Profilbild von gagiju

gagiju

Lesejury Star
offline

gagiju ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gagiju über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.11.2021

Sensibles Grau

Wer wird denn da gleich schwarzsehen
0

Das Cover ist frech und witzig, kontrastreiche Farben, passenderweise schwarz und weiß, ein wenig gelb, grau und beige. Ein Mann, der gleichwohl nachdenklich wie verschmitzt in eine imaginäre Ecke schaut, ...

Das Cover ist frech und witzig, kontrastreiche Farben, passenderweise schwarz und weiß, ein wenig gelb, grau und beige. Ein Mann, der gleichwohl nachdenklich wie verschmitzt in eine imaginäre Ecke schaut, lässig die Hände in den Taschen. Es sieht nicht nach tierischem Ernst aus.

Man bekommt Lust, mit ihm zu diskutieren...

Ich war sehr angenehm überrascht von diesem Buch..

Ich hatte mir - ohne mir dessen selbst so recht bewusst zu sein - eher eine etwas klamaukige, satirische Herangehensweise an das Thema vorgestellt.

Statt dessen kommt Marius Jung mit viel Sachlichkeit, einer guten Gliederung, vielen Fragestellungen und vor allem zahlreichen Beispielen, die das Ganze sehr anschaulich und lebendig machen.

Besonders gelungen finde ich, wie er - unaufdringlich, aber mit einer nicht allzu distanzierten Ironie - Anschauungsmaterial aus einem eigenen Leben einfließen lässt.

Es wird in keiner Weise langweilig oder oberflächlich, wie Marius Jung mit dem Thema Rassismus umgeht. Er spricht viel über sich selbst, seine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse, aber auch Fehler, die er selbst diesbezüglich gemacht hat.

Die Gliederung des Buches ist gut und beleuchtet das Thema immer wieder unter anderen Aspekten.

Ich gestehe, ich musste mir auch selbst ab und zu an die eigene Nase greifen. Wieviel man doch mit Gedankenlosigkeit verletzen kann...

Die S. 151, die in gewisser Weise das Thema "übertreiben oder nicht" zusammen fasst, hat mir sehr gut gefallen. Ebenso der Gang durch das "House of Gender".

Eigentlich hatte ich gehofft, in diesem Buch Antworten zu finden auf Fragen, die ich mir im Zusammenhang mit der rassistischen Thematik immer wieder stelle, auch daruf, wie ich mich denn nun wirklich „korrekt“ verhalte oder ausdrücke. Solche pauschalen Antworten gibt es nicht, aber viele Anregungen, Denkanstöße, und die Grundaussagen, dass sich das alles entwickelt und verändert und dass das eben ein Prozess ist, der nicht von heute auf morgen geht. Und dass es letztlich mehr auf die Gesinnnung und Denkweise des Einzelnen ankommt als auf eine Ausdrucksweise, an der sich wirklich NIEMAND mehr stört.

Das letzte Stück des Buches bringt noch einmal viele konkrete Beispiele über „so ja, so nicht“ oder „früher okay, heute anstössig“ und auch darüber, wie manche Umbenennungen konkret umgesetzt wurden.

Besonders hilfreich fand ich die allerletzten Kapitel „Was tun? Und was nicht?“ und „Was ich mir für meine Tochter wünsche“.

Insgesamt hat mir das Buch nicht wie erhofft, einen klaren Leitfaden über „korrrektes nicht-rassistisches Verhalten und Sprechen“ geliefert, aber viele Informationen, Möglichkeiten und Denkanstöße. Und ein – weiteres – Stück Sensibilisierung.

Insofern meine Leseempfehlung für alle, die sich einfach ein Stück mit dem Thema beschäftigen möchten, ohne einen „Fahrplan“ zu erwarten.


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 13.11.2021

Richtig gute Unterhaltung

Die Ullsteinfrauen und das Haus der Bücher
0

Das Buch „beginnt“ schon mit einem wunderschönen Cover. Jugendstilmäßig inspiriert, passend zu den 20er Jahren, in denen es spielt, mit hübschen ornamental-floralen Verzierungen.
2 Frauen, die sich gegenüber ...

Das Buch „beginnt“ schon mit einem wunderschönen Cover. Jugendstilmäßig inspiriert, passend zu den 20er Jahren, in denen es spielt, mit hübschen ornamental-floralen Verzierungen.
2 Frauen, die sich gegenüber stehen, beide auf ihre eigenwillige Art schön, gut gekleidet und aufwändig frisiert und „geschmückt“ im Stil der damaligen Mode. Sie schauen sich nicht direkt an, eher etwas aneinander vorbei, erstaunt, kritisch, aber durchaus nicht unfreundlich.
Im Hintergrund in Sepia und Pastell Szenen aus dem alten Berlin.mit Gebäuden, Droschken, Pferdefuhrwerken und noblen Automobil-Karossen.

