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Veröffentlicht am 02.05.2021

Eingemauerte Emotionen

Was von Dora blieb
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Isa steckt in einer Ehekrise und flüchtet sich in die Spurensuche ihrer Großmutter Dora und der Kindheit ihres Vaters.

Anfangs war ich begeistert, der Einstieg gelang ganz leicht und die beiden Zeitebenen ...

Isa steckt in einer Ehekrise und flüchtet sich in die Spurensuche ihrer Großmutter Dora und der Kindheit ihres Vaters.

Anfangs war ich begeistert, der Einstieg gelang ganz leicht und die beiden Zeitebenen versprachen jede für sich einen Spannungsbogen. Die Erzählstimme ist flüssig und abwechslungsreich. Schnell entwickeln sich Parallelen zu Doras und Isas Kindheit, die beide eine besondere Beziehung zum Vater haben. Die Geschichte wirkt historisch sehr gut recherchiert und geizt nicht mit Hintergrundinformationen.

In der weiteren Entwicklung konnte mich Doras Geschichte mehr fesseln als Isas, die ihren Problemen auswich und immer um sachliche Contenance bemüht war, anstatt sich ihren Emotionen zu stellen. Auch bei Isas Experiment in Sachen Liebe schien sie immer ein Stück weit unbeteiligt zu bleiben. Einzig der psychische Aussetzer hauchte ihr Leben ein, doch den hat sie viel zu schnell wieder im Griff.

Akribisch arbeitet Isa sich durch Doras Vermächtnis und durch die Tagebücher ihres Vaters, scheut nicht, weitere Recherchen in Archiven zu betreiben, und entfernt sich damit immer weiter von den Menschen in ihrem Leben.
Doras Jugend wird sehr anschaulich und in vielen detailreichen Szenen erzählt. Ganz anders als Isa lässt die junge Dora mich emotional mitfiebern und bangen. Dann folgt ein großer Zeitsprung und ich verliere auch die Verbindung zu Dora.

Die erwachsene Dora kann die Verluste in ihrem jugendlichen Leben nicht kompensieren und wird nach außen hart und unnachgiebig. Als der Krieg ausbricht, hilft ihr das, die Situation zu überstehen – gleichzeitig ist sie emotional unerreichbar für ihre Kinder - mit fatalen Folgen. Auch ich kann die Bindung zu Dora nicht wiederherstellen. Ein Grund dafür ist, dass jetzt ihr Sohn (Isas Vater) im Vordergrund steht. Er wird mir durch seine Tagebucheinträge aus der Kindheit nah gebracht und verschwindet dann in seinem korrekten Beamtenleben.

Ich versuche gemeinsam mit Isa, die Gründe für ihr gestörtes Verhältnis zum Vater zu erarbeiten und daraus eine Lehre für ihre aktuellen Probleme zu ziehen. Doch die Quintessenz bleibt aus. Es bleibt bei einem Puzzle aus Traumata und Missverständnissen, denen Isa zwar ein erzählerisches Gewand gegeben hat, doch die am Ende die sättigende Auflösung vermissen lassen.

Der Roman zeigt sehr schön die Schwierigkeiten der Kriegskinder und Kriegsenkel auf und transportiert dies anschaulich in den beiden Frauenschicksalen, die mit der Sprachlosigkeit ihrer Eltern und den unsicheren Bindung zu kämpfen haben. Beide scheinen diese Sprachlosigkeit geerbt zu haben und verschanzen ihre Emotionen hinter massiven Schutzmauern, kaum fähig emotional zugewandte Beziehungen zu leben und ihre Erwartungen an das Leben zu formulieren.

Dieses Aufzeigen der Muster und die nicht abreißenden Erläuterungen der historischen Hintergrundfakten verhindern bei mir, mich den Protagonisten nah zu fühlen und so lesen sich zwei Drittel des Buches wie der Bericht eines Unbeteiligten. Am Ende vermisse ich Isas Entwicklungsschritt und damit den Sinn der Aufarbeitung.

Fazit: Ein Beleg für die Schwierigkeiten der Kriegskinder und Kriegsenkel in Beziehungen wird hinreichend erbracht - leider auf Kosten der emotionalen Beteiligung des Lesers

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Gefangen in Gewalt, Schmutz und Wertlosigkeit

Mado
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Das Buch zeigt die Trostlosigkeit von Mados Leben, die nur Gewalt, Alkohol und Übergriffigkeit gelernt hat und dieser Spirale auch nicht entkommen kann.

