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Veröffentlicht am 29.08.2023

Zusammen und doch frei

Clara und Rilke
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„Warum sollte er nur eine Muse haben? Die Blonde und die Dunkle waren wie zwei Hälften, die sich zu einer perfekten Frau ergänzten.“ (S. 173)
Die Bildhauerin Clara Westhoff und die Malerin Paula Becker ...

„Warum sollte er nur eine Muse haben? Die Blonde und die Dunkle waren wie zwei Hälften, die sich zu einer perfekten Frau ergänzten.“ (S. 173)
Die Bildhauerin Clara Westhoff und die Malerin Paula Becker verbindet eine tiefe und innige Freundschaft, als sie 1900 in Worpswede den Lyriker Rainer Maria Rilke kennenlernen. Während er schon erste Erfolge feiert, haben es die Frauen trotz Ausbildung in München, Worpswede, Leipzig und Paris schwer, als Künstlerinnen angesehen zu werden und nicht nur als Frauen, die sich die Zeit bis zur Ehe vertreiben. Dabei ist das für sie keine Option, sie wollen sich nicht zwischen einem Mann und ihrer Arbeit entscheiden müssen. „Aber ihr Leben sollte der Kunst gehören, niemandem sonst!“ (S. 123) Rilke sieht das ganz ähnlich, auch für ihn stehen seine Arbeit und seine Bedürfnisse an allererster Stelle, es sei denn: „Wenn mir die eine begegnet, die in meine Welt der Poesie eintauchen und darin leben mag, dann wäre das ein großes Glück.“ (S. 126)

Ich muss zugeben, dass Rilke in der Schule nur kurz behandelt wurde, ich von seiner Frau bis zu diesem Buch noch gar nicht gehört hatte und darum unvoreingenommen an diesen Roman herangehen konnte.
Es ist die Geschichte einer großen Frauenfreundschaft, die ohne Männer vielleicht ein ganzes Leben lang gehalten hätte. Doch Paula verguckte sich in den verwitweten Otto Modersohn und Clara verliebt sich schon bei Rilkes erstem Gedicht in ihn. Eine Zeit lang versuchen die Freundinnen, das voreinander geheim zu halten. So wird Clara jedes Mal eifersüchtig, wenn sie Paula und Rilke zusammen sieht, und der genießt die Situation, befeuert sie zum Teil sogar.
Es ist aber auch die Geschichte einer idealisierten Liebe, die in der realen Welt nicht bestehen konnte. Für Rilke war es wichtig, Rückzugsräume und Ruhe zu haben und Clara hat das verstanden. Sie hatten klare Vorstellungen von ihrer Ehe, wollten sich Freiräume zum Leben und Arbeiten lassen. Aber sie verdienten nicht regelmäßig und Rilke zog sich gern zurück oder flüchtete, wenn Probleme auftauchten.

Lena Johannson beschreibt die drei Künstler, ihre Beziehungen untereinander und zu anderen und ihre Werke sehr bildlich und erzählt die Geschichte abwechselnd aus Claras und Rilkes Sicht, ergänzt durch seine Gedichte, wodurch man ihnen immer sehr nah ist und ihre Gedanken, Gefühle und Entwicklung miterlebt. Dabei kommt Rilke für mich nicht besonders gut weg. Er scheint sehr vergeistigt und lebensfremd, trauert dem Adel seiner Vorfahren und seiner letzten Liebe hinterher. Außerdem kann er schlecht mit Kritik umgehen und ist egoistisch. Für ihn ist es selbstverständlich, dass sich Clara um den schnöden Alltag kümmert. Sie hat es ihm mit ihrem zurückhaltenden und ausgleichenden Wesen aber auch leicht gemacht und gern alles Störende von ihm ferngehalten.
Außerdem gewährt die Autorin einen schönen Einblick in das Flair, das damals in Worpswede herrschte, und die Künstler, die dort lebten und arbeiteten.

Leider endet die Handlung schon 1903 und die Zeit bis zu Rilkes Tod wird nur noch im Zeitraffer im Epilog erzählt, das hätte für mich noch ausführlicher sein können.

