alles kann sich mir nichts dir nichts zum Guten oder zum Schlechten wenden.

Während Harufs Schreibstil mir anfangs etwas zu hölzern wirkte, muss ich sagen, dass er mir im Laufe des Lesens immer mehr gefallen hat. Es ist faszinierend, wie es ihm gelingt, mit wenigen Worten Stimmungen zu erzeugen – seien es beklemmende, seien es hoffnungsvolle. Wobei bei Haruf nie alles verloren ist und nie alles nur glücklich sein kann. Dabei bleibt es immer beim zurückhaltenden, beobachtenden Erzähler.