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Veröffentlicht am 29.02.2024

Kontrastreiche Frauenleben

Die Halbwertszeit von Glück
4

„Die Halbwertszeit von Glück“ von Louise Pelt besticht zunächst durch ein wirklich wunderschönes Cover und einen haptisch besonders schönen Schutzumschlag, so dass man dieses Buch gar nicht mehr aus der ...

„Die Halbwertszeit von Glück“ von Louise Pelt besticht zunächst durch ein wirklich wunderschönes Cover und einen haptisch besonders schönen Schutzumschlag, so dass man dieses Buch gar nicht mehr aus der Hand geben möchte. Das trifft tatsächlich auch auf das Leseerlebnis zu, den Pelt verschachtelt wirklich geschickt die Lebensgeschichten von drei sehr unterschiedlichen Frauen und lässt die Leser:innen lange rätseln, wie genau die Verbindung der Frauen ist. Johanna lebt 1987 in der DDR, Mylène 2019 in Paris und Holly 2003 in Los Angeles: Alle drei Frauen sind dabei, jede auf ganz verschiedene Art, auch mit dem Thema Glück verbunden, was sich im Verlauf des Romans immer weiter aufschlüsselt. Dieser nimmt seinen Ausgang in einer Vorgeschichte im dritten Reich, die sehr berührend ist und in die Geschichten der drei Frauen hinein strahlt.
Im Roman lernen wir also drei, laut Klappentext starke, Frauen kennen, Johanna, Mylène und Holly – und da kommen wir auch schon zum Problem des Buches: Johannas Geschichte ist unglaublich stark erzählt, sie zieht einen total in den Bann, ist emotional stark und in sich schlüssig und zeichnet einen vielschichtigen, starken Charakter. Lebendige Sprachbilder, tiefgründige Sätze, hochgradig spannende Situationen und viel Historie der ehemaligen DDR – hier hat das Buch alles, was es für fünf Sterne braucht. Die anderen beiden Frauen dagegen sind leider sehr klischeehaft und überdramatisch gezeichnet, es gibt eine Menge Unwahrscheinlichkeiten und unlogische Handlungen, so dass ich hier zunehmend die Lust verloren habe, diesen Menschen weiter zu folgen. Dieser starke Kontrast macht es nahezu unmöglich, das Buch einzuordnen. Für die Johanna-Geschichte gibt es eine unbedingte Leseempfehlung, packend, berührend, herausfordernd, wirklich toll! Aber die anderen beiden Frauen und ihre Geschichten sind Louise Pelt leider nicht geglückt. Am Ende immerhin schafft sie es, mit dem Ausgang der zusammengeführten Geschichten, mit einer wirklich genialen Einbindung des Buchtitels und der Verbindung zwischen den Frauen noch einmal wirklich zu überraschen. Und vor allem der Schreibstil hat mich doch immer wieder sehr mit dem Roman versöhnt, denn dieser ist wirklich herausragend, die kurzen Kapitel machen das Lesen auch sehr leicht und binden einen an das Buch. Nicht zuletzt auch stark das Fazit über das Glück, mit dem ich viel anfangen kann: „Das Glück mag vergehen, es lässt sich nicht festhalten, aber es ist kein Einzelgänger. Wenn ein Glück geht, kommt ein neues – nicht sofort vielleicht, aber irgendwann.“ Ich hoffe, Pelt traut sich im nächsten Buch mehr an Charaktere wie Johanna heran – dann werde ich ein Fan. So reicht es leider im Mix nur für 3 oder 3,5 Sterne. Danke für das wirklich wunderschöne Rezensionsexemplar.

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  • Handlung
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  • Charaktere
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  • Atmosphäre
Veröffentlicht am 04.02.2024

Klein aber oho – eine reale Bedrohung: Rasanter Wissenschaftsthriller mit Konditionsproblemen

Der Stich
8

Der Stich“ von Thilo Winter ist ein hervorragend recherchierter Wissenschaftsthriller, dem leider im letzten Drittel die Luft ausgeht.
Direkt auf dem Höhepunkt der Handlung einsteigend, lernen wir schnell ...

Der Stich“ von Thilo Winter ist ein hervorragend recherchierter Wissenschaftsthriller, dem leider im letzten Drittel die Luft ausgeht.
Direkt auf dem Höhepunkt der Handlung einsteigend, lernen wir schnell alle Prota- und Antagonist:innen kennen. Auf der Flucht von Kuba in die USA landet Inéz nach einer wilden Überfahrt in Key West, wo sie prompt auf Quito Mantezza, einen Studenten der Meeresbiologie, trifft, der sich gegen Freilandversuche mit genmanipulierten Mücken einsetzt. Zurecht, wie schnell festzustellen ist, denn diese Mücken entwickeln sich in Freiheit gesetzt weiter zu wahren Mordinstrumenten, die alle Lebewesen um sie herum vernichten werden, wenn sie nicht wieder unter Kontrolle kommen. Die illegale Flucht aus Kuba gibt uns einen spannenden, immer aktuellen Zeitbezug, der später durch gut recherchierte Einsprengsel wie die real gewesene „wet feet, dry feet policy“ untermauert wird. Dass der politische Hintergrund nicht nur ein fiktiver ist, sondern in der Realität verwurzelt ist, macht das Buch super aktuell, ebenso wie viele, wirklich hervorragend recherchierte wissenschaftliche Fakten in Hinblick auf die Mücke, dieses unscheinbare Insekt, über dass wir alle uns viel zu wenig Gedanken machen – hier kommt mensch nicht daran vorbei, dem nächsten Sommer mit ganz neuer Sorge entgegenzusehen. Winter führt die Handlung im Verlauf des Buches souverän und ist ein Meister im Herstellen von sehr lebendigen Settings und Beziehungen. Sehr klar schafft er Sympathien und Antipathien, führt komplexe Handlungsstränge parallel und hält die Spannung durchweg hoch. Leider kommt es aber auch immer wieder zu vollkommen unplausiblen, sehr konstruierten Situationen, wirklichen Fehlern in der Continuity des Storytellings und sehr plakativen Typisierungen. Ebenso stehen extrem gelungene Sprachbilder Sätzen gegenüber, bei denen mensch sich kurz fragt, ob das Buch schlecht übersetzt ist – bis wieder einfällt, dass Thilo Winter ein deutschsprachiger Autor ist. Und nach einem fulminanten Ritt durch eine wirklich brisante Geschichte, verliert Winter am Ende leider ganz die Zielung und löst den Thriller hektisch mit einer Nacherzählung auf, die alle Erwartungen enttäuscht und sich endgültig in Klischees verliert – eine relative unbefriedigende Auflösung. Immerhin werden noch viele Kreise noch geschlossen. Dieses Finale ist sehr schade, weil das Thema an sich und die Gestaltung insbesondere des ersten Drittels des Thrillers sich absolut im 4-5-Sternebereich bewegt. Hier wünsche ich dem Autor für das nächste Schreibprojekt mehr Zeit und mehr Seiten, die Grundkonstruktion des Thrillers bietet hier viel Hoffnung auf noch viel mehr (und zum Glück gibt es ja einen kleinen Cliffhanger am Ende – Fortsetzung garantiert?). Dennoch gibt es aufgrund der Themenwahl und den wirklich elegant eingebetteten, ausgezeichnet recherchierten Fakten bei allen Abstrichen eine klare Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung