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Veröffentlicht am 15.03.2024

Außergewöhnliche, vielschichtige Erzählweise, die den etwas zähen Einstieg aufwiegt

Der Rabengott
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In der Hafenstadt Vastai lebt seit Jahrhunderten eine Gottheit, genannt der Rabe. Sein menschlicher Statthalter herrscht über das ganze Reich Iraden und kann während seiner Regentschaft tun, was immer ...

In der Hafenstadt Vastai lebt seit Jahrhunderten eine Gottheit, genannt der Rabe. Sein menschlicher Statthalter herrscht über das ganze Reich Iraden und kann während seiner Regentschaft tun, was immer er möchte. Der Preis dafür ist der sofortige Tod des Statthalters sobald das "Instrument", ein Rabenvogel dessen Körper der Gott bewohnt, stirbt. Als Mawat, der Sohn und Erbe des Statthalters, drei Tage nach dem Tod des letzten Instruments in Vastai eintrifft, erfährt er, dass sein Vater spurlos verschwunden ist und sein Onkel in der Zwischenzeit zum neuen Regenten berufen wurde. Wütend fordert er, die Ordnung nach dem Willen des Raben zu korrigieren. Mawats Freund, der Kämpfer Eolo, der zum ersten Mal in Vastai ist, erkundet in den nächsten Tagen die neue Umgebung und erfährt dabei nach und nach mehr, wie es zu den aktuellen Ereignissen kommen konnte.

"Der Rabengott" von Ann Leckie ist eine Fantasygeschichte, wie ich sie bisher noch nicht gelesen hatte - sehr vielschichtig, wie es im Klappentext versprochen wurde. Meiner Meinung nach geht allerdings die Spannung zu Lasten dieser Vielschichtigkeit, besonders in der ersten Buchhälfte, etwas verloren. Für mich war es das erste Buch der Autorin und ihre Schreibweise habe ich als äußerst ungewöhnlich empfunden, durch das gesamte Buch hinweg wird die Handlung aus der Perspektive einer Gottheit (die nicht der Rabe von Vastai ist) erzählt. Dadurch entstand bei mir der Eindruck, dass es den Figuren an Tiefgang fehlte, ihre Gedanken und Beweggründe konnte ich nur aus den Beobachtungen jenes unbekannten Gottes erahnen. Dessen distanzierter Blick auf die Menschen bewirkte, dass auch ich ihnen während des Lesens nicht wirklich nahe kommen konnte, selbst Eolo, der im aktuellen Geschehen eine große Rolle spielt, blieb mir fremd.

Der erzählende Gott, später häufig die Stärke und Geduld des Hügels genannt, wechselt zwischen mehreren Zeitebenen, neben dem (von mir als vordergründig empfundenen) Handlungsstrang um Mawat und Eolo berichtet er von der Entwicklung seines eigenen Bewusstseins und streut auch die eine oder andere Geschichte von Menschen aus der Vergangenheit ein. Erst gegen Ende hin verknüpfen sich die verschiedenen Handlungsfäden miteinander zu einem stimmigen Gesamteindruck, doch bis es soweit ist, zog sich der Roman in meinen Augen stellenweise etwas in die Länge. Das war besonders am Anfang der Fall, als die Stärke und Geduld des Hügels über Jahrhunderte hinweg seinen mehr oder weniger philosophischen Gedankengängen nachhing - mir als Leser fehlte es da leider etwas an der göttlichen Geduld. Etwa ab der Mitte nahmen die Ereignisse in der Stadt Vastai an Fahrt auf und die Spannung zog mich doch noch in ihren Bann. Wegen der einzigartigen Schreibweise und der intelligenten Zusammenführung der zunächst zerstreut wirkenden Erzählstränge spreche ich für dieses Buch trotz der mittelprächtigen Bewertung gern eine Leseempfehlung aus.

Fazit: Der Einstieg in diesen Roman fiel mir nicht leicht, die Erzählweise des Gottes, der ein ganz anderes Verständnis von Zeit hat, als wir kurzlebigen Menschen, ließ den Anfang für mich etwas zähe erscheinen. Im Verlauf der Handlung nahm die Spannung dann langsam zu und das Ende hat alle lose wirkenden Fäden schlüssig miteinander verknüpft, so dass ich dieses einzigartige Leseerlebnis gern weiter empfehle.

Veröffentlicht am 26.02.2024

Beklemmendes Thema, distanziert und zerrissen erzählt

Geordnete Verhältnisse
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In seiner Kindheit wünscht sich Philipp sehnlichst einen besten Freund, denn in seiner Familie findet er weder Halt noch Zuneigung. Als Faina, die mit ihren Eltern aus der Ukraine geflüchtet ist, neu an ...

