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Veröffentlicht am 02.03.2022

Ein Wespennest voller Olivenöl

Flüssiges Gold
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„Wem sind sie auf den Schlips getreten? Haben sie kein Schutzgeld gezahlt?“ (S. 51/52) brüskiert die verantwortliche Vice-Questora Aurora Mair die Olivenbäuerin Fabrizia Gori, nachdem diese mitten auf ...

„Wem sind sie auf den Schlips getreten? Haben sie kein Schutzgeld gezahlt?“ (S. 51/52) brüskiert die verantwortliche Vice-Questora Aurora Mair die Olivenbäuerin Fabrizia Gori, nachdem diese mitten auf dem Markt angeschossen wurde. In Sizilien wäre diese Frage vielleicht berechtigt, aber doch nicht im idyllischen Städtchen Montegiardino mitten in der Toskana! Mit dieser Meinung steht „Dorfpolizist“ Luca, der erst seit 2 Jahren wieder in seiner Heimat tätig ist, nicht alleine. Doch die Vice-Questora ist überzeugt, dass die Mafia ihre Finger im Spiel hat. Luca glaubt ihr erst, als auf einen weiteren Olivenbauern geschossen wird …

„Flüssiges Gold“ ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe mit dem „Commissario zum Verlieben“ und Luca hat wirklich etwas an sich, dass die Herzen der Frauen zum Schmelzen bringt. Der alleinerziehende Vater ist nett, offen und fröhlich und drückt schon mal ein Auge zu, wenn an Markttagen falsch geparkt wird. Schließlich weiß man nie, wann man selbst eine kleine Gefälligkeit brauchen kann, seien es die ersten Steinpilze der Saison oder ein Stück besonders guter Speck. Aber er war nicht immer „nur“ der Dorfpolizist, sondern hat vorher in Venedig in einer Spezialeinheit gegen das organisierte Verbrechen gearbeitet – er weiß also, worauf es im Ernstfall ankommt. Dadurch kommt es mit der Vice-Questora immer mal zu Kompetenzgerangel und amüsanten Wortgefechten. Sie macht es einem mit ihrer sehr harschen, zielstrebigen und durchsetzungsstarken Art aber auch wirklich nicht leicht, sie zu mögen. „Ich bin nicht hier, um einen Sympathiepreis zu gewinnen.“ (S. 79)

Paolo Riva hat hier einen sehr spannenden und wendungsreichen Krimi geschrieben, der im Laufe der Handlung immer mehr an Tempo gewinnt, interessante Hintergründe zum Olivenölanbau und -handel liefert und dessen Auflösung mich echt überrascht hat.
Ich mag die lebensnahen Protagonisten, das soziale Gefüge in der Kleinstadt, die charmanten Kleinigkeiten, wie etwa die ungewöhnlichen Haustiere des Commissario, und das Dolce Vita, mit dem „Flüssiges Gold“ zusätzlich punktet. Für mich ist Luca der „Luc Verlain“ Italiens .

Wenn ich mir für den nächsten Band etwas wünschen dürfte, wären es ein Glossar für die italienischen Begriffe und ein Personenregister, da die Beteiligten z.T. abwechselnd mit ihren Vor-, Nachnamen oder Berufsbezeichnungen benannt wurden. Und wenn schon so viele tolle Gerichte beschrieben werden, dürfte ruhig auch ein Rezept drin sein .

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Veröffentlicht am 01.03.2022

Die Leiche ist auch mal der Gärtner

Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof
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Als Angela Merkel auf dem Friedhof erst einen attraktiven älteren Mann kennenlernt, der aussieht wie ein französischer Filmstar, dann einen Streit beobachtet und später einen der Kontrahenten ermordet ...

