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Veröffentlicht am 02.04.2021

Herzergreifend

Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz
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Das Cover von „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ könnte treffender nicht sein. Denn für dieses Buch schlägt mein Herz! Es ist eines von den Büchern, wie man sie nur ganz selten findet. Bitte schenkt ...

Das Cover von „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ könnte treffender nicht sein. Denn für dieses Buch schlägt mein Herz! Es ist eines von den Büchern, wie man sie nur ganz selten findet. Bitte schenkt der Geschichte einen kleinen Moment eurer Aufmerksamkeit. Sie ist so wunderbar warmherzig, einzigartig und ergreifend. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass viele Menschen dieses Buch lesen und in Zeldas Sippe eintreten werden. Man kann sie nur gernhaben!

Inhalt:
Zelda beschäftigt sich am liebsten mit den Legenden und Sagen der Wikinger. Sie weiß beinahe alles über Wikinger. Sogar ihre Sprache lernt sie. Am liebsten wäre Zelda selbst eine starke Wikingerin mit ihrer ganz eigenen Legenden. Doch Zelda hat das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), weil ihre Mutter während der Schwangerschaft getrunken hat. Deswegen halten viele Menschen sie nicht für legendär, sondern für behindert. Dabei ist Zelda vor allem eines: Etwas ganz Besonderes! Am liebsten trifft sie sich mit ihren Freunden im „Stadtteilzentrum“; einer Einrichtung, in der man sich um junge Menschen mit besonderen Bedürfnissen kümmert. Ansonsten lebt Zelda mit ihrem älteren Bruder Gert in einer kleinen, schäbigen Wohnung. Gert ist ein Typ, dem man nicht allein im Dunkeln begegnen möchte. Obwohl er ein Stipendium für das örtliche College erhalten hat, ist er ein Schläger und in zwielichtige Geschichte mit noch viel zwielichtigeren Männern verwickelt. Aber Gert liebt Zelda und Zelda liebt Gert, dessen Ex-Freundin Annie, die von Zelda auch AK47 genannt wird, und ihren Freund Marxy, mit dem sie schon ein Jahr zusammen ist. Die drei sind Zeldas „Sippe“, wie man bei den Wikingern sagt. Als die zwielichtigen Männer Zeldas Sippe plötzlich Schwierigkeiten machen, wird ihr klar, dass es nun an der Zeit ist, eine echte Kriegerin zu sein und ihre eigene Legende zu schreiben. Also nimmt Zelda all ihren Mut zusammen und zieht in die Schlacht…

Meine Meinung:
„Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ wird aus Zeldas Perspektive erzählt. Wir sind mittendrin in ihren wundervollen, bunten Gedanken. Weil Zelda besonders denkt und auch besonders redet, ist die Sprache der Geschichte sehr anders, als man das von Literatur gewohnt ist. Man passt sich allerdings schnell an den Tonfall des Buchs an und danach ist es einfach nur noch schön.
Der Autor schafft es Zelda so greifbar und so lebensecht klingen zu lassen. Es fühlt sich, als würde man sie kennen, als würde sie tatsächlich sprechen und ihre Legende nacherzählen. Als wäre sie wirklich da. Man leidet mit ihr und freut sich mit ihr. Diese Protagonistin ist hinreißend und liebenswert und ihre Sicht auf die Welt hat mich bewegt. Das Buch ist genau an den richtigen Stellen komisch und dann auch wieder tragisch. Es ist bittersüß und tut manchmal richtig weh.
Zeldas Legende steckt voller außergewöhnlicher und vielschichtiger Figuren. Keiner von ihnen entspricht einem Stereotyp. Sie sind alle für sich nicht so, wie man sie erwarten würde. Es findet keine Schwarz-Weiß-Malerei statt. Niemand ist komplett gut oder komplett böse. Manche sind nur sehr viel grauer als andere.
In „Jeder Tag ist eine Schlacht, mein Herz“ wird nicht nur eine Geschichte über Zelda, Gert und die bösen Männer erzählt, es werden auch viele relevante Themen angesprochen, die in der Literatur und in der Öffentlichkeit wenig Aufmerksamkeit finden oder sogar tabuisiert werden. So ist Zeldas Selbstständigkeit, aber vor allem auch ihre Sexualität, ein wesentlicher Teil der Geschichte. Zelda ist verliebt und will Sex haben. Aber darf sie das? Darf sie allein leben und ein Konto eröffnen? Darf sie dann vielleicht auch Kinder bekommen?
Fragen über Fragen, auf die Zelda in ihrer ganz eigenen charmanten Art und Weise Antworten sucht.
Außerdem hat mir sehr gut gefallen, wie das Buch das Konstrukt „Familie“ angeht. Zeldas Familie ist klein und dysfunktional. Aber es ist eine Familie und Zelda kämpft für jeden, der dazugehört. Ich wäre gerne Teil von ihrer Sippe.
Der Plot ist zu jeder Zeit spannend. Ich wollte immer wissen, was bei Zelda los ist und war traurig, sie zwischen den Buchdeckeln zurücklassen zu müssen. Das Ende hat mich überrascht, erschreckt, tief ergriffen, beinahe zum Weinen gebracht, erleichtert und auch irgendwie unbefriedigt zurückgelassen, weil ich mehr wissen wollte. Kurz gesagt: Es war genau richtig. Alles an diesem Buch, war genau richtig!

