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Veröffentlicht am 17.08.2021

Roman eines Lebens

Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit
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Michael Ende - Roman eines Lebens" - so nennt Charlotte Roth ihr Buch im Untertitel. Weder ist es eine Biografie noch eine Romanbiografie, vielmehr ist es der Versuch, den Menschen Michael Ende lebendig ...

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Michael Ende - Roman eines Lebens" - so nennt Charlotte Roth ihr Buch im Untertitel. Weder ist es eine Biografie noch eine Romanbiografie, vielmehr ist es der Versuch, den Menschen Michael Ende lebendig werden zu lassen. Der Mensch Michael Ende zeigt sich bei Roth vor allem im Umgang mit Menschen, in seinem Vertrauen zu Freunden, seinem Umgang mit Frauen und darin, was er unter Treue verstand. Was wahr ist, was erfunden ist. Roth gibt es nicht preis, wie sie in ihrem Nachwort schreibt. Der Roman will eine Fiktion sein. 

"Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit" lautet der Titel von Charlotte Roths Romans, bei dem es sich um ein Zitat aus Michael Endes Buch "Momo" handelt. Dies zeigt sich vor allem am Anfang des Romans. Sehr ausführlich geht Charlotte Roth auf Kindheit und Jugend Endes in München ein. Vor allem dem Vater, Edgar Ende, ein surrealistischer Maler, wird sehr viel Raum eingeräumt. 

Hier verknüpft Charlotte Roth sehr geschickt Edgar Endes Art zu malen mit Michael Endes Art zu schreiben. wo der Vater im verschlossenen Zimmer wartet, bis die Bilder zu ihm kommen, wartet der Sohn auf die Geschichten, bis sie in ihm lebendig werden. Er kann nicht weiterschreiben, wenn die Figuren nicht zu ihm sprechen. Ein Schriftsteller sei wie ein Angler, heißt es im Text, er müsse geduldig sein und warten können. 

Dem, wie Michael Ende geschrieben hat, wird in dem Buch nicht viel Platz eingeräumt, wohl aber dem, wie er mit seinem Stoff umging, wenn er ihn erst einmal gefunden hatte. Auch den Enttäuschungen wird Raum gegeben: den vergeblichen Versuchen, sich als Schriftsteller (oder Schauspieler) in der Nachkriegszeit zu etablieren, dem schwieriger werdenden Verhältnis zum Vater und schließlich der Enttäuschung durch einen Freund, der zugleich Finanzverwalter seines Geldes war und nicht nur Endes Vermögen an der Börse verzockte, sondern Ende zugleich einen riesigen Schuldenberg von 7 Millionen D-Mark verursacht hat. 

Allerdings: Beim Lesen von Charlotte Roths Roman bekommt man den Eindruck, dass es Michael Ende mehr Verdruss bereitete, dass die Verfilmung der "Unendlichen Geschichte" aus Sicht Endes ein Desaster war, als dass es er vom Millionär zum Hochverschuldeten wurde. 

Die Sprache des Buches kommt an manchen Stellen sehr opulent daher, wenn über Ingeborg Hoffmann, Endes spätere Ehefrau und rechte Hand, etwa gesagt wird, ihre "Augen waren Bojen, um die der Ozean hätte tosen können, ohne dass sie sich erschüttern ließen". Das Nachmittagslicht kann da schon mal "wie Honig vom Himmel tropfen". 

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Veröffentlicht am 14.03.2021

Roman über Virginia Woolfs letzten Tage

Ach, Virginia
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Im Alter von 59 Jahren nahm die Schriftstellerin Viriginia Woolf sich das Leben. Michael Kumpfmüller lässt nun in seinem Buch "Ach, Virginia" die letzten Tage der Virginia Woolf lebendig werden. 

Kumpfmüller ...

Im Alter von 59 Jahren nahm die Schriftstellerin Viriginia Woolf sich das Leben. Michael Kumpfmüller lässt nun in seinem Buch "Ach, Virginia" die letzten Tage der Virginia Woolf lebendig werden. 

Kumpfmüller begibt sich dazu in die Gedanken- und Gefühlswelt Woolfs. Er wählt die Innensicht als erzählerisches Mittel, den Bewusstseinsstrom. Er umkreist dabei immer wieder die gleichen Gedanken und Gefühle der Schriftstellerin: ihre Selbstzweifel, die Angst, wahnsinnig zu werden, wieder in eine Anstalt zu müssen, ihr Unvermögen, zu schreiben. 

Wer sich von dem Buch erzählerisch nahegebrachte Informationen über Woolfs Bücher, ihre Erfolge, ihre neuen Ansätze des Erzählens erhofft, wird bitter enttäuscht. All das kommt in dem Buch nicht, allenfalls am Rande, vor. Kumpfmüller zeigt stattdessen eine Virginia Woolf, die - das dürfte es wohl am besten treffen - zutiefst selbstreferenziell ist. 

