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Veröffentlicht am 19.04.2017

toller Histokrimi

Der zweite Reiter
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Als Fan der Nachkriegsromane von Cay Rademacher hat mich diese neue Krimireihe brennend interessiert. Handlungsort ist zwar Wien – und es handelt sich um den ersten und nicht den zweiten Weltkrieg - aber ...

Als Fan der Nachkriegsromane von Cay Rademacher hat mich diese neue Krimireihe brennend interessiert. Handlungsort ist zwar Wien – und es handelt sich um den ersten und nicht den zweiten Weltkrieg - aber die Lebensumstände, in denen die Menschen sich befinden, erinnern stark an das zerstörte Berlin. Hunger und Beschaffungskriminalität sind an der Tagesordnung. Viele Männer kehren als Invaliden aus dem Krieg zurück. Eigentlich gehört August Emmerich auch zu ihnen. Aber er verbirgt seine Verletzung und wird so wieder in den Außeneinsatz bei der Kriminalpolizei geschickt. Zusammen mit seinem Kollegen Ferdinand Winter ermittelt er alsbald in einem Mordfall. Anfangs ist von Selbstmord die Rede. Aber Emmerich hat ein Gespür dafür und weiß bald, dass etwas ganz Anderes dahinterstecken muss.

Mir hat die Geschichte ausnehmend gut gefallen. Zum einen liegt das am Erzählstil der Autorin. Ich dachte ja erst, es wäre ein Mann, der hier die manchmal sarkastisch-scharfe Schreibfeder geführt hat. Nachdem ich eines Besseren belehrt wurde finde ich, sie hat die männlichen Figuren sehr treffend und realistisch gezeichnet und dabei noch die ein oder andere Frauenfigur eingefügt, die mir ans Herz gewachsen ist. Außerdem schafft sie es, einen spannenden Plot mit einem stetig ansteigenden Spannungsbogen zu erzählen.

Man merkt dem Buch die intensive Recherche an. Im positiven Sinne, denn die geschichtlichen Fakten werden sehr unterhaltsam und unaufdringlich mit der fiktiven Handlung verwoben. Ich würde mich freuen, bald wieder von dem Wiener Ermittlerduo lesen zu dürfen. Für Liebhaber von Gereon Rath kann ich es auch gepfehlen.

Veröffentlicht am 16.04.2017

Luna im Turm

Königreich der Schatten: Die wahre Königin
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Vor 17 Jahren hat irgendetwas die Welt von Relhok verändert. Seitdem herrscht eine lange rabenschwarze Nacht, die jeden Tag nur von einer Sonnenstunde unterbrochen wird. In der Dunkelheit sind hungrige ...

Vor 17 Jahren hat irgendetwas die Welt von Relhok verändert. Seitdem herrscht eine lange rabenschwarze Nacht, die jeden Tag nur von einer Sonnenstunde unterbrochen wird. In der Dunkelheit sind hungrige Finsterirdische unterwegs, die alles in die Tiefen der Erde ziehen, was sie an Lebendem finden können. Außerdem wurde das herrschende Königspaar ermordet und nur mit viel Glück konnte eine königstreue Amme die neugeborene Tochter retten und mit Hilfe eines Soldaten in Sicherheit bringen. Die beiden verstecken das Kind weit weg in einem Turm vor den Augen des neuen Herrschers. Luna, die trotz einer Behinderung zu einem klugen und neugierigen Mädchen herangewachsen ist, rettet einem jungen Mann im Wald das Leben. Fowler erweist sich bald als nützlich, denn die Häscher des Königs sind Luna nach so vielen Jahren auf der Spur und als sie fliehen muss hilft er ihr und zusammen können sie fürs Erste entkommen.

Die wahre Königin ist der erste Band im „Königreich der Schatten“. Das etwas märchenhaft anmutende Setting hat mir eigentlich sehr gut gefallen. Es war eine Mischung aus vielen Versatzstücken vieler Geschichten. Von Rapunzel bis zu Zombieromanen lässt sich hier so einiges finden. Im Laufe der Geschichte musste ich leider feststellen, dass Frau Jordan die Zügel nicht immer so richtig in der Hand hielt. Soll heißen, dass es für mich einen ständigen Tempowechsel gab der den Lesefluss störte und sehr viele Fragen aufwarf, die mir zu keiner Zeit beantwortet wurden. Es gab schöne und gehaltvolle Abschnitte und auch einige, die eine große Spannung aufbauten. Die wirklich spannenden Szenen waren dann aber immer etwas abgehakt und für meinen Geschmack viel zu kurz gehalten. Das Potential verpuffte meistens in wenigen Sätzen und ließ mich etwas ratlos zurück. Weder die Aktionen der Protagonisten noch ihre Gefühle und Motivationen waren außerdem so richtig ausgearbeitet. Natürlich konnte man dadurch jede Menge rein interpretieren. Aber mir mangelte es an vielen Stellen an einer soliden Beschreibung und schlichtweg an Handlung. So blieben die beiden für mich trotz aller Sympathiepunkte etwas blass und die plötzliche und überraschende Tiefe ihrer Liebe für mich nicht nachvollziehbar.