Fazit:
Nur Liebe, Liebe, Liebe für Zelda, ihre Legende, ihre Sippe und diese Geschichte! Und viel Applaus an den Verlag für das wunderschöne Cover, die grandiose Übersetzung und den einzigartigen Titel, der wirklich wie die Faust auf’s Auge passt. Frei nach Zelda: Dieses Buch ist monumental!

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Frau ohne Flügel

Die Harpyie
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„Die Harpyie“ ist mir schon vor Wochen bei den Neuerscheinungen aufgefallen. Das Cover ist wunderschön und obwohl ich eigentlich selten düstere Bücher lese, fand ich die Idee hinter der Geschichte absolut ...

„Die Harpyie“ ist mir schon vor Wochen bei den Neuerscheinungen aufgefallen. Das Cover ist wunderschön und obwohl ich eigentlich selten düstere Bücher lese, fand ich die Idee hinter der Geschichte absolut bestechend.

Inhalt:

Lucy lebt mit ihrem Ehemann Jake und den gemeinsamen Söhnen in einem gemieteten Haus in der Vorstadt. Sie arbeitet als freie Texterin von Zuhause aus und hat mehr oder weniger viele Aufträge. Ihre Doktorarbeit über die mythische Sagengestalt der Harpyie hat sie vor vielen Jahren aufgegeben. Eines Abends erhält sie einen Telefonanruf vom Ehemann einer Arbeitskollegien von Jake. Er soll Lucy mit dessen Frau Vanessa betrogen haben. Für Lucy bricht eine Welt zusammen und gleichzeitig breitet sich eine innere Dunkelheit in ihr aus. Nachdem sie Jake kurz darauf beim Fernsehen absichtlich mit ihrem Fingernagel kratzt, schließen die beiden einen Pakt: Lucy darf Jake dreimal verletzen. Danach sind sie quitt.

Meine Meinung:

„Die Harpyie“ lässt mich sprachlos zurück. Es fällt mir schwer meine Gedanken zu der Geschichte zu ordnen.

Das wohl herausragendste Merkmal des Buchs ist die Sprache. Sie ist extrem bildlich und dunkel poetisch. Es finden sich viele kurze Sätze, die mit wenigen Satzzeichen aneinander gereiht werden. Der Rhythmus erinnert mich an einen Rapsong. Der Text wirkt irgendwie atemlos. Gleichzeitig werden einzelne Szenen bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet und man hat das Gefühl, die Handlung ist mit Kaugummi verklebt. Trotzdem ist es zu jeder Zeit spannend. Mir hat der Stil, den die Autorin gewählt hat, extrem gut gefallen. Ebenso mochte ich die Einschübe, die immer wieder zwischen die Kapitel gestreut werden. In kurzen Textabschnitten erfährt man Bruchstückhaftes über Lucys Beziehung zur Harpyie.