Mein Fazit: Ein spannende Romanbiographie über ein interessantes Künstlerpaar.

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Veröffentlicht am 27.08.2023

Nachrichtenlose Abwesenheit

Kommissar Jennerwein darf nicht sterben
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… ist das spurlose, freiwillige und dauerhafte Verschwinden von Personen. So eine abgängige Person soll Kommissar Jennerwein für einen multinationalen Konzern suchen, denn weder die bisherigen internen ...

… ist das spurlose, freiwillige und dauerhafte Verschwinden von Personen. So eine abgängige Person soll Kommissar Jennerwein für einen multinationalen Konzern suchen, denn weder die bisherigen internen noch polizeilichen Ermittlungen haben nach 6 Monaten eine Erklärung gefunden, wie der Qualitätsmanager Florian Rossi aus einer vollautomatischen, lückenlos überwachten Fertigungshalle verschwinden konnte.

„War das eine Sucht, an der er litt? Die Suche, hinter jeder Erscheinung die Verderbtheit und Abschüssigkeit der Welt zu wittern?“ (S. 20) Selbst im Urlaub kann Jennerwein nicht abschalten. Er beobachtet die anderen Gäste des Sporthotels und macht sich so seine Gedanken – ist das da nicht eine Buffetschmarotzerin? Und der Mann, der da eben völlig überarbeitet aus der Küche kommt, ist garantiert ein Springer! Nun, bei einer Vermutung liegt er zumindest zum Teil richtig, bei der anderen komplett falsch. So richtig füllen ihn die ganzen Sportanwendungen eben doch nicht aus und abschalten kann er auch nicht. Also lässt er sich anwerben, um nach Rossi zu suchen. Dabei wird er mit KI-Technik konfrontiert, von der wir noch nicht mal zu träumen wagen, bzw. die uns Albträume bescheren würde (ich sage nur körperlose medizinische Versorgung und Pflege) und die eigentlich nicht lügen oder einen Menschen töten kann – oder etwa doch?! Bei der ganzen Aufregung merkt er gar nicht, dass ihm ein Auftragskiller auf den Hals gehetzt wurde, der ihn auch aus persönlichen Gründen unbedingt zur Strecke bringen will.

„Kommissar Jennerwein darf nicht sterben“ ist schon der 15. Band der Reihe und hat mich wieder bis zum Ende gefesselt. Ich liebe die abgedrehten Fälle und dass sich Jörg Maurer immer neue, immer ungewöhnlichere Hintergründe einfallen lässt, die vielleicht sogar bald schon real werden könnten. Auch hier fängt es noch relativ harmlos mit einem Chatbot an, steigert sich über eine Augmented-Reality-Brille und einen Datenzug bis zu vollautomatischen Fabriken, in denen die Menschen nur noch dazu sind, um nach Fehlern zu suchen, die KIs nicht erkennen können – es ist eine skurrile, furchteinflößende Welt, die er da erschaffen hat.

Außerdem mag ich Maurers Humor. Alle ehemaligen Verbrecher, die Jennerwein und sein Team hinter Gitter gebracht haben, haben sich gegen ihn verschworen und DEN Auftragskiller engagiert, der nur leider nie so richtig zum Zug kommt, weil immer wieder irgendwas schiefgeht. Die Nerven aller Beteiligten liegen blank, gewinnt am Ende Jennerwein oder der Killer?
Als besonderes Schmankerl sind überall im Buch Hinweise auf Jennerweins Frau versteckt, der hat nämlich heimlich geheiratet, aber ihr Name wird nie genannt. Doch wer die Reihe kennt, kommt bestimmt hinter ihre Identität.

Mein Fazit: Streitende Gangster, ein verzweifelte Auftragskiller, eine zu allem entschlossene Stalkerin und ein Kommissar, der auch im Urlaub das Ermitteln nicht lassen kann – mehr braucht ein spannender und abwechslungsreicher Krimi nicht.

