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Veröffentlicht am 30.06.2021

Dieses Buch ist ein Fest!

Das Leben ist ein Fest
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Inhalt:

Frida Kahlo - berühmte mexikanische Malerin und Ikone - wird als junges Mädchen bei einem Busunglück schwer verletzt. Eine Eisenstange bohrt sich von ihrer Schulter aus quer durch den Körper und ...

Inhalt:

Frida Kahlo - berühmte mexikanische Malerin und Ikone - wird als junges Mädchen bei einem Busunglück schwer verletzt. Eine Eisenstange bohrt sich von ihrer Schulter aus quer durch den Körper und durchstößt ihre Gebärmutter. Ihr Körper bleibt von diesem Ereignis lebenslang schwer gezeichnet. Doch Frida will sich von ihrem Schicksal nicht einschränken lassen. Sie entdeckt die Kunst und heiratet Diego Rivera - notorischer Frauenhelden, berühmtester Maler Mexikos und zwanzig Jahre älter. Mit ihm bereist sie fremde Länder. Die Beziehung der beiden ist nicht nur geprägt von Zuneigung, sondern auch von zerstörerischem Temperament.

Meine Meinung:

„Das Leben ist ein Fest“ ist, wie der deutsche Titel verspricht, tatsächlich ein Fest: Das Buch zelebriert Frida Kahlos Leben und ihre Kunst. Es folgt ihrer Biographie in kurzen, nicht immer chronologisch angeordneten Kapiteln. Dabei teilt es die Geschichte die Phasen in Fridas Biographie in drei große Abschnitte ein. Den blauen, den roten und den gelben Abschnitt. Jedes Kapitel ist mit einer Farbe überschrieben, die auf sehr raffinierter Art und Weise die Stimmung der folgenden Seiten einfängt.

Obwohl das Leben der Frida Kahlo von Schicksalsschlägen geprägt wird, ist es ein prachtvolles, farbenfrohes Leben. Sie tut mit unbändigem Willen und Trotz alles dafür, sich ihren Einschränkungen zu widersetzen und sich mit Farben zu umgeben. Diesen Zwiespalt fängt „Das Leben ist ein Fest“ wunderbar ein. Irgendwie schafft es die Autorin mit Worten, das Unsagbare, das oft in Fridas Bildern steckt, auszusprechen. Das hat mir wahnsinnig gut gefallen.

In der Sprache der Geschichte spiegelt sich das Wesen von Fridas Werken, aber auch ihr Charakter wider. Als Leser*in wird man hineingeworfen in eine rauschhafte, lasterhafte, üppige Welt. Man spürt Fridas Liebe zum Leben, aber auch ihre Wut und ihre Wankelmütigkeit, ihre Zerrissenheit zwischen einem kaputten Körper, der sich nach Ruhe sehnt und einem Geist, der genau deswegen nie genug bekommt.

Immer wieder werden Beschreibungen und Interpretationen von Fridas Bildern in den Text eingearbeitet und ihr Werk damit gewürdigt.

Beim Lesen hatte ich durchweg den Eindruck, dass dieses Buch und diese Autorin Frida Kahlo wirklich sieht und wirklich zum Ausdruck bringt, wer sie eigentlich war. Dabei wird nichts verklärt, sondern auch das ausgesprochen, was wirklich weh tut. Diese Geschichte zeigt Frida Kahlo in all ihrer Menschlichkeit.

„Das Leben ist ein Fest“ ist ein Muss für jeden Frida Fan. Allerdings bin ich der Meinung, dass man sich vor dem Lesen wenigstens oberflächlich mit dem Leben von Frida Kahlo beschäftigt haben sollte. Wenigstens die Eckpfeiler sollten bekannt sein, sonst wird man möglicherweise gerade zu Beginn von der zeitlich nicht immer klaren Anordnung der Kapitel durcheinander gebracht.

