Gebt mir mehr!
Ansuz – Das Flüstern der Raben (1)Ansuz hat mich so lange beschäftigt, wie schon seit Jahren kein Buch mehr. Man könnte jetzt denken, das sei ein schlechtes Zeichen, aber mitnichten! Ich habe zwar sehr lange für die Geschichte gebraucht, ...
Ansuz hat mich so lange beschäftigt, wie schon seit Jahren kein Buch mehr. Man könnte jetzt denken, das sei ein schlechtes Zeichen, aber mitnichten! Ich habe zwar sehr lange für die Geschichte gebraucht, aber das lag keinesfalls daran, dass ich das Buch nicht spannend oder fesselnd fand. Im Gegenteil, wenn ich dann mal die Gelegenheit hatte, dazu zu greifen, las es sich an vielen Stellen wie von selbst. Vielleicht war meine Motivation deshalb so löchrig, weil ich geahnt habe, dass das Buch mir zum Ende hin noch das Herz brechen würde und ich nicht wollte, dass das passiert. Letztendlich bin ich trotzdem nicht glimpflich davongekommen.
Mein Highlight und zugleich aber auch ein erster Kritikpunkt war die Protagonistin Anne. Ich habe ihre trockene, beinahe abweisende und schroffe Art von der ersten Seite an geliebt und mich über jeden Dialog, in dem man ihre nüchternen Kommentare in Action erleben durfte, diebisch gefreut. Sie war einfach klasse, wenn man davon absieht, dass ihr quasi nicht existenter Selbsterhaltungstrieb mir graue Haare hat wachsen lassen. Ich habe selten eine Hauptfigur gesehen, die sich so oft und so unbedacht selbst in Gefahr gebracht hat, meist um jemand anderen zu retten. Das mag ritterlich sein, in Anbetracht der Tatsache, welchen Stellenwert sie in der Geschichte einnimmt, jedoch nicht sonderlich klug. Und dennoch liebe ich dieses verrückte Mädchen auch nach dem Lesen des Buches noch abgöttisch.
Anne wird begleitet von einem Haufen uriger Nebenfiguren. Manche hasst man zutiefst, manche haben definitiv ein Rad ab, manche toleriert man halt, manche lernt man aber auch flugs lieben, nur damit sie einem dann auf übelste Weise das Herz herausreißen können. Mein Favorit war Monster, Annes Hund, den man bereits am Anfang schon kennenlernt. Er sorgt für einiges Aufsehen, wie aber eigentlich so gut wie jeder in diesem Buch. Es gibt hier keine „Normalos“, jeder ist auf seine Weise schräg und was Besonderes.
Die Gefühlsachterbahn, die die Autorin mich hier hat durchleben lassen, war auf Level Extraklasse. Stets stand hinter der nächsten Ecke jemand mit einem neuen Klopper, den man nicht hat kommen sehen, immer wieder wurde ich überrascht, geschockt und gegen Ende zutiefst verraten, was ich ehrlich gesagt auch jetzt noch nicht verdaut habe. Ich habe all diese Entwicklungen geliebt, etwas viel wurde es mir nur an den Stellen, an denen die Mythologie aufgerollt und erklärt wurde. Da hat mein Kopf ganz schön geraucht und ich glaube, so richtig zu 100% verstanden habe ich immer noch nicht alles, aber das tut meiner Begeisterung keinen Abbruch.
Was mich jedoch leider so gar nicht überzeugt hat, war die Romantik, die hier eingestreut wurde. Anne wird zugleich gehasst und von allen Seiten von attraktiven Männern belagert, wobei ausgerechnet der, der am unsympathischsten rüberkommt und am schlechtesten Gefühle zeigen kann, der Love Interest wird. Zwischen den beiden gab es für mich null nachvollziehbare Anziehung, kein Prickeln, keine Emotionen. Sehr schade, denn das Buch hätte meiner Meinung nach auch bestens ohne Beziehung für Anne funktioniert.
Mein Fazit:
Trotz der Kritikpunkte kann ich nicht anders, als 5 von 5 Sternen zu vergeben. Warum? Weil ich einfach vom Hocker gefegt wurde von dieser Geschichte. Trotz verkorkstem Liebesdrama und einer Protagonistin, die an vielen Stellen den Überlebensinstinkt einer Zeitung im Regen hat, hat mich Ansuz bestens unterhalten. Hat mich zum Staunen und Lachen gebracht, hat mich fluchen lassen, hat mich niedergeschmettert und dann wieder etwas aufgebaut. Ich kann gar nicht anders, als nach diesem Ende die Fortsetzung sehnlichst zu erwarten!