Deutlich wird dadurch einerseits Woolfs Stolz und Narzissmus, ihre Überheblichkeit im Wissen darüber, dass sie (und nur sie!) eine außerordentliche Schriftstellerin ist. Ebenso tritt aber auch ihre Brüchigkeit und Verletzlichkeit zutage, verbunden mit abgrundtiefen Selbstzweifeln und ebenso abgrundtiefer Angst. Allenfalls verschwommen ist die Wahrnehmung ihrer Umwelt. Der Leser ist mit hineingenommen, wenn sie sich fragt, ob sie gerade etwas laut gesagt hat oder nur gedacht hat, ob die Stimmen, die sie hört, real sind oder nicht. Und ja: der Leser spürt, wie groß ihre Angst sein muss, erneut psychotische Schübe zu haben, wieder in eine Anstalt zu müssen. 

Dieser schmale Grat zwischen Realität und Wahn macht den Leser zum Deuter. Spätestens die subjektive Sicht auf den Ehemann , auf Freundinnen und Freunde lassen den Deuter zum skeptischen Beobachter werden. Bei den vielen vielfältigen Wiederholungen des immer gleichen Themas ist es das, was einen Kumpfmüllers Buch nicht vorzeitig beiseite legen lässt. Man wird als Leser Teil dieser Welt. 

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Veröffentlicht am 04.03.2021

Ein Buch, das mich schnell in seinen Bann gezogen hat

In Kalabrien
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Claudio Bianchi ist die sympathische Hauptfigur von Peter S. Beagles unterhaltsamen Buch „In Kalabrien„, das ich für mich wiederentdeckt habe.

Claudio Bianchi ist ein Eigenbrötler. Zurückgezogen bewirtschaftet ...

Claudio Bianchi ist die sympathische Hauptfigur von Peter S. Beagles unterhaltsamen Buch „In Kalabrien„, das ich für mich wiederentdeckt habe.

Claudio Bianchi ist ein Eigenbrötler. Zurückgezogen bewirtschaftet er einen kleinen Hof in Kalabrien. Seine Mitmenschen hält er für Halsabschneider. Zu wenig zahlen sie für sein Gemüse, zu viel verlangen sie für den Zuchtbullen. Also lässt Bianchi eben seine Kühe nicht decken, also fährt er sein Gemüse eben zum übernächsten Markt – ach nein, das geht ja nicht. Dafür ist sein Auto viel zu alt… Also verkauft er sein Gemüse notgedrungen doch dem geizigen Händler vor Ort. Aber natürlich tut er dies nicht ohne ihn bei jeder Lieferung darauf hinzuweisen, was für ein Geizkragen er doch sei.

Seine Frau hat den mürrischen alten Mann längst verlassen. Deutlich besser versteht sich Bianchi mit seinen Tieren: den Kühen, Katzen und vor allem dem Ziegenbock. Mit ihnen spricht er – sie kennt er. Nur mit dem Postboten, der fast jeden Tag den mühsamen Weg zum Hof macht, um doch nur Werbung zu bringen, unterhält sich Bianchi gerne. Die beiden wissen sich zu nehmen. Trotzdem: Von seinen Gedichten, die Bianchi schreibt, hat er ihm noch keines vorgelesen.

In diese Welt bricht nun ganz unvermittelt ein Einhorn. Warum es ausgerechnet den Weg zu ihm findet: Bianchi weiß es nicht. Unbeholfen bietet er ihm seinen Schutz an. Doch braucht das Einhorn den überhaupt? Bald schon wird klar: Es braucht mehr Schutz als Bianchi ihm wohl geben kann. Denn nicht nur Horden von Journalisten machen sich auf den Weg, auch die kalabrische Mafia interessiert sich für das Einhorn. Allerdings muss ich gestehen, dass mich die sehr platte Darstellung der Mafia – „das Monster“ – und der Schluss nicht überzeugt haben.

Das Einhorn bildet allerdings nicht das erzählerische Zentrum des Buches. Es ist eher wenig, was man über es selbst erfährt. Vieles, ja das meiste, bleibt geheimnisvoll. Im Zentrum der Handlung steht vielmehr Claudio Bianchi und sein Leben, das nun völlig auf den Kopf gestellt ist. Wäre da nicht die Schwester des Postboten, die sich für Bianchi zu interessieren beginnt – wer weiß, was alles Schlimmes hätte passieren können!

Das Buch – es ist schnell gelesen – hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Der ironische Erzähler, die fühlbare Atmosphäre, all das bereitet großen Lesegenuss.

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Veröffentlicht am 02.01.2021

Das Heilige im Alltäglichen

Gott wohnt in deinem Alltag
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In ihrem Buch „Gott wohnt in deinem Alltag“ verknüpft die Theologin Tish Harrison Warren Alltagstätigkeiten wie Zähneputzen oder Bettenmachen mit religiösen Überlegungen.