Fazit:

„Das Leben ist ein Fest“ schafft es auf eindrucksvolle Weise die Dunkelheit und die Heiligkeit in in Frida Kahlos Leben miteinander zu verbinden. Das Buch zeigt die ganze Farbpalette von Frida Kahlo. Die vibrierend knalligen Farben, aber auch die dunklen Schattierungen. Ein großartiges Porträt, das einer genauso großartigen Frau gerecht wird.

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Dramatische Schicksale vor traumhafter Kulisse

Das Lied der Wölfe
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Inhalt:

Kaya ist promovierte Biologin und Wolfsforscherin. Im Auftrag des steinreichen Geschäftsmanns Alistair McKinley reist sie nach Schottland, um dort dessen persönliches Projekt zur Wiederansiedlung ...

Inhalt:

Kaya ist promovierte Biologin und Wolfsforscherin. Im Auftrag des steinreichen Geschäftsmanns Alistair McKinley reist sie nach Schottland, um dort dessen persönliches Projekt zur Wiederansiedlung der Wölfe zu leiten. Doch die einheimische Bevölkerung stellt sich quer. Zu groß ist die Angst und Vorurteile der Menschen.

Außerdem ist da auch noch Alistairs Sohn Nevis, ein ehemaliger Elitesoldat, der im Einsatz seinen Unterarm verloren hat, und sich nun - gezwungenermaßen - auf dem Anwesen seines Vaters erholen soll. Von Kaya und den Wölfen hält es nichts, von seinem Vater noch weniger. Die Schatten der Vergangenheit lasten schwer auf Nevis. Und nicht nur auf ihm! So gestaltet sich Kayas Arbeit in Schottland mehr als nur schwierig.

Meine Meinung:

„Das Lieder Wölfe“ ist ein klassischer Liebesroman, der sich doch von vielen anderen Vertretern seines Genres stark unterscheidet.

Das liegt vor allem an der außergewöhnlich detaillierten Recherchearbeit, die die Autorin betrieben hat. Die beiden maßgeblichen Themen, mit denen sich die Geschichte auseinandersetzt, sind Kayas Wolfsforschung und Nevis’ posttraumatische Belastungsstörungen. Ich fühle mich nach dem Lesen des Buchs auf beiden Gebieten sehr viel schlauer als zuvor. (Nicht, dass ich vorher Ahnung von Wölfen gehabt hätte.) Der Text steckt voller Informationen. Nevis’ Erfahrungen beim Militär, wie auch die Folgen davon, werden sehr intensiv und realitätsnah beleuchtet. Außerdem räumt die Geschichte mit einigen hartnäckigen Vorurteilen über Wölfen auf.

Die Handlung kommt dabei trotzdem nicht zu kurz und man hat keineswegs das Gefühl, ein Sachbuch zu lesen. Ganz im Gegenteil. Es passiert eine Menge! So viel, dass es für mehrere Leben auszureichen scheint.

Die Geschichte überspannt einen längeren Zeitraum und ist phasenweise stark gerafft, sodass man beim Lesen oft das Gefühl hat, die dramatischen Ereignisse überschlagen sich. In Wirklichkeit sind die zeitlichen Abstände jedoch viel größer und die Geschehnisse bedingen sich gegenseitig. Dennoch sollte man als Leser*in darauf gefasst sein, dass wirklich ständig etwas passiert.

„Das Lied der Wölfe“ wird abwechselnd aus der Sicht von Kaya und Nevis geschildert. Ich persönlich habe Nevis’ Kapitel noch ein wenig lieber gelesen, weil mich die Darstellung von Militär und PTBS sehr interessiert hat. Die Autorin scheut sich hier nicht, in die ganz dunklen Tiefen vorzustoßen und erzählt das Thema mit letzter Konsequenz. Das finde ich in diesem Genre und in dieser Form sehr mutig und bemerkenswert. Außerdem hat es mir gefallen, dass mit Nevis ein körperlich versehrter Protagonist gewählt wurde, und mit Kaya eine Naturwissenschaftlerin. Ich hätte gerne noch ein wenig mehr Romantik und Gefühl zwischen den beiden gesehen, aber die Geschichte bearbeitet vieles andere intensiv, sodass das vermutlich den Rahmen gesprengt, bzw. nicht in die Charakterentwicklung gepasst hätte.

