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Veröffentlicht am 11.02.2022

Unfall oder Strafe Gottes?

Die Begine und der Turm des Himmels
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Die Begine Anna Ehringer hofft seit einem halben Jahr, dass der Siechenmeister Lazarus endlich den Heilig-Geist-Orden verlassen und sie heiraten darf, doch noch fehlt die Bestätigung aus Rom. In dieser ...

Die Begine Anna Ehringer hofft seit einem halben Jahr, dass der Siechenmeister Lazarus endlich den Heilig-Geist-Orden verlassen und sie heiraten darf, doch noch fehlt die Bestätigung aus Rom. In dieser angespannten Situation passieren auf der Baustelle des Ulmer Münsters ungewöhnlich viele Unfälle. Den meisten Einwohnern ist das hohe Gebäude suspekt – preisen sie damit wirklich Gott oder ziehen sie seinen Unmut auf sich?! Oder zürnt er ihnen wegen etwas ganz anderem?
Der Magister Hospitalis (Spitalmeister) nutzt diese Unsicherheit, um Stimmung gegen die Beginen zu machen und gleich 3 Probleme auf einmal zu lösen. Er will Annas Bruder Jakob schaden, der als Spitalpfleger sein Vorgesetzter ist und seine Kompetenzen immer weiter einschränkt. Zudem möchte er Lazarus` Austritt aus dem Orden um jeden Preis verhindern und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Beginen sich endlich vorbehaltlos den Franziskanerinnen anschließen und dadurch ihre Unabhängigkeit und ihr Vermögen verlieren. Ein Spielmann, der mit seinem Lied Stimmung gegen die Beginen macht und gut damit verdient, spielt ihm unbewusst zu.
Die Situation heizt sich immer weiter auf, bis sich Anna nicht mehr bremsen kann. Sie stellt auf eigene Faust Ermittlungen an und gerät prompt wieder in Gefahr …

Ein Jahr habe ich auf die Fortsetzung gewartet und gehofft, dass Anna und Lazarus endlich heiraten dürfen, aber Gottes Mühlen (und die der Kirche) mahlen langsam. Die beiden Verliebten sind voller Vorfreude auf ihre gemeinsame Zukunft, haben aber auch Bedenken, denn sie hatten nie ein weltliches Leben geplant. Und was sollen sie dann beruflich machen? Sie gehen in der Behandlung und Pflege der Kranken im Spital auf, dort dürfen aber nur Angehörige der Kirche arbeiten. Zum Glück setzt Annas Bruder Jakob alles daran, ihnen ein neues Leben zu ermöglichen – natürlich nicht ganz uneigennützig, schließlich will er der nächste Bürgermeister werden und eine umstrittene Begine passt nicht in seine Karrierepläne.

„Die Begine und der Turm des Himmels“ ist wieder ein richtig toller Histo-Schmöker, den ich kaum aus der Hand legen konnte. Silvia Stolzenburg schreibt sehr atmosphärisch über das Leben und Arbeiten zur damaligen Zeit, die politischen Ränkespiel und den herrschenden (Aber-)Glauben. Besonders interessant in dieser Reihe finde ich die verschiedenen Behandlungsmethoden: Ich sag mal so, ihr wolltet damals keine Kopfwunde haben … Durch Jakob bekommt man außerdem einen guten Einblick, wie das Familienleben funktionierte und die nachfolgende Generation langsam in das Geschäft eingearbeitet wurde.

Aber natürlich ist das Buch in erster Linie ein wirklich spannender Krimi, dessen Auflösung mich echt überraschen hat. Da der Baumeister überzeugt ist, dass Unfälle zum Alltag gehören, wird nämlich lange gar nicht überprüft, ob diese zufällig passieren, von Menschenhand ausgelöst wurden oder doch eine Strafe Gottes sind. Selbst Anna ist irgendwann verunsichert, ob nicht vielleicht sie daran schuld ist, weil sie einen Mönch (Lazarus) vom rechten Weg abgebracht hat …

Leider war auch dieser Band viel zu schnell ausgelesen. Ich bin schon sehr gespannt, wie es mit Anna und Lazarus weitergeht.

