Profilbild von gagiju

gagiju

Lesejury Star
offline

gagiju ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit gagiju über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 20.09.2021

Nachdrücklich

Jung, besorgt, abhängig
0

Für mich war das Buch sehr spannend zu lesen. Ich bin vom Alter her weit entfernt von Ronja Ebeling, habe allerdings einen 26jährigen Sohn, der sich genau mit dieser Problematik herumschlägt.

Er ist nach ...

Für mich war das Buch sehr spannend zu lesen. Ich bin vom Alter her weit entfernt von Ronja Ebeling, habe allerdings einen 26jährigen Sohn, der sich genau mit dieser Problematik herumschlägt.

Er ist nach 3 Jahren Auslands-Jobben-und-Reisen vom Berufsleben momentan noch ein Stück weg, sonder studiert im 3. Semester, aber auch hier sind natürlich die Themen Berufsplanung, Finanzen, Digitalisierung, Gewalt, Klimawandel, etc. sehr präsent.

Ich finde, dass Ronja Ebeling gut in die Problematik eingeführt hat, über die ich mit meinem Sohn und seinen Freunden oft spreche.

An manchen Stellen hatte ich ein "Ach ja, klar, sie hat ja recht, darüber habe ich noch nie nachgedacht!" Erlebnis, z.B. was die Frage betrifft, ob und wie sich junge Leute Ehrenämter etc. überhaupt leisten könnten.

Sehr beeindruckt haben mich die Aussagen und Fragen zu den in der Schule nicht vorhandenen Unterrichtseinheiten zu wirtschaftlichen Themen, wie Handyvertrag, Börse, Bankkonto etc.

Ich finde, dass es ein guter Schachzug der Autorin ist, die beiden Freundinnen miteinander reden zu lassen über die Themen, die anstehen. Das zieht sich durch das ganze Buch und macht es sehr lebendig, auch an Stellen, wo die Themen leicht "trocken" werden könnten.

Pasta und Wein wirken auflockernd, eine gute Idee für den Schreibstil.

Das Thema Wohnen ist für diese junge Generation auch ein Riesenproblem. Ich finde auch, dass gerade in den Städten, wo sich Studien- und Ausbildungsplätze nun einmal befinden, die Mieten unanständig teuer sind, so dass sich Studenten und Azubis ohne familiäre Zuschüsse und Nebenjobs überhaupt kein noch so bescheidenes Wohnen leisten können.

Das macht mich - wie Ronja und Mya auch - besorgt bis wütend. Zumal das alles zugunsten der ohnehin reichen Privatpersonen oder Immobiliengesellschaften geht. Es ist teilweise einfach zum K...., gerade wenn bewusst mit Unwissenheit oder mangelndem juristischen und / oder Sprachverständnis kalkuliert wird.

Ich finde allerdings auch, dass hier unser Staat mehr tun müsste. Förderprogramme MIT detaillierten Überprüfungen danach o.ä.

Die Kapitel zum Thema Frauenrolle und Kinderwunsch haben mich sehr bewegt. Ich gehöre zu einer anderen Generation als die Autorin, aber es ist für mich erschreckend, dass sich diesbezüglich bisher immer noch so wenig geändert hat, sei es bei beruflicher Job-Vergabe, Karrieremöglichkeiten, Entfristungen (dieses Wort war mir neu, ist aber wohl in der jungen Generation erschreckend wichtig) etc. Ganz besonders der "stille Zwang", Mutter sein wollen zu müssen, ist ätzend wie eh und je.....Und dass die meisten Konsequenzen trotz Möglichkeiten wie Elternzeit etc. nach wie vor die Frauen tragen (müssen)....

Wie traurig…

Die letzten beiden Kapitel in diesem Abschnitt fand ich allerdings etwas "zerfasert", konnte nicht soviel damit anfangen und wusste nicht so recht, was das aussagen soll.

Was Ronja Ebeling zum Thema Klimawandel schreibt, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Man fühlt sich als einzelne SO verantwortlich - es sei denn, man gehört wirklich zu denen, denen alles am A. vorbei geht - und gleichzeitig SO hilflos.

Ich selbst habe auch immer die Hoffnung, dass jede verzichtete Avocado, jedes vegane Gericht, jede Bahnfahrt statt Flug die Welt ein bisschen besser macht. Es nimmt einem ein Stückchen der Hilflosigkeit, verbissen will ich und wollen andere trotzdem nicht sein.

