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Veröffentlicht am 04.08.2020

1794

1794
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„1794“ heißt der Nachfolgeband von Niklas Natt och Dags erfolgreichem historischen Kriminalroman „1793″. Und wie in „1793″ überwiegt auch in „1794″ die Faszination an den dunklen Seiten der Zeit – dieses ...

„1794“ heißt der Nachfolgeband von Niklas Natt och Dags erfolgreichem historischen Kriminalroman „1793″. Und wie in „1793″ überwiegt auch in „1794″ die Faszination an den dunklen Seiten der Zeit – dieses Mal ist es der Sklavenhandel, dessen Beschreibung außerordentlich viel Raum einnimmt.

Und so lernt man als Zuhörer nicht nur, dass Schweden mithilfe der Westindienkompanie sich sehr intensiv – zumindest eine kurze Zeit lang – am Sklavenhandel beteiligte und bereicherte. Man lernt auch viel darüber, wie mit den Sklaven damals umgegangen wurde.

Wer den Vorgänger „1793“ nicht kennt, wird sich über den ersten Teil des Hörbuchs sehr wundern – angekündigt ist ein Kriminalfall, und man befindet sich in den schwedischen Kolonien, von einem Kriminalfall keine Spur. Auch „1794“ ist wieder in vier Jahreszeiten eingeteilt, und manche der Teile haben ein starkes Eigenleben, die Handlungsstränge sind weit ausgeführt, weit über das hinaus, was für das Wissen um den Kriminalfall herum nötig wäre. Auch wird die Handlung nicht chronologisch erzählt.

Erst im zweiten Teil des Buches wird der Kriminalfall erzählt: eine Frau soll von einem Wolfsrudel umgebracht worden sein, so übel zugerichtet ist so. Doch: rund um das Hofgut Dreirosen gibt es seit Urzeiten keine Wölfe mehr. Was also ist wirklich passiert? Und was hat Erik damit zu tun, der aus den Kolonien zurückkam, um die Liebe seines Lebens zu heiraten?

In diesem Band ermittelt der inzwischen wieder abgestürzte Jean Michael Cardell, dieses Mal wird er vom Bruder seines früheren Mitermittlers Winge aus seiner Trübsal geholt. Homo homini lupus – das gilt für „1794″ noch viel mehr als für „1793“ – auch wenn man das fast nicht für möglich halten kann.

Und so war „1794“ ebenso wie der Vorgänger für mich ein beeindruckendes Hörerlebnis. Die Personen sind sehr plastisch dargestellt, menschliche Abgründe treten zutage, Historisches ist eingebunden.

Generell würde ich empfehlen, vor „1794“ den Vorgängerband „1793“ zu lesen oder zu hören. Auch wenn „1794“ von der Handlung her für sich allein steht, ist „1793“ doch ein besserer Einstieg in die Art des Erzählens bei Niklas Natt och Dag. Auch lernt man die meisten Personen in „1793“ deutlich besser kennen und erfährt nun, wie es mit den Personen weitergeht. Der Nachteil sei allerdings nicht verschwiegen: vieles in „1794“ ähnelt dem Vorgängerband: die Art des Beschreibens, der Gattungswechsel von der Erzählung zum Bericht, die beschriebene Grausamkeit.

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Geschichten zum Nachdenken

Wenn man vom Teufel spricht
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„Wenn man vom Teufel spricht“: Heinz Rudolf Kunze spricht in seinem neuen Buch über Politik, Heimat, die Liebe, das Altern und – den Teufel. Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Heinz Rudolf Kunze ...

„Wenn man vom Teufel spricht“: Heinz Rudolf Kunze spricht in seinem neuen Buch über Politik, Heimat, die Liebe, das Altern und – den Teufel. Und das auf ganz unterschiedliche Weise.

Heinz Rudolf Kunze ist ein Vielschreiber. Fast täglich entsteht ein neuer Text. Viele seiner Texte aus den vergangenen Jahren hat er nun in seinem neuen Buch „Wenn man vom Teufel spricht“ veröffentlicht. Die Texte sind nach dem Entstehen gegliedert, sodass man bei jedem Text neu überrascht wird, welches Thema angesprochen wird.

