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Veröffentlicht am 31.03.2024

Moderne Mystik

Elyssa, Königin von Karthago
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Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft ...

Der trojanische Held Aeneas strandet als Schiffbrüchiger mit seiner Mannschaft und seinem Sohn an der Küste Karthagos. Elyssa, die Königin dieses Landes, nimmt sie bei sich auf. Was mit Gastfreundschaft beginnt, wird schon bald zu einer tiefen leidenschaftlichen Liebe. Als Anführer ihrer beiden Völker sind Elyssa und Aeneas jedoch nicht nur sich selbst verpflichtet, sodass die Verbindung der beiden unter keinem guten Stern zu stehen scheint.

Es ist einige Jahre her, dass ich von Vergills Mythos um die Königin Karthagos, zum ersten Mal in einem Lateinbuch gelesen habe. Was damals noch eher Mittel zum Zweck gewesen ist, habe ich dank Irene Vallejos Roman nun wieder entdecken dürfen. Verschiedenste Protagonisten, u.a. der Dichter Vergill selbst, oder der berühmte Liebesgott Eros, werfen in den einzelnen Kapiteln aus ihrer Perspektive einen Blick auf das schicksalhafte Kennenlernen von Aeneas und Elyssa. Die Neurerzählung des Mythos beschränkt sich jedoch nicht nur auf Romantik, sondern stellt auch das politische Gefüge, in dem sich Elyssa als Königin immer wieder neu gegen machthungrige Männer behaupten muss, in den Vordergrund. Mir gefällt die Ausarbeitung ihres Charakters, diese sanfte Balance zwischen starker Regentin und träumerischer Liebhaberin. Noch mehr gefällt es mir, dass in diesem Text nicht etwa Aeneas, der Held, im Mittelpunkt der Geschichte steht, sondern Elyssa als Frau und Königin.

Der Trend der letzten Jahre, antike Geschichten in modernen Romanen, neues Leben einzuhauchen, wurde von Irene Vallejo mit "Elyssa. Königin von Karthago." mutig fortgesetzt. Für mich ist diese Art von Büchern immer noch nicht alt geworden, wird es vielleicht nicht. Die Gestaltung der deutschsprachigen Ausgabe aus dem Diogenesverlag ist außerdem ausgesprochen schön.

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Ciao Bella

Hallo, du Schöne
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Vier Schwestern, eine Familie.
Julia ist die älteste Schwester und sieht sich als heimliche Anführerin der Padavano-Mädchen. Sie hat ihr Leben fest im Griff und für alles einen Plan, auch für die Zukunft. ...

Vier Schwestern, eine Familie.
Julia ist die älteste Schwester und sieht sich als heimliche Anführerin der Padavano-Mädchen. Sie hat ihr Leben fest im Griff und für alles einen Plan, auch für die Zukunft. Als sie den zurückhaltenden Basketballspieler William Waters in einem gemeinsamen College-Kurs entdeckt, scheint sich dieser perfekt in die Schablone einzufügen, die Julia gedanklich für ihren zukünftigen Ehemann ausgestanzt hat.
Doch das Leben fügt sich nicht. Nach einem Schicksalsschlag, ist das einst so sicher geglaubte Familiengefüge der Padavanos auf einmal brüchig. Und William wird darüber hinaus zu einer Variablen, die Julias Gleichung nicht aufgehen lässt.

"Hallo du Schöne" ist ein American novel, der über mehrere Jahrzehnte und zwei Generationen hinweg, die Geschichte einer Familie nachzeichnet. Einer Familie, die hauptsächlich aus Frauen besteht und dann doch an Männern zerbricht.
Die Autorin nimmt das Konstrukt einer Familie in all seiner Brüchigkeit aber auch seiner Heilsamkeit unter die Lupe. Es geht um die verschiedenen Dimensionen on Schwesternschaft, aber auch um eine Girlhood (Wir brauchen ein deutsches Wort für diesen wundervollen Begriff) und ihr jähes Ende.
Zu Beginn hat mich die Geschichte, die abwechselnd aus der Perspektive verschiedener Familienmitglieder erzählt wird, sofort in ihren Bann gezogen. Ich mag die Retro-USA Vibes, den Flair des Arbeitermilieus, die Melancholie in der Sprache und der Ausarbeitung der Geschichte. Zwischenzeitlich ist es dem Plot dann aber nicht immer so gut gelungen, mich bei der Stange zu halten. Das Buch kämpft sich durch ein paar Längen bevor es wieder an Fahrt aufnimmt. Der Text ist stark charaktergetrieben. Ich mochte die feinen Nuancen, in den Beziehungen der Schwestern untereinander. Williams Charakter hat, wie wohl von der Autorin beabsichtig, eine seltsame Faszination auf mich ausgeübt. Die Nähe, die zu den Figuren aufgebaut wird, führt dazu, dass sie mich auch manchmal frustriert haben - vor allem Julia. Man fühlt jedoch unweigerlich mit den Padavanos.
Generell ist "Hallo du Schöne" eine gelungene Erzählung über Familie, das Leben und den Schmerz, den sich Menschen, die sich lieben, manchmal zufügen. Das Buch hält, was es verspricht: Typisch amerikanisch, schmerzvoll, nostalgisch.