Die Betonung liegt hier vor allem auf „bruchstückhaft“. Denn der sehr spezielle Schreibstil hat zur Folge, dass der Leser Informationen in Form von einzelnen Puzzleteilen erhält und dabei Vieles, das für das Grundverständnis von Lucys Situation wichtig wäre, verloren geht.

Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass die Bilder zur Geschichte vor meinem inneren Auge verschwommen bleiben. Ich sehe alles entweder hyperdeutlich oder nur schemenhaft.

Daher ist es mir schwergefallen, die Grundaussage der Geschichte zu begreifen. Es geht auf jeden Fall um weibliche Unterdrückung und um die Rolle der Frau in der Familie. Lucy fühlt sich in dieser Rolle so eingeengt, dass sie daran zu zerbrechen droht. Sie wird regelrecht verrückt.

Und das ist ein entscheidende Punkt! Lucy zeigt Anzeichen für eine psychische Erkrankung. Deswegen benötigt diese Geschichte in meinen Augen dringend eine deutliche Triggerwarnung.

Lucy als Protagonistin kann einem nur Leid tun. Jake bleibt mir ein Rätsel. Warum er sich auf eine so gefährliche Sache einlässt, konnte ich nicht nachvollziehen. Er wirkt kindlich, unreif und entspricht definitiv nicht dem Klischee eines „starken Mannes“.

Wenn man sich für das Buch interessiert, sollte man vorher wissen: „Die Harpyie“ ist keine Erzählung über eine Frau, die sich von Geschlechterklischees befreit. Lucy ist und bleibt Opfer.

Das Ende ist allerdings sehr bildlich und metaphorisch geschrieben, sodass sehr viel Interpretationsspielraum vorhanden ist.

Fazit:

„Die Harpyie“ ist ein düsterer, spannender und kurzweiliger Roman, der viel Interpretationsspielraum zulässt. Ich hätte mir aber eine klarere Aussage gewünscht. Viele Themen werden angerissen, aber die Kernaussage nicht richtig definiert. Ich mag die Vermischung von Wirklichkeit und Mythologie. Aber wie genau das passiert, wird zu wenig erklärt, sodass ich den Hintergrund nicht wirklich erfassen konnte.

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Veröffentlicht am 19.03.2021

Sterne über dem Meer

Show me the Stars
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Inhalt:
Liv aus Hamburg verliert nach einem verpatzten Interview ihre Arbeit als Promi-Klatsch-Redakteurin bei einem renommierten Hamburger Magazin. In ihrer Verzweiflung bewirbt sie sich kurzerhand auf ...


Inhalt:
Liv aus Hamburg verliert nach einem verpatzten Interview ihre Arbeit als Promi-Klatsch-Redakteurin bei einem renommierten Hamburger Magazin. In ihrer Verzweiflung bewirbt sie sich kurzerhand auf eine Stellenanzeige, in der eine Housesitterin für einen Leuchtturm gesucht wird. Dieser Leuchtturm steht auf einer kleinen, einsamen Insel in Irland. Sechs Monate soll sie nun in Mitten von wilder irischer Natur, umgeben von tosenden Wellen und steilen Klippen, auf „Matthew“ aufpassen. Wer nun aber glaubt, das könnte langweilig werden, der liegt ganz falsch. Die einheimischen Iren aus dem nahegelegenen Örtchen Castledunns bringen ordentlich Aufregung in Livs Leben. Allen voran Kjer, der als Hausmeister für den Leuchtturm fungiert und mit seiner Musik regelmäßig im lokalen Pub die Frauenherzen zum Höherschlagen bringt. Das Problem ist nur, dass Kjer auch genauso viele dieser Frauenherzen bricht und Liv läuft schnell große Gefahr, ein weiteres davon zu werden.