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Veröffentlicht am 15.08.2023

Schlaflos

Bruch: In eisigen Nächten
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Nicole Schauer und Felix Bruch haben genau wie ihre Kollegen ein großes Problem: ihr Chef wurde in seinem Büro im Präsidium erschossen. Da das nur jemand von ihnen gewesen sein kann, übernimmt das BKA. ...

Nicole Schauer und Felix Bruch haben genau wie ihre Kollegen ein großes Problem: ihr Chef wurde in seinem Büro im Präsidium erschossen. Da das nur jemand von ihnen gewesen sein kann, übernimmt das BKA. Sie ermitteln stattdessen in einem anderen Fall. Eine 16jährige soll einem 62jährigen in dessen Haus in den Brustkorb geschossen haben. Verwirrend ist, dass die Tatverdächtige dort noch ganz friedlich auf der Couch sitzt und ihre Unschuld beteuert, und dass Bruch sie seit 4 Jahren kennt. Damals soll ihre Mutter ihren Vater nachts mit einem Hammer erschlagen haben, während das Mädchen daneben stand. Obwohl Mutter und Tochter deren Unschuld beteuerten, wurde die Mutter verurteilt. Weil Bruch damals involviert war, werden Schauer und er vom Dienst suspendiert. Das hält Nicole aber nicht davon ab, auf eigene Faust zu ermitteln, zumal eine Journalistin ihr immer neue Informationen zu dem alten Fall zuspielt und ihre Untersuchungen anheizt. Auch Bruch kommt nicht zur Ruhe. Er sucht ziel- und rastlos nach seiner Vergangenheit, die er tief in sich vergraben hatte. Ihm wurde eine Kiste mit Andenken zugespielt, die manchmal ganz kurz winzige Erinnerungen aufblitzen lassen. „Als die Kiste kam, war es, als hätte mir jemand ein Gift gespritzt, dass mich langsam aber sicher umbringen wird. Mir wurde klar, dass das Leben, das ich bis dahin führte, nicht echt war.“ (S. 23)

Schauer und Bruch haben sich inzwischen aneinander gewöhnt, einfache Charaktere sind ja beide nicht. Nicole kämpft trotz Therapie mit ihrem Gewaltpotential und Felix flüchtet in den Schutz seiner Medikamente. „Die Tabletten halfen ihm, doch sie schalteten alles ab, was ihn menschlich machte, sie machten aus ihm ein kaltes Etwas, umhüllt von einem Kokon, etwas, dass man niemandem zumuten konnte.“ (S. 24)
Die nicht genehmigten Ermittlungen zu dem Mord von vor 4 Jahren und der Verbindung zu ihrem aktuellen Fall bringen sie physisch und psychisch an ihre Grenzen. Bruch versucht zwar wieder, sich aus allem rauszuhalten, aber Nicole zwingt ihn, sie zu unterstützen. Sie nehmen sich noch einmal alle Beteiligten vor und kommen einigen Ungereimtheiten und verschwundenen Beweisen auf die Spur. Also weiten sie ihre Ermittlungen aus und stoßen auf immer neue Verdächtige und Motive – ich hatte da schon längst den Überblick verloren und auch Nicole weiß oft nicht weiter. „Sollten wir nicht kreischend im Kreis rennen oder versuchen, nach Südamerika zu fliehen?“ (S. 229)

Genauso düster wie die beiden Ermittler sind auch ihre Fälle. Sie ermitteln in verlassenen Häusern und unter gescheiterten Existenzen, hören Schritte oder im Dunklen Stimmen hinter sich, finden sich plötzlich in lebensbedrohlichen Situationen wieder. Das alles ist sehr beklemmend und angsteinflößend. Ich habe mich beim Lesen extrem gegruselt – und dann endet das Buch auch noch mit einem Paukenschlag! Wie fies kann ein Autor eigentlich sein?! Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt auf die Fortsetzung.
Außerdem will ich unbedingt mehr von Bruchs Vergangenheit wissen, die noch dramatischer und grausamer gewesen zu sein scheint, als bisher befürchtet.
5 Sterne für dieses Lesehighlight, das mir wieder mal den Schlaf geraubt hat.