Politisierende Texte wechseln sich ab mit grotesk anmutenden, alberne Geschichten mit anklagenden Statements, Kurzgeschichten mit überraschenden Pointen mit lyrischen Texten. Mal sind Kunzes Texte gefühlvoll, mal ironisch-distanziert. Heinz Rudolf Kunze erweist sich als kritischer Denker, der Spaß daran hat, seinen Leser auch mal in die Irre zu schicken. „Man möchte doch auch ein bißchen rotieren, wo doch gerade alle durchdrehen“, heißt es in einer seiner Geschichten.

Neben dem Blick in die Welt blickt Kunze immer wieder auch auf sich selbst, thematisiert den Umgang mit seinem Erfolgshit „Dein ist mein ganzes Herz“, vor allem aber: die Liebe. Die Liebe, schreibt Kunze, sei wie ein Pianist, der einem einzigen angeschlagenen Ton nachhört, „sein Ohr an den Körper des Konzertflügels hält und diesem Ton nachlauscht“. Und das für immer.

Als weiteres Lebensthema Kunzes erweist sich das Altern. Wehmütig blickt er auf das Vorrecht der Jugend zurück, „alte Fehler zu begehen“. Wehmütig und voll Neid. Glaubt man ihm, wenn er schreibt, im Alter lächle man über die „Irrtümer der eigenen Vorzeit“? Vielleicht ein bisschen. Schließlich weiß man, dass Kunzes Brille keine Gläser hat.

Um die Musik geht es Kunze selten. Und wenn, dann nur mit Seitenhieben: „Musiker auf Partys sind echt das Letzte“ heißt es in einem seiner Texte.

Kunzes Mischung zweihundert kurzer Texte – die meisten sind nicht länger als gut eine Seite – lädt dazu ein, als Gutenachtlektüre immer mal wieder drin zu schmökern.

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Veröffentlicht am 26.03.2020

Lyrik 1942-1967

Liebe: Dunkler Erdteil
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Ingeborg Bachmanns Gedichte erschließen sich nicht leicht. Man muss Zeit mitbringen, will man sie lesen. Daher ist es kein Fehler, nicht gleich zur Werkausgabe zu greifen, sondern zu den kleineren Teilbänden, ...

Ingeborg Bachmanns Gedichte erschließen sich nicht leicht. Man muss Zeit mitbringen, will man sie lesen. Daher ist es kein Fehler, nicht gleich zur Werkausgabe zu greifen, sondern zu den kleineren Teilbänden, die der Piper-Verlag herausgegeben hat. „Die gestundete Zeit“, „Anrufung des Großen Bären“ und „Liebe: Dunkler Erdteil“ sind die Titel dieser Ausgaben. Die Gedichte basieren – mit den Anmerkungen – auf den Werkausgaben. Nimmt man die Teilbände zur Hand, hat man beim Lesen der Gedichte nicht so sehr den Eindruck, so gar nicht voranzukommen.

„Liebe: Dunkler Erdteil“ beinhaltet Gedichte der österreichischen Schriftstellerin aus den Jahren 1942-1967. Die Gedichte des Bandes sind zeitlich geordnet, sodass man den Versuch machen kann, eine Entwicklung zu erkennen. Mir ist das allerdings nicht gelungen. Vielleicht geht es in den Jugendgedichten mehr um die Selbstfindung durch Befreiung und den eigenen Ort in der Welt, in den Gedichten von 1948-1953 stärker um die eigene, menschliche Identität, später dann mehr um die Natur, während es in ihren letzten Gedichten von 1964 bis 1967 vorwiegend um das Schreiben als solches und um die Heimat geht – auch um die Heimat in Worten.

