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Veröffentlicht am 23.05.2021

Das große Leben

Der große Sommer
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Inhalt:

Frieder muss im Herbst eine Nachprüfungen absolvieren, um doch noch die Versetzung in die nächste Klassenstufe zu schaffen. Deswegen wird er kurzerhand aus dem Familienurlaub verbannt, um die ...

Inhalt:

Frieder muss im Herbst eine Nachprüfungen absolvieren, um doch noch die Versetzung in die nächste Klassenstufe zu schaffen. Deswegen wird er kurzerhand aus dem Familienurlaub verbannt, um die Sommerferien im Haus der Großeltern zu verbringen oder dort zu lernen. Die Großeltern, das sind Frieders liebevolle Nana und der Großvater, ein strenger Professor, der eigentlich gar nicht Frieders leiblicher Großvater ist, und den er bis vor wenigen Jahren noch siezen musste. Von nun an heißt es für Frieder: vormittags Pauken, abends Freiheit. Diese Freiheit verbringt Frieder am liebsten mit seinem besten Freund Johann, seiner Schwester Alma und Beate, die er auf dem Sprungturm im Freibad kennengelernt hat. Frieder hat sich verliebt und dieses Hochgefühl trägt ihn durch den Sommer, während er bei seinen Großeltern nach den eigenen Wurzeln forscht und am Großvater ganz neue Seiten entdeckt.

Meine Meinung:

Was mich an den Büchern von Ewald Arenz so besticht, ist dieser Wechsel zwischen flapsiger Alltagssprache und schönsten poetischen Beschreibungen einer bestimmten Atmosphäre, des Lichts oder eines Gefühls. Das hat bei ihm etwas Szenisches, wie im Film, und lässt ganz klare Bilder in meinem Kopf entstehen. In „Der große Sommer“ gibt es einen romantischen Moment zwischen Beate und Frieder, der beinahe allein durch Licht und Schatten gezeigt wird. Das fand ich sprachlich so so schön.

„Der Große Sommer“ hat ähnliche Motive wie Benedict Wells’ „Hard Land“: Vier Freunde, der Sommer, in dem alles anders wurde, familiäre Probleme. Trotzdem hat Ewald Arenz ein ganz anderes Buch geschrieben. Ich würde sagen, neben Frieder ist der Großvater, die zentrale Figur, und in meinen Augen ist dieser Charakter dem Autor unglaublich gut gelungen. Wie aus dünnen Rissen in der harten Schale dieses Mannes, ein bisschen Weichheit hervorbricht, war wirklich so schön zu lesen. Außerdem zeigt er Charakterzüge, die für diese alten, respekt- wie furchteinflößenden Professoren, von denen bis heute Exemplare durch die ein oder andere Klinik schleichen, so typisch sind. Frieders Großvater ist der Chef der Bakteriologie (heute würde man vermutlich Mikrobiologie sagen) und ich möchte generell ein Lob für die wissenschaftlichen Darstellungen im Roman aussprechen. Das fand ich alles super präzise. Außerdem haben mich auch die Anfangsszenen in Frieders Klassenzimmer und auf dem Sportplatz begeistert, weil mich das so schlagartig in meine bayrische Schulzeit zurückversetzt hat. Ich hatte nur drei Seiten vom Buch gelesen und dachte die ganze Zeit: „Genau. So. War. Es. Das war das Gefühl.“ Obwohl ich gar nicht aus Frieders Generation komme, scheint sich nie viel geändert zu haben.

In der Geschichte gibt es immer wieder kurze Einblicke in die Gegenwart, in der Frieder ein Mann mittleren Alters ist und auf einem Friedhof ein Grab sucht. Nur wessen Grab - das ist die Frage, die den Rahmen in der Handlung spannt. Ich fand den Plot sehr individuell und für mich war es nicht vorhersehbar, was in Frieders Sommer passieren würde. Auch die Zeit, in der die Geschichte spielt, fand ich sehr interessant gewählt. Der Krieg ist zwar schon seit 30 Jahren vorbei, aber er hängt immer noch über den Dächern und irgendwie auch noch über den Erwachsenen, die diese Prägung an die nächste Generation weitergeben.

