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Veröffentlicht am 29.10.2018

Literarische, historische Reiseberichte

Europareise
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Fast zehn Stunden kann man sich mit dem Hörbuch „Europareise“ aus dem Audiobuch-Verlag auf Reisen begeben. So unterschiedlich die Autoren sind, so unterschiedlich sind auch die Reiseberichte.

In dieser ...

Fast zehn Stunden kann man sich mit dem Hörbuch „Europareise“ aus dem Audiobuch-Verlag auf Reisen begeben. So unterschiedlich die Autoren sind, so unterschiedlich sind auch die Reiseberichte.

In dieser Sammlung aus der Reiseliteratur kommen ganz unterschiedliche Texte zum Tragen. Da finden sich bekannte Autoren wie Goethe, Seume, Zweig, Heine und Dickens, aber auch unbekannte wie Ida Pfeiffer.

Bekanntheit ist hier auch nur bedingt ein Qualitätsmerkmal – so wirkt Heinrich Heines Bericht über Polen eher langweilig, während Ida Pfeiffer mit ihrem Bericht über Reykjavik ein spannendes Bild von Islands Hauptstadt bietet.

Dass der Großteil der Texte aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammt, führt dazu, dass man vor allem einen historischen Blick in die Reiseliteratur tut. Reykjavik etwa wird von Ida Pfeiffer als ödes Kaff beschrieben, bestehend aus einer einzigen Straße, der Hauptstraße. Auch über die Menschen weiß sie nicht allzu viel Schmeichelhaftes sagen – übertroffen wird sie nur von Grillparzers launigem Blick auf die Menschen.

Die Sammlung bietet die Möglichkeit zu vergleichen, wie die Reiseschriftsteller ihre Arbeit versahen – und wie sie sie verstanden. Mal liegt der Schwerpunkt auf der Beschreibung von Landschaft und Sehenswürdigkeiten, mal wird nach dem Landestypischen gesucht, mal das Außergewöhnliche, mal das Abenteuer betont. Auch schrecklich Barbarisches wird betont. Sei es der Sklavenmarkt, den man besucht, seien es die Frauen, die – landestypisch – ihre Kinder nicht richtig versorgen. Man erfährt, welcher Schriftsteller welche Landschaften als öde ansieht, wer bei Regen seine Unterkunft nicht verlässt und wer die Mühen der Internierung auf sich nimmt, um für nur wenige Tage nach Syra zu kommen.

Eine Stärke des Hörbuchs sind die unterschiedlichen Sprecher der Reiseberichte. So entsteht eine gewisse Abwechslung. Einen kurzen Einstieg zu den einzelnen Autoren bietet das Booklet – das erleichtert den Einstieg in den jeweiligen Reisebericht.

Meine Erfahrung beim Hören: am interessantesten sind die Reiseberichte, deren Länder man selbst kennt. Da verzeiht man auch eher plumpe Urteile über Mensch und Natur.

Veröffentlicht am 10.09.2018

Jugendbuch mit eigenwilliger Protagonistin

Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren
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Ali Benjamins Jugendbuch „Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren“ hat eine Protagonistin, die alles andere als einfach ist. Ihre Eltern schicken sie zur Therapeutin, da sie sich entschieden hat, ...

Ali Benjamins Jugendbuch „Die Wahrheit über Dinge, die einfach passieren“ hat eine Protagonistin, die alles andere als einfach ist. Ihre Eltern schicken sie zur Therapeutin, da sie sich entschieden hat, nicht mehr zu sprechen. Mit niemandem. Außer natürlich mit sich selbst. Denn Su hat eine Menge an Fragen an das Leben und an den Tod.

Ohne dass ihre Eltern es mitbekommen, verzweifelt Su fast an der Frage, woran ihre beste Freundin Franny gestorben ist. Mit der einfachen Antwort, dass sie ertrunken ist, will sie sich nicht abfinden. So kommt sie stattdessen auf die Idee, dass Franny von einer giftigen Qualle gestochen worden sein muss.

Um der Wahrheit auf die Spur zu kommen, beschäftigt sich die 12-jährige Su immer intensiver mit Quallen. Dass die beiden Freundinnen sich kurz vor Frannys Tod auseinandergelebt haben, wird erst nach und nach beleuchtet. Ali Benjamin, die amerikanische Autorin, hat dabei nicht Trauer und Schuld in den Vordergrund gestellt, sondern eine etwas verschroben wirkende 12-jährige eine Protagonistin, die sich an einer Idee festbeißt, die nicht wahrhaben will, dass Dinge einfach so passieren. Ein Mädchen also, das im Grunde – noch – nicht trauern kann.

Dass Su sich ausgerechnet für Quallen interessiert, ist ein großes Glück für den Leser. Denn so erfährt man so einiges über diese Tierart: dass es zum Beispiel Quallen gibt, die theoretisch ewig leben könnten (die turritopsis dohrnii), dass es im Jahr zu etwa 150 Millionen Quallenstichen kommt. Kein Wunder, dass Su dann schließlich auch ihr Biologie-Referat über Quallen hält. Ungewollt bringt das dann ihr Leben wieder ins Lot.