Das Buch hat mich von der ersten Seite an gepackt. Der Stil der Autorin ist flüssig und äußerst lebendig. Die Figuren entstanden direkt vor meinem inneren Auge, sind sehr gut charakterisiert. Vicki Baum, Rosalie Gräfenberg und Lilli sind aktive Frauen, beruflich und amourös gesehen, eigenwillig und interessant, jede auf eine ganz andere, eigen Art..
Selbst die 5 Ullstein-Brüder stürzen einen als Leser nicht gleich ins große Verwirrspiel („Wer ist nochmal wer und arbeitet warum gegen wen?“), sondern sind klar und gut gegeneinander abgegrenzt.
Auch die Liebesgeschichten von Rosalie und Lilli sind glaubwürdig und spannend, ohne Kitschverbrämung.
Die ganze Geschichte ist sehr gut und glaubwürdig erzählt. Menschliche Abgründe werden beleuchtet. Die Menschen verändern sich in ihren Verhaltensweisen und Charakterzügen, immer logisch und spannend aufgebaut, was ich sehr zu schätzen weiß.
Die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe der 20er Jahre in Berlin fließen sehr gut mit ein.
Die Konstellationen der einzelnen Personen untereinander verändern sich, und in den familiären, amourösen und geschäftlichen Gruppierungen ändern und verschieben sich immer wieder die Machtverhältnisse. Die Autorin schildert das sehr lebendig und für mich als Leserin sehr gut nachvollziehbar.
Nur für einen Teil der Hauptpersonen gibt es ein „Happy End“, auch das gefällt mir gut.
Die Personen fand ich so interessant, dass ich mich nach dem Beenden des Buches tatsächlich im Internet über die „wirklichen“ Mitglieder der Familie Ullstein informiert habe.
Insgesamt war das Buch für mich eine sehr angenehme Überraschung; ich hätte relativ „leichte Kost“ erwartet; und nun war es für mich richtig gute Unterhaltung mit einigen „Tiefgängen“.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.11.2021

Nordseegeplätscher

Die Frau aus der Nordsee
0

Das Buch hat ein sehr schönes Cover. Etwas rauchige Farben, Grau und Blau hauptsächlich in verschiedenen Schattierungen. Ein Steg, ein paar Möwen, ein kleineres Schiff - ein Fischkutter? -, der sich gerade ...

Das Buch hat ein sehr schönes Cover. Etwas rauchige Farben, Grau und Blau hauptsächlich in verschiedenen Schattierungen. Ein Steg, ein paar Möwen, ein kleineres Schiff - ein Fischkutter? -, der sich gerade zum Anlegen bereit macht.

Das Cover strahlt auch ein bisschen Novemberstimmung aus, obwohl es eher im Sommer spielt. Aber für die momentane Lesestimmung passt es gut. Man wünscht sich dort ans Meer, mit Gummistiefeln und wasserdichter Jacke.

Ich habe die vorherigen Bände der „Inselkommissarin“ nicht gelesen und fand es anfänglich gut gelungen, wie Lena Lorenzen und ihr Umfeld eingeführt werden. Die Vorgeschichte kommt - immer wieder in kleinen Teilen - nur in Kürze, aber ausreichend verständlich. Die Personen – Kollegen, Verdächtige, Zeugen – werden ganz gut charakterisiert, und man „sieht“ sie vor sich. Von Anfang an war das Buch relativ spannend und gut zu lesen. Man ahnte, dass hinter den Fassaden der netten und weniger netten Menschen noch einiges an Geheimnissen schlummert.

Dass die Kriminalkommissarin des Genitivs nicht mächtig ist (u.a. S. 84 oben), hat mich allerdings gestört.

Für mich hat das Buch nach dem ersten Viertel deutlich an Fahrt verloren, auch wenn es realistisch sein mag, dass es langsam und eher zäh und nicht wirklich voran geht mit den Ermittlungen.

Ich finde auch die Namensähnlichkeiten - Lena, Lisa, Luna - irritierend und erschwerend. Wenn man schnell liest und nicht hoch konzentriert ist, passiert es schon mal, dass man den falschen Namen "liest" und dann ins Stolpern kommt.

Im letzten Teil des Buches wird es noch einmal spannender, und die Ereignisse spitzen sich etwas zu.

Trotzdem geht mir alles zu leicht. Diese lockere Entschärfung der Geiselnahme, auch dann der Tod des Geiselnehmers im Krankenhaus, so völlig undramatisch passiert und zur Kenntnis genommen.

Es gibt dann noch eine - etwas - überraschende Wendung, indem ein neuer "Böser" ins Spiel kommt.

Tja - wirklich glücklich hat mich das Buch nicht gemacht.

Vor allem Lena, die ja eigentlich die Hauptfigur ist, ebenso ihr Verlobter Erck, bleiben für mich blass und nicht richtig "greifbar". Es fehlen so die richtigen Ecken und Kanten, kleine Marotten o.ä., die einen Menschen charakterisieren. Genauso die Kollegen der Kommissarin, die sind alle einfach nett, hilfsbereit, eifrig.

Die Geschichte an sich hat ja durchaus Potential, das Thema ist akut, real und schwer, aber erzählt ist sie alles in allem nicht super spannend. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass ich die 7 Bände vorher nicht gelesen habe, vielleicht werden daraus einige der auftretenden Personen klarer und schärfer und damit auch interessanter, aber wenn es nun mal 8 Bände gibt, sollte auch im 8.Teil m.E. die Spannung und die Farbigkeit des Erzählten gehalten werden.