Der Roman ist ein Protokoll der Hoffnungslosigkeit ...

Das Buch zeigt die Trostlosigkeit von Mados Leben, die nur Gewalt, Alkohol und Übergriffigkeit gelernt hat und dieser Spirale auch nicht entkommen kann.

Der Roman ist ein Protokoll der Hoffnungslosigkeit und so kann man nicht von Lesevergnügen sprechen, sondern es beschleicht mich eher das Gefühl von Abscheu und Ablehnung. Die Sprache ist kalt und schonungslos. Ein Buch für das man Zeit braucht und eine gute Konstitution.

Mir fehlte die Entwicklung, das Einsehen – der Versuch etwas anders zu machen. Mado wechselt die Situationen aber niemals ihre Rolle. Der Roman begründet, warum sie ist, wie sie ist, und warum es kein Entkommen gibt. Keiner der Protagonisten wird einem wirklich nah gebracht und die fehlende Bindung zum Leser kommt der fehlenden Bindung zum Leben gleich.
Die Dialoge sind genauso hart und kalt wie der Umgang miteinander. Frustration und Wut findet ihr Ventil in Sex und Gewalt.

Fazit: Gerne gelesen habe ich es nicht. Wer lässt sich schon gerne die schmutzigen Seiten der Gesellschaft vor Augen halten. Ob diese Buch seine Berechtigung hat, muss jeder für sich selbst entscheiden.

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Veröffentlicht am 24.04.2021

Zwei Erzählstränge ohne Harmonie

Als wir uns die Welt versprachen
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Die bald 90jährige Edna lebt zurückgezogen mit ihrem Papagei Emil in einem kleinen Ort in Norditalien. Sie soll bald nach Willen ihrer „Freundin“ Adele und deren Ehemannes in ein Seniorenheim umziehen. ...

Die bald 90jährige Edna lebt zurückgezogen mit ihrem Papagei Emil in einem kleinen Ort in Norditalien. Sie soll bald nach Willen ihrer „Freundin“ Adele und deren Ehemannes in ein Seniorenheim umziehen. Als sie ein Foto ihres alten Kinderfreundes Jacob in einer Zeitschrift entdeckt, begibt sie sich kurz entschlossen auf eine Reise über die Berge, die sie als Kind bereits einmal bewältigt hat. Fast 80 Jahre hat sie darauf gewartet Jacob wiederzufinden und ein Versprechen einzulösen. Ednas Reise ist gepflastert von ungewöhnlichen Begegnungen, schmerzhaften Erinnerungen und gutgemeinten Rettungsversuchen.

Das Buch hat mich mit seinem historischen Erzählstrang rund um die Schwabenkinder begeistert und gleichzeitig mit der aktuellen Reiserzählung abgestoßen. Ednas Erinnerungen an ihre Kindheit fließen nachvollziehbar in ihren Alltag ein, werden aber auch als separate Kapitel erzählt und erzeugen durch die Auswahl und Platzierung der Szenen ein ganz besondere Spannung. Im Gegensatz dazu wirkt die aktuelle Reise der leicht verwirrten fast 90-Jährigen wie ein überfrachtetes Roadmovie.

Ich war immer wieder froh, wenn ich an einem der historischen Abschnitte ankam. Die dramatische und emotionale Erzählung der 10-jährigen Edna von ihrem Verkauf in die Knechtschaft eines schwäbischen Großbauern ging mir sehr zu Herzen. Gerade die kindliche Sichtweise auf den brutalen Alltag und die schrecklichen Übergriffe, denen die Kinder ausgesetzt waren, protokollieren besonders gut diese damaligen unmenschlichen Machenschaften – die bis in die Mitte der 50iger Jahre durchaus eine gebräuchliche Tradition in den ärmlichen Bergregionen war. Man spürt die gute historische Recherche und die traumatischen Ereignisse werden mit viel Fingerspitzengefühl behandelt. Ich fieberte mit der kleinen Edna, bewunderte den mutigen Jacob, der sich so fürsorglich um Edna kümmerte, und war gefangen von der authentischen Atmosphäre.