Die Frage, die Warren sich stellte, ...

In ihrem Buch „Gott wohnt in deinem Alltag“ verknüpft die Theologin Tish Harrison Warren Alltagstätigkeiten wie Zähneputzen oder Bettenmachen mit religiösen Überlegungen.

Die Frage, die Warren sich stellte, lautete: „Was würde es bedeuten, dem Evangelium nicht nur intellektuell zuzustimmen, sondern es auch mit meinem Körper zu glauben, mit Haut und Haaren sozusagen?“ Warren spricht sich nicht gegen Dogmatik, Wissenschaft usw. aus; sie will es vielmehr in den Alltag des Menschen überführen.

Warren zeigt überzeugend auf, wie gewinnbringend es sein kann, religiöse Momente in den Alltag zu integrieren. Allerdings liegt die Stärke des Buches nicht immer darin, wie diese Integration dargestellt ist, sondern vielmehr in der Problemanzeige zuvor. Beispiel: Warrens Ausführungen zum Stau. In diesem Kapitel findet sich ein schönes, lesenswertes Kapitel über Zeit, unseren Umgang mit ihr und christliches Zeitverständnis. Wie dies nun aber umgesetzt werden soll, wenn man im Stau steht, bleibt äußerst vage. Außer dass man nun weiß, dass Warten zum Leben dazugehört, erfährt man nicht viel.

Nichtsdestotrotz: Ich habe dieses Buch mit Gewinn gelesen. Es ist schön, wie hier alltägliche Themen wie das Aufstehen, Tee trinken, das Schlafen aber auch etwa der Wert der Arbeit ausgebreitet werden. Die Texte lassen sich flüssig lesen, sind lebenspraktisch und geben Raum zum Nachdenken.

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Veröffentlicht am 01.09.2020

Auszeit in Südafrika

Nächster Halt: Wildnis
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Sabbatjahr in Südafrika: In ihrem Buch „Nächster Halt Wildnis“ schildert Stefanie Vetter ihre Erlebnisse in Südafrika, wo sie eine Ausbildung zum Tour Guide machte.

Ihr halbes Jahr in Südafrika hat Sefanie ...

Sabbatjahr in Südafrika: In ihrem Buch „Nächster Halt Wildnis“ schildert Stefanie Vetter ihre Erlebnisse in Südafrika, wo sie eine Ausbildung zum Tour Guide machte.

Ihr halbes Jahr in Südafrika hat Sefanie Vetter tief beeindruckt. Das spürt man auf jeder Seite. Als Leser ist man mit dabei, wenn die abenteuerlustige junge Frau sich in einem Camp in Südafrika zurechtfinden muss – und auch mal unter freiem Himmel übernachtet, wenn sie sich Gedanken über das Gemeinschaftsleben der Löwen macht (ja, die Löwin führt das Rudel an!), wenn sie sich Sorgen um ihr Englisch macht, wenn sie auf Prüfungen büffelt.

Das, was Kinfofilme erfolgreich gemacht hat, was Verkaufszahlen von Reiseerzählungen hochschnellen ließ, findet sich auch bei Stefanie Vetter, nur etwas milder dosiert. Es ist keine Weltreise, die sie absolviert, nur eine Ausbildung zum Tour Guide. Sie muss sich nicht an ganz unterschiedlichen Orten zurechtfinden, sondern wechselt nur einmal das Camp. Und dennoch erfährt Stefanie Vetter ihre Auszeit als einmalig. Eine dieser einmaligen Erfahrungen hört sich so an:


"Ich lerne eine wichtige Lektion. Mir wird bewusst, dass ich ungeduldiges Wesen hier im Busch ganz neu lerne zu warten. Zu warten, ohne dabei Aufgaben zu erledigen, meine Liste abzuhaken. Zu warten und dabei ganz einfach in die Gegend zu schauen."

In ihrem Buch singt Stefanie Vetter ein Loblied auf die Schönheit der Schöpfung und fragt, wie wir uns so sehr von ihr entfernen konnten. Betrachtet man die wunderschönen Bilder, die sich zu den Texten im Buch gesellen, kann man diese Frage mehr als verstehen.

Immer wendet sich Stefanie Vetter dabei auch an ihre Leser, stellt ihnen Fragen, gibt ihnen Anregungen zum Nachdenken.

Ja, Stefanie Vetter gelingt es, dass einen die Abenteuerlust packt. Nicht nur nach wilden Tieren und einer wilden Landschaft. Es gelingt ihr auch, dass man sich selbst befragt, wo im eigenen Leben das Abenteuer zu finden ist. Oder, um es mit Stefanie Vetter zu sagen:


"Ich glaube, dass wir uns mit der Wildnis verbinden müssen, um unsere Balance wiederzufinden, weil sie das Herz Gottes spiegelt."

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