gehaltvoll und psychologisch ausgefeilt
Das Kaffeehaus - Bewegte Jahre1879 Wien, Kaiser Franz Joseph I. und seine Frau Elisabeth, genannt Sisi, regieren in Österreich. Die K.u.K. Monarchie und das Leben in und um die adelige Gesellschaft sind ein zentrales Thema in diesem ...
1879 Wien, Kaiser Franz Joseph I. und seine Frau Elisabeth, genannt Sisi, regieren in Österreich. Die K.u.K. Monarchie und das Leben in und um die adelige Gesellschaft sind ein zentrales Thema in diesem ersten Band der Kaffeehaus-Trilogie „Bewegte Jahre“. Die Mehrzahl der Haupt- und Nebendarsteller sind sogenannte „Von und Zu`s“. Eine keineswegs ehrenwerte Gesellschaft mit verkrusteten Moralvorstellungen, veraltetem Ehrenkodex, männlichem Machtgehabe und aus heutiger Sicht sicher erschreckend unsozial und unmoralisch. Genau dieser Blick ist es, den uns Marie Lacrosse mit ihrem Buch gestattet. Als promovierte Psychologin und leidenschaftliche Geschichte-Erzählerin nimmt die Autorin sich rund 700 Seiten Zeit um zum einen die fiktive Figur Komtess Sophie von Werdenfels und ihre erwachende Zuneigung zu dem Offizier Richard von Löwenstein zu entwerfen und andererseits die real passierte Affäre des verheirateten Kronprinzen Rudolf zu der blutjungen Komtesse Mary von Vetsera in Szene zu setzen.
Sowohl Sophie als auch Richard sind typische Vertreter ihrer Zeit und ihres Standes. Ihr Verhalten muss man also mit einem milden Auge betrachten und darf die jungen Leute nicht nur an heutigen Maßstäben messen. Die dramatisch-tragische Affäre Mayerling wird sehr detailgenau und erschreckend realistisch geschildert und endet in einem auch heute noch erschütternden Finale.
Eine große Stärke dieses Romans war für mich, dass die Figuren – egal ob fiktive oder historische – mit all ihren Facetten und Unebenheiten geschildert werden. Die Psychologie spielt eine große Rolle. Außerdem agieren alle in einem Umfeld, welches über 100 Jahre zurückliegt und deshalb fremd und damit aus heutiger Sicht ungewöhnlich wirkt. Mit der Zeit bekommt man einen guten Eindruck, wie denn diese gesellschaftlichen Strukturen der gehobenen Gesellschaft funktioniert haben, wie finanzielle Probleme und heimliche Liebschaften den doch sehr gelangweilten und von großem Dünkel durchsetzten Adel zu Lug und Betrug, zu unromantischen Ehearrangements und auch zu Selbstmorden trieb.
Ein gehaltvolles Buch, welches einiges an Informationen und Einblicken bereithält. (Also keine profane seichte Geschichte mit ein wenig Geschichte.) Das namentlich im Reihentitel erwähnte Kaffeehaus spielt in diesem Band noch keine große Rolle, ist aber der Rahmen für einige sehr entscheidende Szenen im Roman. Da es sich um eine Trilogie handelt gibt dieser Auftaktband am Ende auch einen spannenden Ausblick auf die nächsten Entwicklungen im zweiten Teil.
Hervorheben möchte ich noch die schöne Ausstattung.
Landkarten und ausführliches Personenregister, ein aufschlussreiches Nachwort der Autorin und als Zuckerl ein leckers Tortenrezept.