Die Aussage, dass letztlich nur die Politik, - auch gegen die großen Lobbies - etwas verändern kann - ist leider allzu wahr.

Wann werden die Menschen - und allem voran die Politiker endlich verstehen, dass es NIEMANDEM mehr nützt, finanziell in guten Verhältnissen zu leben, wenn es keine Luft zum Atmen mehr gibt?

Die Aussagen zum Thema Gewalt / Übergriffe sind sehr bewegend. Wobei ich auch glaube, dass es die - leider - auch in allen früheren Zeiten schon gab. Nur heute ist es eher akzeptiert, darüber zu besprechen, Verarbeitungsversuche zu starten und die Täter sogar anzuzeigen. Wobei die Dunkelziffer erschreckend hoch bleibt.

Ich gebe ihr unbedingt recht: es MUSS bessere Unterstützungen und Hilfen für betroffene Frauen - und auch Männer übrigens - geben, mit mehr Empathie, Diskretion, psychologischer Hilfe...

Und m.E. auch UNBEDINGT härtere Strafen für die Täter!!!!

Besonders erschreckend finde ich die digitalen Attacken, die Ronja Ebeleing hier schildert, die leider immer alltäglicher, d.h. häufiger und gemeiner werden und gegen die es bis jetzt nur so wenige und unzureichende und uneffektive Methoden gibt, sich zu wehren.

Fazit: wichtige Themen, gut, lebendig und flüssig beschrieben - ein zu empfehlender Lesestoff gerade auch für "ältere" Generationen....


  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.09.2021

Tiefgründig

Die Überlebenden
0

Das Cover ist sehr schön - und zwiespältig. Die beiden Jungs, mit nacktem Oberkörper und feuchten Haaren - man assoziiert einen fröhlichen Schwimmbad-Tag und Gesichter, die in die Sonne gehalten werden. ...

Das Cover ist sehr schön - und zwiespältig. Die beiden Jungs, mit nacktem Oberkörper und feuchten Haaren - man assoziiert einen fröhlichen Schwimmbad-Tag und Gesichter, die in die Sonne gehalten werden. Gleichzeitig wirken die Brauntöne eher etwas trüb und "unsonnig" und dämpfen das Ganze.

Nachdem ich inzwischen das Buch gelesen habe, finde ich, das Cover passt sehr gut zu der Geschichte.

Die 3 Brüder werden gut eingeführt in ihren Charakteristika, vor allem in den Rückblenden.

Der jeweilige Handlungsstrang in der Gegenwart - also das Treffen zur Bestattung der Mutter nach den vielen Jahren - mutet teilweise etwas skurril an, und da sich die Ereignisse der Vergangenheit erst nach und nach entrollen, kann man die Verhaltensweisen der Brüder manchmal nicht einordnen, schaut ihnen ein wenig verständnislos zu, aber neugierig - so ging es zumindest mir.

Wunderbar finde ich die Beschreibungen der Landschaft. Man läuft regelrecht mit durch die Wälder, an den See, taucht ein ins Wasser, riecht die sommerliche Atmosphäre.

Beklemmend erscheint von Anfang an das Verhalten der Eltern, es werden viele Szenen geschildert, die unheimlich anmuten, unverständlich, gruselig, bedrückend. Insgesamt entsteht eine Atmosphäre weit jenseits einer warmen, liebevollen Familienumgebung

Zum Ende hin nimmt das Buch noch einmal gewaltig Fahrt und Spannung auf und hat mich immer mehr in seinen Bann gezogen.

Die zeitlichen Hin- und Hersprünge in mehreren Zeitebenen und am Schluss als Rolle rückwärts in Zeitlupe erforderten schon meine erhöhte Lesekonzentration, machten es aber auch sehr interessant.

Die 3 Brüder werden zum Ende hin noch einmal deutlich schärfer in ihren Konturen.

Das Ende, die "Auflösung" ist schockierend und kam für mich wirklich überraschend.

Fazit: tolle Sprache, flüssig und tiefgängig, Beschreibungen von Menschen und Landschaften mit allen Sinnen

Keine ganz leichte Kost, aber absolut lesenswert, fern aller Klischees.

Eine meiner Lieblingsstellen, die sich um die ganze Handlung spannt:

Doch sie redeten nicht über Dinge, die passiert waren, das hatten sie noch nie getan, weil keiner von ihnen wusste, wie das ging, und vielleicht war es auch nicht nötig, vielleicht war dieses Schweigen das Schönste, was sie gemeinsam erleben konnten, denn da waren nur sie beide, Benjamin und sein Vater,...