Die eigenwillige Protagonistin mit ihrem Entdeckerdrang macht das Buch zu einer interessanten Lektüre.

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Veröffentlicht am 03.06.2018

Liebeserklärung an Agatha Christie

Die Morde von Pye Hall
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Ein Schriftsteller, der dem Verlag nur ein unvollendetes Manuskript seines Krimis hinterlässt. Eine Lektorin, die sich auf die Suche nach dem verlorenen letzten Kapitel des Kriminalromans macht, damit ...

Ein Schriftsteller, der dem Verlag nur ein unvollendetes Manuskript seines Krimis hinterlässt. Eine Lektorin, die sich auf die Suche nach dem verlorenen letzten Kapitel des Kriminalromans macht, damit das Buch noch rechtzeitig erscheinen kann und dabei ihr Leben aufs Spiel setzt: Das ist die Rahmenhandlung von Anthony Horowitz‘ neuem Buch „Die Morde von Pye Hall“.

Dazwischen findet sich die Binnenhandlung, das Manuskript des Kriminalromans ist – so weit es eben vorliegt – abgedruckt. Hier kann man in die Welt des Atticus Pünd eintreten, einem Detektiv alten Schlags, der die Morde von Pye Hall aufklären will.

Ein Buch im Buch präsentiert uns Anthony Horowitz also. Und, so viel sei verraten, beide Handlungen werden auf – für mich zumindest – überraschende Art und Weise miteinander verbunden.

Zunächst ein paar Worte zur Binnenhandlung, dem Atticus-Pünd-Plot: Der wohlhabende Eigentümer von Pye Hall wird ermordet, Atticus Pünd beginnt zu ermitteln. Ganz im Stil von Miss Marple und Hercule Poirot befragt er die große Zahl der Verdächtigen und zieht Schlüsse – allerdings erst am Schluss. Eifersucht, Neid, Hass, Gier – all das sind mögliche Mordmotive. Da gibt es die Ärztin, der ein tödlich wirkendes Medikament gestohlen wird, der Pfarrer, der etwas zu verbergen hat, die zurückgesetzte Schester des Ermordeten, ein zwielichtiger Antiquitätenhändler und einige mehr. Ein spannender Fall also, den es zu lösen gilt.

Dann gibt es da die Rahmenhandlung, in der sich die Verlagslektorin Susan Ryeland auf die Suche nach dem fehlenden letzten Kapitel des Kriminalromans macht. Hier möchte ich nicht zu viel verraten. Nur so viel sei gesagt: die Suche nach dem fehlenden Kapitel erweist sich als äußerst schwierig, und auch hier gibt es genug Verdächtigte, denn der Schriftsteller Alan Conway, der die Atticus-Pünd-Romane verfasst hat, war alles andere als beliebt. Exzentrisch trifft es vielleicht am besten. Allerdings muss ich sagen, dass das Buch für mich hier deutliche Längen hatte. Während der Atticus-Pünd-Plot an vielen Stellen originell war, verläuft sich die Rahmenhandlung ein wenig. Das liegt zum einen daran, dass zunächst überhaupt nicht klar ist, was geschehen ist. So dauert es eine Weile, bis sich auch hier Spannung aufbaut, weil man eine grobe Ahnung hat, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein muss. Zum anderen ist die Riege der Verdächtigen im Rahmenteil auch weniger vielschichtig. So bieten sie deutlich weniger Reibungsfläche und machen einen auch nicht wirklich neugierig.

Anthony Horowitz‘ Buch ist eine Liebeserklärung an Agatha Christi und Arthur Conan Doyle. Allein deshalb lohnt sich die Lektüre.

Veröffentlicht am 03.05.2018

Liebevoll erzählte Geschichte eines Mädchens in China

Der freie Vogel fliegt, Band 1
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Xiaolu hat es nicht leicht. Die Hauptfigur des Comics „Der freie Vogel fliegt“ von Jidi und Ageng geht in der westchinesischen Stadt Chengdu auf die Mittelschule. Da sie – vor allem in Mathematik – schlechte ...

Xiaolu hat es nicht leicht. Die Hauptfigur des Comics „Der freie Vogel fliegt“ von Jidi und Ageng geht in der westchinesischen Stadt Chengdu auf die Mittelschule. Da sie – vor allem in Mathematik – schlechte Noten hatte, kommt sie auf diese Schule, die einen Schwerpunkt auf Kunst und Gestaltung hat. Dort hat sie die typischen Probleme eines Teenagers in China: jede Menge Stress in der Schule, dann Stress mit Lehrern und Eltern, das erste Verliebtsein und schließlich eine deftige Auseinandersetzung mit einer Klassenkameradin.

