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Veröffentlicht am 10.08.2017

Spannende Unterhaltung vom Feinsten

Blutfährte
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"Blutfährte" ist der erste Thriller von Silvia Stolzenburg. Die Autorin ist vor allem für ihre historischen Romane und mittlerweile drei spannende Krimis bekannt, sowie für ihre akribische Recherche. Daher ...

"Blutfährte" ist der erste Thriller von Silvia Stolzenburg. Die Autorin ist vor allem für ihre historischen Romane und mittlerweile drei spannende Krimis bekannt, sowie für ihre akribische Recherche. Daher reizte es mich besonders, dieses Buch zu lesen, das im Umfeld der Bundeswehr spielt, einem ungewöhnlichen Thriller-Schauplatz.
Das Cover mit den AUS-Schusslöchern sieht toll aus und verleitet dazu, das Buch in die Hand zu nehmen und darüber zu streichen. Dann liest man den Klappentext, blättert kurz - und will es ganz lesen.
Schon der Prolog überrascht mit einer ungewöhnlichen Entwicklung der Handlung und warf einige Fragen auf. Wer? Wo? Und vor allem - warum? Die Handlung springt ins Bundeswehrkrankenhaus Ulm, wo Sanitätshauptfeldwebel Tim eine ungewöhnliche Beobachtung macht und die Flucht ergreift. Wir erfahren einige Details aus dem Privatleben von Oberleutnant Mark Becker, bevor der Feldjäger den Auftrag bekommt, den abgängigen Tim wieder aufzuspüren. Schon hier wird deutlich, dass die Bundeswehr eine Welt mit eigenen Regeln ist. Wenn ein ziviler Krankenpfleger nicht zur Arbeit erscheint, wird man kaum sofort nach ihm suchen. Als in einem Hotel eine Leiche gefunden wird, schaltet sich auch die Polizei in die Suche nach Tim ein.
Interessant fand ich, über die Arbeit der Feldjäger und das Kompetenzgerangel mit der "richtigen" Polizei zu lesen. Lisa Schäfer als Gegenspielerin / Partnerin von Mark Becker wirkt mir zwar stellenweise etwas zu zickig und arrogant. Von ihr stammt auch der Ausdruck "WIR sind die RICHTIGE Polizei." Trotzdem finde ich das Verhältnis von Mark und Lisa spannend und voller Potential für die nächsten Teile.
Silvia Stolzenburg legt nicht nur eine Blutfährte aus, sondern lässt den Leser bis zum Schluss im Dunklen tappen, um was die ganze Jagd sich eigentlich dreht. So konnte ich das Buch kaum weglegen, wollte doch endlich die Auflösung wissen - die dann in einem atemberaubenden Finale daherkommt. Trotz aller Spannung gibt es auch komische Momente. Besonders eine Szene aus Mark Beckers Privatleben ist ganz großes (Kopf-)Kino! Ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall von Mark Becker und Lisa Schäfer.

Fazit: Spannende Unterhaltung vom Feinsten - 5*****

Veröffentlicht am 10.08.2017

Nett, aber nicht ganz überzeugend

Als das Meer uns gehörte
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Tess, erfolgreiche Schuhdesignerin, lebt mit ihrem (Haus-)Mann und dem gemeinsamen 8-jährigen gehörlosen Sohn Robbie in Manhattan. In der Vorweihnachtszeit wird der Mann von einem jugendlichen Gangster ...