Fazit:

Wäre ich Werbetexterin für Bücher, würde ich „Das Lied der Wölfe“ folgendermaßen beschreiben: „Ein dramatischer Strudel des Schicksals vor der außergewöhnlich Kulisse der schottischen Highlands“. Man muss hervorheben, dass das Buch vor allem gegen Ende keine ganz leichte Kost ist. Ich habe es trotzdem sehr gerne gelesen!

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Die Grande Dame des Schachs

Das Damengambit
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Inhalt:

Kentucky in den 1960er Jahren: Als Beths Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt wird sie über Nacht zur Waisen und muss fortan in einem Kinderheim Leben. Ihr Alltag ist trostlos, richtige ...

Inhalt:

Kentucky in den 1960er Jahren: Als Beths Mutter bei einem Autounfall ums Leben kommt wird sie über Nacht zur Waisen und muss fortan in einem Kinderheim Leben. Ihr Alltag ist trostlos, richtige Freunde hat sie nicht, und die Direktion verabreicht den Kindern regelmäßig Beruhigungstabletten, um sie besser kontrollieren zu können. Eines Tages beobachtet sie den Hausmeister im Keller beim Schachspielen gegen sich selbst und ist sofort fasziniert vom „Schwersten Spiel der Welt“, wie Schach auch genannt wird. Aus Faszination wird schnell Besessenheit. Das Schachspielen lässt Beth lebenslang nicht mehr los. Auch nicht als sie Jahre später vom Ehepaar Wheatley adoptiert wird. Genauso wenig wie die kleinen grünen Pillen, die ihre Kindheit geprägt haben.

Meine Meinung:

Eins vorab. Ich habe absolut keine Ahnung vom Schachspielen. Wirklich nicht die geringste. Damen, Bauern, Springer. Das sind für mich sprichwörtlich „Spanische Dörfer“

In „Das Damengambit“ werden Beths Schachspiele teils bis ins Detail beschrieben. Das könnte langweilig werden, ist es aber überhaupt nicht! Ganz im Gegenteil! Es fasziniert mich, wie es der Autor schafft, dieses Spiel sprachlich so spannend darzustellen. Beim Lesen kommt es mir vor, als wäre Schach eine Mischung aus Krieg und kompliziertem Tanz. Ich konnte das Buch gerade während der Spiele kaum zur Seite legen.

Generell habe ich eine Schwäche für Geschichten, in denen Turniere oder Wettbewerbe ausgetragen werden und der Protagonist als Underdog in den Kampf zieht.

Beth ein weiterer Punkt, der „Das Damengambit“ so bestechend macht. Die Beth aus dem Buch finde ich noch spannender als die Beth aus der Netflix Serie, weil sie ambivalenter ist. Der Autor beschreibt ihre Gefühle nur rudimentär, lässt sie so sehr matt wirken, aber trotzdem sind ihre Gefühle da. Sie stecken tatsächlich zwischen den Zeilen. Besonders gefallen hat mir außerdem die Beziehung zwischen Beth und ihrer Adoptivmutter Mrs. Wheatley. Hier wird ein sehr individuelles, auf unterschwellige Art anrührendes Mutter-Tochter-Verhältnis dargestellt. Beth und Mrs. Wheatley halten sich gegenseitig fest, ohne sich wirklich zu berühren. Sie ergänzen sich und sind dabei trotzdem nie ein Ganzes.