Fazit:

Wie oben bereits angedeutet, drängt sich der Vergleich zu „Hard Land“ ja irgendwie auch. Es fällt mir schwer eine Favoriten zu benennen, weil ich beide Bücher sehr genossen habe und sie doch so unterschiedlich sind. Wenn ich mich aber entscheiden muss, bin ich trotz allem „Team Hard Land“, weil es da noch ein paar einzelne größere Momente gab, die ich so geliebt habe und die für mich am Ende den Ausschlag geben. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass Frieders Erfahrungen mir näher waren.

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Veröffentlicht am 23.05.2021

Vorsicht giftig!

Blütenschatten
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Inhalt:

Eine Frau spaziert in der Nacht allein durch London und rekapituliert ihr Leben. Es ist Eve Laing, 60 Jahre alt, Malerin von hyperrealistischen Blumenbildern. Sie hat vor wenigen Monaten ihren ...

Inhalt:

Eine Frau spaziert in der Nacht allein durch London und rekapituliert ihr Leben. Es ist Eve Laing, 60 Jahre alt, Malerin von hyperrealistischen Blumenbildern. Sie hat vor wenigen Monaten ihren Ehemann, einen Stararchitekten, für einen Mann verlassen, der nur halb so alt ist wie sie.

Eve hat ihr Leben lang um Aufmerksamkeit für sich und ihre Kunst gekämpft. In dem jungen Luka glaubt sie gefunden zu haben, wonach sie so lange gesucht hat, und rechnet nun schonungslos zynisch mit denjenigen ab, die ihr im Leben Unrecht getan haben. Sie flieht vor ihnen und bewegt sich gleichzeitig auf etwas zu, das sie nicht hat kommen sehen.

Meine Meinung:

„Blütenschatten“ von Annalena McAfee ist eines der anspruchsvollsten Bücher, die ich je gelesen habe.

Das liegt zum einen an der Sprache, die ziemlich gehoben ist und teilweise vor kunst- und kulturwissenschaftlichen Verweisen nur so strotzt. Da bin ich teilweise an meine Grenzen gestoßen. Zum anderen liegt es auch am Inhalt, mit dem ich mir nicht immer leicht getan habe.

Ich versuche im Moment beim Lesen vermehrt über meinen Tellerrand zu schauen und ich wollte unbedingt mehr Bücher kennenlernen, die moralisch fragwürdige Personen - insbesondere Frauen - in den Fokus rücken.

Eve ist tatsächlich eine sehr fragwürdige Protagonistin. Mir persönlich war sie durchgängig unsympathisch und ich habe mich auf ihre Weltanschauung bzw. Ihre Handlungen nur schwer einlassen können. Das lag nicht daran, dass sie dem gängigen Rollenbild einer Frau widerspricht, sondern an der Art und Weise, auf die sie es tut. Ich würde sie als egozentrisch, unreflektiert und selbstherrlich bezeichnen. Trotzdem hat sie mir manchmal leid getan. Mit Sicherheit ist dieser Zwiespalt zwischen Mitleid und Abgestoßensein von der Autorin so gewollt gewesen. Es hat mich tatsächlich fasziniert!

Wirklich sehr gestört hat mich dagegen, dass der Plot so konstruiert wurde, dass eine Figur, die eigentlich kaum eine Rolle spielt, von Eve für ihre sexuelle Orientierung/ geschlechtliche Identität diskriminiert wird. Das hätte die Geschichte in meinen Augen nicht nötig gehabt!

Generell lässt sich also sagen, dass das Buch und seine Protagonistin polarisiert. Ich konnte es trotzdem in der zweiten Hälfte nicht mehr aus der Hand legen. Ich habe mich wahnsinnig über die Geschichte, ihr Konstrukt, die handlungstragenden Personen aufgeregt und wollte gleichzeitig unbedingt wissen wie es weitergeht.