Als Angela Merkel auf dem Friedhof erst einen attraktiven älteren Mann kennenlernt, der aussieht wie ein französischer Filmstar, dann einen Streit beobachtet und später einen der Kontrahenten ermordet und kopfüber „eingetopft“ findet, kommt endlich wieder Leben in ihr eingefahrenes Rentnerdasein. Seit den Ermittlungen zum Mord an Freiherr Philipp von Baugenwitz langweilt sie sich nämlich und Kommissar Hannemann und sein neuer Kommissaranwärter überschlagen sich bei der Aufklärung des Mordes nicht gerade. Schnell findet sie heraus, dass der Tote der Friedhofsgärtner war und anscheinend mit den beiden ortsansässigen, miteinander verfeindeten, Bestattern im Clinch gelegen hat. Doch wer von ihnen oder ihren Angehörigen hatte einen Grund, ihn zu ermorden? „Die Stunde von Miss Merkel war gekommen!“ (S. 56)
Und da Puffel (ihr Mann Achim) gerade mit einem Freund auf einer mehrwöchigen Wandertour ist, weiß er nicht, dass sich seine Puffeline schon wieder in Gefahr (und vielleicht auch die Arme eines anderen Mannes ?!) begibt.

Personenschützer Mike ist von den Ereignissen gar nicht begeistert. Er hatte auf eine ruhige Stelle gehofft und muss sich jetzt mit der dritten Leiche in 3 Monaten und Angelas gefährlichen Alleingängen rumschlagen. Außerdem ist er verliebt und weiß nicht so richtig weiter. Also stolpert er von einem Fettnäpfchen ins nächste und ist statt „Magic Mike“ leider „Tragic Mike“, wie seine Angebetete treffend bemerkt.
Auch Mops Putin ist nur semibegeistert. Es ist nicht nur viel zu warm zum Ermitteln, ihm gefällt auch nicht, wie seine Mama einen Mann anhimmelt, der nicht sein Papa ist!

Wie schon im ersten Band hat mich David Safier wieder von der ersten bis zur letzten Seite sehr gut unterhalten. Ich liebe seine pointierten Protagonisten: Angela ist herrlich furchtlos und extrovertiert. Nach ihrer Karriere in der Politik erschreckt sie nichts mehr. Also fast nichts, Achim ungewöhnliche Lieder zur Aufmunterung und sein Scrabble-Faible sind ihr dann doch etwas zu viel. Sie hingegen beschäftigt sich lieber mit der Frage, wer Shakespeares Werke wirklich geschrieben hat und findet diesbezüglich ausgerechnet in einem der verdächtigen Bestatter einen Verbündeten. Und der regt nicht nur ihren Geist an, sie verliebt sich auch zum ersten Mal in ihrem Leben auf den ersten Blick und muss sich die existenzielle Frage stellen, ob ihr in ihrer Beziehung zu Achim etwas fehlt.

Ich finde die Geschichte wunderbar herzerwärmend und philosophisch. David Safier spricht hier ganz nebenbei auch die normalen Komplikationen in einer Beziehung an und wie das Rentnerdasein das Leben verändert. „Das war nun mal das Dumme an der Rente: Man hatte plötzlich viel zu viel Zeit, um über Dinge zu grübeln, die einem sonst nie in den Sinn gekommen wären.“ (S. 33) Zudem konfrontiert er Angela mit Alltagsproblemen, wie z.B. einem extrem exaltierten und übergriffigen Frisör, und der Frage, wieviel Wahrheit eine Freundschaft verträgt: „Du bist nicht mehr in der Politik. Du musst Deine Freunde nicht anlügen.“ (208)

Doch natürlich ist „Miss Merkel: Mord auf dem Friedhof“ in erster Linie ein wirklich spannender Krimi mit überraschenden Wendungen, ordentlich Tempo und einigen filmreifen Szenen. Ich warte jetzt mit Ungeduld auf den nächsten Band und vielleicht werden die Bücher ja wirklich mal verfilmt?!

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Veröffentlicht am 25.02.2022

Parallelogramm der Sehnsucht

Der Salon. Wunder einer neuen Zeit
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„Die elegante, weltgewandte Dame aus der Stadt und das Mädel vom Land, die auf den ersten Blick nichts miteinander verband, wünschten sich dieselben Dinge: einen Mann, der sie liebte, und ein selbstbestimmtes ...