Tess, erfolgreiche Schuhdesignerin, lebt mit ihrem (Haus-)Mann und dem gemeinsamen 8-jährigen gehörlosen Sohn Robbie in Manhattan. In der Vorweihnachtszeit wird der Mann von einem jugendlichen Gangster überfallen und ermordet. Für Tess und Robbie bricht eine Welt zusammen. Da Robbie Tess die Schuld am Tod seines Vaters gibt, zieht er sich immer mehr vor ihr zurück. Als Tess dann auch noch eine weitere schlimme Wahrheit verkraften muss, flüchtet sie am Weihnachtstag aus Manhattan. Dass an diesem Tag, an dem auch in den USA Weihnachten gefeiert wird, in Manhattan Presslufthämmer dröhnen und große Baugerüste aufgestellt werden, glaube ich einfach nicht. Hier sollte wohl eher der krasse Gegensatz dargestellt werden zwischen der Millionenstadt und dem verschlafenen Fischernest, in das Tess mit Robbie fährt. Montauk, der Ort ihrer Kindheit, direkt am Meer, wo Tess' alter Onkel Ike ein heruntergekommenes Motel besitzt. Bis hierher steigert sich die Geschichte, es kommen immer neue Tatsachen hinzu, die Spannung steigt, wie es mit Mutter und Sohn wohl weitergehen, ob Tess wieder einen Zugang zu Robbie finden wird. So einen Onkel Ike sollte jeder von uns haben, wohin man in Zeiten tiefster Verzweiflung flüchten kann.
Sehr gut gefallen haben mir auch die Naturbeschreibungen. Das Meer im Winter, später dann im Frühling und Sommer, die wechselnden Jahreszeiten und Wetterlagen, all das sah ich vor meinem geistigen Auge und glaubte es fast riechen zu können. Dieses Meer hat etwas Tröstliches, doch es scheint Tess und Robbie nicht direkt zu erreichen. Robbie findet erst ein wenig neuen Halt, als er den Meeresbiologen Kip kennenlernt und mit ihm Wale beobachtet. So faszinierend, wie diese Giganten der Meere sind, hier hat die Autorin es ein wenig zu gut gemeint. Kein Wal schwimmt so dicht neben einem Segelboot her, dass ein Achtjähriger ihn mit der Hand streicheln kann. Trotzdem fand ich die Walbegegnungen, genau wie die Meeresbeschreibungen, interessant.
Tess hingegen nervte zunehmend. Sie erwartet von ihrem Sohn, dass er all ihre plötzlichen Entscheidungen akzeptiert und mitträgt. Statt ihn in ihre Gedanken und Pläne einzubeziehen, ihm zu erklären, stellt sie ihn immer wieder vor vollendete Tatsachen und bedauert sich dann selbst, dass sie es so schwer hat mit ihm. Die Situationen wiederholen sich. Mal ist es das Essen, die Bibliothek, die Schule ... Alles wird von Tess bestimmt und ist Kampf. Der größte Teil des Buches dreht sich um dieses Hin und Her zwischen Mutter und Sohn, bis Robbie durch ein Schlüsselerlebnis plötzlich Montauk als seins ansieht und schützen möchte. Auch diese Szene fand ich etwas aufgesetzt. Tess findet nach und nach zu ihrer alten Form zurück, d.h. sie packt Projekte an und führt diese zum Erfolg. Sei es die Renovierung des Motels oder die Kreation neuer »Strand-Schuhe«. Dass sie als Mutter nicht in der Lage ist, auch das »Projekt Sohn« aus eigener Kraft zu einem guten Ausgang zu bringen, ist ebenso bedauerlich wie klischeehaft. Tess ist eben Geschäftsfrau, die Lösung kommt, sehr dramatisch, nicht von ihr, sondern von Robbie. Allerdings fragte ich mich, ob ein Acht- oder Neunjähriger wirklich nach einem ersten Sommer-Segelkurs zu solchen Heldentaten in der Lage ist.
Die meisten Figuren blieben für mich entweder rätselhaft und widersprüchlich oder blass. Dass es kein klassisches Happy End im Sinne von "... uns sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage ..." gab, empfand ich dagegen als wohltuend.
Ein Lob an den Gestalter des Schutzumschlages. Die silber-blaue, leicht geriffelte Oberfläche und das Bild mit dem Schatten des Wals neben dem schwimmenden Jungen gefallen mit sehr gut.
Fazit: Etwas in die Länge gezogene Geschichte mit netten Naturbeschreibungen. 3***

Veröffentlicht am 10.08.2017

Jugendkultur?

Ich war jung und hatte das Geld
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Untertitel: "Meine liebsten Jugendkulturen aus den wilden Neunzigern". Von manchen Jugendkulturen haben die meisten Menschen schon gehört. Hippie, Punker, Öko oder Christ ... mit diesen Begriffen kann ...