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Was ist das Subjekt?

Notizen zu einer Hinrichtung
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Ansel Packer ist ein zum Tode verurteilter Serienmörder, dessen Strafe in wenigen Stunden vollstreckt werden soll. "Notizen zu einer Hinrichtung" ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Buch über seine Taten, ...

Ansel Packer ist ein zum Tode verurteilter Serienmörder, dessen Strafe in wenigen Stunden vollstreckt werden soll. "Notizen zu einer Hinrichtung" ist im wahrsten Sinne des Wortes kein Buch über seine Taten, sondern eine Auseinandersetzung mit all denjenigen, welche diese Taten beeinflussen. Vor allem aber mit den Frauen, deren Leben von Ansels Taten berührt werden.
Da sind jedoch nicht in erster Linie seine Opfer, sondern deren Angehörige, eine Polizistin oder Ansels Mutter.

"Notizen zu einer Hinrichtung" ist weit davon entfernt ein klassischer Thriller zu sein. Trotzdem ist das Buch packend, sogar ziemlich erschütternd. Für mich war es manchmal schwer auszuhalten - obwohl die Autorin im Groben auf Blutrünstigkeit verzichtet.
Es ist beeindruckend, wie es Kukafka gelingt, Packer als Mensch begreiflich zu machen. Das tut sie in einer Nüchternheit, die mir als Leserin zum Glück kein Mitleid abverlangt, die Dinge aber in Relation zueinander stellt. Ich würde ganz vorsichtig sagen, dass das Buch allen Beteiligten, eine jeweils angemessene Form der Empathie entgegenbringt. Die damit einhergehende Bearbeitung des Themas der Todesstrafe in den USA und ihrer Sinnhaftigkeit finde ich interessant und vielschichtig.

In unserer gegenwärtigen Popkultur werden Kriminalfälle auf unterschiedlichste Weise bearbeitet. Das sind die klassischen Thriller in Film und Literatur, aber auch Netflixdokus oder True Crime Podcasts. Es ist Gang und Gäbe, dass eine Auseinandersetzung nicht nur auf fiktionaler Ebene stattfindet, sondern auch in Form von Nacherzählungen wahrer Begebenheiten. US-amerikanische Serienmörder wie Bundy oder Dahmer, ihre Namen und Verbrechen sind weitreichend bekannt.
Danya Kukafka wirft mit ihrem Roman unweigerlich die Frage auf, welche und vor allem wessen Perspektive wir bei solchen Betrachtungen einnehmen sollten.
Wer soll das Subjekt sein?
Die die Verlagswerbung verspricht nicht zu viel, wenn es heißt, dass es sich bei diesem Buch auch um eine Auseinandersetzung mit dem True Crime Genre handelt.
Auf sprachlicher Ebene ist das "Notizen zu einer Hinrichtung" - entsprechend der Thematik und der agierenden Protagonisten - manchmal etwas derb, aber in seinem Tonfall fein austariert.
Inhaltlich hat es mir einiges abverlangt. Ich denke dennoch, dass es ein Paradebeispiel seiner Art ist und bin froh es gelesen zu haben.

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Veröffentlicht am 04.03.2024

Brandmale

Leuchtfeuer
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In ihrem Roman "Leuchtfeuer" erzählt die US-amerikanische Autorin Dani Shapiro in Rückblenden die Geschichten zweier benachbarter Familien, die durch verschiedene Schicksalsschläge miteinander verbunden ...