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Veröffentlicht am 10.02.2022

Glaube, Liebe, Hoffnung

Mrs Potts’ Mordclub und der tote Nachbar
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„Ob es klug war, einem Mann gegenüberzutreten, der vielleicht ein Mörder war?“
Mrs. Judith Potts ist 77, seit 50 Jahren Witwe und etwas exzentrisch. Sie liebt Whiskey, Logikrätsel und Nacktschwimmen in ...

„Ob es klug war, einem Mann gegenüberzutreten, der vielleicht ein Mörder war?“
Mrs. Judith Potts ist 77, seit 50 Jahren Witwe und etwas exzentrisch. Sie liebt Whiskey, Logikrätsel und Nacktschwimmen in der Themse, die direkt hinter ihrem alten Herrenhaus fließt. Außerdem entwirft sie seit Jahrzehnten kniffelige Kreuzworträtsel für überregionale Zeitschriften.
Als sie eines Abends beim Schwimmen einen Schrei und einen Schuss vom Nachbargrundstück hört, ruft sie die Polizei – doch die finden keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen. Aber Judith ist überzeugt, dass ihr Nachbar ermordet wurde und entdeckt die Leiche. Und bei dem einen Mord bleibt es nicht …

Judith macht dem Eindruck einer liebenswerten alten Dame, doch sie ist mit allen Wassern gewaschen und hat kein Problem damit, andere mit ihrem Charme zu umgarnen oder sich hilflos zu stellen. So spannt sie einfach die Pfarrersgattin Becks und Hundesitterin Suzie für ihre Ermittlungen ein. Und als die zuständige Polizistin sieht, dass das dynamische Trio mehr erreicht als sie und ihre ständig unterbesetzten und überlasteten Kollegen, stellt sie die drei Ladies als zivile Berater ein.

Robert Thorogood hat mit Judith, Becks und Suzie drei bodenständige und sehr liebenswerte Ermittlerinnen mit kleinen Macken geschaffen.
Becky wirkt leicht neurotisch und hat einen Putzfimmel, immer muss alles perfekt sein. Ihr Mann war früher Banker und der „Abstieg“ zur Pfarrersgattin macht ihr zu schaffen. Sie fühlt sich einsam, verloren und orientierungslos, wird in ihrer Familie nicht mehr beachtet, sondern als gegeben hingenommen. Außerdem ist sie überängstlich und will sich eigentlich aus allem raushalten, aber durch die Ermittlungen fühlt sie endlich wieder lebendig.
Suzie lebt wie Judith sehr zurückgezogen, hat kaum Kontakt zu Menschen, dafür bedeuten ihr Tiere alles. Mit Judith und Becky hat sie endlich Freundinnen und wächst am Ende sogar über sich hinaus.

„Mrs Potts’ Mordclub und der tote Nachbar“ ist der Auftakt einer neuen Reihe und ich hoffe, dass die drei Damen noch oft zusammen ermitteln. Der Fall ist sehr spannend, weil es zwar genügend Verdächtige gibt, die aber leider Alibis haben. Ich war mehrfach überzeugt endlich zu wissen, wer der Täter ist, und lag immer falsch. Das Miträtseln hat mir großen Spaß gemacht und ich habe die überraschenden Wendungen und den filmreichen Showdown sehr genossen.
Ich mag das Genre der Cosykrimis sehr und fand es gut, dass Judith zu Lösen des Falls letztendlich nur ihren Verstand, eine Dose Fruchtbonbons und einen Bleistift benötigt hat . Die Sprecherin Christine Prayon hat die verschiedenen Charaktere sehr überzeugend gesprochen.

Ach ja, wenn Ihr wissen wollt, was es mit „Glaube, Liebe, Hoffnung“ auf sich hat, werdet Ihr das Buch leider selber hören oder lesen müssen. Ihr werdet es sicher nicht bereuen. Außerdem gibt es in Judiths Haus „DAS“ Zimmer, in dem sich ihr größtes Geheimnis verbirgt. Na, seid Ihr jetzt neugierig geworden?!