Untertitel: "Meine liebsten Jugendkulturen aus den wilden Neunzigern". Von manchen Jugendkulturen haben die meisten Menschen schon gehört. Hippie, Punker, Öko oder Christ ... mit diesen Begriffen kann sogar meine Mutter etwas anfangen. Bei Grunge, Emo oder Straight Edge würde sie nur verständnislos mit den Schulter zucken und fragen, ob das was ein neues Putzmittel, oder was zum Essen ist. Für alle, denen es ähnlich geht, hat Sebastian Lehmann dieses Buch geschrieben, dachte ich.
Eigentlich müsste das 192 umfassende Buch, in dem über 50 verschiedenen Jugendkulturen je ein kurzes Kapitel eingeräumt wird, heißen: »Ich war jung und hatte das Geld nicht.« Denn während sie von einer trendigen Bewegung zur nächsten wechseln, fehlt Sebastian und seinen Freunden Flo, Dirk und Tina vor allem eins: das nötige Kleingeld, um sich standesgemäß auszustaffieren. So improvisieren die Schüler mit Hilfe von Handtüchern, Bademantelgürteln oder eingetrockneter Handmalfarbe. Erfinderisch sind sie und trotzdem geht immer irgendetwas schief. Dirk ist mit Abstand der Uncoolste von allen, so dass er fast schon wieder cool ist, denn diese Rolle zieht er tapfer durch. Egal ob er als Backpacker nur einen Kinder-Rollkoffer mit Marienkäfern dabeihat oder als Skinhead Pumuckl-Hosenträger, Dirk führt jede Jugendkultur ad absurdum. Für mich ist er der eigentliche Held der kurzen Geschichten. Gleichzeitig sorgt er dafür, dass die Erlebnisse immer noch Überraschungen bieten. Denn irgendwann hat man das Gefühl, egal was die Jungs da jetzt gerade ausleben, das hatten wir doch so ähnlich schon mal. Ein paar Kapitel vorher.
Wer eine Art Nachschlagewerk der Jugendkulturen erwartet, wird enttäuscht sein. Der Autor nimmt sich selbst und all die verschiedenen Jugendbewegungen nicht wirklich ernst. Das zeigt sich auch darin, dass die Helden so jung sind, dass sie sich vor den bösen Fünftklässlern fürchten müssen. Denn sind sie kleine, unschuldige Grundschüler, die mit den oben erwähnten, begrenzten Mitteln und zusätzlich eingeschränkt durch Muttis Verbote, ausprobieren wollen, was bei den großen, echten Jugendlichen angesagt ist. Diese Konstellation hatte ich, ehrlich gesagt, nicht erwartet, sondern doch eher ein Mittelding zwischen humoriger Auseinandersetzung und Erlebnissen von jemandem, der wirklich dabeigewesen ist, bei den Gruftis, den Trekkies und den Skatern. Auch das Cover lässt keinesfalls an ständig aufs Neue scheiternde Grundschüler denken. Die phantasievollen Ankleidepüppchen zum Ausschneiden (??? Au weia, dann ist das Buch kaputt!), die viele der Kapitel illustrieren, sprechen auch eher jüngere Kinder an.

Fazit: Nicht ganz mein Humor und ganz anders, als ich es dem Klappentext nach erwartet hätte. 3***

Veröffentlicht am 10.08.2017

Mörderisch heißer Sommer am Bodensee

Die dunkle Seite des Sees
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Dies ist nach "Schreie im Nebel" der zweite Bodensee-Krimi von Tina Schlegel um den Ermittler Paul Sito und den Kriminalpsychologen und Profiler Roman Enzig. Die Handlung beginnt Ende April / Anfang Mai. ...

Dies ist nach "Schreie im Nebel" der zweite Bodensee-Krimi von Tina Schlegel um den Ermittler Paul Sito und den Kriminalpsychologen und Profiler Roman Enzig. Die Handlung beginnt Ende April / Anfang Mai. Die ersten heißen Tage des Jahres versetzen die Menschen am Bodensee in Sommerlaune. Noch ahnt niemand, dass die Hitze bis weit in den September hinein bleiben und immer mehr zur Last werden wird, genau wie der neue Mordfall, in dem Sito und sein Team ermitteln.

Besonders gut hat mir bei diesem Buch die Bodenseeatmosphäre gefallen. Genau so kenne ich den See und die Stadt Konstanz. Immer wieder sah ich die bekannten Schauplätze vor Augen oder entdeckte Neues, mir bisher Unbekanntes, wie die kleine Dachterrasse der Buchhandlung.

Die Kriminalfälle stehen in jedem Bodenseekrimi von Tina Schlegel für sich, die Hauptfiguren - Ermittler und ihr Umfeld - haben ihre eigene private Geschichte, die sich weiterentwickelt. Mit diesen Figuren kam ich vor allem deshalb gut zurecht, weil ich sie bereits aus "Schreie im Nebel" kannte. Einiges, was dort passierte, erklärt, warum die Hauptpersonen jetzt so und nicht anders handeln. In diesem zweiten Teil wird aber nur andeutungsweise darauf eingegangen, was ich schade finde für alle, die Teil 1 noch nicht kennen. Die Tagebuchaufzeichnungen Sitos halfen selbst mir nur bedingt weiter, sodass ich z.B. lange falsch lag, wessen Gesicht er immer wieder sieht. Trotzdem macht gerade die Entwicklung der Hauptfiguren einen Großteil des Reizes der Geschichte aus. Enzig, Sito, Samuel, Miriam ... sie alle haben ihre Probleme, lassen eine Entwicklung erkennen. Das lässt sie lebensecht und sympathisch wirken, gerade auch wegen der Fehler, die sie machen.