Unabhängigkeit und Ungebundenheit gehören zu den Themen der ersten Gedichte. „Sklaverei ertrag ich nicht“ heißt es in Bachmanns frühem Gedicht „Ich.“. „Eine einzige Stunde frei sein“ ist die Forderung in „Nach grauen Tagen“. Überhaupt ist Bitterkeit ein immer wiederkehrendes Motiv der frühen Gedichte. Nur selten verwandelt es sich wie in „Aufblickend“, wo das lyrische Ich „in sich greift“ und sich als „wert“ bezeichnet, weil es dem Strom gleich sich auf den Weg macht zum Meer. Zumeist ist nur die Hoffnung nach „Licht“ sichtbar.

Hoffnungsfroh geht es auch in den Gedichten zwischen 1948 und 1953 nicht zu. Was allein Hoffnung macht ist die Erkenntnis: „wir sind nicht zum Bleiben gezwungen“. Die Menschen sind untereinander entfremdet, die Welt alles andere als harmonisch. Später entsteht als Gegenbild das der Natur. Ob in „Freies Geleit“ oder in „Liebe: Dunkler Erdteil“: Bachmanns Gedichte werden immer mehr auch zu Lobgesängen auf die Natur.

Niederdrückend, ja geradezu erdrückend wirken die letzten Gedichte Bachmanns. Zwar ist das Thema des Todes, des „Mörders Zeit“, zwischen den Zeilen überall bei Bachmann präsent und damit verbunden auch eine ihr eigene Religiosität, doch in ihren letzten Gedichten stellt Bachmann immer stärker Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit in den Vordergrund. Zu schreiben? Vergeblich. „Mein Teil, es soll verloren gehen“, so endet Bachmanns Gedicht „Keine Delikatessen“.

Vielleicht gibt es sie tatsächlich, die Entwicklung in Ingeborg Bachmanns Werk. Eher aber sehe ich Themen, die immer wieder kommen. Deshalb lassen sich die Gedichte gut miteinander in Beziehung setzen. Wenn in dem Gedicht „Nach grauen Tagen“ „von der Bitterkeit langer Nächte“ die Rede ist und dies in den Wunsch mündet „Eine einzige Stunde Licht schauen“, so sagt das lyrische Ich in dem Gedicht „Aufblickend“ von sich, es sei „erniedrigt, bitter und lichtlos“.

Überhaupt die Metaphern. Man muss sich in sie hineinfinden. Sie sind zunächst so fremd wie etwa der Wunsch, Licht zu trinken. „Am Kaminfeuer […] hatte mein Haar seine äußerste Farbe“ – das ist keine Metapher, die man einfach so runterliest. Sie sind es vor allem, die die Gedichte Bachmanns, die mit 47 Jahren 1973 in Rom verstarb, so hermetisch machen. Man braucht Zeit, den „Mörder Zeit“, für Bachmanns Gedichte.

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Veröffentlicht am 08.03.2020

Der Aal - ein rätselhaftes Wesen

Das Evangelium der Aale
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Aale sind nicht nur faszinierende, sondern auch zutiefst geheimnisvolle Tiere. Davon kann man sich überzeugen, wenn man Patrik Svenssons Buch „Das Evangelium der Aale“ liest.

Es ist ein Buch, das sich ...

Aale sind nicht nur faszinierende, sondern auch zutiefst geheimnisvolle Tiere. Davon kann man sich überzeugen, wenn man Patrik Svenssons Buch „Das Evangelium der Aale“ liest.

Es ist ein Buch, das sich auf zwei Ebenen abspielt: Einmal erzählt der Erzähler aus seiner Kindheit, wie er mit seinem Vater Aale fing. Dazwischen sind immer Kapitel eingeflochten, die Sachbuch-Charakter haben und – chronologisch – die wissenschaftliche Erkundung des Aals beleuchten. Svenssons Stil lässt sich am ehesten als essayistisch beschreiben.

