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Veröffentlicht am 17.05.2022

Komplexe Story

Betrug
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Úrsúla Aradóttir ist aus den Krisengebieten der Welt zurück in Island. Eigentlich sollte sie sich erholen und die grausamen Bilder bzw. Erfahrungen für sich verarbeiten als sie überraschenderweise als ...

Úrsúla Aradóttir ist aus den Krisengebieten der Welt zurück in Island. Eigentlich sollte sie sich erholen und die grausamen Bilder bzw. Erfahrungen für sich verarbeiten als sie überraschenderweise als Parteilose befristet für ein Jahr als Innenministerin ernannt wird. Ihr Vorgänger ist aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig zurückgetreten. An ihrem ersten Arbeitstag wird sie von einer Mutter angesprochen, deren Tochter vergewaltigt wurde – angeblich von einem Polizisten - und die Akten scheinen im Ministerium verschwunden zu sein. Sie verspricht, der Sache nachzugehen. Aufgrund vieler anderer Themen gerät dies etwas in den Hintergrund.

Als Leser begegnet man außer ihren engsten Mitarbeitern, dem Premierminister, dem Staatssekretär, ihrem Chauffeur/Leibwächter Gunnar, aber auch der Putzfrau Stella, und einem Penner, der sie von früher kennt, als sie noch ein junges Mädchen war. Úrsúla bekommt von einem Unbekannten diverse Zettel untergejubelt auf denen sie immer wieder darauf aufmerksam gemacht wird, daß sie sich mit dem Teufel einläßt. Die Frage ist, wer ist der Schreiber und wer soll der Teufel sein.

Es werden hier noch verschiedene Baustellen aufgemacht und parallel weiter verfolgt. Als Leserin war ich geneigt, des Öfteren gedanklich Warnungen auszusprechen bzw. eine Person auf den rechten Weg zu bringen.


Bisher hatte ich von der Autorin noch kein Buch gelesen, das wird sich aber nach diesem Thriller bestimmt ändern. Sie schreibt flüssig und packend. Es bleibt vor allem durch die komplexe Story immer spannend. Úrsúla Aradóttir fühlt sich irgendwann als Marionette und genau diesen Eindruck hatte ich auch. Den Abschluß des Buches bildet dann ein ganz spezieller Coup, das fand ich sehr gelungen. Die Hauptfigur ist nicht einfach, sie ist zerrissen zwischen dem Erlebten, ihrem Privatleben und der jetzigen Tätigkeit. Vor allem aber die Nebenfiguren – und hier besonders Stella - fand ich facettenreich und interessant.

Diesen Thriller empfehle ich gerne weiter!

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Veröffentlicht am 08.05.2022

Greisin bestialisch ermordet - ein True-Crime

Der Tod der dreckigen Anna
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Schauplatz Heiliger Abend 1974 in der Südpfalz
Die 72jährige Anna Hager wird grausam ermordet aufgefunden. Sie lebte alleine in ihrem verwahrlosten Haus, war geistig etwas zurückgeblieben und „verschisse“ ...

Schauplatz Heiliger Abend 1974 in der Südpfalz
Die 72jährige Anna Hager wird grausam ermordet aufgefunden. Sie lebte alleine in ihrem verwahrlosten Haus, war geistig etwas zurückgeblieben und „verschisse“ ist quasi das Wort, das sie ständig verwendete.

Als Leser lernt man durch die ermittelnden Beamten Melchinger und Wachtel die ganze Dorfgemeinschaft kennen und man kann sich sein eigenes Bild machen, wer hinter dieser Tat stecken könnte oder war es womöglich ein Auswärtiger? Denn die Dorfbewohner können sich nicht vorstellen, daß es einer von ihnen war.

Die Geschichte, die auf einer wahren Begebenheit beruht, wird auf zwei Zeitebenen erzählt – eine viele Jahre vor dem Verbrechen und die zweite beschreibt die aktuelle Situation 1974.