„Die elegante, weltgewandte Dame aus der Stadt und das Mädel vom Land, die auf den ersten Blick nichts miteinander verband, wünschten sich dieselben Dinge: einen Mann, der sie liebte, und ein selbstbestimmtes Leben.“ (S. 429)
Die weltgewandte Dame heißt Charlotte und verliebt sich in den Medizinstudenten Hans, aber sie ist in einer unglücklichen Ehe gefangen, in der ihr Mann und ihre Schwiegermutter alles bestimmen.
Auch Hans ist nicht glücklich. Sein in Russland verschollener Vater wollte, dass er Arzt wird, dabei ist er ein begnadeter (Jazz-)Trompeter und würde sein Geld lieber mit Musik verdienen.
Seine Schwester Leni arbeitet im Friseursalon ihrer Mutter, aber sie will der Enge ihres Dorfes und den immer gleichen Kunden mit den immer gleichen Frisuren entkommen. Leni träumt von der Meisterschule und einem eigenen Salon in München. Diesem Ziel kommt sie ein großes Stück näher, als sie im Salon Keller am Hofgarten angestellt wird, einer der besten Adressen der Stadt.

„Der Salon“ ist ein sehr bewegender Roman über die Ziele und Sehnsüchte junger Menschen in den 50er Jahre in München. „… Luft anhalten, Haltung bewahren und lächeln. So verkauft man Träume.“ (S. 346) – aber es fällt den Protagonisten in Julia Fischers neuem Roman nicht leicht, sich ihre Träume zu verwirklichen, zu sehr sind sie in den geltenden Konventionen und Vorgaben ihrer Eltern oder Ehepartner gefangen. Mich erschüttert dabei immer wieder, wie wenig Rechte (verheiratete) Frauen damals hatten – noch 10 - 15 Jahre zuvor war man auf ihre Arbeitskraft angewiesen und jetzt durften sie nichts ohne die Zustimmung ihrer Ehemänner machen.

Leni ist eine starke Persönlichkeit, die weiß was sie will, aber sie braucht manchmal einen kleinen Anstoß, um das dann auch zu verwirklichen. Mir hat gefallen, dass sie sich mit ihren natürlichen Haar- und Hautpflegeprodukten ein zweites Standbein aufgebaut hat und damit gleichzeitig das Wissen ihrer Großmutter bewahrt.
Hans und Charlotte wären ein tolles Paar – aber haben sie auch die Kraft und den Mut, ihr Leben zu ändern?
Mein heimlicher Liebling jedoch ist Schorsch, der so wunderbar empathisch und immer um das Wohl anderer besorgt ist. „… Schorsch schien die halbe Welt auf seinen schmalen Schultern zu tragen, so wie das Jesuskind oder Atlas, der gleich das ganze Himmelsgewölbe stütze.“ (S. 308)

Eine wichtige Rolle spielt das Dorf, aus dem Leni und Hans kommen. Es liegt in der Nähe von Dachau und die Schrecken dieses Ortes sind ihnen immer noch präsent. Vor allem Hans kann die bedrückenden Erinnerungen nicht loswerden. Er versteht nicht, dass alle einfach weitermachen, als hätte es das Lager nie gegeben. „… nach Hause. Zwei Worte, die für ihn keine rechte Bedeutung mehr hatten, weil er nur Scham aus seinen Wurzeln zog.“ (S. 191)

„Das Glück sollte leicht sein.“ (S. 126) sagt Hans an einer Stelle. Aber was ist, wenn das eigene Glück andere unglücklich macht? Er selbst wagt nicht, das Studium abzubrechen, um seine Mutter und Leni nicht zu enttäuschen. Leni hat ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Mutter mit dem Geschäft allein lässt. Und Charlotte weiß nicht, wie sie ihren Mann überzeugen kann, einer Scheidung zuzustimmen.

Bisher habe ich Julia Fischers Bücher immer als Hörbuch gehört und hatte jetzt beim Lesen ihre Stimme im Kopf. Ich mag ihre poetische Erzählweise, wie sie mit leisen Worten große Gefühle wecken kann.
München gehörte damals zur amerikanischen Besatzungszone und wurde durch die Kultur und Lebensweise die Soldaten beeinflusst. Die Autorin hat es geschafft, das alles wieder lebendig werden zu lassen: die Musik, die Kleider, die neuen technischen Errungenschaften, die Berühmtheiten (wie Miles Davis!) – und natürlich Frisuren . Außerdem gewährt sie einen sehr interessanten Einblick in die Burschenschaften.