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Veröffentlicht am 11.08.2023

Mafia-Drama

Für ewig und eine Nacht
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„Alle Familien sind auf die eine oder andere Art kaputt …“ (S. 103)
Als sich Alison und Henry Ende der 1920er Jahre in Philadelphia kennenlernen, scheint ihr Leben vorbestimmt. Alison träumt von einer ...

„Alle Familien sind auf die eine oder andere Art kaputt …“ (S. 103)
Als sich Alison und Henry Ende der 1920er Jahre in Philadelphia kennenlernen, scheint ihr Leben vorbestimmt. Alison träumt von einer Karriere als Sängerin, aber ihr Vater ist ein erfolgloser Berufsspieler, der alles Geld und sämtliche Wertgegenstände verspielt und seine Familie regelmäßig windelweich prügelt. Alisons Mutter wehrt sich nie, denn nach ihrem Glauben ist ihr Mann im Recht. Außerdem ist sie ständig krank, sodass Alison neben ihren verschiedenen Aushilfsjobs auch die Hausarbeit und die Erziehung ihres jüngeren Bruders übernehmen muss.
Henry und seinem Vater ging es früher besser, aber nach dem Tod seiner Mutter, einem Arbeitsunfall seines Vaters und dem Börsencrash müssen sie alle paar Monate weiterziehen, weil sie ihre Schulden nicht mehr zahlen können. Zur Schule geht Henry schon lange nicht mehr, die Abwärtsspirale scheint unaufhaltbar.
Doch dann begegnen und verlieben sie sich und plötzlich scheint ihr Leben wieder einen Sinn zu haben. Sie träumen von einer gemeinsamen Zukunft und als Henry einen guten Job ergattert, rückt diese in greifbare Nähe. Aber er begeht einen Fehler, mischt sich in Angelegenheiten der Mafia ein. Am Ende bleibt ihm keine Wahl, als für sie zu arbeiten. Kurz darauf lässt Alisons Vater sie verschleppen, um die Beziehung zu Henry zu beenden. Er droht ihr, Henry zu töten, wenn sie ein Fluchtversuch wagt.

Die Handlung umspannt 30 Jahre im Leben der beiden Protagonisten und zeigt die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in den USA und der Welt in dieser Zeit (Weltwirtschaftskrise, Prohibition, 2. WK) und den Einfluss dieser Ereignisse auf Alison und Henry. Die sind auf dem besten Weg, sich von unten hochzuarbeiten, als das Schicksal zuschlägt und sie getrennt werden. Während es für Alison abwärts geht, macht Henry bei der Mafia Karriere obwohl immer wieder aussteigen will. Beide bauen sich ein Leben ohne einander auf, können die anderen aber nie vergessen.

Kate O´Hara spielt mit den ganz großen Gefühlen – grenzenlose Liebe, Eifersucht, Hass, Wut und Mordlust. Sie zeigt die damalige Realität schonungslos, beschreibt die Mafia-Morde z.T. sehr detailliert. Auch Gewalt innerhalb der Familie war völlig normal, Frauen und Kinder hatten nichts zu melden und anscheinend keine Rechte. Sie dokumentiert die „Karrieren“ von Spielern und Drogenabhängigen, wie nah Glück und Leid oft beisammen liegen – und gleitet dabei m.E. manchmal leider etwas zu sehr in Richtung Schmonzette ab. Davon abgesehen ist das Buch aber sehr spannend und fesselnd geschrieben.

Ich hatte zwar mehr Familiengeschichte und weniger Mafia erwartet, trotzdem hat mir „Für ewig und eine Nacht“ gut gefallen und ist mit über 620 Seiten ein richtig schöner Schmöker. Für mich lässt es sich am besten als Mischung aus „Der Pate“, „Es waren zwei Königskinder“ und „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ beschreiben, denn es beschreibt das Leben von Alison und Henry in all seinen positiven und negativen Facetten.