„Das Damengambit“ wurde bereits in den Achtzigerjahren erstveröffentlicht. Vor diesem Hintergrund habe ich es als besonders empfunden, dass der Autor eine doch sehr feministische Geschichte erzählt. Beth ist eine junge Frau, die sich in der von Männern dominierten Schachwelt an die Spitze kämpfen will. Dabei wird immer wieder dargestellt, wie sie von der Öffentlichkeit auf ihre Weiblichkeit reduziert wird und wie sehr sie sich selbst dagegen sträubt.

Beeindruckend erzählt wird außerdem Beths Abhängigkeit. Erst von Tabletten, später auch von Alkohol. Diesen subtilen, sich über Jahre hinweg ziehenden Weg in die Sucht zu verfolgen, hat mich sehr betroffen gemacht.

„Das Damengambit“ ist in so vielen Beziehungen ein brillantes Buch, das einen Stoff und eine Geschichte bietet, die ich so noch nirgendwo gelesen habe. Ich kann es jedem nur ans Her legen.

Fazit:

Egal ob ihr die entsprechende Netflix Serie gesehen habt oder nicht. Es lohnt sich wirklich dieses Buch in der Buchhandlung zweimal anzuschauen. Mich konnte es uneingeschränkt begeistern. Mehr als jedes andere Buch in den letzten sechs Monaten, obwohl 2021 bisher ein ausgesprochen erfolgreiches Lesejahr für mich war.

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Veröffentlicht am 30.05.2021

Mutterherzen

Die Verlorenen
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Achtung, diese Rezension enthält Spoiler!
 Ich greife einer Entwicklung vorweg, die sich nicht aus dem Klappentext ergibt, löse aber den Plot nicht auf. Anders kann ich nur leider unmöglich über das Buch ...

Achtung, diese Rezension enthält Spoiler!
 Ich greife einer Entwicklung vorweg, die sich nicht aus dem Klappentext ergibt, löse aber den Plot nicht auf. Anders kann ich nur leider unmöglich über das Buch berichten.
In meinen Augen lohnt es sich trotzdem diese Rezension zu lesen!

Inhalt:
London 1754: Bess ist achtzehn und bettelarm, als sie nach einem One-Night-Stand mit einem vornehmen Geschäftsmann ungewollt schwanger wird. Ihr bleibt nichts anderes, als das kleine Mädchen, das sie neun Monate später zur Welt bringt, noch am gleichen Tag im „Foundling Hospital“ abzugeben.
Das „Foundling Hospital“ ist ein Kinderheim, eines von der ganz besonders schönen Sorte, das von den Reichen der Stadt mit Spenden unterstützt wird. Die Kinder können dort ohne finanzielle Sorgen aufwachsen, es fehlt ihnen an nichts. Wenn die Mutter so weit ist und das Kind wieder zu sich nehmen will, muss sie für Kost und Logis aufkommen. Bess, die ihre Tochter sehr liebt, wartet sechs Jahre sehnsüchtig auf diesen Tag. Doch als er endlich gekommen ist, teilt man ihr mit, dass das Mädchen schon vor vielen Jahren abgeholt worden ist.
Schneller als erwartet findet Bess heraus, was aus ihrer Tochter geworden ist. Sie lebt nun im Haus von Alexandra Callard, einer vermögenden Witwe, die sie für ihr eigenes Kind ausgibt. Bess schleust sich als Kindermädchen ins Haus von Mrs. Callard ein, um ihrer Tochter nah zu sein. Doch schnell findet sie heraus, dass die Callards nicht wie andere Menschen leben.