In ihrem Roman "Leuchtfeuer" erzählt die US-amerikanische Autorin Dani Shapiro in Rückblenden die Geschichten zweier benachbarter Familien, die durch verschiedene Schicksalsschläge miteinander verbunden und sich in ihrer Nähe doch seltsam fremd sind.
Es ist das Jahr 1985, als Sarah ihren fünfzehnjährigen Bruder Theo zu einer Autofahrt herausfordert. Als er den Wagen gegen einen Baum, direkt vor dem Haus der Eltern setzt, stirbt die Nachbarstochter Misty. Obwohl der Vater der Geschwister, der selbst Arzt ist, heran eilt und versucht sie zu retten. Die Familie behält im Nachgang des Unglücks ein Geheimnis zurück.
Vierzehn Jahre später schafft es der Vater dem kleinen Waldo, einem anderen Nachbarskind, das Leben zu retten. Wiederum Jahre später werden die beiden Freunde. Doch der Schatten der Schuld wirft sich seit der Nacht des Unfalls fortwährend über die Leben der Beteiligten. (Dramatische Musik Ende)
Tatsächlich ist es gar nicht so leicht, den Inhalt von "Leuchtfeuer" in wenigen Sätzen zusammenfassen. Der Unfall und Mistys Tod sind nicht das einzige Thema, mit dem sich der Roman auseinandersetzt. Unabhängig von Schuld und Gewissen setzt sich der Roman auch mit Themen wie Trauer, Krankheit, Sprachlosigkeit, Entfremdung etc. auseinander. Es ist ein vielschichtiges, emotionales Buch, das entsprechend der bearbeiteten Themenfelder, auch mit einer gewissen Schwermut daherkommt. Die Geschwister Sarah und Theo schlagen beide einen erfolgreichen Lebensweg ein, doch auch als Erwachsene lassen sie Mistys Tod und die in der Vergangenheit lauernde Lüge nicht los. Es geht auch um diese unterschiedlichen Lebenswege, und wie einzelne Begebenheiten oder die schiere Gleichgültigkeit des Zufalls sie so leicht in völlig verschiedene Richtungen lenken können. Man könnte sagen: Das Leben macht mit seinen Höhen und Tiefen vor niemandem Halt. Manche Dinge entwickeln sich zu ungeahnt tiefen Brandmalen (in Theos Fall im wahrsten Sinne des Wortes), die wir stets mit uns tragen.
"Leuchtfeuer" ist ein feinsinniger Familienroman, typisch amerikanisch und gleichzeitig universell. Während ich das Gefühl hatte, dass manche Zusammenhänge oder menschlichen Verhaltensweisen auf den Punkt gebracht wurden, hatte ich an anderer Stelle, das Gefühl den Lauf der Dinge logisch betrachtet nicht ganz nachvollziehen zu können. So hat mich zum Beispiel die anfängliche Fremdheit zwischen Dr. Wilf und Waldo irritiert. Später ist es aber auch die Beziehung der Beiden, die ein "Leuchtfeuer" zwischen all der Melancholie darstellt.

Fazit:
"Leuchtfeuer" ist schöner, sprachlich ansprechender und inhaltlich tiefsinniger, sowie vielfältiger Lesestoff. Kein Glücklich-Macher-Buch, aber eines, das dazu einlädt, sich auf sanfte Art und Weise, mit den Herausforderungen des Lebens auseinanderzusetzen.

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Veröffentlicht am 21.12.2023

Schwarz weiß grau

Endstation Malma
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"Endstation Malma" ist mein erstes Buch von Alex Schulmann, dem schwedischen Autor, der mir in den vergangenen Jahren durch überschwänglich begeisterte Rezensionen zu seinen Romanen ein Begriff geworden ...


"Endstation Malma" ist mein erstes Buch von Alex Schulmann, dem schwedischen Autor, der mir in den vergangenen Jahren durch überschwänglich begeisterte Rezensionen zu seinen Romanen ein Begriff geworden ist. Malma ist eine fiktive Kleinstadt. Auf einer Zugreise dorthin befinden sich unterschiedliche Menschen: Harriet, Oskar, Yana. Nach und nach zeigt sich, dass sie durch Raum und Zeit miteinander verbunden sind.

In seinen Büchern verarbeitet Schulmann immer auch autobiographische Erfahrungen. Da ich nicht gerne Biographisches lese, kommt es, dass ich erst so spät zu einem von ihnen gegriffen habe. "Endstation Malma" wird dem Ruf seiner Vorgänger gerecht. Der Text verhandelt komplexe zwischenmenschliche Beziehungen. Es geht um das Konstrukt Familie - von einer düsteren Perspektive betrachtet. Inhaltlich ist das nicht immer leicht verdaulich. Über verschiedene Zeitebenen hinweg ergründet der Autor die große Frage, wie die Vergangenheit unsere Gegenwart und Zukunft formt. Und vor allem: Welche Verantwortung, die Menschen, die uns geprägt haben - oder besser gesagt, wie unser Blick auf diese Menschen - unser Handeln in Gegenwart und Zukunft bestimmt. Es ist ein Buch, das seine Finger in Wunden legt, die man viel zu oft vernarben lässt. Es stellt Fragen, die sich wohl die wenigsten Menschen tatsächlich stellen. Weil schmerzhaft. Weil es Kraft kostet, sich mit dem Schmerzhaften auseinanderzusetzen.
So hat auch das Lesen mich mehr oder weniger viel Kraft gekostet. Zwischenzeitlich fehlte mir der Silberstreif in der transgenerationalen Ödnis. Nichtsdestotrotz ist "Endstation Malma" ohne Frage ein sehr gutes, fein ausgearbeitetes Buch, welches das Schwarz-Weiß des Zwischenmenschlichen gekonnt eruiert.

(4,5 Sterne)

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