In seiner Kindheit wünscht sich Philipp sehnlichst einen besten Freund, denn in seiner Familie findet er weder Halt noch Zuneigung. Als Faina, die mit ihren Eltern aus der Ukraine geflüchtet ist, neu an seine Schule kommt, erfüllt sich dieser Wunsch und auch Jahre später ist sie die einzige Person, die Philipp mag und um sich haben möchte. Faina hingegen umgibt sich gern mit anderen Menschen, sie ist gesellig und lebenslustig. Nach einem Streit bricht der Kontakt zu Philipp über einen langen Zeitraum hin ab, bis Faina eines Tages mittellos und schwanger vor seiner Tür steht. Sie beschließen, das Kind gemeinsam groß zu ziehen, doch schon bald verlieren sie sich erneut in Streitigkeiten, die aus ihren komplett gegensätzlichen Lebensanschauungen entstehen.

"Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux ist ein Buch, das stellenweise recht schmerzhalft zu lesen ist, beide Protagonisten stammen aus zerrütteten Familienverhältnissen, was ihre starke Bindung zueinander begründet. Für mich war es das erste Buch der Autorin und ich empfand ihren Schreibstil als durchaus fesselnd, dennoch habe ich im Nachhinein das Gefühl, die ganze Zeit lediglich an der Oberfläche der Geschichte dahin getrieben zu sein. Obwohl die Handlung abwechselnd aus der Perspektive beider Hauptfiguren dargestellt wird, konnte ich weder Philipp noch Faina emotional wirklich nahe kommen.

Immer wieder gab es unvermittelte Zeitsprünge, die mir nicht sofort aufgefallen sind, was mich beim Lesen ziemlich irritiert hat. Durch diesen Zeitraffer, der manche Szenen regelrecht unvollendet abbrach, blieb das Bild von Philipps und Fainas Leben in meinen Augen sehr unvollständig. Für Menschen, die selbst durch Gewalt traumatisiert sind, ist diese Erzählweise sicher leichter zu lesen, die Übergriffe wurden für die Leser nie "live" thematisiert, sondern eher anhand der Folgen dargestellt, z.B. als Fainas blaue Flecken im Gesicht beschrieben werden.

Damit verliert die Handlung meiner Meinung nach allerdings an Eindringlichkeit - natürlich war ich entsetzt, als Philipp auf Fainas Vorwurf (er sei gewalttätig) antwortet, dass sie sich wegen der paar Ohrfeigen nicht so anstellen soll, schließlich habe er als Kind von seiner Mutter deutlich Schlimmeres aushalten müssen. Dennoch fand ich, dass der Roman mit seiner häufig sehr distanzierten Betrachtung des Geschehens ungefähr so viel Emotion vermittelt, wie ein Zeitungsartikel, der lediglich die nüchternen Fakten zusammen fasst. Von mir gibt es daher trotz des wichtigen Themas keine Leseempfehlung.

Fazit: Die Autorin schildert eine toxische Beziehung praktisch vom Tag des Kennenlernens in der Kindheit, dabei hatte ich das Gefühl, in keine der Szenen wirklich eintauchen zu können. Den Schreibstil habe ich als sehr flüssig empfunden, die zerrissene Handlung vermochte es in meinen Augen allerdings nicht, die beklemmende Atmosphäre einzufangen.

Veröffentlicht am 21.02.2024

Kein wirklich rundes Leseerlebnis

Die Hexen von Cleftwater
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Martha lebt im Jahr 1645 als Dienerin und Hebamme in einem kleinen Dorf, wo sie wegen ihres kräuterkundigen Wissens bei den meisten Leuten gut angesehen ist. Das ändert sich, als der Hexenjäger Makepeace ...

Martha lebt im Jahr 1645 als Dienerin und Hebamme in einem kleinen Dorf, wo sie wegen ihres kräuterkundigen Wissens bei den meisten Leuten gut angesehen ist. Das ändert sich, als der Hexenjäger Makepeace in Cleftwater ankommt und sogleich einige Frauen wegen Verdachts auf Hexerei festnehmen lässt, darunter Prissy, die als Köchin im Haushalt von Marthas Herrn arbeitet. Ausgerechnet Martha, die nicht sprechen kann, soll dem Hexenjäger helfen, ihre Aufgabe ist es, die Körper der gefangenen Frauen nach sogenannten Hexenmalen abzusuchen - kann sie in dieser Position etwas tun, um Prissy und den anderen vermeintlichen Hexen zu helfen?