Doch ich konnte das Buch nicht genießen, weil die aktuelle Handlung mich immer wieder herausriss. Es wollte sich einfach kein harmonisches Miteinander der Erzählstränge einstellen. Auf ihrer aktuellen Reise lernt die leichtgläubige Greisin jeden Tag neue Leute kennen, die ihr hilfsbereit und doch sehr unkonventionell zur Seite eilen. Daraus entwickelt sich jedes Mal ein kurioses Tagesabenteuer, bei dem sich die Autorin an Witz zu überbieten sucht. Gleichzeitig lassen diese Erlebnisse jeden Realitätssinn - was eine fast 90-Jährige und ein alter Papagei tagelang unter freiem Himmel zu leisten vermögen - vermissen. Auch die Nebencharaktere Adele und ihr Ehemann, denen einige Perspektiven gegönnt werden, können mich mit ihren Eheproblemen, eigenen Plänen und Manipulationsversuchen nicht überzeugen. Zeitweise war ich richtig genervt und mochte nicht weiterlesen. Doch der historische Erzählstrang hatte mich so gebunden, dass ich das Buch nicht abgebrochen habe.

Zum Ende ist es der Autorin tatsächlich gelungen, die beiden Handlungsstränge zusammenzuführen und ein emotionales Ende zu bereiten. Ich mochte dabei die rührende Auflösung des Versprechens, Ednas weitere Zukunftsplanung hingegen reiht sich in das Kuriositätenkabinett ein.

Fazit: Spannender historischer Handlungsstrang und überzogenes Roadmovie führen zu keinem einheitlichen Lesegenuss.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Ein Mädchen wächst über sich hinaus

Das wirkliche Leben
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Es gibt viele gute Geschichten, die mit Spannung und emotionaler Beteiligung unterhalten und es wert sind gelesen zu werden.
Und dann gibt es da noch diese ganz besonderen Geschichten! Die in einen hineinkriechen, ...

Es gibt viele gute Geschichten, die mit Spannung und emotionaler Beteiligung unterhalten und es wert sind gelesen zu werden.
Und dann gibt es da noch diese ganz besonderen Geschichten! Die in einen hineinkriechen, das Innere bis in den hintersten Winkel ausfüllen, den Atem stoppen und den Druck so anschwellen lassen, dass man es kaum aushalten kann und am liebsten in die Handlung springen will, um alles zu einem Guten zu richten. Geschichten, die tief im Innern etwas berühren und damit verändern. Das wirkliche Leben ist so eine Geschichte.

Ich will über den Inhalt gar nicht viel verraten,. Nur, dass es sich um eine ganz besondere Heldin handelt, die zu Beginn der Geschichte 10 Jahre alt ist und die für die Liebe zu ihrem kleine Bruder gewillt ist, alles zu geben.
Lasst Euch nicht täuschen, dass es ein Jugendbuch ist.

Die Geschichte wird durch die ganz besondere Wahrnehmung des Mädchens geprägt. Ihre Worte transportieren das Grauen. Ich konnte es kaum aushalten und gleichzeitig konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich werde ihre Geschichte bestimmt wieder lesen.

Fazit: Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age Roman. Must-Read!

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Veröffentlicht am 20.03.2021

Ein Mädchen wächst über sich hinaus

Das wirkliche Leben
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Es gibt viele gute Geschichten, die mit Spannung und emotionaler Beteiligung unterhalten und es wert sind gelesen zu werden.

Und dann gibt es da noch diese ganz besonderen Geschichten! Die in einen hineinkriechen, ...

Es gibt viele gute Geschichten, die mit Spannung und emotionaler Beteiligung unterhalten und es wert sind gelesen zu werden.

Und dann gibt es da noch diese ganz besonderen Geschichten! Die in einen hineinkriechen, das Innere bis in den hintersten Winkel ausfüllen, den Atem stoppen und den Druck so anschwellen lassen, dass man es kaum aushalten kann und am liebsten in die Handlung springen will, um alles zu einem Guten zu richten. Geschichten, die tief im Innern etwas berühren und damit verändern. Das wirkliche Leben ist so eine Geschichte.

Ich will über den Inhalt gar nicht viel verraten,. Nur, dass es sich um eine ganz besondere Heldin handelt, die zu Beginn der Geschichte 10 Jahre alt ist und die für die Liebe zu ihrem kleine Bruder gewillt ist, alles zu geben.

Lasst Euch nicht täuschen, dass es ein Jugendbuch ist. Die Geschichte wird durch die ganz besondere Wahrnehmung des Mädchens geprägt. Ihre Worte transportieren das Grauen. Ich konnte es kaum aushalten und gleichzeitig konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich werde ihre Geschichte bestimmt wieder lesen.

Fazit: Ein außergewöhnlicher Coming-of-Age Roman. Must-Read!

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