Fazit: Die Geschichte bietet viele Möglichkeiten, die die Autorin im ersten Band aber leider nicht ausreichend genutzt hat. Ich hatte das Gefühl, als hätte sie keine Zeit gehabt und wolle zu einem schnellen Ende kommen. Der Schreibstil war sehr angenehm zu lesen und für Jugendliche und jung Gebliebene gleichermaßen passend. Also ein Buch welches sich schnell und problemlos lesen lässt aber keinen tiefen Eindruck bei mir gemacht hat.

Veröffentlicht am 14.04.2017

gelungener Appetizer

Das Herz der verlorenen Dinge
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Über 20 Jahren ist es her, dass Tad Williams Leser auf der ganzen Welt mit seinem Osten-Ard-Zyklus begeistert hat. Fast genauso lange lagen ihm seine treuen Fans in den Ohren, doch etwas Neues aus diesem ...

Über 20 Jahren ist es her, dass Tad Williams Leser auf der ganzen Welt mit seinem Osten-Ard-Zyklus begeistert hat. Fast genauso lange lagen ihm seine treuen Fans in den Ohren, doch etwas Neues aus diesem Fantasyuniversum zu schreiben. Und was wir alle kaum zu hoffen gewagt hatten, ist endlich geschehen. Für Herbst ist der erste Band einer neuen Reihe angekündigt, in der wir tatsächlich Simon, Miriamel, Binabik und all die andere, liebgewonnen Figuren wiedertreffen werden. Als Appetizer darauf - und laut Verlag als Einstieg für Osten-Ard-Neulinge - ist nun „Das Herz der verlorenen Dinge“ erschienen.
Ich hatte eigentlich erwartet, dass dieser mit 330 Seiten recht knapp gehaltene Zwischenband eher wie eine Ergänzung zu den Geschehnissen am Engelsturm daherkommen würde. Immerhin spielt es nur ungefähr ein Jahr nach den letzten Geschehnissen. Ineluki ist vernichtet und die Nornen auf der Flucht in ihre letzte Bastion in den Bergen. Isgrimnur wurde abkommandiert sie zu verfolgen, wenn möglich zu vernichten. Auf ihrem Rückzug kommt es zu immer neuen Gefechten. Die Weißfüchse sind nur noch wenige, aber sie kämpfen mit unglaublicher Härte und Geschicklichkeit und viele menschliche Kämpfer müssen ihr Leben lassen und die Überlebenden sehnen sich danach, dass es ein Ende hat mit diesem fürchterlichen Krieg.
Das bekannte Personal beschränkt Tad Williams diesmal auf Isgrimnur und den treuen Kämpfer Sludig. Stattdessen werden mit Porto und Endri zwei einfache Soldaten vorgestellt, die stellvertretend für eine tapfere Truppe von RImmersmännern und Söldnern aus allen menschlichen Landen stehen. Die beiden Neuzugänge wachsen einem sehr schnell ans Herz. Aber der interessanteste Kniff ist die Art und Weise, wie Tad Williams in diesem Buch die Nornen darstellt. Er gibt ihnen diesmal sehr viel Raum und beleuchtet nicht nur ihre Beweggründe und ihre sozialen Strukturen, sondern er rückt einige Nornen in den Mittelpunkt der Geschehnisse, die durchaus Sympathiewerte erringen können und trotz ihrer Fremdartigkeit und ihrer seltsamen Rituale fast menschlich rüberkommen. Schnell kann man sich nicht mehr wirklich entscheiden, wer den letzten Kampf gewinnen soll.

Für mich war es wie ein Nachhause kommen in eine Fantasy-Serie, die mir über die Jahre sehr ans Herz gewachsen ist. Neben dem Herrn der Ringe meine absolute Lieblingsreihe und meine Erwartungen in den Augustband wurden durch dieses Buch hier noch hochgekitzelt. Denn er kann es tatsächlich. Das alte Feeling ganz schnell wiederaufleben lassen. Und dabei neue Wege gehen und Möglichkeiten eröffnen, wie es ab September weitergehen könnte. Eigentlich war mir das Buch ja viel zu kurz, denn ich bin nach 300 Seiten gerade warmgelaufen. Und ich bin mir unschlüssig, ob Quereinsteiger auch nur annähernd so viel Vergnügen an dieser Geschichte haben, wie ich sie hatte und ob ihnen nicht doch sehr viele wichtige Informationen fehlen. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, doch eine kurze Einführung zu geben, in der ein paar Fakten und Daten beschrieben werden. Es gibt allerdings eine kurze Erläuterung über die Feenwesen. Das liest sich gut und ist als Einstieg nicht schlecht.

Mir hat das Buch ausgesprochen gut gefallen und ich freue mich, wenn es mit der Hexenholzkrone weitergeht.