Eve arbeitet im Buch an einer Ausstellung mit Kunstwerken, die extrem giftige Pflanzen zeigen. Die metaphorischen Verbindung zwischen ihrer Malerei und der Handlung der Geschichte haben mir äußerst gut gefallen. Das Buch ist überhaupt sehr genau durchdacht. Jedes Ereignis hat einen doppelten Boden und die Auflösung der Geschehnisse, das Ineinandergreifen der einzelnen Handlungsstränge ist wirklich gut gemacht. Das Ende hat mich, wie schon vieles zuvor, schockiert. Dennoch habe ich es als sehr spannend empfunden.

Fazit:

Ich habe mich oft gefragt, was das Buch mir eigentlich sagen möchte. Anfangs bin ich davon ausgegangen, ich hätte einen feministischen Roman in der Hand. Aber so habe ich persönlich die Geschichte nicht gelesen. Für mich ist „Blütenschatten“ eine aufwühlende Erzählung über eine Frau, die sich durch eine tragische Mischung aus falschen Handlungen und schlechtem Charakter, selbst ins Verderben stürzt. Sie macht sich die Menschen in ihrem Leben der Reihe nach zu Feinden und erntet das Ergebnis. „Blütenschatten“ ist aufwühlend und kontrovers.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Stolz, Vorurteil und Romantik

Die Rebellinnen von Oxford - Verwegen
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Ich liebe Regency Romane und Historical Romance. Man könnte soweit gehen und das Genre als mein „Guilty Pleasure“ bezeichnen. Als ich in der Programmvorschau des LYX-Verlags die Bücher von Evie Dunmore ...

Ich liebe Regency Romane und Historical Romance. Man könnte soweit gehen und das Genre als mein „Guilty Pleasure“ bezeichnen. Als ich in der Programmvorschau des LYX-Verlags die Bücher von Evie Dunmore entdeckt habe, war ich dementsprechend aus dem Häuschen. Und ohne die Autorin vorher je wahrgenommen zu haben! Was wirklich eine Schande ist! Denn meine Hoffnungen wurden nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Alle Erwartungen sind vielmehr übertroffen worden.

Inhalt:
Annabelle Archer ist eine der ersten weiblichen Studentinnen an der Universität von Oxford. Sie kommt aus einem einfachen, bürgerlichen Elternhaus und seit dem Tod ihres Vaters steht sie unter der Fuchtel ihres Cousins, der sie als unterbezahltes Hausmädchen missbraucht. Das Studium in Oxford kann Annabelle sich nur leisten, weil sie ein Stipendium von Lady Lucy Tedburry erhält, einer jungen Adligen mit zweifelhaftem Ruf, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht, hat mit ihrer Gruppe aus Suffragistinnen für das Frauenwahlrecht zu kämpfen. Um dieses Ziel erreichen und die anstehenden britischen Parlamentswahlen zu ihren Gunsten beeinflussen zu können, müssen die Frauen jedoch einige einflussreiche Männer auf ihre Seite ziehen.
Sebastian, der Herzog von Montgomery, ist der einflussreichste unter besagten Männern. Als Unterstützer und politischer Stratege der Tory-Partei, hält er überhaupt nichts von den Suffragistinnen und ihrem Ansinnen. Dementsprechend eisig fällt das erste Zusammentreffen zwischen ihm und Annabelle aus. Und dementsprechend umerfreut ist er, als er sie nur kurze Zeit später schlafend auf dem Lesesessel in seiner eigenen Bibliothek vorfindet.