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Veröffentlicht am 09.02.2022

Der humpelnde Heilige

Leipziger Zeitenwende
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Kriminalcommissar Joseph Kreiser jagt Ende 1899 eine Bande, die ungültige Lottoscheine verkauft. Bei seinen Ermittlungen stolpert er über den Freitod einer jungen Prostituierten, für den es keine Erklärung ...

Kriminalcommissar Joseph Kreiser jagt Ende 1899 eine Bande, die ungültige Lottoscheine verkauft. Bei seinen Ermittlungen stolpert er über den Freitod einer jungen Prostituierten, für den es keine Erklärung gibt. In ihrem Zimmer findet er ein Pamphlet zum baldigen Weltende, außerdem wurde ein schwarz gekleideter humpelnder Mann am Tatort gesehen. Sein Vorgesetzter ist nicht begeistert, dass Kreiser den Fall nicht einfach abheftet. Der nächste Selbstmord ist ebenfalls ungewöhnlich in seiner Art der Ausführung, doch der verdiente Kriegsveteran muss sich selbst gerichtet haben, schließlich war sein Zimmer von innen verschlossen. Aber auch bei ihm wird das Pamphlet zur Johannesapokalypse gefunden und ein schwarz gekleideter humpelnder Mann wurde in der Nähe gesehen – und das war noch nicht der letzte Tote!
Als „Strafarbeit“ muss sich Kreisler zusätzlich um die täglichen Pressemeldungen der Polizei kümmern: „Mir scheint, Sie haben den Überblick verloren, was wir bei der Polizei zu tun haben und weshalb wir das alles tun.“ (S. 84) Dabei lernt er einen Journalisten kennen, der ihm auf den Kopf zusagt, dass weiß, warum Kreiser ewiger Junggeselle ist und ihm damit echt gefährlich werden könnte …

Joseph Kreiser hat nicht leicht, denn er steht wieder mal zwischen den Fronten. Seinen Chef interessiert nur die Lottobande, aber Staatsanwalt Möbius ist wie er überzeugt, dass die Selbstmorde keine waren. Auch seine Vermieterin Hannah Faber, der er allabendlich von seinen Ermittlungen erzählt, glaubt nicht daran. Sie bringt ihn auf die Spur eines humpelnden, stets schwarz gekleideten Diakons, den sie persönlich kennt. Aber welchen Grund sollte der haben, die Opfer zu töten?

Für mich war es diesmal nicht leicht, den Überblick zu behalten. Zu viele Fäden laufen parallel, bevor sie am Ende zusammenfinden. Der Täter war für mich dann quasi „aus dem Hut gezaubert“, die Aufklärung etwas verwirrend. Aber spannend war es natürlich trotzdem.

Die Grundstimmung des Krimis erinnert an den Jahrtausendwechsel 1999. Während bei uns damals die Angst vor dem totalen Computerabsturz umging, ist es 1899 die Angst vor den Apokalyptischen Reitern, die von einem Prediger geschürt wird. Um Mitternacht halten alle kurz die Luft an – wird die Welt jetzt untergehen?

Gregor Müller zeichnet wieder ein bewegtes Bild von Leipzig zur Jahrhundertwende, lässt durch Hannah und ihr Hausmädchen die Diskussionen um Frauen(wahl)rechte, Ausbildung und Bildung einfließen, denn die beiden sind engagieren sich im Frauenverein. Und natürlich unterstützen sie Kreiser wieder gegen seinen Willen gegen seinen Willen bei den Ermittlungen und bringen sich in Gefahr.
Kreisers Privatleben ist durch die Aufdeckung seines größten Geheimnisses noch spannender, er wirkt menschlicher, nahbarer und man versteht einiges besser.

Mein Fazit: Eine spannende Zeitreise und ungewöhnliche „Selbstmorde“ – ich freue mich schon auf Kreisers nächste Ermittlungen.

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Veröffentlicht am 01.02.2022

Was würde Columbo machen?

The Maid
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„Ich bin ihr Zimmermädchen. Ich weiß so viel über Sie. Aber wenn es drauf ankommt: Was wissen sie schon über mich?“ (S. 7)
Molly ist 25 und Zimmermädchen im Londoner Regency Grand Hotel. Sie ist bei ihrer ...