Veröffentlicht am 09.04.2017

spannender Genre-Spagat

Schatten über Elantel
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Seit Sturmklänge und Elantris bin ich ein Sanderson-Fan. Ich finde, er gehört zu den wenigen Fantasyautoren, die richtig neuen Wind in dieses Genre gebracht haben. Seine Romane sind ein bisschen wie Parabeln ...

Seit Sturmklänge und Elantris bin ich ein Sanderson-Fan. Ich finde, er gehört zu den wenigen Fantasyautoren, die richtig neuen Wind in dieses Genre gebracht haben. Seine Romane sind ein bisschen wie Parabeln der menschlichen Gesellschaft - mit ein oder zwei phantastischen Elementen -aber trotz unbekannter Wesen und fremder Völker doch immer fokussiert auf die Charaktere und die politischen und gesellschaftspolitischen Strukturen.

Auch in seinem neuesten Werk „Schatten über Elantel“ ist dies so. Er geht aber noch weiter und bringt diesmal Steampunk-Elemente, Wild-Wild-West-Flair und einen Krimi in die Geschichte mit ein. Das mutet auf den ersten Blick ziemlich schräg an und ich war gespannt, ob er den Spagat schafft. Außerdem wird das Buch angepriesen als Möglichkeit, in die Nebelgeborenen-Welt einzusteigen, die bereits in vorhergehenden Büchern eine große Rolle spielte.

Das Buch ist eigenwillig, wie seine Helden und seine Heldin. Man muss sich auf Sandersons Stil einlassen und ich könnte mir vorstellen, dass es ein Weilchen dauert, bis man als Quereinsteiger so richtig in der Welt angekommen ist. Sogar ich als Kenner der ersten drei Bücher dieser Fantasywelt war überrascht, dass Sanderson einen richtigen Zeitsprung gemacht hat, durch den sich auch die technische und gesellschaftliche Veränderung erklären lässt.

Mir hat die Geschichte gefallen. Ich mag es einfach, wie er seine Figuren beschreibt und ihnen spezielle aber auch widersprüchliche Eigenschaften und Charaktere gibt. Dadurch bleibt die Story überraschend und abwechslungsreich. Die Dialoge sind herrlich zu lesen und für mich immer ein Highlight in Sandersons Büchern. Ob es wirklich etwas für Neulinge ist, da bin ich unschlüssig. Es gibt schon einige Verweise auf zumindest den direkten Vorgänger. Und ich gestehe, dass ich kein Steampunk-Fan bin. Mir war nicht bewusst, dass die Welt sich in diese Richtung so stark weiterentwickelt hat.

Veröffentlicht am 30.03.2017

Wunderschöne Sprache

Der Muschelsammler
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Von Anthony Doerr kannte ich bis jetzt das Buch „Alles Licht, das wir nicht sehen“ für das er berechtigter Weise den Pulizerpreis bekommen hat und Memory Wall, eine kleine Novelle, die mich gefesselt und ...

Von Anthony Doerr kannte ich bis jetzt das Buch „Alles Licht, das wir nicht sehen“ für das er berechtigter Weise den Pulizerpreis bekommen hat und Memory Wall, eine kleine Novelle, die mich gefesselt und begeistert hat und die mich in ihrer Kraft und Intensivität, aber auch in ihrer Wortgewaltigkeit und Sprachfreude sehr an sein Erstlingswerk, die Geschichtensammlung „Der Muschelsammler“ erinnert, die jetzt neu aufgelegt wurde und die ich jetzt endlich nachgeholt habe, da mir dieser tolle Autor damals noch durch die Lappen gegangen ist und ich ihn erst später für mich entdeckt habe.
Es handelt sich um 8 unterschiedlich lange Erzählungen, die, obwohl sie oberflächlich gesehen nicht zusammenhängen und auch vom Stil her immer etwas anders erzählt werden, so doch eines gemeinsam haben… sie überraschen den Leser mit Menschen, die normal und durchschnittlich scheinen und dann doch ungewöhnlich sind, so wie jeder Charakter und jeder Mensch etwas Einzigartiges hat – sei es eine Eigenschaft oder Eigenart oder ein bemerkenswertes Erlebnis – so sind sie doch auch sehr nah dran an der Wirklichkeit und in Kleinigkeiten findet man sich als Leser oft wieder und kann vieles nachempfinden, was die Protagonisten erleben. Die Beschreibungen sind wunderschön und so voller Leben und Weisheit, dass es mich gar nicht wundert, dass schon sein Erstlingsbuch viele Leser überzeugt hat. Ich bin wirklich kein Fan von Geschichtensammlungen und bei Doerr geht es mir noch mehr so, dass mir die Erzählungen viel zu kurz sind und ich mehr über die Darsteller und ihr Leben erfahren hätte wollen. Diese Unzufriedenheit zeugt aber in Doerr‘s Fall vor allem davon, dass ich von seiner Fabulierfreude und seiner Erzählkunst einfach wieder voll und ganz begeistert war und dem kleinen Büchlein nur meine unbedingte Leseempfehlung aussprechen kann.