Meine Meinung:
„Die Verlorenen“ ist kein typischer historischer Roman. Ich kann mir die Geschichte gut in der Weihnachtszeit vorstellen. Lesen im Bett, mit einer Tasse heißer Schokolade und Adventsbeleuchtung am Fenster.
Ich würde das Buch als eine Mischung aus historischem Roman, Weihnachtsmärchen und Thriller bezeichnen. Nein, nicht Weihnachtsmärchen, weil sie an Weihnachten spielt, sondern weil ich mir einbilde bestimmte Motive aus solchen Geschichten wiederzukennen. Das Waisenkind, die verlorene Mutter, das kalte London. Und ja, Thriller, denn gerade im Mittelteil wusste ich nicht, in welche Richtung die Geschichte sich drehen würde. Das liegt daran, dass sie in drei Abschnitte gegliedert ist. Den ersten erzählt Bess, den zweiten Alexandra und den dritten wieder Bess. Ich fand es sehr mutig von der Autorin, einen großen Teil der Geschichte aus der Perspektive der Antagonistin darzustellen. Aber gleichzeitig hat mir gerade das sehr gefallen, denn nur so hat man Alexandra wirklich greifen können. Wäre man nicht in ihrem Kopf gewesen, hätte man sie leicht für ein Monster halten können. Denn eines wird schnell deutlich: Alexandras Kopf ist ein dunkler, verzerrter Ort voller Furcht. Sie sieht die Realität anders als die meisten Menschen. Ich habe nicht damit gerechnet, in einem historischen Roman auf so viel Psychologie zu treffen. Sie ist eine sehr ambivalente Figur, aber die Autorin hat es geschafft, dass sie mir trotz allem sympathisch war. Durch Alexandras irrationale Wahrnehmung der Welt entsteht eine sehr besondere, unterschwellige Art von Spannung. „Die Verlorenen“ hebt sich damit von anderen historischen Romanen, die ich bisher gelesen habe, deutlich ab.
Die Sprache der Geschichte trägt zusätzlich zu der teils düsteren Atmosphäre der Geschichte bei. Sie ist nicht klischeehaft historisch, dafür aber oft metaphorisch und wirkt an manchen Stellen seltsam modern, ohne dabei unpassend zu sein. Die Lebensumstände von Bess wurden sehr unverblümt dargestellt. Hier wird nichts romantisiert, sondern das raue Leben der Armen dargestellt. Ich bin froh, nicht in dieser Zeit gelebt zu haben. Und gleichzeitig freue ich mich, dieses außergewöhnliche Buch entdeckt zu haben, das ich schon nach kurzer Zeit kaum noch aus der Hand legen konnte. Das Ende habe ich als stimmig und befriedigend empfunden. An dieser Stelle zeigt sich dann nämlich wieder das Märchen.

Fazit:

„Die Verlorenen“ von Stacey Halls lege ich euch im Mai als Weihnachtsgeschenk ans Herz. Man kann das Buch aber natürlich zu jeder Jahreszeit lesen. Es unterscheidet sich in meinen Augen deutlich von anderen Romanen seines Genres. Es geht um Mutterschaft und Liebe. Was ist eine gute Mutter? Was muss eine Mutter einem Kind geben können? Sicherlich vor dem Hintergrund einer anderen Zeit, aber ich glaube, dass man die Geschichte so auch in die heutige Zeit hätte setzen können. Mir hat es sehr gut gefallen.

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Veröffentlicht am 23.05.2021

Das große Leben

Der große Sommer
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Inhalt:

Frieder muss im Herbst eine Nachprüfungen absolvieren, um doch noch die Versetzung in die nächste Klassenstufe zu schaffen. Deswegen wird er kurzerhand aus dem Familienurlaub verbannt, um die ...

Inhalt:

Frieder muss im Herbst eine Nachprüfungen absolvieren, um doch noch die Versetzung in die nächste Klassenstufe zu schaffen. Deswegen wird er kurzerhand aus dem Familienurlaub verbannt, um die Sommerferien im Haus der Großeltern zu verbringen oder dort zu lernen. Die Großeltern, das sind Frieders liebevolle Nana und der Großvater, ein strenger Professor, der eigentlich gar nicht Frieders leiblicher Großvater ist, und den er bis vor wenigen Jahren noch siezen musste. Von nun an heißt es für Frieder: vormittags Pauken, abends Freiheit. Diese Freiheit verbringt Frieder am liebsten mit seinem besten Freund Johann, seiner Schwester Alma und Beate, die er auf dem Sprungturm im Freibad kennengelernt hat. Frieder hat sich verliebt und dieses Hochgefühl trägt ihn durch den Sommer, während er bei seinen Großeltern nach den eigenen Wurzeln forscht und am Großvater ganz neue Seiten entdeckt.