"Die Hexen von Cleftwater" von Margaret Meyer ist ein Roman, der sich für mich irgendwie unvollendet angefühlt hat. Das mag zum Einen daran liegen, dass ich der Protagonistin emotional nicht wirklich nahe gekommen bin, trotz einiger Einblicke in ihre Vergangenheit. Auch manche ihrer Gedanken sowie den einen oder anderen inneren Konflikt habe ich mit erlebt und konnte mich dennoch des Gefühls nicht erwehren, Martha nur aus weiter Ferne zu betrachten. Zum Anderen fand ich die Handlung an sich recht überschaubar, nicht dass mit der Ankunft des Hexenjägers in Cleftwater nichts passiert wäre, schlussendlich steht allerdings Marthas Gedankenwelt im Vordergrund, das reale Geschehen im Dorf bildet eher den Rahmen für ihre Auseinandersetzung mit sich selbst.

Den Schreibstil fand ich anfangs recht ansprechend, Marthas Alltag in ihrem Heimatdorf wird anschaulich und meiner Meinung nach auch authentisch geschildert. Der Hintergrund zeigt das Leben zur damaligen Zeit ungeschönt, dabei lässt sich streiten, wie viele sich erleichternde Personen in einem Buch vorkommen müssen, damit der Leser die stinkende, unhygienische Wahrheit tatsächlich begreift. Die gesamte Geschichte umfasst nur wenige Tage und obwohl Martha zuvor als aktive, innerhalb der Grenzen ihrer gesellschaftlichen Stellung auch selbst bestimmte Frau dargestellt wurde, verhält sie sich nach der Ankunft des Hexenjägers ganz anders.

Sie setzt sich von nun an mehr mit dem von der Mutter geerbten Atzmann, einem Püppchen aus Kerzenwachs, auseinander, als mit den Menschen in ihrem Umfeld, obwohl sie deren Leiden durchaus wahr nimmt und helfen möchte. Schlussendlich habe ich mich gefragt, was mir die Autorin mit ihrem Roman sagen wollte. Die grausame Realität der Hexenverfolgung in East Anglia wird durchaus anschaulich beschrieben, für mich hat sich das Leseerlebnis allerdings nach dem ersten Drittel recht zähe gestaltet, so dass mich das Buch nicht wirklich überzeugen konnte.

Fazit: Nach einem vielversprechenden Anfang verlor sich die Spannung im ewigen Gedankenkarussell der Protagonistin. Den grausamen Alltag zur Zeit der Hexenverfolgung hat die Autorin meiner Meinung nach zwar authentisch dargestellt, die Handlung an sich fand ich allerdings etwas dürftig.

Veröffentlicht am 14.02.2024

Das erwartete Knistern konnte ich nicht fühlen, dennoch recht unterhaltsam

The Lost Memory Project
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Ausgerechnet als das Weihnachtsgeschäft bevor steht, wird Filialleiter Sam zu seinem Chef Jonathan nach London zitiert - denn der ist der Meinung, dass Sams Filiale nicht die von ihm geforderten Ziele ...

Ausgerechnet als das Weihnachtsgeschäft bevor steht, wird Filialleiter Sam zu seinem Chef Jonathan nach London zitiert - denn der ist der Meinung, dass Sams Filiale nicht die von ihm geforderten Ziele erreicht. Um seine Mitarbeiter und sich selbst vor der drohenden Kündigung zu schützen, täuscht Sam nach einem Unfall vor, das Gedächtnis verloren zu haben. Da er offensichtlich keine Angehörigen hat, nimmt Jonathan ihn notgedrungen vorübergehend bei sich auf, was Sam nicht nur einen völlig neuen Eindruck seines mürrischen Chefs vermittelt, sondern auch ungeahnte Gefühle weckt, besonders, als er es zusätzlich mit Jonathans lauter, chaotischer Familie zu tun bekommt.

"The Lost Memory Project" von Alexis Hall ist eine durchaus nett zu lesende Geschichte, leider habe ich das erwartete Knistern zwischen den beiden Protagonisten ziemlich lange überhaupt nicht spüren können. Dabei waren mir sowohl Sam als auch Jonathan im Lauf des Lesens immer sympathischer geworden und Jonathans Familie, die dazu neigt, sich ständig ungefragt in sein Leben einzumischen, habe ich ebenfalls schnell gemocht. Die Figuren - selbst manchen etwas skurrilen Verwandten - fand ich allesamt authentisch und lebensecht dargestellt.