  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 14.09.2021

Verwirrend, verstörend...

Sag mir, wer ich bin
0

Ich fand bereits das Cover extrem bedrückend. Ich hätte in einer Buchhandlung nicht danach gegriffen. Spürte auch regelrecht einen "Widerstand", das Buch von der Folie zu befreien und mit dem Lesen anzufangen....

Das ...

Ich fand bereits das Cover extrem bedrückend. Ich hätte in einer Buchhandlung nicht danach gegriffen. Spürte auch regelrecht einen "Widerstand", das Buch von der Folie zu befreien und mit dem Lesen anzufangen....

Das Schwarz und Fahlgelb im "fotografischen Teil" wirken auf mich düster und trostlos, auch das Abgebildete an sich.

Die bunten Buchstaben empfinde ich eher als schrill und laut denn als bunt und fröhlich. Oder als eine vorgetäuschte oder aufgesetzte Heiterkeit...

Nach dem Lesen finde ich: das Cover passt zum Inhalt.



Auf mich wirkt Sally in erster Linie verwirrt, sie irrt, taumelt durch ihr Leben.

Leider kann ich in vielen Teilen des Buches Sallys Gründe für ihr Verhalten nicht so recht nachvollziehen - das liegt in ihrer Persönlichkeit, die sich nicht unbedingt mit logischem Verhalten schmückt.

Ich konnte sie bis zum Schluss nicht recht einordnen, sie kam mir auch nicht näher. Ich spürte viel Distanz.

Carson wirkte auf mich sehr zwiespältig.

Charmant und fürsorglich, aber auch Zeit seines Lebens ein Frauenheld, fürchtet man die ganze Zeit um Sally.

Die Entwicklung zwischen Carson und Sally stimmte mich das ganze Buch durch bedenklich, wirkte eher wie eine künstliche Fassade als ein echtes Vertrauensverhältnis.

Die Eskalation entsteht mit dem Auftauchen des Franzosen, ab hier nimmt die Handlung als obsessive Tragödie gewaltig Fahrt auf.

Das Ende ist wie die ganze Handlung: verwirrt, verwirrend, chaotisch, gewaltvoll....

Insofern irgendwie auch konsequent. Aber in keiner Weise befriedigend. Hatte ich auch nicht erwartet.

Was mir nicht gefällt, ist die ganze Verwirrtheit der Handlungsfolgen. Viele Motive der Handelnden kann ich nicht nachvollziehen, Bei Sally kann man immer alles mir ihrer Psychose und ihrer Schädigung erklären, aber auch Carson, ihre Eltern, Philippe agieren für mich oft nicht verständlich.

Das Buch liest sich durchaus flüssig und im letzten Drittel auch spannend.

Dass es kein Wohlfühlroman sein kann und will mit dieser Thematik, ist klar. Ich habe allerdings andere Bücher zu einer ähnlichen Thematik gelesen, die mich mehr haben mit empfinden lassen.

Es bleib für mich ein Gefühl von Verstörtheit, von kalter Distanziertheit, von Verwirrung - ja, und großer Ratlosigkeit.

Sollte das die Intention der Autorin gewesen sein, ist es gelungen.







  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.09.2021

Einfach wunderbar

Der Brand
0

Mir hat schon das Cover sehr gut gefallen. Ja , es ist "typisch Diogenes", aber das ist für mich auch schön.

Mit dem Orange assoziiert man einen Brand, aber auch eine herbstliche Landschaftsstimmung, ...

Mir hat schon das Cover sehr gut gefallen. Ja , es ist "typisch Diogenes", aber das ist für mich auch schön.

Mit dem Orange assoziiert man einen Brand, aber auch eine herbstliche Landschaftsstimmung, Sonne, buntes Laub. Die Pferde bekommen ja, wenn man dann mitten im Buch ist, nochmal eine ganz eigene Bedeutung.

Ich hatte von Daniela Krien vor Jahren "Irgendwann werden wir uns alles erzählen" gelesen und fand es ehrlich gesagt, eher mühsam. Konnte den großen Hype um dieses Buch gar nicht verstehen.

"Muldental" habe ich dann auch ausgelassen.

Total begeistert war ich dann von "Die Liebe im Ernstfall". Habe zuerst das Buch verschlungen und mir dann in meiner Begeisterung sogar noch das Hörbuch gekauft, was ich von den Sprecherinnen her SUPER umgesetzt fand. Mit Freude habe ich jetzt gelesen, dass es auch verfilmt werden soll. Wobei das dann sicher wieder ganz anders ist.