Meine Meinung:
Die Kombination aus dem außergewöhnlichen Setting und der sprachlich wunderschönen Umsetzung hat mich letztendlich am meisten für die Geschichte begeistern können. Kira Mohn schafft es mit so fein formulierten Sätzen die irische Landschaft bildlich werden zu lassen. Ich habe es jedes Mal genossen die Naturbeschreibungen zu lesen. Das Meer, die Wolken, die Insel, einfach nur traumhaft!
„Show me the stars“ ist über weite Strecken hinweg ein leises Buch. Das schreibe ich immer, wenn eine Geschichte gut war, aber zumindest teilweise unaufgeregt. Erst im letzten Drittel braut sich das genretypische Drama zusammen. Ich mag zum Glück sowohl leise Bücher als auch Drama. Die Dosierung von beidem fand ich in dieser Geschichte wirklich gut gewählt.
Liv ist eine liebenswerte Protagonistin, die trotz Rückschlägen nicht aufgibt und den Kopf niemals in den Sand steckt. Auch wenn es ihr schwerfällt, macht sie immer irgendwie weiter. Das mochte ich wirklich sehr!
Kjer ist ein hilfsbereiter Idiot, der in den vorangegangenen Jahren viel durchgemacht hat. Die Beweggründe, die sein Verhalten rechtfertigen und seine und seine innere Zerrissenheit erklären sollten, konnte ich dennoch gut nachvollziehen.
Die Nebenfiguren sind interessant ausgearbeitet, mehrdimensional und in den meisten Fällen frei von Stereotypen. An dieser Stelle ein kleiner Kritikpunkt. Es gab eine weibliche Antagonistin, mit der ich mir ein wenig schwergetan habe, weil sie einem gewissen Klischeebild von negativen Frauencharakteren entspricht. Aber das ist nur am Rande wirklich und nicht unbedingt ausschlaggebend für meinen Spaß an der Geschichte.
Das Ende kam dann auch etwas schnell. Das lag aber vielleicht auch daran, dass ich alles davor, wirklich genossen habe. Ein paar mehr Einblicke in die Aussöhnung aller Beteiligten, in die darauffolgenden Wochen oder weitere Erklärungen für Kjers letzte Reaktionen wären nicht schlecht gewesen. Aber wie das mit Liebesromanen häufig so ist: Wenn man die Protagonisten ins Herz geschlossen hat, ist es am Ende meistens nicht genug.
Nichtsdestotrotz ist „Show me the stars“ einer der atmosphärisch und sprachlich schönsten New Adult Romane, die ich bis jetzt gelesen habe.

Fazit:
Ich muss mehr von Kira Mohn lesen! Sie steht jetzt - gemeinsam mit Emma Scott - ganz weit oben auf meiner New Adult Liste. Auch wenn „Show me the stars“ am Ende noch nicht DAS EINE Buch war (manchmal denke ich, vielleicht verlange ich zu viel?), ist es zumindest nah dran gekommen.

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Veröffentlicht am 10.03.2021

Das Feuer in uns

Heimkehren
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Inhalt:
Esi und Effia sind zwei Schwestern, die Töchter der gleichen Frau, die sich nie begegnet sind. Während Effia von einer anderen Mutter aufgezogen wird und als Ehefrau eines britischen Sklavenhändlers ...

Inhalt:
Esi und Effia sind zwei Schwestern, die Töchter der gleichen Frau, die sich nie begegnet sind. Während Effia von einer anderen Mutter aufgezogen wird und als Ehefrau eines britischen Sklavenhändlers ihr Heimatdorf an der Goldküste Ghanas verlässt, wird Esi zur gleichen Zeit auf schmerzvolle Weise von ihrer Mutter getrennt und von eben diesen Sklavenhändlern in die USA verkauft.
Von jener Stelle ausgehend, entspinnen sich die Geschichten zweier Familien, die so unterschiedlich und trotzdem ein und die selbe sind. Esis und Effias Nachkommen erzählen jeder für sich über viele Generationen hinweg von verschiedensten Kapiteln der Schwarzen Geschichte. Manche sind hoffnungsvoll, viele jedoch so schmerzhaft, dass es nicht leicht zu ertragen ist.