Der Schreibstil war meiner Meinung nach angenehm leicht und locker, auch wenn die Handlung zum Großteil oberflächlich geblieben ist. Erst kurz vor dem Ende bekam ich einen kleinen Einblick in Sams Hintergrundgeschichte, vorher schien es, als ob seine Vergangenheit auch für die Leser hinter dem Schleier des vorgetäuschten Gedächtnisverlustes verborgen bleiben sollte. Obwohl seine Figur sehr gutherzig angelegt war, fand ich das Verständnis und die engelsgleiche Geduld für sämtliche Macken seiner Angestellten dann doch leicht überzogen, z.B. verdirbt ein Kollege immer wieder teure Ausstellungsstücke, indem er sie versehentlich bekleckert und erst Sams Vertretung kommt auf die glorreiche Idee, ihn zu bitten, nicht mehr mit der Kaffeetasse in der Hand durch den Laden zu laufen? In meinen Augen etwas zu viel des Guten, insgesamt habe ich mich von dem Roman dennoch ziemlich gut unterhalten gefühlt.

Fazit: Für mich kommt dieses Buch nicht an die beiden Vorgänger "Boyfriend Material" und "Forever Material" heran, einige angenehme Lesestunden hat es mit trotzdem beschert, wer Alexis Halls Romane mag, wird auch hier angenehme Unterhaltung finden.

Veröffentlicht am 18.01.2024

Fantasievoll erdacht, die Spannung hielt sich allerdings in Grenzen

Dreamcatcher
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Alexis arbeitet als Fehris, das heißt, sie eskortiert entflohene Träume über den Fluss Styrax. An sich ein eintöniger Job, wenn da nicht die Albträume wären, die sich gern einmal gegen den Transport wehren ...

Alexis arbeitet als Fehris, das heißt, sie eskortiert entflohene Träume über den Fluss Styrax. An sich ein eintöniger Job, wenn da nicht die Albträume wären, die sich gern einmal gegen den Transport wehren und versuchen, den Fehris zu entfliehen. Seit Kindertagen ist sie mit Nate befreundet, der nicht nur ein Dreamcatcher, sondern auch der Kronprinz der Traumlande ist. Wann immer es seine Pflichten zulassen, besucht er Alexis und nimmt sie mit auf einen Rundflug mit seinem magisch erschaffenen Drachen. Doch als sie eines Tages von einem Albtraum angegriffen wird, stellt das ihre Freundschaft auf eine harte Probe.

"Dreamcatcher" von Juliane Maibach ist eine Geschichte, die sich zwar durchaus flüssig lesen lässt, mich aber wegen fehlender Spannung nicht so ganz in ihren Bann ziehen konnte. Zum Teil ist das sicherlich der Tatsache geschuldet, dass der Klappentext bereits einen Großteil der Handlung verrät, so dass es kaum überraschende Wendungen gibt. Außerdem hat es ein wenig gedauert, bis ich mit der Protagonistin warm geworden bin, die Handlung wird aus ihrer Perspektive erzählt, allerdings hätte ich mir zu Beginn eine kleine Vorstellung ihrer Person und des gesamten Umfelds, in dem sie lebt, gewünscht. Die Familie hat für sie offenbar eine große Bedeutung, dabei werden ihre Eltern und ihr Bruder nur äußerst knapp charakterisiert, sie blieben für mich reichlich blasse Randfiguren.

Der Schreibstil gehört eindeutig zu den positiven Aspekten des Romans, ich bin leicht und locker durch die Seiten geglitten. Da sowohl der Klappentext, als auch das Cover mir suggerierten, dass Drachen eine größere Rolle spielen, diese dann aber eher sporadisch vorkamen, war ich ein wenig enttäuscht - die Geschöpfe wurden zwar aus Magie erschaffen, schienen aber kaum einen Anflug von eigener Persönlichkeit zu besitzen. Die Welt, in der Alexis und Nate leben, sowie die Magie und deren Verteilung unter der Bevölkerung der Traumlande, fand ich sehr fantasievoll erdacht, dennoch konnte ich mich am Ende des Eindrucks nicht erwehren, dass die eigentliche Handlung recht überschaubar war. Da es noch einen Folgeband geben wird, wirkt dieses Buch wie eine sehr, sehr lange Einleitung, als es tatsächlich spannend wurde, war es zu Ende - ich bin neugierig genug zurück gelassen worden, um auch den zweiten Teil zu lesen.

Fazit: Meiner Meinung nach verrät der Klappentext so viel, das während des Lesens kaum noch Spannung aufkommen konnte. Der fantasievolle Weltenaufbau und die sympathischen Figuren lassen mich dennoch auf die Fortsetzung der Geschichte hoffen.