Meine Meinung:

Was mich an den Büchern von Ewald Arenz so besticht, ist dieser Wechsel zwischen flapsiger Alltagssprache und schönsten poetischen Beschreibungen einer bestimmten Atmosphäre, des Lichts oder eines Gefühls. Das hat bei ihm etwas Szenisches, wie im Film, und lässt ganz klare Bilder in meinem Kopf entstehen. In „Der große Sommer“ gibt es einen romantischen Moment zwischen Beate und Frieder, der beinahe allein durch Licht und Schatten gezeigt wird. Das fand ich sprachlich so so schön.

„Der Große Sommer“ hat ähnliche Motive wie Benedict Wells’ „Hard Land“: Vier Freunde, der Sommer, in dem alles anders wurde, familiäre Probleme. Trotzdem hat Ewald Arenz ein ganz anderes Buch geschrieben. Ich würde sagen, neben Frieder ist der Großvater, die zentrale Figur, und in meinen Augen ist dieser Charakter dem Autor unglaublich gut gelungen. Wie aus dünnen Rissen in der harten Schale dieses Mannes, ein bisschen Weichheit hervorbricht, war wirklich so schön zu lesen. Außerdem zeigt er Charakterzüge, die für diese alten, respekt- wie furchteinflößenden Professoren, von denen bis heute Exemplare durch die ein oder andere Klinik schleichen, so typisch sind. Frieders Großvater ist der Chef der Bakteriologie (heute würde man vermutlich Mikrobiologie sagen) und ich möchte generell ein Lob für die wissenschaftlichen Darstellungen im Roman aussprechen. Das fand ich alles super präzise. Außerdem haben mich auch die Anfangsszenen in Frieders Klassenzimmer und auf dem Sportplatz begeistert, weil mich das so schlagartig in meine bayrische Schulzeit zurückversetzt hat. Ich hatte nur drei Seiten vom Buch gelesen und dachte die ganze Zeit: „Genau. So. War. Es. Das war das Gefühl.“ Obwohl ich gar nicht aus Frieders Generation komme, scheint sich nie viel geändert zu haben.

In der Geschichte gibt es immer wieder kurze Einblicke in die Gegenwart, in der Frieder ein Mann mittleren Alters ist und auf einem Friedhof ein Grab sucht. Nur wessen Grab - das ist die Frage, die den Rahmen in der Handlung spannt. Ich fand den Plot sehr individuell und für mich war es nicht vorhersehbar, was in Frieders Sommer passieren würde. Auch die Zeit, in der die Geschichte spielt, fand ich sehr interessant gewählt. Der Krieg ist zwar schon seit 30 Jahren vorbei, aber er hängt immer noch über den Dächern und irgendwie auch noch über den Erwachsenen, die diese Prägung an die nächste Generation weitergeben.

Fazit:

Wie oben bereits angedeutet, drängt sich der Vergleich zu „Hard Land“ ja irgendwie auch. Es fällt mir schwer eine Favoriten zu benennen, weil ich beide Bücher sehr genossen habe und sie doch so unterschiedlich sind. Wenn ich mich aber entscheiden muss, bin ich trotz allem „Team Hard Land“, weil es da noch ein paar einzelne größere Momente gab, die ich so geliebt habe und die für mich am Ende den Ausschlag geben. Gleichzeitig muss ich aber auch sagen, dass Frieders Erfahrungen mir näher waren.

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