Herrlich berührend!
Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold FryMeine Meinung
Harold Fry ist fünfundsechzig Jahre alt und bewegt sich für gewöhnlich nicht weiter zu Fuß fort, als bis zu seinem Auto. Als er einen schicksalsträchtigen Brief seiner ehemaligen Kollegin ...
Meine Meinung
Harold Fry ist fünfundsechzig Jahre alt und bewegt sich für gewöhnlich nicht weiter zu Fuß fort, als bis zu seinem Auto. Als er einen schicksalsträchtigen Brief seiner ehemaligen Kollegin Queenie bekommt, in dem sie ihm mitteilt, dass sie unheilbaren Krebs hat, entschliesst er ihr zu antworten. Obwohl er mehr als 20 Jahre nichts von ihr gehört hat, trifft die Erinnerung ihn hart. In seiner Firma war Quennie die Einzige, mit der er sich verstand. Ein Antwortbrief kommt Harold plötzlich so mickrig vor. Also entscheidet er, den Brief wenigsten bis zum nächsten Briefkasten zu tragen. Oder zum Übernächsten. Oder zum nächsten Breifkasten in der nächsten Stadt. Plötzlich fasst Harold einen Entschluss. Er wird den Brief persönlich vorbei bringen. Er wird zu Fuß bis nach Berwick gehen. Von Kingsbridge aus - über 1000 km in 87 Tagen. Und Quennie wird leben!
Die ganze Geschichte hindurch wird Harold vom Leser begleitet. Harolds persönliche Entwicklung ist durch das Buch hindurch enorm hoch und faszinierend. Er startet ganz allein und hat nicht mal einen Plan. Kein Gepäck, keine Wechselklamotten, kein Kompass, keine Wanderausrüstung und keine Hygieneartikel. Sein Ziel ist Queenie und wie er dort ankommt oder wie er unterwegs auf die Leute wirkt, ist ihm völlig egal. Das hat mich beeindruckt, denn die meisten Menschen sind viel zu sehr darauf bedacht, was die Anderen über sie denken. Viele Menschen können sich mit diesem Buch vielleicht auf eine eigene Reise begeben und anfangen sich selbst zu reflektieren, denn genau dazu lädt Harold den Leser ein.
Spannung kam nicht wirklich auf, aber das Buch ist eben auch kein Krimi. Für den Leser ist ab einem unbestimmten Punkt einfach nur noch wichtig, ob Harold sein Vorhaben erfolgreich abschließen wird und ob Queenie am Ende auf ihn wartet. Denn Harold wird immer mal wieder von Selbstzweifeln zerrissen und sein mangelndes Selbstvertrauen steht ihm oft im Weg. Er kämpft nicht nur gegen die Umstände, sondern am meisten gegen sich selbst an. Und das ist es auch, was mich hat weiterlesen lassen. Die Frage: "Schafft Harold es durchzuhalten?"
Der Schreibstil ist einfach gehalten, dafür aber sehr bildhaft. Während Harold zu Fuß an Straßenrändern entlang wandert, im strömenden Regen und mit kaputten Schuhen, war ich stets bei ihm und sah ihn direkt vor meinen Augen. Das Cover ist wunderbar schlicht gehalten - genau wie die Geschichte an sich. Sehr passend sind die beiden Schuhe, denn um die Schuhe macht sich Harold immer mal wieder Gedanken.
Zitat
Er hatte keine Wanderschuhe, keinen Kompass, von einer Landkarte oder Kleidung zum Wechseln ganz zu schweigen. Der am wenigsten ausgefeilte Teil der
Planung war jedoch die Reise selbst. (Seite 38)
Fazit
Ein herrlich berührendes Buch um einfach mal abzuschalten. Die Reise mit Harold Fry macht Spaß, stimmt manchmal aber auch nachdenklich. Für alle Fans der Selbstreflektion. Von mir eine klare Leseempfehlung.