Meine Meinung:
Hach ja. Also, wo fange ich an. Es war so schön. Wirklich so so schön.
„Die Rebellinnen von Oxford - Verwegen“ ist eine historische Enemies-to-lovers-Romanze á la Stolz und Vorurteil, nur ein bisschen expliziter. Aber neben der Romantik, gibt es so viele andere wichtige Aspekte, in denen sich die Geschichte maßgeblich von anderen Büchern ihres Genres abhebt. Man spürt auf jeder Seite, dass Evie Dunmore sich Mühe gibt, ihrem Romanstoff einen feministischen Anstrich zu verpassen. Und das gelingt ihr auch. Annabelle, Lucy und die anderen Suffragistinnen sind starke Frauenfiguren, die sich gegen die Konventionen ihrer Zeit stellen und sich gegenseitig Freundschaft und Unterstützung bieten. Diese Szenen, in denen man den Zusammenhalt zwischen den Frauen gespürt hat, haben mir besonders gut gefallen.
Natürlich nimmt darüber hinaus die Liebesgeschichte von Annabelle und Sebastian den meisten Raum im Buch ein. Und Evie Dunmore ist hier wirklich eine wunderschöne Liebesgeschichte gelungen. Annabelle und Sebastian führen kluge Gespräche, die verbalen Auseinandersetzungen zwischen ihnen spielen sich auf einer gemeinsamen Augenhöhe ab und sind amüsant zu lesen.
Annabelle ist unabhängig, leidenschaftlich und gebildet. Manchmal auch hitzköpfig. Mit Sebastian hat es die Autorin geschafft, einen Helden zu schreiben, der trotz seines aristokratischen Standes und seiner politischen Verpflichtungen, niemals herablassend wirkt. Wie bereits angedeutet, erinnert die Geschichte in ihren Grundzügen an „Stolz und Vorurteil.“ Die Beziehung zwischen Annabelle und dem Herzog entwickelt sich langsam aber stetig. Es gibt eine Menge sehr klassisch romantischer Szenen, die Evie Dunmore umsetzt, ohne dabei in Kitsch abzudriften.
Der Schreibstil ließt sich fantastisch. Nicht gestelzt historisch, aber auch nicht zu modern. Viele der Nebencharaktere sind mir ans Herz gewachsen. Oxford ist ein traumhaftes Setting und die Universität ein Ort, an den ich noch selten in Büchern gereist bin. An dieser Stelle möchte ich noch erwähnen, dass Annabelles Studium an sich in der Geschichte eine eher untergeordnete Rolle spielt. Ihr Alltag als Studentin wird verhältnismäßig wenig erzählt. Mich persönlich hat das allerdings überhaupt nicht gestört. Dafür spielt die politische Situation und der Kampf der der Suffragistinnen eine tragende Rolle. Am Ende ist und bleibt die Geschichte außerdem ein Liebesroman.

Fazit:
Ich bin restlos begeistert von diesem Buch. Evie Dunmore hat sich damit in mein Liebesroman-Herz geschrieben. Ich freue mich wahnsinnig auf die Folgebände der Reihe, in denen wir weitere Suffragistinnen auf ihrem jeweiligen Weg zum Liebesglück begleiten dürfen und werde mit Sicherheit jeden davon lesen.

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Veröffentlicht am 14.05.2021

Lüge, Lüge

Lila, Lila
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„Lila, Lila“ ist mein erster Roman von Martin Suter gewesen. Bookstagram hat mich influenced, nachdem ich den Film vor Jahren beim Rumzappen entdeckt und irgendwie in Erinnerung behalten hatte, dass mir ...

„Lila, Lila“ ist mein erster Roman von Martin Suter gewesen. Bookstagram hat mich influenced, nachdem ich den Film vor Jahren beim Rumzappen entdeckt und irgendwie in Erinnerung behalten hatte, dass mir der Flair gefallen hat. Ja, und Daniel Brühl. Der auch natürlich.
Nachdem ich den Roman beendet hatte, habe ich mir deshalb auch den Film noch einmal angesehen. Wundert euch also nicht, wenn es den ein oder anderen Querverweis in der Rezension gibt. Ich habe nämlich an Buch und Film gemerkt, wie sehr sich meine Wahrnehmung in der Vergangenheit verändert hat.

Inhalt:
David Kern arbeitet als Kellner im „Esquina“, einer urigen Kneipe mit vielen Stammgästen. Was er sonst noch mit seinem Leben anfangen möchte, weiß David nicht. Er ist ein unsicherer Typ, stolpert ein wenig unbeholfen durch’s Leben und fühlt sich oft von einem ganz bestimmten Stammgast herabgesetzt. Eines Abends taucht Marie im Esquina auf. Marie ist schön und sie liebt Literatur. David ist sofort verzaubert und gleichermaßen entsetzt, als eben dieser Stammgast es schafft, Marie mit seinem literarischen Sachverstand für sich zu gewinnen. Als er durch Zufall in der Schublade eines alten Nachtschranks, den er einem Trödelhändler abgekauft hat, das Schreibmaschinen geschriebene Manuskript eines Romans findet, der ihn beim Lesen zu Tränen rührt, erkennt David seine Chance. Er gibt das Manuskript Marie und tut so als wäre er selbst der Autor. Die Lüge gerät schnell außer Kontrolle, denn Marie ist so begeistert, dass sie die Geschichte, die anfangs noch „Sophie, Sophie“ und später dann „Lila, Lila“ heißt, an einen Verlag sendet. Schnell verliebt sich nicht nur Marie in David, sondern die ganze Literaturszene. Aus ihm wird jemand, der er gar nicht ist - ein Bestsellerautor. Aber Lügen haben kurze Beine, nicht?