Mich hat „Der Salon“ von Julia Fischer sehr beeindruckt, sie zeichnet hier ein spannendes und emotionales Sittengemälde der 50er Jahre.

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Veröffentlicht am 24.02.2022

Alte Schuld

Die Zeit der Jäger
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1958: Während München der 800-Jahrfeier entgegenfiebert, verschwindet der erfolgreiche Bauunternehmer Walter Blohm aus seiner Villa. Zurück bleiben nur ein großer Blutfleck und ein offener Tresor. Wurde ...

1958: Während München der 800-Jahrfeier entgegenfiebert, verschwindet der erfolgreiche Bauunternehmer Walter Blohm aus seiner Villa. Zurück bleiben nur ein großer Blutfleck und ein offener Tresor. Wurde er nur entführt oder getötet? Der ehemalige Privatdetektiv Ludwig Gruber ist als Oberkommissar in den Polizeidienst zurückgekehrt ist und wird mit den Ermittlungen beauftragt. Sein Chef hat auch schon 2 Verdächtige parat – Blohms Frau Magda und ihren Onkel, den Journalisten Karl Wieners. Dass Karl gar nicht deren Onkel, sondern ihr Liebhaber ist, wissen Gruber und sein Chef dabei nicht.

Karl hat einen Herzinfarkt überstanden und sein Leben umkrempelt. Er verzichtet auf Kaffee und Zigaretten – doch auf Magda will er nicht mehr verzichten. Aber wie weit würde er dafür gehen? Würde er Blohm ermorden?
Magda wurde von Blohm vor 3 Jahren nach New York geschickt, um jeden Kontakt zu Karl zu unterbinden. Sie steht dort unter der ständigen Beobachtung seiner Handlanger, er verweigert ihr die Scheidung und bestimmt über ihr Leben. Jedes Mal, wenn sie einen Schritt in Richtung einer von ihm unabhängigen Zukunft macht, unterbindet er das sofort. Um sie unter Kontrolle zu halten, droht er mit ihrem und Karls Tod. Was wäre, wenn sie ihm zuvorkommt und ihn töten lässt?
Ludwig befindet sich in einer Zwickmühle. Seiner Meinung nach stecken weder Magda noch Karl hinter Blohms Verschwinden. Magda lebt schließlich in New York und Karl und er sind schon ewig befreundet, kennen sich gut. Bliebe noch die Geheimorganisation Nakam, die einer Zeitschrift Informationen über Blohm zuspielt und für weitere Taten verantwortlich zu sein scheint …

„Wer nicht mit offenen Karten spielen kann, der spielt falsch. Und das ist nie der Anfang von etwas Gutem.“ (S. 110/111) „Die Zeit der Jäger“ ist der Abschluss der Trilogie von Andreas Götz und beschäftigt sich wie schon die ersten beiden Bände mit der Neuausrichtung von Polizei, Wirtschaft und Gesellschaft und der (nicht ausreichenden) Aufarbeitung von Kriegsverbrechen. Parallel dazu gibt es noch einen Spionagestrang, bei dem nicht so ganz klar ist, auf wessen Seite die Spione eigentlich stehen und was ihre Ziele sind.

„Das Leben ist keine Gerade, dachte Ludwig, es dreht sich im Kreis.“ (S. 7) –auch die Handlung dreht sich leider irgendwie im Kreis. Mir hat wie schon im zweiten Band die Spannung gefehlt, da man als Leser einen Teil der Auflösung von Beginn an kennt und die Handlung gleichzeitig vorwärts und rückwärts bis zum Zeitpunkt von Blohms Verschwinden erzählt wird. Außerdem hat der dauernde Wechsel der fünf parallelen Stränge um Karl, Ludwig, Magda, die Spione und Blohm meinen Lesefluss immer wieder unterbrochen.
Dafür fand ich die politischen Hintergründe und den Einblick in die Vergangenheit der Protagonisten interessant, die Fragen, ob man für die Liebe und eigene Freiheit zum Mörder werden kann, wie gut man seine Freunde kennt, wo Schuld beginnt und ob man sie je hinter sich lassen kann, wie unterschiedlich in der DDR und der BRD mit der Aufarbeitung der Kriegsverbrechen und -verbrecher umging und wie sich schon wieder neue radikale Gruppen herausbilden.