„Ich bin ihr Zimmermädchen. Ich weiß so viel über Sie. Aber wenn es drauf ankommt: Was wissen sie schon über mich?“ (S. 7)
Molly ist 25 und Zimmermädchen im Londoner Regency Grand Hotel. Sie ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen, die ihr schon früh nahegebracht hat, wie befriedigend Sauberkeit und Ordnung sind. „… ich finde es schön, ein Zimmer makellos zu hinterlassen, hinauszuschlüpfen und spurlos zu verschwinden.“ (S. 60)
Darum liebt sie auch ihren Job und alles, was dazugehört: ihren Putzwagen, die tägliche frische Uniform, das System, nach dem ein Zimmer gereinigt wird – und die Unsichtbarkeit, die ihr Arbeit die bietet. Denn als Zimmermädchen soll man nie auffallen, seine Arbeit still und unauffällig erledigen. Trotzdem freundet sie sich mit der neuen Ehefrau des VIP-Gastes Mr. Black an. Als der eines Tages tot in seiner Suite liegt, begeht Molly einen großen Fehler und wird so zur Hauptverdächtigen …

Molly ist eine wirklich herzerwärmende Protagonistin, deren Art mich sehr berührt hat. Nach dem Tod ihrer Oma lebt sie allein und vereinsamt immer mehr. Nur die Arbeit gibt ihrem Leben noch Halt und Struktur. Sie lebt in ihrer eigenen Welt voller Zwänge, Sinnsprüche, alten Columbo-Folgen und strengen Regeln – und die braucht sie auch, denn sie ist anders. Mir kam sie wie eine Mischung aus „Monk“ und „Don Tilman“ aus Graeme Simsions „Rosie-Reihe“ vor. Ich vermute, dass sie ein leichtes, unerkanntes Asperger-Syndrom hat. Es fällt ihr schwer, die Gesichtsausdrücke ihres Gegenübers zu deuten, echte Freunde zu erkennen oder Smalltalk zu machen, aber sie merkt sehr wohl, wenn man sich über sie lustig macht und lächelt den Schmerz dann weg. Sie ist sehr mitfühlend und extrem hilfsbereit, erkennt aber leider nicht, wenn man sie ausnutzt. Dass, was ihr Chef so an ihr mag – ihre Effizienz und Gewissenhaftigkeit – wird ihr nach dem Mord zum Verhängnis. Aber mit Hilfe wirklicher Freunde aus dem Hotel geht sie dem wahren Täter auf den Grund und bringt Ordnung in das Chaos, was sie unbewusst angerichtet hat.

Das Buch ist sehr charmant und amüsant geschrieben. Trotzdem ist es in meinen Augen eher ein (Kriminal-)Roman, da Mollys Gedanken und Erinnerungen (die leider auch oft abschweifen) und ihr eigeschränktes Gefühlsleben für mich im Vordergrund stehen und die Krimihandlung etwas zu kurz kommt. Trotzdem wird man gut unterhalten und kann mit miträtseln.

Eine Sache muss ich allerdings beanstanden. Obwohl das Buch in London spielt, wird immer wieder mit Dollar bezahlt …

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Veröffentlicht am 26.01.2022

Die Eiskönigin

Gala und Dalí – Die Unzertrennlichen
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„Sie wusste, dass es ausschließlich attraktive Frauen und die erotischen Reize einer Affäre waren, die ihn zu neuen lyrischen Meisterwerken inspirierten.“ (S. 11) 1929 scheint die Ehe von Gala und Paul ...

„Sie wusste, dass es ausschließlich attraktive Frauen und die erotischen Reize einer Affäre waren, die ihn zu neuen lyrischen Meisterwerken inspirierten.“ (S. 11) 1929 scheint die Ehe von Gala und Paul Éluard am Ende zu sein, nur ihre gemeinsame Tochter und Pauls Kunst hält sie noch zusammen. Gala treibt ihn immer wieder an und hält ihm den Rücken frei, aber er hat keine Inspiration mehr. Auch ihr Urlaub in Cadaqués an der katalanischen Küste ändert nichts daran – er kann seine Schreibhemmung und die Kluft zwischen ihnen nicht überwinden.
Ganz in der Nähe lebt der junge Maler Salvador Dalí, der in Spanien schon erste Erfolge gefeiert hat und bald eine Einzelausstellung in Paris bekommen soll. Ein befreundeter Galerist macht ihn mit den Éluards bekannt – die 10 Jahre ältere Gala gefällt ihm sofort ...