Meine Meinung:
In „Lila, Lila“ geht es um den Verlust von Identität. Wer ist David Kern eigentlich? Nicht mehr der Kellner, aber auch nicht der Bestsellerautor. Und erst recht nicht der Mann, in den sich Marie verliebt, weil es diesen Mann nämlich gar nicht gibt.
Was ich so spannend fand: Als ich mir den Film damals angesehen habe, war das, was David tut, für mich eine kleine Lüge, die unverhofft außer Kontrolle gerät. Als ich nun den Roman gelesen habe, war meine Wahrnehmung ganz anders. Auf einmal kam mir Davids Handeln unentschuldbar vor. Ein riesiger Betrug. An Marie, am Verlag, der Presse, den Leser*innen. Es hätte früh in der Geschichte unzählige Gelegenheiten gegeben, die Lüge aufzuklären. David hätte sie aufklären müssen. Aber er war zu schwach dazu. Und diese Schwäche hat ihn für mich zum Anti-Helden gemacht, für den ich selten Sympathie, meistens höchstens Mitleid empfunden habe. Auch seine Liebe zu Marie fand ich jetzt nicht mehr süß, sondern obsessiv und befremdlich. Er ist so besessen davon sie für sich zu gewinnen und bei sich zu behalten, dass er mit allen Mitteln sein Lügengerüst aufrecht erhalten will, um die Beziehung zu retten, die er auf dieses Fundament gebaut hat. Nicht nur einmal wollte ich Marie zu rufen, dass sie sich besser schnell aus dem Staub machen soll. Aber auch sie war mir beim Lesen fremd und eher unsympathisch, weil sie sich so sehr von „dem Autor David Kern“ angezogen fühlt. Inwieweit auch der Mensch für sie interessant ist, erfährt man gar nicht so richtig.
Ich mochte Martins Suters Schreibstil. Diesen Early-Zweitausender-Flair zwischen Nachtleben und Literaturbetrieb. Die Einblicke in das Verlagsgeschäft waren zudem sehr interessant. Dafür kratzt die Geschichte auf der Gefühlsebene nur an der Oberfläche. David und Marie als Paar konnte ich nicht wirklich spüren. Der Text ist mehr damit beschäftigt, Davids Betrug weichzuspülen, indem manche Szenen und Figuren überzeichnet dargestellt werden. Die Geschichte hat mich nicht nur zum Kopfschütteln, sondern auch zum Grinsen gebracht.
Den Verlauf der Handlung fand ich trotzdem spannend. Ich habe das Buch in sehr kurzer Zeit gelesen und wollte unbedingt wissen, welches Schicksal David am Ende ereilt. Zuerst findet er sich immer mehr in seiner neuen Rolle als Autor ein, verschmilzt schon fast mit ihr, bis dann etwas geschieht, dass ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholt. Hier hätte ich mir aber mehr Konsequenz vom Buch gewünscht. Was das Ende betrifft bin ich nach wie vor unschlüssig. Einerseits war ich froh, andererseits hat mir etwas Wesentliches gefehlt, wieder andererseits fand ich alles sehr rund und wenig vorhersehbar.

Fazit:
„Lila, Lila“ ist ein sehr besonderer Roman mit einer ganz eigenen Stimmung. Er wird mir definitiv noch lange im Gedächtnis bleiben und ich bin froh mich nochmal mit der Geschichte auseinandergesetzt zu haben. Auch weil ich dadurch gemerkt, habe, wie sich mein eigenes Verständnis von Moral im Laufe der Zeit verändert hat: Was man im Namen der Liebe tun darf, was man entschuldigen kann und was nicht.