Meine Meinung:
Es fällt mir schwer über dieses Buch zu schreiben, weil ich oft denke, dass ich nicht genug belesen bin, was das Thema Rassismus betrifft. Ich wünschte, das wäre anders. Ich wünschte, jeder würde dieses Buch lesen. Ich wünschte, wir hätten dieses Buch im Englischunterricht gelesen, als ich noch zur Schule gegangen bin. Stattdessen war Black History „damals“ noch überhaupt kein Thema.
„Heimkehren“ erklärt so gut, zeigt auf, warum viele Dinge bis heute so sind, wie sie sind und vor allem, warum sie anders werden müssen. Dieses Buch zerrt die tiefen Wurzeln des Rassismus an die Oberfläche und vermittelt ein Gefühl für eine Generationen alte Wut, für tief verankerte Ängste und Misstrauen. Ich habe von so vielen geschichtlichen Zusammenhänge erfahren, die ich vorher nicht kannte. Ich würde behaupten, dass ich seit diesem Buch Schwarze in den USA mit einem ganz anderen Blick sehe. Nicht, weil ich vorher nicht gewusst habe, dass viel Unrecht geschehen ist, sondern weil ich das Unrecht in seiner ganzen Wucht nicht vor Augen hatte. Wir müssen das wissen, auch wenn es weh tut. Gerade weil es weh tut. Dementsprechend hat mich insbesondere auch die Geschichte von Esis Teil der Familie berührt. Da ist zum Beispiel Ness, die unter einem sadistischen Sklavenhalter zu leiden hat und nicht mehr will, als ein freies Leben für sich, ihren Ehemann und ihr Baby. Oder Anna, die hochschwanger entführt und zurück in die Sklaverei verkauft wird. Oder H, der wegen eines nichtigen „Verbrechens“ Jahre seines Lebens in einem Bergwerk verliert.
Jedes Kapitel von „Heimkehren“ erzählt die Geschichte eines anderen Menschen in einer anderen Zeit. Es sind Geschichten mit einem unabhängigen Spannungsbogen, die trotzdem untrennbar miteinander verbunden sind. Die Sprache ist bildhaft und poetisch. Stellenweise einfach nur schön. Wenn da zum Beispiel von „Erinnerungen an die Zukunft“, die Rede ist, weil eine Protagonistin glaubt zu Ahnen, welches Schicksal ihr bevorsteht. Vor allem das Motiv des Feuers, das die Jahre überdauert und vor allem Effias Familie prägt, hat mir gefallen.
Nur einen einzigen leisen Kritikpunkt finde ich an „Heimkehren“: Manchmal war ich mir nicht mehr sicher, in welcher Zeit wir uns eigentlich befinden. Da hätte ich gerne eine Jahreszahl gehabt und die Geschehnisse besser in einen Zusammenhang bringen zu können.

Fazit:
Es gibt Bücher, für die fehlen mir die Worte oder anders noch gesagt: Ich glaube nicht, dass meine Worte ausreichend oder auch nur annähernd gut genug sind, um diesem Buch gerecht zu werden.
Man muss es einfach kennen. Deswegen: lest es, lest es, lest es, lest es!

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Veröffentlicht am 07.03.2021

Die andere Seite der Verzweiflung

Die Mitternachtsbibliothek
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Achtung: Diese Rezension kann Spuren(!) von Spoilern enthalten!

Die Leseprobe zu „Die Mitternachtsbibliothek“ habe ich gelesen noch bevor der große Hype losgebrochen ist. Danach war ich fest überzeugt, ...


Achtung: Diese Rezension kann Spuren(!) von Spoilern enthalten!

Die Leseprobe zu „Die Mitternachtsbibliothek“ habe ich gelesen noch bevor der große Hype losgebrochen ist. Danach war ich fest überzeugt, dass ich das Buch kaufen muss. Bei Geschichten dieser Art erwartet man sich ja immer irgendetwas Besonderes für das eigene Leben. Eine große Erkenntnis, einen Gedanken, den man neu begreift.
Neue Denkanstöße habe ich definitiv gewonnen, aber ich weiß nicht, ob sie mich am Ende weitergebracht haben. Ehrlich gesagt, bin ich mir abschließend nicht sicher, ob ich das Buch verstanden habe.