Etwas hölzern wirkt der Stil nur dann, wenn Svensson sich bemüht, beide Ebenen miteinander zu verknüpfen. Wenn etwa bei Freud von der Sexualität der Aale auf Freuds Sexualität Bezug genommen ist, dann wirkt das zutiefst gewollt. Unfreiwillig komisch ist dies, wenn bei Johannes Schmidt, ein dänischer Forscher, der als erster den Laichplatz der Aale bestimmte, Svensson fast schon enttäuscht wirkt, dass Schmidt wohl einfach nur wissenschaftlichen Ehrgeiz hatte und die Suche nach dem Laichplatz nicht mit Schmidts Suche nach dem eigenen Ursprung in Verbindung gebracht werden kann.

Überwiegend aber ergänzt sich Theorie (also Wissenschaft) und Praxis (also Erzählung). Es ist nicht weniger interessant, wenn in der Erzählung die Fangmethoden beschrieben werden oder wenn in der Theorie die umfassende Expedition zur Suche nach dem Laichplatz der Aale beschrieben wird. Auch Exkursionen wie die, ob man als Mensch überhaupt das Leben von Tieren beschreiben kann, ergänzen die wissenschaftliche Sicht.

Überhaupt ist es überraschend, wie spannend es sein kann, darüber zu reden, was man alles nicht weiß vom Aal, diesem rätselhaften Tier. Man weiß weder den genauen Laichplatz, noch wie er sich fortpflanzt. Man weiß nicht, wie er den Weg in die Sargassosee findet, noch, warum er sich nur dort fortpflanzt. Unbekannt ist, warum sich Aale in Gefangenschaft nicht fortpflanzen. Ebenso unbekannt ist, warum Aale sich in verschiedenen Metamorphosen weiterentwickeln – von der Larve zum Glasaal, vom Glasaal zum Gelbaal, vom Gelbaal zum Blankaal. Wie alt Aale werden ist ebensowenig umfassend erforscht.

Patrik Svensson beendet sein Buch mit der Hypothese, dass dieses Nichtwissen dem Aal heute zum Verhängnis werden könnte. Man wisse zu wenig vom Aal, um ihn schützen zu können. Die Population sei – vermutlich – bereits um über die Hälfte zurückgegangen. Patrik Svensson gelingt es, mit seinem essayistisch angelegten Buch, den Blick auf dieses gefährdete Tier zu lenken.

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Veröffentlicht am 29.01.2020

Ein Buch zum Blättern...

Ausgestorben - Das Buch der verschwundenen Tiere
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Nikola Kucharskas Buch „Ausgestorben. Das Buch der verschwundenen Tiere“ ist ein Buch zum Anschauen. Durch die Erdgeschichte hindurch zeigt das Buch die Vielfalt an Tieren, die es auf der Erde gab. Fast ...

Nikola Kucharskas Buch „Ausgestorben. Das Buch der verschwundenen Tiere“ ist ein Buch zum Anschauen. Durch die Erdgeschichte hindurch zeigt das Buch die Vielfalt an Tieren, die es auf der Erde gab. Fast schon ähnelt es einem Wimmelbild.
Neben großen Übersichtsseiten, die zumeist mehreren Tierarten gewidmet sind, gibt es auch Seiten, auf denen einzelne Tierarten wie etwa Dinosaurier in ihren unterschiedlichen Unterarten dargestellt sind. Angenehm ist, dass zu jedem Tier ein Satz zu einem besonderen Merkmal steht, so dass man nicht mit Wissen überfrachtet wird.
Besonders gefallen haben mir die allgemeineren Übersichtskarten, allen voran die „Fossile Weltkarte“, bei der die verschiedenen Fossilienfunde von Dinosauriern eingezeichnet sind. Auch die unterschiedlichen Theorien, weshalb die Dinosaurier ausgestorben sind, sind fr Kinder sehr ansprechend mit Bildern auf einer Seite zusammengefasst. Zwischendurch werden auch einzelne Tiere näher beschrieben, so ist etwa dem Auerochsen eine Seite gewidmet.
Das Buch eignet sich keinesfalls dafür, es einfach durchzulesen. Man sollte es vielmehr immer wieder in die Hand nehmen, darin blättern und sich faszinieren lassen von der Vielfalt der Arten.

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