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Veröffentlicht am 27.04.2021

Das Spiel des Lebens!

Zwischen zwei Herzschlägen
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Inhalt:
Es ist Silvester 1999, wenige Augenblicke vor der Jahrtausendwende, als Joel Greenway, der lokale Fußballstar von Brighton, beim Bolzen zusammenbricht. Diagnose: Plötzlicher Herztod. Das wissen ...

Inhalt:
Es ist Silvester 1999, wenige Augenblicke vor der Jahrtausendwende, als Joel Greenway, der lokale Fußballstar von Brighton, beim Bolzen zusammenbricht. Diagnose: Plötzlicher Herztod. Das wissen Tim und Kerry, beste Freunde, Außenseiter und Jugendsanitäter, sofort. Doch während Kerry reagiert und mit den Wiederbelebungsmaßnahmen beginnt, seht Tim unter Schock und kann kaum etwas tun. Joel überlebt Dank Kerrys Hilfe, doch die Geschichte, die später erzählt wird, ist eine andere. Da ist Tim plötzlich der Held, der große Retter, und Kerry lässt das zu, weil sie weiß, wie sehr ihr Freund unter seiner herrischen Mutter leidet, die unbedingt will, dass Tim Arzt wird. Mit dieser Lüge beginnt eine Geschichte über drei Menschen, deren Leben eng miteinander verflochten sind. Wir begleiten Joel, Kerry und Tim über viele Jahre durch die Irrungen und Wirkungen des Lebens, auf der Suche nach Liebe und dem Glück.

Meine Meinung:
„Zwischen zwei Herzschlägen“ wurde beworben als „Zwei an einem Tag mit Ärzten.“ Ich habe „Zwei an einem Tag“ geliebt und die Medizin ist mir auch sehr nah. Also war von Beginn an klar, dass ich dieses Buch lesen würde und, dass ich es mit hohen Erwartungen tun würde. Ich bin nicht enttäuscht worden!
In erster Linie besticht die Geschichte natürlich mit ihrem immens wichtigen Grundthema: Laienreanimation! Du kannst nichts falsch machen, aber du kannst so viel richtig machen und ein Leben retten! Wenn dieses Buch nur einen einzigen Menschen dazu bringt im entscheidenden Moment zu handeln, dann hat es seinen Zweck bereits erfüllt.
Man kann „Zwischen zwei Herzschlägen“ als dicken Schinken bezeichnen. Ich wusste zwar über die Seitenzahl Bescheid, aber überrascht war ich beim Auspacken dann trotzdem. Die Geschichte wird allerdings in sehr kurzen Kapiteln abwechselnd aus der Sicht von Kerry und den beiden wichtigen Männern in ihrem Leben erzählt. Die Kürze der Kapitel und die zahlreichen Zeitsprünge sorgen dafür, dass es zu keinen größeren Längen kommt.
Ein bisschen erinnert „Zwischen Zwei Herzschlägen“ an eine Soap Opera aus den Neunzigerjahren oder den frühen Zweitausendern. Sowohl im Bezug auf das Flair, als auch im Bezug auf den Plot. Ständig passieren neue unerwartete Wendungen. Ein Schicksalsschlag folgt auf den nächsten.
Im Liebesdreieck habe ich früh meine Seite gewählt und bin auch nicht enttäuscht worden. Vielleicht kann man rückblickend behaupten, dass es ein wenig vorhersehbar war, wer schlussendlich Kerrys Mister Right sein würde. Beim Lesen war ich mir allerdings oft nicht sicher und habe über viele Jahre hinweg mitgefiebert.

Fazit:
„Zwischen zwei Herzschlägen“ ist ein nostalgisches Buch über Liebe und Freundschaft, das an vergangene Jahrzehnte erinnert. An Jugend, an’s Erwachsenwerden, an’s sich Finden und Verlieren. Es erzählt von drei Leben und drei Schicksalen. Teils sehr dramatisch, wie eben die Telenovelas früher. Ich denke, das ist der treffendste Vergleich. Es ist Vintagefeeling in Buchform. Ich mochte die Geschichte sehr sehr gerne.

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