Mein Fazit: Leider etwas wenig Spannung, aber wie das Zeitgeschehen dargestellt wurde und die Zerrissenheit und Vielschichtigkeit der Protagonisten haben mir gut gefallen. 3,5 Sterne

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Veröffentlicht am 22.02.2022

Verloren

Jeder Tag für dich
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Seit 7 Jahren steht Mary jeden Abend am Bahnhof Ealing Broadway und hält ein Schild hoch: „KOMM NACH HAUSE, JIM.“ (S. 8) Ihr Freund ist damals nach 6 Jahren Beziehung einfach ohne eine Nachricht zu hinterlassen ...

Seit 7 Jahren steht Mary jeden Abend am Bahnhof Ealing Broadway und hält ein Schild hoch: „KOMM NACH HAUSE, JIM.“ (S. 8) Ihr Freund ist damals nach 6 Jahren Beziehung einfach ohne eine Nachricht zu hinterlassen aus London und ihrem Leben verschwunden. Das Schild hat seine besten Zeiten längst hinter sich, aber sie klammert sich wie eine Ertrinkende daran. „Diese kleine Stück Pappe ist ihre letzte Verbindung zu Jim und den besten Tagen ihres Lebens.“ (S. 368)
Als der Bahnhof eines Tages besonders voll ist, hat Mary das Gefühl, in der Menge zu ersticken. Sie macht sich laut Luft und wird dabei zufällig gefilmt. Das Video geht auf viral, sie wird ungewollt zum Internetstar. Erst erschrickt sie, aber dann erkennt sie die Chance darin – vielleicht sieht Jim es auch und meldet sich endlich?
Eine junge Journalistin, die im Bahnhof dabei ist, wittert ihre große Chance. „Alice träumte davon, etwas Bedeutsames zu schreiben. Ihr war es wichtig, dass ihr Beruf einen tieferen Sinn hatte.“ (S. 58) Sie will Jim finden und eine Reportage darüberschreiben, denn ihr Job ist in Gefahr. Außerdem hat sich noch einen ganz persönlichen Grund, den Verschwundenen zu suchen – auch sie hat vor Jahren jemanden verloren …

„Jeder Tag für Dich“ hat mich wie schon Abbie Greaves` erstes Buch wieder extrem berührt und so gefesselt, dass ich es nicht mehr aus der Hand legen konnte und am Stück gelesen habe. Die außergewöhnliche Liebesgeschichte mit Taschentuchgarantie ist auch ein Roadtrip und ein extrem spannendes Puzzle, das immer tiefere Einblicke in Marys und Jims gemeinsame Vergangenheit und ihre Leben ohne einander gewährt.

Aber nicht nur Mary und Jim, auch die anderen Protagonisten legen hier einen langsamen Seelenstriptease hin. Für sie alle geht es um das Erkennen, Zugeben und Annehmen der Wahrheiten, die sie bisher vor sich selbst und anderen verborgen haben. Marys Kollegen bei der ehrenamtlichen Krisenhotline NightLine z.B. stürzen sich lieber in die Lösung der Probleme ihrer Anrufer, statt ihre eigenen anzugehen. Auch Alice verrät lange nicht, warum die Suche nach Jim für sie so existentiell ist.

Abbie Greaves hat einen einfühlsamen und mitreißenden Erzählstil, der manchmal schon fast poetisch wirkt und mir sehr gut gefällt. „Bei Liebe ging es nicht um die Augenblicke, in denen man gemeinsam tanzte, es ging darum, dem anderen aufzuhelfen, wenn er am Boden lag.“ (S. 274)

5 Sterne für dieses absolute Lesehighlight!

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