Die Mordfälle sind außergewöhnlich und deuten auf ein persönliches Problem des Täters hin. Durch den Perspektivwechsel erfahren wir zwar schon früh einige Gedanken des noch unbekannten Mörders, das Motiv wird erst später im Buch enthüllt. Das macht es spannend. Auf den Täter hingegen deutet alles schon sehr bald hin und das finde ich schade für einen Krimi. Ich hätte gern mitgeraten, WER es war und nicht nur WARUM.

Alles in allem ein unterhaltsames, spannendes Buch mit viel Bodenseeatmosphäre, eine interessante Fortsetzung des ersten Krimis »Schreie im Nebel«, den man meiner Meinung nach vorher gelesen haben sollte.

Fazit: 4 ****

Veröffentlicht am 10.08.2017

Kann man Glück kaufen?

Glück ist teuer
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Noah studiert Wirtschaftswissenschaft in St. Gallen und hat eine liebe Freundin, Sophia, die kurz vor dem Abitur steht. Klingt gut, aber Noah zweifelt. zunächst am Sinn seines Studiums. Alle, die dem Geld ...

Noah studiert Wirtschaftswissenschaft in St. Gallen und hat eine liebe Freundin, Sophia, die kurz vor dem Abitur steht. Klingt gut, aber Noah zweifelt. zunächst am Sinn seines Studiums. Alle, die dem Geld und der damit verbundenen Macht nachjagen, sind für ihn Heuchler. Von fast schon krankhafter Prüfungsangst geplagt, hat Noah das abenteuerliche Ziel, sein Studium erfolgreich zu beenden und die Spitze der Machtpyramide zu erklimmen, um sie von dort aus zum Einsturz zu bringen. Doch dann tritt Peter Widmer in Noahs Leben, einer der einflussreichsten, erfolgreichsten und geldreichsten Schweizer und außerdem Noahs bisher unbekannter Vater.
Das Buch habe ich aus mehreren Gründen gern gelesen. Zum einen liebe ich die Gegend, in der Noah sich bewegt - St. Gallen und Zürich. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch in St. Gallen, als mir die vielen »geschniegelten« Jungs und Mädels auffielen. Das werden hauptsächlich HSG-Studenten gewesen sein. An Noahs Person haben mir vor allem die Selbstzweifel gefallen. Er marschiert nicht im Takt der Anderen mit, ohne zu hinterfragen, weshalb und warum. Trotzdem erliegt auch er dem Reiz des Geldes, zumindest vorübergehend. Interessant fand ich die Rückblenden in Noahs Kindheit, die teilweise erst auf den zweiten Blick mit der gegenwärtigen Handlung zu tun hatten. Manchmal ging es nur um das Gefühl, das Noah damals hatte und das nun, in einer ganz anderen Situation, wieder lebendig wurde.

Eine Schlüsselszene ist die Begegnung Noahs mit Professor Winnewisser, der den Untergang der »Geldgesellschaft« voraussagt und dass die Welt auch ohne Geld funktioniert, wenn dann jeder seine Kartoffeln und Karotten selbst anbaut. Für Peter Widmer, Noahs Vater, konnte ich trotz seines Erfolgs und Reichtums fast nur Mitleid empfinden. Ist es Glück oder Unglück, sich an Statussymbole zu klammern? Noahs Mutter suchte ihr Glück auf anderen Wegen, in immer neuen Männerbekanntschaften, und fand nur Unbeständigkeit.Trotz dieser kritischen Momente kommt die Geschichte nicht allzu klischeehaft daher. Die Bedeutung der Mitmenschen für Noah finden wir eher zwischen den Zeilen. Ivos Lächeln, Jelenas Kraft und Vertrauen, Sophias Liebenswürdigkeit. Dass all das zusammen schwerer wiegt als tausende von Franken, erkennt der Leser lange vor Noah.

Fazit: eine schöne Geschichte um wahre Werte und wahres Glück. 4****