Blut, Ehre, Erbe
Fräulein Gold: Die Stunde der Frauen„Das Leid der Frauen aber scheint unsichtbar.“ (S. 336)
1925 scheint Hulda Gold endlich an- und zur Ruhe gekommen zu sein. Sie ist die leitende Hebamme der Frauenklinik Berlin-Mitte und mit dem jungen ...
„Das Leid der Frauen aber scheint unsichtbar.“ (S. 336)
1925 scheint Hulda Gold endlich an- und zur Ruhe gekommen zu sein. Sie ist die leitende Hebamme der Frauenklinik Berlin-Mitte und mit dem jungen Arzt Johann Wenckow zusammen, der ihr die Sterne vom Himmel holen und die Welt zu Füßen legen würde – wenn sie nur wöllte.
Als sie auf einem Ball das heulendes Dienstmädchen Ellen trifft (schwanger, hoffnungs- und zukunftslos), bietet sie ihr ihre Hilfe an und wird in ein altes Familiengeheimnis aus „Blut, Ehre, Erbe“ gezogen, das ihnen sehr gefährlich werden kann …
Anne Stern verwebt gekonnt Huldas Arbeits- und Privatleben, schildert ihren aufreibenden Klinikalltag, den Spagat zwischen dem was sie darf und was nicht. Zwar hat sie relativ feste Arbeitszeiten und ein gutes Gehalt, aber ihr fehlt die Intimität und Privatsphäre der Hausgeburten. Die Klinik ist eine Lehranstalt für angehende Ärzte und Hulda darf die Schwangeren nur noch in Ausnahmefällen entbinden. Zudem ist sie eine Anhängerin von Käthe Kollwitz, kämpft für die Selbstbestimmung der Frauen über ihren Körper und ihr Leben – sie sollen selbst entscheiden, ob sie ein Kind bekommen wollen oder nicht. Darum wehrt sich Hulda vehement gegen den §118 und nennt den Frauen bei Bedarf eine sichere Adresse. Dabei sehnt sich immer öfter nach einem eigenen Kind.
Auch die Kluft zwischen ihrer und Johanns Welt erscheint ihr an manchen Tagen unüberwindlich. Mit ihm könnte sie endlich glücklich sein, aber die Unterschiede zwischen seiner Familie und ihr sind ihr zu groß, die Interessen, Ansichten und Vorstellungen zu verschieden. Zudem machen seine Eltern keinen Hehl daraus, dass Hulda nicht ihre Traum-Schwiegertochter ist. Und sie kann „ihren“ Kriminalkommissar Karl North nicht vergessen.
Anne Stern hat es wieder geschafft, mich ab der ersten Seite in Huldas Kosmos und die Berliner Atmosphäre der 20er Jahre zu ziehen. Seit 4 Bänden begleite ich Hulda nun schon, und noch immer entdecke ich neue Facetten an ihr, bleibt ihr Leben überraschend und spannend. Ellens Geheimnis bringt Hulda endlich ihrem Vater wieder näher, so erfährt man mehr über ihren familiären Hintergrund und langsam fügen sich die Puzzlestücke ihres Lebens zusammen.
Ich liebe und bewundere diese starke, empathische, selbständige und unabhängige Frau, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausübt und nicht nur die Ehefrau eines gutsituierten Mannes sein will. Sie setzt sich immer wieder für andere und ihre Überzeugungen ein und verliert nie den Mut.
Und ohne zu viel verraten zu wollen, nach dem Ende jetzt bin ich natürlich extrem gespannt, wie es im nächsten Band weitergeht !