„Gala & Dalí“ von Syvia Frank ist der Auftakt einer neuen Reihe des Aufbau Verlages über berühmte (Liebes-)Paare der Geschichte, aber mir kam die Liebe hier leider etwas zu kurz. Gala und Dalí haben zwar Sex und denken auch immer, nicht ohne den anderen zu können, aber wirkliche Gefühle kommen für mich nicht so richtig rüber. Auch die eigentlich dramatischen Auseinandersetzungen zwischen Gala und Paul bzw. Dalí und seinem Vater verlaufen bis auf wenige Ausnahmen eher lau.

Gala ist sehr abergläubig, ohne ihre Taortkarten entscheidet sie nichts. Ansonsten ist sie kühl und beherrscht. Ich bin nicht dahintergekommen, ob sie sich zügelt, um dem Bild der perfekten (Ehe)Frau zu entsprechen, oder ob sie nicht zu Gefühlen fähig ist. Sie sagt Dalí im Buch nicht einmal, dass sie ihn liebt – stattdessen verführt sie ihn einfach und übernimmt die Organisation seines Lebens, verkauft seine Werke, macht Werbung für ihn, treibt das Geld ein etc. Sie sieht sich als Frau eines Künstlers, nicht als Hausfrau und Mutter. Darum hast sie auch Paul verlassen. Ich bin sehr zwiegespalten, ob sie oberflächlich oder zielstrebig ist, ob sie Dalí wirklich liebt oder nur an seiner Seite berühmt werden will. Sie hat später ja auch – wie schon bei Paul – dessen Affären hingenommen, so lange seine Kreativität dadurch beflügelt wurde.

Dalí ist 10 Jahre jünger, sehr exaltiert, etwas chaotisch und lebensunfähig. Er ist es gewohnt, sich um nichts kümmern zu müssen und kann nicht mit Geld umgehen, es interessiert ihn einfach nicht. Bisher haben ihn sein Vater zum Arbeiten angetrieben und seine Schwester und seine Tante ihm den Rücken freigehalten. Gala übernimmt diese Aufgaben dann in Personalunion – und sie hat so eine Art, das Beste aus einem Mann herauszuholen.
Mir gefällt, wie das Getriebene Dalís dargestellt wird, seine Zerrissenheit und Entwicklung. Ich wusste bisher nicht, dass er nach seinem ganz jung verstorbenen Bruder benannt und immer mit ihm verglichen wurde und wie ihn das unter Druck setzte.
Er lässt sich von allem Möglichen inspirieren und ist in seiner Kunst sehr vielfältig, entwirft auch Objekte und Skulpturen, macht nützliche Erfindungen. Aber man bekommt das Gefühl, dass er vieles nur macht, weil Gala ihn immer wieder antreibt, weil sie Geld brauchen ... Trotzdem bekommt man einen guten Einblick in seine künstlerische Entwicklung, sein Schaffen in den Anfangsjahren, die Auseinandersetzungen mit seiner Familie und die Gruppe der Surrealisten um André Breton.

Trotzdem ist mir ist die Handlung einigen Stellen zu langatmig, denn der größte Teil des Buches spielt in dem Sommer, in dem sich Gala und Dalí kennenlernen und in dem sonst nicht viel passiert. Aber Sylvia Frank schafft es zumindest, die Sehnsucht nach Katalonien zu wecken – die Farben, Gerüche und Geschmäcker, dem Meer und der Küste, dem dortigen Leben, Märkten und (Volks-)Festen. Ich mochte auch die Beschreibung des spartanischen Lebens später in ihrer Fischerkate.

Mein Fazit: Eine interessante Romanbiographie über Dalís Anfänge und sein Leben mit Gala, aber die Gefühle aller Beteiligten kommen mir leider viel zu kurz.

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