  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.10.2021

Gruselige Weihnachten

SCHWEIG!
0

Sehr schön finde ich das Cover, im Stil ähnlich wie bei "Atme!", knapp, schwarz, weiß, ein Tupfer Rot, ein "Trauerrand" - lässt auf einen tiefgründigen Krimi hoffen....Geheimnisvoll die Baumwurzel und ...

Sehr schön finde ich das Cover, im Stil ähnlich wie bei "Atme!", knapp, schwarz, weiß, ein Tupfer Rot, ein "Trauerrand" - lässt auf einen tiefgründigen Krimi hoffen....Geheimnisvoll die Baumwurzel und der einzelne rote Baum, etwas skurrile, unheimliche Weihnachtsbäume, was gut zum Thema passt.

Wie immer bei Judith Merchant nimmt das Buch sofort rasant Fahrt auf...

Ich habe den Text in eineinhalb Tagen gelesen und konnte das Buch kaum weg legen.

Das Versteckspiel und Verwirrspiel zwischen den beiden Schwestern ist gut und geschickt angelegt, Mehrmals wechseln bis zum Schluss die Machtverhältnisse und die Rollen der "Normalen" und der "Gestörten". Auch bezüglich des braven Ehemannes wird man zunächst und dann noch mehrmals auf eine falsche Fährte gelockt.

Gut gemacht ist die Erzählperspektive aus den 3 verschiedenen Sichten, immer abwechselnd, das ist kurzweilig, flüssig und superspannend zu lesen.

Im mittleren Drittel des Buches waren allerdings einige Passagen, die mich, ehrlich gesagt, gelangweilt haben. Es wird manches einfach mehrfach erzählt bzw. in den Dialogen untergebracht. Das bremst die Spnannung. So kenne ich Judith Merchant eigentlich nicht.

Hatte zwischendurch auch mal vermutet, dass Sue und Esther ein und dieselbe Person sind - Schizophrenie - , vielleicht die jüngere Schwester tatsächlich als Kind gestorben ist - oder irgend eine ganz andere unerwartete Auflösung...

Das letzte Drittel beschert dann noch so mache Überraschung und einen unerwarteten Schluss.

Ein etwas anderes "Weihnachtsbuch", spannend, aber für mich dennoch nicht so packend wie "Atme!"



  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 26.10.2021

Ein Mutmachbuch - perfekte Winterlektüre

Die vier Winde
0

Wunderschönes Cover. Das Schwarz symbolisiert für mich die Düsternis, in der Elsas Leben zu Beginn liegt, das Trübe. Die im strukturierten Print aufgedruckten goldenen Ähren machen Hoffnung, stehen einerseits ...

Wunderschönes Cover. Das Schwarz symbolisiert für mich die Düsternis, in der Elsas Leben zu Beginn liegt, das Trübe. Die im strukturierten Print aufgedruckten goldenen Ähren machen Hoffnung, stehen einerseits für die zunächst üppigen reichen Getreidefelder in Texas, aber auch im übertragenen Sinn für Aufbruch und Ernte.

Kristin Hannah versteht es meisterhaft, die Emotionen von Elsa zu erfassen, ihre Sehnsucht nach Liebe und Gesehen-Werden, die sie zunächst wider ihren Willen in eine Schwangerschaft, Ehe und eine neue Familie treiben. In der sie dann wiederum um Anerkennung und Liebe Kämpft, diese zumindest teilweise auch erhält.

Wir begleiten Elsa weiter auf ihrem Weg mit Mann und Kindern, der sie irgendwann aus wirtschaftlichen Gründen zur Flucht nach Kalifornien zwingt. Dabei scheint sie zunächst jede Art von Liebe und Geborgenheit wieder zu verlieren. Dann aber findet sie unerwartet das, was sie bei Eltern und Ehemann vermisst, nach anfänglicher Zurückweisung bei ihren Schwiegereltern und Kindern.

Die Autorin schafft es mit ihrer lebendigen und eindringlichen Sprache, uns alles hautnah mit erleben zu lassen, wir hungern, frieren, zittern, freuen uns, schöpfen Hoffnung, finden Mut, stürzen immer wieder in Verzweiflung, schreien an gegen Ungerechtigkeit.

Es ist alles sehr spannend geschrieben, dazu gefühlvoll und durchaus nicht oberflächlich. Die einzelnen Charaktere sind gut beschrieben und verändern sich, entwickeln sich. Alle haben Ecken und Kanten, Macken und Schwächen, es gibt kein reines Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse.

Jede einzelne der Figuren war mir nahe beim Lesen, nicht unbedingt sympathisch, das wäre ja auch nicht der Sinn, aber nachvollziehbar, verständlich, Emotionen der unterschiedlichsten Art weckend.

Der Lebensweg von Elsa und ihren Kindern ist sehr eindringlich beschrieben, flüssig und schlüssig, spannend und aufregend bis zur letzten Seite.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere