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Veröffentlicht am 30.05.2022

Von Norma Jeane zu Marilyn Monroe

Marilyn und die Sterne von Hollywood
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Wenn der Name Marilyn Monroe fällt, hat wohl jeder sofort ihr gehauchtes „Happy Birthday Mr. President“ im Ohr oder sieht sie in dem Film „Manche mögen`s heiß“ vor sich. Marilyn ist auch heute noch eine ...

Wenn der Name Marilyn Monroe fällt, hat wohl jeder sofort ihr gehauchtes „Happy Birthday Mr. President“ im Ohr oder sieht sie in dem Film „Manche mögen`s heiß“ vor sich. Marilyn ist auch heute noch eine Ikone, eine Legende, ein Sexsymbol. Sie war eine Frau, die nicht nur ihre Generation geprägt hat. Ihren Weg dahin in den Jahren 1942 – 1946 schildern Claudia und Nadja Beinert in „Marilyn und die Sterne von Hollywood“. Sie erzählen kurz von Norma Jeanes Kindheit im Waisenhaus und verschiedenen Pflegefamilien. Wie sie sich bei ihrer Stiefschwester und ihrer Pflegemutter Grace und zum ersten Mal angekommen und geliebt fühlt, wie diese ihre Liebe fürs Kino weckt und die Hoffnung, dass sie Schauspielerin werden könnte, und wie enttäuscht Norma ist, als die Familie später ohne sie in einen anderen Bundestaat zieht und sie mit 16 verheiratet wird. „… sie fühlte sich wieder wie das Kind, das niemand haben wollte.“ (S. 128)
Und obwohl sie und ihr Mann Jim zusammen glücklich werden, kann sie den Traum von der Schauspielerei nie ganz vergessen. Als sie dann ausgerechnet im Krieg von einem Militärfotografen entdeckt wird, sieht sie ihre Chance gekommen. „Es waren magische Momente gewesen, einmal im Mittelpunkt zu stehen und nicht immer nur am Rand wie eine Ersatzspielerin des Lebens.“ (S. 216) Aber noch ist sie keine 21 und verheiratet, also völlig von ihrem Mann abhängig …

Claudia und Nadja Beinert ist es gelungen, sehr fesselnd und lebendig von diesen bewegten Jahren zu erzählen. Sie beschreiben die ersten Schritte eines unsicheren, stotternden Teenagers mit großen Träumen auf dem Weg zum Ruhm.
Norma hat sich zeit ihres Lebens nach einer Familie gesehnt, nach eigenen Kindern. Dafür war sie auch bereit, sich den Konventionen ihrer Zeit zu unterwerfen, sich zu bemühen, eine perfekte Haus- und Ehefrau zu sein und ihre eigenen Bedürfnisse stets hintenanzustellen.
Doch der Krieg und Jims Abwesenheit geben ihr die Chance, sich weiterzuentwickeln – endlich darf sie arbeiten gehen und den Führerschein machen. Endlich wird sie entdeckt. Und sie nutzt das, um sich zu emanzipieren – unterstützt von Grace, die plötzlich wieder zur Stelle ist und ihr zuredet, ihren Karrierewunsch über ihre Ehe zu stellen. „Auch in einer Ehe darfst du deine Bedürfnisse nie vergessen. Ansonsten bist du irgendwann nur noch eine leere Hülle zu Diensten deines Mannes.“ (S. 259)

Mir hat gefallen, wie vielschichtig Norma dargestellt wird. Einerseits ist sie blutjung, schüchtern, leicht zu beeinflussen und harmoniesüchtig. Sie fühlt sich oft zerrissen, weil sie den Erwartungen ihrer Familie oder ihres Mannes unbedingt gerecht werden will, aber sie hat eben auch eigene Träume für ihr Leben. Andererseits ist sie eine Frau, die sich für Schwächere einsetzt, egal ob es sich dabei um Menschen oder Tiere handelt, und Ungerechtigkeiten anprangert. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr manchmal leichter viel, für andere zu kämpfen, als für sich.

Ein wirklich beeindruckendes Portrait einer tollen Frau!

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Veröffentlicht am 26.05.2022

Das Kleeblatt

Die Buchhandlung in der Amalienstraße
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München 1910: Elly stammt aus gutem Haus, ist aber oft einsam. Seit dem Tod ihres Vaters vertreibt sich ihre Mutter die Zeit mit wechselnden Männerbekanntschaften in der Münchner Boheme und strebt Ellys ...

München 1910: Elly stammt aus gutem Haus, ist aber oft einsam. Seit dem Tod ihres Vaters vertreibt sich ihre Mutter die Zeit mit wechselnden Männerbekanntschaften in der Münchner Boheme und strebt Ellys Ehe mit einem Adeligen an, für den sie selber leider schon zu alt ist.
Ellys beste Freundin Henni stammt aus deutlich ärmeren Verhältnissen, auch wenn ihr Vater ein kleiner Beamter ist. Sie, ihre 3 Brüder und ihre Mutter müssen ebenfalls hart arbeiten, um den Unterhalt der Familie zu sichern.
Elly beneidet Henni um deren große Familie, Henni wiederum beneidet Elly um ihre fortschrittliche, mondäne Mutter. Doch sie beide eint neben der Liebe zu Büchern auch der Wunsch nach einem selbstbestimmten und -finanzierten Leben. Bei einem Vortrag des Frauenvereins wird ihnen klar, dass sie Buchhändlerinnen werden wollen.
Elly schafft es, einen Ausbildungsplatz in der Buchhandlung der beiden Cousinen Lämmle in der Amalienstraße zu ergattern und wird nach ihrer Ausbildung auch übernommen. Henni bekommt dort eine Anstellung im Büro.

Die Welt ist zu dieser Zeit im Umbruch, das Kaiserreich fast vorbei, der erste Weltkrieg steht unmittelbar bevor. Elly und Henni stehen für die modernen, jungen Frauen, die von einem erfüllten Berufsleben, Gleichberechtigung und Emanzipation träumen, und auch in der Politik mitreden wollen. Damit sind sie bei den Lämmles genau richtig. Diese sind sehr engagiert und progressiv, fördern Frauen und jungen AutorInnen, indem sie ihnen Arbeit oder durch Veranstaltungen eine Bühne geben, ihren KundInnen deren Büchern ans Herz legen.
Nicht erst durch ihre Chefinnen werden Elly und Henni immer politisch interessierter. Hennis Bruder Zacherl engagiert sich in der Arbeiterbewegung und nimmt sie zu Veranstaltungen mit. Später vervollständigt Leo, der neue Gehilfe der Buchhandlung, das Kleeblatt.

Die Beziehung zwischen Elly und Henni ist sehr innig, fast schon intim, und wird durch Leos Auftauchen etwas gestört. Der ist ein echter Frauenschwarm und wirkt durch ein angebliches Geheimnis in seiner Vergangenheit noch interessanter. Doch als der Krieg ausbricht wird allen klar, wie sie zueinander stehen …

Ich fand es sehr spannend, wie sich die Buchhandlung und Literatur zu dieser Zeit entwickelt und was die Buchhändlerinnen unternommen haben, um das Geschäft über den Krieg und die Inflation zu retten. Es war interessant zu lesen, inwieweit die Zensur in das Sortiment eingegriffen hat und wie viele Frauen damals schon veröffentlicht haben, auch wenn die breite Masse der Leser sie leider noch nicht für sich entdeckt hatte und sie sehr umstritten waren.
Ich habe mich auch gefreut, dass das Kaufhaus Hirschvogl wieder Erwähnung fand und zum ersten Mal etwas über die Ursprünge von Hugendubel gelesen.

Die damalige Zeit wird sehr anschaulich geschildert, der Krieg durch Leo, Zacherl und die männlichen Angestellten der Buchhandlung erlebbar. Da die Lämmles Jüdinnen sind, werden sie noch mal besonders angefeindet und immer angreifbarer. Es wäre interessant gewesen zu lesen, wie es mit ihnen und der Buchhandlung weitergeht (aber vielleicht kommt ja noch eine Fortsetzung).
Geschickt hat Heidi Rehn neben den damals aktuellen Büchern auch berühmte Persönlichkeiten wie z.B. Fanny zu Reventlow, Ricarda Huch, Kurt Eisner, Franz Kafka, die Gebrüder Mann und politische und gesellschaftliche Entwicklungen in die Handlung eingebunden.

„Die Buchhandlung in der Amalienstraße“ lässt größtenteils sehr gut lesen, mir waren an einigen Stellen nur die Diskussionen über Bücher zu ausufernd und gerade zum Ende hin hätte ich gern mehr über die Freundinnen und die Buchhandlung erfahren, aber da überwog der politische Aspekt – wobei der für Münchner / Bayern sicherlich spannend ist.

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Veröffentlicht am 20.05.2022

Der Neffe fabuliert

Terra di Sicilia. Die Rückkehr des Patriarchen
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„Mein Urgroßvater Barnaba Carbonaro … hat 24 Kinder gezeugt, einen Menschen getötet und ein Mandarinenimperium gegründet.“ (S. 9)
Anfang Dezember 1960 kommt Barnaba mit dem Nachtzug nach München, um das ...

„Mein Urgroßvater Barnaba Carbonaro … hat 24 Kinder gezeugt, einen Menschen getötet und ein Mandarinenimperium gegründet.“ (S. 9)
Anfang Dezember 1960 kommt Barnaba mit dem Nachtzug nach München, um das jährliche Familienfoto aufnehmen zu lassen. Er reist erster Klasse und wird von seiner Familie abgeholt, während die anderen Italiener am Bahnsteig abgefangen und als Gastarbeiter eingeteilt werden. Vor 60 Jahren ist er schon einmal an diesem Bahnhof angekommen, damals ging es ihm nicht viel besser als den anderen heute, aber inzwischen hat er viel Geld gemacht, einen deutschen Pass und ist trotz seiner 80 Jahre immer noch rüstig.
In den nächsten Tagen hält er in der Wohnung seiner Familie Hof. Freunde und Geschäftspartner besuchen ihn, Kontakte wollen gepflegt werden. Und wenn kein Besuch da ist, erzählt er seinen Urenkeln seine Geschichte: wie er kurz vor der Jahrhundertwende in Sizilien aufgewachsen ist, wie karg und hart das Leben war, geprägt von Hunger, Staub und Gewalt. Schon mit 5 musste er in die Orangenernte, da Kinder die richtige Größe dafür hatten und nur einen Bruchteil der Erwachsenen verdienten. Doch er wollte mehr und hat es trotz vieler Rückschläge geschafft – ohne je Lesen oder Schreiben zu können. Dafür kann er sehr gut rechnen, ist Graphem-Farb-Synästhetiker (Zahlen haben für ihn Farben und Geschmäcker).

Mario Giordano hat es getan und erzählt jetzt endlich das Familienepos, an dem sein Pendant, der Neffe aus seiner Tante-Poldi-Krimi-Reihe, seit Jahren erfolglos schreibt. Er webt einen Teppich aus ineinander verschlungen Geschichten, zeigt sehr lebendig das wechselvolle Leben eines Selfmade-Mannes, der sich von ganz unten hochgearbeitet hat und (zum Glück) immer wieder auf die Füße gefallen ist. „Geld kommt, Geld geht, Geld fließt.“ (S. 472). Dabei bindet er geschickt historische Eckdaten und technischer Errungenschaften und Erfindungen ein.

Barnaba hatte eine rohe und brutale Kindheit, musste sich erst seinem Vater, später seiner Mutter, Frau und Schwiegermutter unterordnen, und bis zu seiner Selbständigkeit natürlich auch immer dem jeweiligen Patrone. Er musste sich viel gefallen lassen, aber er ist wie der Ätna, an dessen Fuß er aufgewachsen ist – in ihm brodelt es ständig und irgendwann kocht er über und spuckt Lava bzw. verprügelt sein Gegenüber oder bringt es in einem Fall sogar um.

Der „Neffe“ fabuliert, schreibt zum Teil sehr mystisch. Die toten Familienmitglieder „existieren“ mitten unter den Lebenden, strafen sie mit vorwurfsvollen oder traurigen Blicken, bis man sich von ihnen freikauft. Nur reden können sie zum Glück nicht.
Und auch, wenn mir die Handlung manchmal etwas zu esoterisch und weitschweifig und die Zufälle zu konstruiert waren, hat mich „Terra di Sicilia“ gut unterhalten. Ich fand es spannend, Barnabas durch sein Leben zu begleiten und zu erfahren, wie sich Sizilien und seine zweite Heimat München in dieser Zeit verändert haben.

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Veröffentlicht am 17.05.2022

Bots sind auch nur Menschen

Kurioses über euch Menschen
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„Lassen Sie sich bitte nicht von meinem menschenähnlichen Äußeren täuschen. Ich bin nur ein Bot! Ich habe keine Gefühle oder sonst irgendetwas, das als missverstanden werden könnte. Stattdessen wurde ...

„Lassen Sie sich bitte nicht von meinem menschenähnlichen Äußeren täuschen. Ich bin nur ein Bot! Ich habe keine Gefühle oder sonst irgendetwas, das als <> missverstanden werden könnte. Stattdessen wurde ich zu einem höchst leistungsfähigen Zahnarzt programmiert!“ (S. 6) So stellt sich Jared seinen Patienten in Ypsilanti / Michigan vor.
Wir schreiben das Jahr 2054. Die Menschen kommen nicht mehr ins Internet, Elon Musk hat den Mond verbrannt, es gibt keine Flugzeuge mehr und kaum noch von Menschen gesteuerte Fahrzeuge (die Fehlerquote war einfach zu hoch), und alle potentiell gefährlichen Arbeiten, die keine Empathie benötigen, werden von Bots erledigt. Bots sind keine Roboter, wie wir sie uns wahrscheinlich vorstellen. Sie werden aus DNA und Zellen aufgebaut und bis zum perfekten Alter vorgereift, brauchen Nahrung, Wasser, Sauerstoff – und Bewegung. Nicht mehr.
Und doch stimmt seit einiger Zeit etwas nicht mit Jared. Sein Arzt diagnostiziert eine Depression und sagt, er soll sich einen alten Film ansehen. Der Film bringt Jared zum Weinen. „In neunzig Minuten hatte der alte Film alles gesagt, was über ein ganzes Menschenleben gesagt werden kann.“ (S. 55) Ja, er hat Gefühle! Mit jedem weiteren Film überwindet er die Depression und den Zustand der Automatisierung mehr. Und eines morgens ist er dann plötzlich glücklich.
Doch es gibt ein Problem. Obwohl die Menschen die Bots geschaffen haben und sie ständig kontrollieren, haben sie Angst vor ihrer eigenen Schöpfung. Als Jared „auffällig“ wird, soll er resettet oder zerstört werden. Ihm bleiben 10 Tage, um zu beweisen, dass er harmlos ist. Er will einen Film schreiben, „… der die Einstellung der Menschen zu Bots mit Gefühlen ändert!“ (S. 98) Und wo könnte man das besser machen als in LA? Er flüchtet aus seinem Leben und Ypsilanti, besorgt sich eine neue Identität, jobbt neben dem Schreiben in einem Tacoladen und verliebt sich in die Kellnerin Amber. Und damit fangen die Probleme dann erst richtig an …

Als ich den Klappentext des Buches gelesen habe, hatte ich kurz Bedenken, dass es in Richtung Dystopie gehen könnte. Doch Simon Stephenson ist es gelungen, eine zukünftige Welt zu erschaffen, die bei allen Endzeit-Ängsten auch Hoffnung weckt. Ja, es hat DEN großen Knall gegeben und viele Menschen wurden getötet. Viele Orte sind von der Landkarte verschwunden oder brennen seit 30 Jahren. Die Welt ist durch die Bots hochtechnisiert, aber diese sehen so menschlich aus, dass man sie nur selten erkennt. Denn alles ist darauf ausgerichtet, es den verbliebenen Menschen so angenehm wie möglich zu machen und Gefahren von ihnen fernzuhalten. Aber da der Mensch ein Feindbild braucht und sich nicht mehr gegenseitig abschlachten soll, werden die Bots als Gegner initiiert. In allen aktuellen Filmen und Nachrichten sind immer die Bots die Bösen, die die Menschen ausrotten und die Weltherrschaft an sich reißen wollen. Und dann kommt da ein mittelalter Zahnarzt-Bot aus einer Kleinstadt und will ihnen klarmachen, dass ihre Sicht der Dinge falsch ist?! Geht gar nicht!

„Kurioses über euch Menschen“ hat mich an Sophies Welt erinnert. Was ist real und was nicht? Was passiert in Wirklichkeit und was nur in den Köpfen der Bots oder Menschen? Ich finde das Buch sehr philosophisch. Durch Jared wird uns ein Spiegel vorgehalten, wird uns gezeigt, wie wir Menschen uns untereinander und gegenüber Fremden verhalten, zeigt unsere Fehler und Macken, unseren Neid und Missgunst, unseren Egoismus. Wie wir immer wieder versuchen, andere zu übervorteilen und zu betrügen. Doch das Schlimmste ist unser Selbstbetrug. Hauptsache wir fühlen uns gut und im Recht.
Jared wurde neben seinen medizinischen Kenntnissen auch mit Wissen über die Gefühle und Entwicklung von Menschen programmiert. Doch als er die alten Filme sieht und aus seinem Alltag ausbricht, ändert sich seine Sicht auf diese Dinge. Er lebt plötzlich sehr intensiv, macht fast jeden Tag eine neue Erfahrung oder Entdeckung und einen extrem schnellen Prozeß der Selbstfindung durch. Und dann muss er sich der Frage stellen, ob er weiter intensiv und nur noch kurz, oder lange und stumpf „leben“ will …

Ein toll geschriebenes, sehr berührendes Gedankenexperiment!

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Veröffentlicht am 16.05.2022

Eine Hand wäscht die andere

Tod in Rimini
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„Du musst Chiara helfen – denn wenn du es nicht tust, mein Freund, werde ich dich bis ans Ende deiner Tage verfolgen und dafür sorgen, dass du niemals wieder Schlaf oder Ruhe findest.“ (S. 91/92) Diese ...

„Du musst Chiara helfen – denn wenn du es nicht tust, mein Freund, werde ich dich bis ans Ende deiner Tage verfolgen und dafür sorgen, dass du niemals wieder Schlaf oder Ruhe findest.“ (S. 91/92) Diese Drohung stößt nicht etwa ein Mafioso gegen Paolo Ritter aus, sondern ein toter Tenor. Den hatte Paolo erst am Abend zuvor bei einem Konzert kennengelernt, zu dem ihm seine Geschäftspartnerin und Köchin Lucia „gezwungen“ hatte. Lucias beste Freundin Chiara ist bzw. war die aktuelle Lebensgefährtin des Toten und steht jetzt unter dringendem Mordverdacht.

„Tod in Rimini“ ist der zweite Band der Reihe mit dem ehemaligen LKA-Ermittler mit dem episodischen Gedächtnis. Paolo hat überraschend das Hotel seines verstorbenen Bruders übernommen und steckt mitten in der ausufernden Sanierung. Da kommt ihm ein neuer Fall sehr ungelegen, zumal der Tenor ein extrem unsympathischer Mensch war. Doch nicht nur der Tote, auch Lucia drängt ihn zur Aufklärung des Mordes, denn ihre beste Freundin kann es einfach nicht gewesen sein! Sie hatte gar kein Motiv. Lucia schlägt ihm einen Deal vor: Er klärt den Mord auf, dafür kümmert sie sich um die Handwerker und die Sanierung – eine Hand wäscht die andere ...

Doch es sieht nicht gut aus für Chiara. Obwohl sich ihr Freund mit so ziemlich jedem zerstritten hatte, sind die Beweise gegen sie erdrückend. Paolo hat zwar das Gefühl, dass am Tatort irgendwas nicht stimmt, doch er kommt lange nicht darauf, was das ist. Er folgt verschiedenen Spuren und sammelt ein Puzzlestück nach dem anderen zusammen, bis sich letztlich ein Bild ergibt, dass sogar die ermittelnde Ispettore überzeugt.

Mir hat Paolo Ritter mit seiner etwas ungelenken und zum Teil sehr deutschen Art wieder sehr gut gefallen, zumal er langsam besser mit der italienischen Lebensart zurechtkommt. Nur mit dem Zwischenmenschlichen (vor allem bei Frauen) hapert es immer noch. Lucias Bemerkungen und Andeutungen sind für ihn oft ein Buch mit sieben Siegeln. Da versteht er die sehr offensiv flirtende Ispettore deutlich besser. Doch Lucia ist der perfekte Gegenpart für ihn – weich, freundlich und flirtend, wo seine direkte Art sein Gegenüber wiedermal in die Flucht zu schlagen droht.

Dani Scarpa schreibt sehr spannend und gleichzeitig amüsant. Paolos Dramen bei der Sanierung haben mich mehrfach schmunzeln lassen, scheint der beauftragte Vermessungsingenieur doch seine gesamte Verwandtschaft auf dem Bau unterbringen und aus dem Hotel ein Luxusresort machen zu wollen.
Auch la Dolce Vita kommt nicht zu kurz. Land und Leute werden sehr lebendig beschrieben und die regionalen Gerichte lassen einem beim Lesen das Wasser im Mund zusammenlaufen (und am Ende des Buches gibt es wieder ein leckeres Rezept).

Mich hat der Krimi extrem gut unterhalten und ich bin schon sehr gespannt auf Paolos und Lucias nächste Ermittlung – dann ja vielleicht wirklich schon als Privatdetektive?

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