Bei dem Buch handelt es sich um den Debütroman der Autorin, die zum Tatzeitpunkt in dem Dorf lebte und 9 Jahre alt war. Als Leser konnte man nicht einschätzen, an wieviel sie sich selbst erinnern konnte bzw. wieviele und welche Informationen/Fakten sie aus Erzählungen der Bewohner bzw. der Presse erhalten hat.

Für mich war es nicht einfach in dieses Buch zu finden. Die Wortwahl war mir persönlich oft zu derb, die Atmosphäre im Dorf eindeutig zu düster und zu trostlos. Es kam bei mir sehr selten ein positiver Eindruck auf, vielleicht bei Dieterle, wie er sich um seine kranke Mutter sorgte. Es war ein Leben in einer Blase, das die Autorin dramatisch, eindringlich und bildhaft schildert. Den Ort haben die Einwohner scheinbar selten verlassen bzw. es kamen auch sehr wenige (Teppichhändler?) zu ihnen zu Besuch. Als Leser hatte ich das Gefühl eines kleinkarierten Lebens in einer Isolation. Für das Jahr 1974 erschien mir das etwas zu überzogen. Die Dorfbewohner kannten sich alle bestens, waren schrullig, plauderten und tratschten gerne, deshalb wußte jeder wirklich alles über seine Nachbarn. Auch bei den Beschreibungen der einzelnen Wohnungen/Häuser hatte ich den Eindruck, daß sich überall ein miefiger Geruch festgesetzt hatte, lediglich Dieterle sorgte mit seinem Putzfimmel im Elternhaus für klinische Sauberkeit. Ebenso wurde das Hinter-der-Gardine-stehen, die Kittelschürzen und ähnliches authentisch beschrieben. Aber nichtsdestotrotz kann man unter vielen Leuten einsam sein.

Es ist ein außergewöhnlicher, interessanter Roman, der das Jahr 1974 in der Pfalz und diesen Mordfall realistisch widerspiegelt. Die Beschreibung der einzelnen Personen, ihre Psyche und das Eintauchen in die Gemeinschaft fand ich gut dargestellt. Mich konnte das Buch trotzdem nicht völlig überzeugen. Dies betraf vor allem die derbe Sprache und das Überzeichnete.

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Veröffentlicht am 01.05.2022

Ein Roman nicht nur für Buchliebhaber

Die Buchhandlung in der Amalienstraße
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Schauplatz München im Jahr 1910 - Die beiden Freundinnen Elly und Henni vereint die Liebe zu Büchern. Sie kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Elly und ihre Mutter Dita, eine Offizierswitwe, ...

Schauplatz München im Jahr 1910 - Die beiden Freundinnen Elly und Henni vereint die Liebe zu Büchern. Sie kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. Elly und ihre Mutter Dita, eine Offizierswitwe, leben in einer großen Wohnung und verfügen über ausreichend Geld. Henni und ihre Familie hingegen leben beengt, müssen sparen und es geht schlichtweg härter zu. Elly darf eine Ausbildung zur Buchhändlerin in der Buchhandlung Lämmle in der Amalienstraße absolvieren, Henni ist dort als angelernte Büro- und Ladenhilfe tätig und schreibt heimlich Geschichten. Ein neuer Mitarbeiter wird eingestellt in der Person von Leo Kleefisch. Seine Anwesenheit beflügelt die anderen Mitarbeiter zu mehr Fleiß, allerdings umgibt ihn auch ein Geheimnis. Nach einiger Zeit kommt es zu einem Kleeblatt – Elly, Leo, Henni und ihr Bruder Zacherl. Während Ellys Mutter an den Lago Maggiore verreist, überläßt sie die große Wohnung dem Kleeblatt und damit intensiviert sich die Freundschaft zwischen Elly und Henni nochmals. Nach dem Anschlag in Sarajevo kommt es zum Krieg und zu Veränderungen in ihrem Leben.


Für einen Bücherwurm ist ein Roman über eine Buchhandlung einfach ein MUSS. Die Autorin hat für diesen Roman intensiv recherchiert und historische Figuren samt politischen Themen gekonnt in die Geschichte mit eingewoben. Mit viel Herz schildert sie das Schicksal der beiden Mädchen, ihre Freundschaft, ihre Lieben, die Arbeit während des Krieges, ebenso den Beginn des Salons für Schriftstellerinnen und des Vereins für Fraueninteressen, die Leipziger Buchmesse etc. Auch die Buchhandlung und das Aussortieren verbotener Bücher, Postkarten und Zeitschriften war alles gut nachvollziehbar geschildert. Ebenso die Atmosphäre, insbesondere der verrauchten Kneipen und die Situation der Frauen, wurden authentisch wiedergegeben. Im Privatleben wurde der Versuch von Dita, ihre Tochter Elly mit dem Hauptmann Rolf von Hauenstein zu verkuppeln überzeugend beschrieben. Für mich waren sowohl Dita als auch Rolf unsympathische Figuren. Henni gefiel mir sehr gut, vor allem auch wie sie sich aus ihrer Familiensituation befreien konnte, weil sie durch das Schreiben eine Stelle findet und dadurch in eine ganz andere Welt kommt. Trotz einiger Längen fühlte ich mich in diese Zeit und in die Geschichte mitgenommen. Das Buch ließ sich flüssig und unterhaltsam lesen und das Cover finde ich ausgesprochen gelungen.

Mir hat das Buch gut gefallen und ich empfehle es sehr gerne weiter!

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Veröffentlicht am 21.04.2022

Paris - Stadt der Liebe

Paris und die Mörder der Liebe
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Gustave Lafargue, 54 Jahre von der Brigade Criminell wird zu einem Unglück gerufen. Ein Ausflugsschiff hat einen Brückenpfeiler der Pont Neuf touchiert. Die Passagiere waren alle Mitarbeiter eines Internet-Unternehmens, ...

Gustave Lafargue, 54 Jahre von der Brigade Criminell wird zu einem Unglück gerufen. Ein Ausflugsschiff hat einen Brückenpfeiler der Pont Neuf touchiert. Die Passagiere waren alle Mitarbeiter eines Internet-Unternehmens, die unter Liquid Ecstasy gesetzt waren. Das Betätigungsfeld der Firma ist eine Dating-App und sie zeichnet sich vor allem als digitale Datenkrake aus. Die Verantwortlichen vertreten den Standpunkt, daß die User die Daten freiwillig hergeben. Allerdings hatten sie kürzlich eine Sicherheitslücke im System, wodurch sensible Daten über Sexverhalten, Seitensprünge etc. von Prominenten im Netz veröffentlicht wurden. Bei dem Unglück gab es 85 Verletzte und eine Tote, Laetitia Vicault, sie war Lobbyistin in Brüssel. Laetitia wurde mit Liquid Ecstasy vergiftet und zusätzlich gab es bei ihr Spuren eines Beruhigungsmittels, was sich als tödliche Mischung herausstellte. Wenn der Täter von den Beruhigungsmitteln wußte, dann war es ein perfider Plan - aber weshalb? Was steckt dahinter? Was war das Motiv für diese Tat? Oder doch nur ein Zufallsopfer?

Gustaves Kollegin, Jinjin Villebert, kann erst am nächsten Morgen ihre Arbeit wieder aufnehmen. Sie war bis vor kurzem in einer psychosomatischen Klinik. Heute steht das chinesische Neujahrsfest auf dem Programm und sie stylt sich, um das so richtig zu genießen – augenscheinlich gerät sie an den Falschen.

In einem Parallelstrang kommt der Täter zu Wort, weshalb der Leser mit seinem Wissen im Vorteil ist und manche Figur warnen möchte.