Inhalt:
Nora Seed ist 35 Jahre alt und depressiv. Eine Kaskade von negativen Ereignissen führt dazu, dass sie sich in ihrer Wohnung mit einem Cocktail aus Alkohol und Tabletten das Leben nimmt. Nach ihrem Suizidversuch landet sie in einer Zwischenwelt, irgendwo an den Rändern von Leben und Tod. An diesem fremden Ort, der gleichzeitig ein Teil ihrer selbst ist, existiert eine endlos große Bibliothek, in der es immer Mitternacht ist. In der Mitternachtsbibliothek findet sich ein unerschöpfliches Kontingent an Büchern. Jedes dieser Bücher enthält ein Leben, welches Nora hätte leben können, wenn sie sich in ihrem Ursprungsleben an einer bestimmten Stelle anders entschieden hätte. Die Mitternachtsbibliothek gibt ihr nun die verführerische Möglichkeit sich auf die Suche nach genau dem Leben zu machen, das sie am glücklichsten macht. Solange ihr Körper nicht stirbt, hüpft Noras Seele also von Leben zu Leben, in der Hoffnung eines zu finden, in dem sie bleiben will.

Meine Meinung:
Ich weiß nicht, ob ich die Kernaussage der Geschichte erfasst habe. Das ist der Punkt, über den ich am meisten nachgedacht habe, seitdem ich das Buch beendet habe.
Da sind all diese Leben, die Nora durchläuft und ich glaube, Matt Haig ging es darum, deutlich zu machen, dass es in jedem Leben Trauer und Zweifel und Sorgen gibt. Dass wir die gleichen Emotionen in unterschiedlichen Welten fühlen und dass es deswegen egal ist in welcher Welt wir uns befinden. Wir müssen Unglück kennen, um Glück begreifen zu können. In jedem Leben und an jedem Tag haben wir das Potenzial, das Beste aus unseren Umständen zu machen, wenn wir nur all das Gute darin erkennen.
Aber Nora verlässt ihre Parallelleben meist nach sehr kurzer Zeit wieder, weil sie dort keine Perspektive für sich sieht. Müsste es denn nicht auch in jedem dieser Leben Potenzial geben?
Womit ich sehr gekämpft habe, ist die Endgültigkeit, mit der die Parallelleben dargestellt werden. Das Australienleben war schrecklich, aber es hätte doch sicher auch Versionen davon geben können, die besser oder sogar gut gewesen wären. Allein für das eine Leben, in dem Nora nach Australien auswandert, müssten doch unendlich viele Möglichkeiten vorhanden sein. Aber wir haben nur eine einzige gesehen.
Außerdem war mein ganz persönliches Empfinden, dass die aufgezeigten Leben tatsächlich unterschiedlich gut oder schlecht waren. In manchen hätte ich lieber sein wollen als in anderen. Manche fand ich sogar wirklich besser als Noras Ursprungsleben.
Besonders gut gefallen haben mir die zahlreichen philosophischen Gedanken und Theorieren, die sich in der Geschichte finden. Dabei habe ich viel gelernt und einige neue Denkanstöße mitgenommen. Außerdem mochte ich das Ende des Buchs sehr. Obwohl ich das Wieso-Weshalb-Warum nicht abschließend durchblicken konnte, fand ich den Gedanken, dass es immer eine andere Seite der Verzweiflung gibt, sehr tröstlich.
Der Schreibstil des Autors ist klar und bildlich. Die Kapitel sind kurz und prägnant. Manchmal wurde mir das Ende eines Lebens allerdings zu schnell abgehandelt. Ich hätte gern noch nähere Erklärungen gehabt, warum Nora diese Möglichkeit zu existieren nun genau aufgibt oder auch aufgeben muss.

Fazit:
„Die Mitternachtsbibliothek“ ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt. In meinen Augen wird die Geschichte ihrem Hype gerecht. Es ist nur menschlich - vor allem in Zeiten von Social Media - über verpasste Chancen oder falsche Entscheidungen nachzudenken. Man sagt ja immer, dass das Gras anderswo auch nich grüner ist. Oft stimmt das sicher auch. Matt Haig hat ein Buch geschrieben, das Trost spendet, wenn man zweifelt, aber ich kann nicht behaupten, dass ich nach dem Lesen nicht mehr zweifeln werde.

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