Der erste Band dieser Comicreihe, die auf (mindestens) sechs Bände angelegt ist, konzentriert sich auf Xiaolus Schulzeit und rückblickend auf ihre Kindheit. Bei aller Schwere besticht der Comicband durch die faszinierende Leichtigkeit des Erzählens. Xiaolu lebt in ihrer eigenen Welt, in der ihre Lieblingscomicfiguren ihr zur Hilfe kommen. Liebevoll wird man als Leser in Xiaolus Gefühlswelt hineingenommen und erlebt ihre Gefühlsschwankungen mit. Man sieht sie leiden, wenn ihre Lehrerin sie runtermacht. Und genauso sieht man sie vor Freude springen, als sie sich verliebt. Allerdings – das ist ein kleines Manko des Bandes – ist die Schrift vor dunklem Hintergrund zum Teil nicht gut zu lesen.

Tolle Bilder, farbenprächtig und detailverliebt, setzen die Handlung in Szene. Dabei kann man auch ihren Tagträumen beiwohnen und ihrer ersten Liebe. Mit ironischem Unterton erzählen Jidi und Ageng, wie Xiaolu ihrem Auserkorenen hinterherspioniert.

Mit knapp 25 Euro ist der Comic etwas teuer geraten, allerdings ist er auch zweisprachig, sodass er mit dem deutschen und dem chinesischen Teil (sie folgen aufeinander) auf insgesamt knapp 300 Seiten kommt. Zudem sind auch Erklärungen abgedruckt und wer chinesisch lernt, erhält am Schluss sogar ein chinesisch-deutsches Vokabular zum Comic.

Eine kleine Warnung sei ausgesprochen: Hat man den ersten Band gelesen, will man unbedingt weiterlesen – denn wie es mit Xiaolu und ihrem Auserkorenen weitergeht, will man ja schließlich wissen…

Veröffentlicht am 28.04.2018

Spannendes Jugendbuch über unangepasste Jugendliche im Dritten Reich

Bis die Sterne zittern
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Die Meuten – das sind Jugendliche, die sich im Dritten Reich nonkonform verhielten – statt HJ-Uniform trugen sie kurze Lederhosen und karierte Hemden. „Bündische Jugend“ nannten sie sich selbst. Etliche ...

Die Meuten – das sind Jugendliche, die sich im Dritten Reich nonkonform verhielten – statt HJ-Uniform trugen sie kurze Lederhosen und karierte Hemden. „Bündische Jugend“ nannten sie sich selbst. Etliche Gruppen gab es in Leipzig, bis sie 1939 durch die Gestapo zerschlagen wurden.

Während die Edelweißpiraten und die Swing Kids inzwischen schon bekannt sind, kennt man diese Leipziger Gruppen kaum. Umso erfreulicher ist es, dass nun ein Jugendbuch erschienen ist, das diese Leipziger Jugendbewegung zum Thema hat: Johannes Herwigs Jugendbuch „Bis die Sterne zittern“.

Hauptperson ist der 16-jährige Harro. Eher zufällig wird er Mitglied einer Leipziger Clique. Doch bald wird für ihn aus der bloßen Freude am Rebellieren bitterer Ernst. Aus Lausbubenstreichen werden politische Aktionen, die die Staatsmacht immer gründlicher beobachtet. Harro selbst ist sehr überzeugend dargestellt. Er wird zwar als überzeugter Gegner des Dritten Reiches dargestellt, der alle staatliche Propaganda durchschaut, doch ist er keineswegs sakrosankt. Im Gegenteil: er muss seine Erfahrungen machen – auch mit Mädchen. Bei vielen Entscheidungen Harros, z.B. auch die, aus der Hitlerjugend auszutreten, fragt man sich, wie wohlüberlegt sie überhaupt ist.

Was eine Clique ausmacht, die Mischung aus bloßer Rebellion und politischer Aktion, wird in „Bis die Sterne zittern“ deutlich. Man spürt auch die Recherche, die hinter dem Buch steht. Selbst Kinderspiele der damaligen Zeit sind recherchiert. Die Handlung hat mich nicht ganz so stark überzeugt. Es bleiben viele lose Enden zurück. Harro als Jugendlicher, der auf dem Weg ins Erwachsenenleben ist, ist gut getroffen. Aber wie es mit ihm weitergeht: man kann es nicht einmal erahnen. Und irgendwie fehlt der Geschichte in wenig der Pepp. Für mich liegt das vor allem an der gewählten Ich-Perspektive: da kann man eben als Erzähler nicht über die Grenzen der vorgegebenen Perspektive des Jugendlichen hinaus. Man erfährt wenig von den besorgten Eltern, wenig von den Beobachtungen der Gestapo usw. Und die Sprache ist (vor allem am Ende von Kapiteln) viel zu lyrisch, als dass sie zu einem Jugendlichen passt. Ein auktorialer Erzähler hätte eher nicht zu diesen Schwächen geführt. Der Ich-Erzähler ist sich selbst im Weg: schöne, lyrische Formulierungen wirken aus dem Mund Harros einfach fehl am Platz.

Fazit: „Bis die Sterne zittern“ ist ein Jugendbuch, das die Zeit des Dritten Reichs aus der Sicht einer unangepassten Jugendgruppe lebendig werden lässt. Ein klein wenig hat die Handlung unter der Absicht, die Leipziger Meuten vorzustellen, gelitten. Dennoch war es eine gute, bereichernde Lektüre.