Frédérik Breton hat einen soliden Krimi abgeliefert, der seine Leser zum Rätseln animiert. Das ist ihm bei mir auf jeden Fall gelungen. Bisher hat der Autor Drehbücher und Hörspiele geschrieben und mit diesem Pseudonym seinen ersten Kriminalroman. Gustave war für mich eine sympathische Figur, allerdings gefiel mir Jinjin besser. Den Täter konnte man zwar schon vermuten, aber es war spannend den Weg dahin zu verfolgen. Seine handelnden Figuren hat der Autor gut charakterisiert. Die Atmosphäre, die Bedrohung, das Datensammeln und auch die Gegenseite waren gut geschildert und auch die Ermittlungsarbeit fand ich realistisch dargestellt.

Ich empfehle diesen Paris-Krimi gerne weiter und ich bin gespannt, was der Autor mit Gustave und Jinjin noch plant!

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Veröffentlicht am 13.04.2022

Ein ganz besonderer Sommer

Schallplattensommer
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Maserti ist das einzige Mädchen im Umkreis von 13 Km und hilft ihrer Oma in einem kleinen Lokal an einem ostdeutschen Badesee. Die Oma steht in der Küche und macht Teigtaschen, Maserati serviert derzeit ...

Maserti ist das einzige Mädchen im Umkreis von 13 Km und hilft ihrer Oma in einem kleinen Lokal an einem ostdeutschen Badesee. Die Oma steht in der Küche und macht Teigtaschen, Maserati serviert derzeit den Gästen Limonade. Leider steht es um die Gesundheit der Großmutter nicht zum Besten, die Demenz schreitet voran und Maserati begreift, daß sie sich vermehrt um die Oma kümmern muß. Eine Veränderung und Abwechslung aus dem Alltag ergibt sich, als eine Familie mit zwei Jugendlichen in Maseratis Alter in die Nachbarschaft ziehen. Der reichen Familie kann Maserati ihren gehörlosen Freund Georg als Gärtner vermitteln. Und nun lernt der Leser die Nachbarjungs kennen - zum einen den Stubenhocker Theo und seinen Cousin Caspar. Caspar ist der Aktivere, er ist es auch, der jeden Morgen zum Steg am See geht, um Maserati beim Schwimmen zuzusehen. Aber alle drei Teenies haben bereits einen schweren Rucksack mit Begebenheiten und Geheimnissen aus der Vergangenheit zu tragen und daran zu knabbern - das in einem Alter, in dem das Leben noch leicht und unbeschwert sein sollte.


Nachdem ich schon einige Bücher der Autorin kenne, wollte ich auch ihr neuestes unbedingt lesen. Es beschreibt nur die kurze Zeitspanne eines Sommers, ist mit seinen 192 Seiten auch nicht sehr umfangreich, weshalb die Charakterisierung der Jugendlichen auch nicht sehr in die Tiefe geht. Das pastellfarbene Cover fand ich übrigens sehr schön und gelungen. Der Schreibstil ist schnörkellos und flüssig zu lesen. Die Atmosphäre des Sommers in der Pampa war für mich bildhaft dargestellt, jedoch die Figuren und die Geschichte haben mich nicht nachhaltig berührt. Vielleicht kommt es auch daher, daß es sich um einen Jugendroman handelt. Ich hatte das Gefühl, die Jugendlichen aus einer gewissen Distanz zu beobachten. In diese Geschichte fühlte ich mich nicht mitgenommen, daher wird es vermutlich bald in Vergessenheit geraten. Nichtsdestotrotz finde ich positiv, daß die Autorin immer ganz besondere Persönlichkeiten und ihr Schicksal in den Mittelpunkt ihrer Geschichten stellt, die man dann als Leser über eine kurze Zeitspanne begleitet.

Ich hatte mit dem Schallplattensommer unterhaltsame Lesestunden und so ganz nebenbei, mein erstes Buch der Autorin „Baba Dunjas letzte Liebe“ bleibt weiterhin mein Lieblingsbuch.

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