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Veröffentlicht am 04.08.2023

Protestsommer

Wir träumten vom Sommer
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München 1967: Amrei kommt aus der Oberpfalz zum Studieren nach München, lässt sich dann aber von neuen Freundschaften, dem Nachtleben, Partys und Studentenprotesten ablenken. Außerdem verliebt sie sich ...

München 1967: Amrei kommt aus der Oberpfalz zum Studieren nach München, lässt sich dann aber von neuen Freundschaften, dem Nachtleben, Partys und Studentenprotesten ablenken. Außerdem verliebt sie sich in gleich zwei Männer – den Kunststudenten David und den Polizisten Wastl. Und obwohl die Männer kein Problem mit mehreren Freundinnen haben, haben sie doch eins, wenn eine Frau zwei Männer liebt. Nach einigen dramatischen Ereignissen entflieht Amrei der Situation 1969 nach Paris, London und Florenz. Erst 1972 kommt sie zurück, um als Hostess bei den Olympischen Sommerspielen zu arbeiten und ihr Studium fortzusetzen. Sie erkennt nicht nur München kaum wieder, auch ihre Freunde haben sich verändert. Während sie noch vor wenigen Jahren strikt dagegen waren, arbeiten sie jetzt fast alle für Olympia – und sind mittendrin, als das Attentat auf die israelische Mannschaft verübt wird.

Amrei ist eine junge Frau vom Land, die in der Großstadt endlich aufblüht und sich emanzipiert. Während sie bei ihren Eltern einen strengen Tagesablauf mit vielen Pflichten im Familienunternehmen hatte und man sie am liebsten schnell an einen passenden Mann verheiratet hätte, wohnt sie jetzt bei ihrer Großtante (meinem heimlichen Liebling), die ihr alle Freiheiten lässt und sie immer wieder daran erinnert, dass sie zuerst an sich und ihre Bedürfnisse denken soll. Das führt dazu, dass sich Amrei einen festen Freundeskreis aufbaut, der viel zusammen unternimmt, und oft in der Studenten-WG über der Buchhandlung in der Amalienstraße aufhält. Die kennen Stammleser aus dem vorigen Buch der Autorin und erfahren, wie es mit einigen der Protagonisten weitergegangen ist.

Heidi Rehn erzählt die Geschichte über zwei Zeitstränge und gibt so einen guten Einblick in die Entwicklung des (Studenten-)Lebens Ende der 60er / Anfang der 70er Jahre in München, die vor allem durch die verschiedene Unruhen geprägt waren. Ein erstes Hoch der Streiks und Demos gab es nach dem Attentat auf Rudi Dutschke, ein zweites wegen der Verabschiedung der Notstandsgesetze im Deutschen Bundestag. Außerdem diskutieren die Studenten häufig über den Wandel Münchens, dass sich alles um den Wiederaufbau bzw. Umbau für Olympia dreht und dabei die national-sozialistische Vergangenheit ignoriert wird. Das ist zwar interessant, allerdings wiederholte sich vieles – es wird immer wieder diskutiert, gestreikt, gefeiert oder geliebt. Da fehlte mir etwas Handlung oder Tempo.
Ich hatte zudem erwartet, dass sich der Roman hauptsächlich um das Attentat dreht, das kommt aber erst im letzten Drittel zu tragen. Dieser Teil hat mir sehr gut gefallen und mich etwas mit dem Buch versöhnt. Man erfährt, wie die Hostessen ausgebildet, vorbereitet und ausgestattet wurden und was ihre Arbeit umfasste. Die Stellen, in denen es dann direkt um das Attentat ging, wurden richtig spannend, da einer von Amreis Freunden darin involviert war und sie es bei einem zweiten vermuteten – allerdings auf der Seite der Entführer. Das zeigt die Zwiespältigkeit innerhalb der Gruppe auf und wie schnell Misstrauen und Verdachtsmomente entstehen können. Dieser psychologische Aspekt hat mir sehr gut gefallen. 3,5 Sterne

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