"Der Brand" habe ich auf einen Rutsch bis zur Hälfte gelesen und war schnell völlig gefangen. Daniela Krien versteht es sehr gut, das Innenleben ihrer Personen zu schildern. Insbesondere Rahel konnte ich sehr gut nachempfinden, ihre Verzweiflung ob Peters Distanz, Selmas Anders-Sein und scheinbarem Lebenschaos. Gleichzeitig die Versuche, bei sich selbst zu bleiben, mit ihrem eigenen Zimmer, Yoga, Spaziergängen, dem Kochen von leckerem Essen - ich konnte jede Minute bei ihr sein und sie verstehen, auch wenn ich es wahrscheinlich anders machen würde. Oder auch nicht.

Die Vaterfrage war sehr spannend.

Peter blieb für mich anfänglich etwas grau und düster in seiner Distanziertheit, lediglich seine heitere Ruhe im Umgang mit den "unerzogenen" Kids und mit seinen eigenen Kindern setzte farbige Lichtpunkte.

Auch der letzte Teil des Buches hat mich nicht enttäuscht. Es gab noch einige „dramatische“ Entwicklungen, um Viktor, die einohrige Katze, Selma, kleine, aber deutliche Annäherungen zwischen Rahel und Peter. Über allem schwebte Melancholie, aber auch ein heller, kaum zu greifender Streifen Hoffnung.

Ich liebe die Klarheit der Sprache von Daniela Krien, die feinen, oft melancholischen Beschreibungen von Stimmungen, Menschen, zarte Grautöne statt Schwarz-Weiss-Malerei oder kitschigem Rosarot. Wunderschön die Landschaftsbeschreibungen!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.08.2021

Filigrane sinnliche Sprache

Der Panzer des Hummers
1

Das Cover gefällt mir gut und passt nach meiner Meinung zur Geschichte. Ein "sonniges" Bild mit herbstlichen Farbanklängen,zwei Menschen im Gespräch, einander zugewandt und doch ein "Nebeneinander", eine ...

Das Cover gefällt mir gut und passt nach meiner Meinung zur Geschichte. Ein "sonniges" Bild mit herbstlichen Farbanklängen,zwei Menschen im Gespräch, einander zugewandt und doch ein "Nebeneinander", eine gewisse Ratlosigkeit für den anderen, ausdrückend in Haltung und Mimik.

Tja - oft bin bei Rezensionen ich diejenige, die kritisch ist, wo fast alle anderen begeistert sind. Diesmal ist es genau andersrum.

Dieses Buch hat mich seit langem einmal wieder richtig "mitgenommen", auf eine interessante Reise ohne Kitsch, ohne Langatmigkeit, ohne reißerische Szenen.

Bereits der Einstieg hat mir sehr gut gefallen, der „Spaziergang im Jenseits“ ist sehr gut geschildert, surreal mit völlig neuen Bildern. Einzig dass die Mutter in dieser „Blase“ sieht, dass die Autos sonnenwarm sind, darüber bin ich gestolpert, denn ansonsten hat sie nur optische Eindrücke, kann also keine Temperatur fühlen. Aber was wissen wir schon vom Jenseits?

Die Töchter sind gut und spannend eingeführt und weiter entwickelt, in ihren alltäglichen Riten und Problemen.

Auch Bea hat mich in ihrer Skurrilität gleich fasziniert, die sich im Laufe des Buches zu etwas mehr Normalität relativiert bzw. Erklärungen für so manches findet.

Wunderbar finde ich die Sprache, die Autorin arbeitet hier wirklich mit allen Sinnen, nicht wie manch andere Schriftsteller nur hauptsächlich mit Optik und Akustik, sondern ganz viel auch mit haptischen und olfaktorischen Wahrnehmungen – das macht die Geschehnisse sehr lebendig.

Hochinteressant ist für mich die Erzählung der Geschichte aus den verschiedenen Perspektiven, auch sprachlich werden hier je nach Person unterschiedliche Akzente gesetzt.

Für mich ist dieser Text ein sehr gelungener Roman, für Menschen, die sich an einer schönen Sprache und einer nachvollziehbaren Entwicklung und Begegnung - oder Entfernung - der Charaktere erfreuen können. Ich würde mich sehr freuen, wenn von der Autorin bald noch mehr erscheinen würde. Ich würde es sofort lesen wollen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere