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Veröffentlicht am 09.10.2019

Was ist Kunst?

Wege ihrer Sehnsucht
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New York City in den 1920er Jahren: Unter dem Dach des Grand Central Terminal befindet sich eine Kunstschule – die Grand Central School of Arts. Clara Darden ist Illustratorin und die einzige weibliche ...

New York City in den 1920er Jahren: Unter dem Dach des Grand Central Terminal befindet sich eine Kunstschule – die Grand Central School of Arts. Clara Darden ist Illustratorin und die einzige weibliche Lehrerin der Schule. Doch der Leiter der Schule nimmt sie nicht wirklich ernst, sie hat nur noch 5 Schüler. „Illustration ist oft ein Sprungbrett zu wahrer Kunst.“ (S. 17) wird ihr vorgeworfen. Erst eine Wette mit Levon Zakarian, der ebenfalls Lehrer an der Schule ist und sich schon einen Namen in der Kunstszene gemacht hat, und die Bekanntschaft mit dem Model Oliver bringen ihre Karriere langsam in Schwung. Bald überflügelt sie ihre männlichen Kollegen und muss sich dafür auch noch rechtfertigen: Ich werde mich jetzt nicht für meinen Erfolg entschuldigen. Und auch nicht für meinen Ehrgeiz.“ (S. 222) …
Clara stammt aus Arizona, ihr Vater hat das Familienvermögen durchgebracht. Sie will es unbedingt als Künstlerin schaffen und kämpft dafür gegen ihre männlichen Konkurrenten und Auftraggeber und deren Vorurteile, zeigt ihnen, dass Illustration auch Kunst ist. Ich fand es toll, wie sie die Rückschläge weggesteckt und ihren Weg weiterverfolgt, nie aufgegeben hat.

Ende 1974 beginnt die frisch geschiedene Virginia in der Information des Grand Central Terminal zu arbeiten. Als sie die alten Räume der Kunstschule entdeckt, in denen sogar noch die Gemälde der Lehrer und Schüler an den Wänden hängen, ist sie fasziniert. „Dieser vergessene und dennoch erhaltene Ort hatte etwas Romantisches, das ihr gefiel.“ (S. 116) Doch dann hat sie das Gefühl, dass jemand die Bilder umhängt und Kartons verschiebt. Ihre Kollegen behaupten, es spuke in den Räumen, seit einer der Lehrer bei einem Zugunglück umgekommen ist und die Schule wegen der Weltwirtschaftskrise schließen musste. Außerdem stolpert sie über ein Bild von Clara. Sie stellt Nachforschungen an, doch Claras Spur verliert sich 1931 …
Virginia ist sehr unsicher. Ohne zu viel zu verraten: sie fühlt sich nach einer OP körperlich gehandicapt, nicht mehr als Frau – ihre Ehe ist daran zerbrochen. Doch dann zeigt ein Mann wieder Interesse an ihr, aber kann sie ihn wirklich an sich heranlassen? Ihre Zerrissenheit und Unsicherheit haben mich sehr berührt, ihre Entwicklung mich beeindruckt. Mir hat auch gefallen, wie sie sich immer mehr in die Geschichte der Grand Central Station eingearbeitet hat und welche Entdeckungen sie im Laufe ihrer Nachforschungen macht. Am Ende deckt sie ein echtes Geheimnis auf und sühnt ein Unrecht, welches ohne sie nie ans Licht der Öffentlichkeit gekommen wäre. Außerdem macht sie sich für den Erhalt des Bahnhofes stark, der für den Neubau eines Wolkenkratzers abgerissen werden soll und wächst dabei über sich hinaus.

Wie schon in „Die Hoffnung der goldenen Jahre“ und „Wovon sie träumten“ verknüpft Fiona Davis geschickt die Geschichte eines berühmten New Yorker Gebäudes mit einer spannenden Story über zwei Zeitebenen.
Der Kampf der jungen Künstler um Anerkennung und ihr (Über-)Leben während der Wirtschaftskrise wird sehr anschaulich beschrieben. Es war erschreckend, mit welchem Mitteln sie sich zum Teil über Wasser gehalten haben. Gleichzeitig hat die Geschichte durch Claras plötzliches Verschwinden und den angeblichen Geist etwas Mystisches. Auch die Beschreibung des Grand Central Terminals während seiner Blütezeit hat mich fasziniert – die opulente Ausstattung und vielfältige Nutzung des Gebäudes ist extrem interessant.

Übrigens gab es Ende der 1970er Jahre wirklich Bestrebungen, den Bahnhof zugunsten eines Wolkenkratzers abzureißen, weil er so heruntergekommen war. Erst 20 Jahre später wurde er renoviert und wiedereröffnet. Auch die Kunstschule hat wirklich existiert – nur die Personen sind frei erfunden.

Veröffentlicht am 30.09.2019

Weihnachtswunder

Omas Inselweihnacht
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Herbststürme jagen ums Haus und Weihnachten rückt langsam näher. Da kann man schon mal den ersten Weihnachtsroman lesen – zumal, wenn er am Meer spielt.

„Obwohl Heiligabend in ihrem Haus also ein Garant ...

Herbststürme jagen ums Haus und Weihnachten rückt langsam näher. Da kann man schon mal den ersten Weihnachtsroman lesen – zumal, wenn er am Meer spielt.

„Obwohl Heiligabend in ihrem Haus also ein Garant für Streit war, gab Imke die Hoffnung nicht auf. Diese Jahr sollte alles anders werden.“ (S. 18)
Oma Imke freut sich auf das Fest mit der ganzen Familie, hat tolle Geschenke für alle besorgt und einen Plan: Dieses Jahr wird nicht gestritten, sondern getanzt! Doch dann erfährt sie, dass ihr Sohn lieber mit seiner neuen Freundin im Golfclub feiern will und ihre Tochter mit Familie eine Last-Minute-Reise gebucht hat. Wird sie Heiligabend etwa allein verbringen?

Imkes Weihnachtskekse, etwas zu viel Lametta, Weihnachtslieder und sehr viel Schnee bilden die perfekte Kulisse für „Omas Inselweihnacht“ von Janne Mommsen.
Imke ist eine herrlich unangepasste Siebzigjährige, die ihr Leben und ihre Familie meist fest im Griff hat. Kurzweilig und amüsant wird erzählt, wie sie die auftretenden Probleme mit der lieben Verwandtschaft auf ihre ganz eigene Art löst und schon mal Zuflucht in der Ü30-Inseldisko sucht, wenn ihr alles zu viel wird.

Mein Fazit: Janne Mommsens Buch macht Lust auf Weihnachten auf der Insel Föhr – ob nun mit oder ohne nervige Familie.

Veröffentlicht am 17.07.2019

Eine abenteuerliche Reise

Störtebekers Piratin
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Ostfriesland, Ende des 13. Jahrhunderts: Ava ist bei ihrer Großmutter Edda in einer versteckten Höhle im Moor aufgewachsen. Edda wurde zwar christlich getauft, betet aber weiterhin die alten nordischen ...

Ostfriesland, Ende des 13. Jahrhunderts: Ava ist bei ihrer Großmutter Edda in einer versteckten Höhle im Moor aufgewachsen. Edda wurde zwar christlich getauft, betet aber weiterhin die alten nordischen Götter an, pflegt deren Rituale, singt ihre Weisen und verwendet die alten Heilmittel – und gibt dieses Wissen an Ava weiter.
Bei einem Überfall auf die Höhle kommt Edda ums Leben, Ava kann sich in letzter Minute retten. Sie ist erst 13 und hat noch nichts von der Welt gesehen, kaum Kontakt zu anderen Menschen gehabt. Aber die Höhle ist nicht mehr sicher und so wagt sie das Abenteuer und begibt sich auf eine Reise, ohne ein Ziel zu haben. Als sie das erste Mal die Küste sieht, ist sie überwältigt und glaubt am Ende der Welt zu stehen, Ebbe und Flut ängstigen sie. Und obwohl Eddas Mörder immer noch hinter ihr her sind, schafft sie es bis nach Wismar. Dort lernt sie durch einen Zufall Klaus Störtebeker kennen und verliebt sich in den älteren, starken, gut aussehenden Mann ...

Eins vorweg, ich finde den Buchtitel „Störtebekers Piratin – Eine Liebe zur Zeit der Hanse“ nicht ganz so glücklich gewählt, aber er ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass dies der Auftakt einer neuen Reihe ist.

Die Autorin Kathrin Hanke hat schon zwei historisch-biografische Romane geschrieben und wagt sich jetzt an den Mythos Störtebeker. Im vorliegenden Buch spielt er allerdings noch keine so große Rolle. Stattdessen erleben wir Avas schwierige Geburt und ihr Aufwachsen abseits der Zivilisation. Sie wird von ihrer Großmutter liebevoll aber streng erzogen und sehr gut ausgebildet. Außerdem warnt sie Ava immer wieder, ihr Muttermal in Form eines Schmetterlings zu verbergen, darauf hatte ihre Mutter eindringlich hingewiesen. Nach Eddas Tod bleibt Ava nur die Flucht, denn die Mörder hatten es eigentlich auf sie abgesehen.

Ich habe Edda und Ava von Beginn an gemocht. Edda geht in ihrer Rolle als Bewahrerin alten Wissens und in der Pflege der Traditionen auf. Trotzdem hat sie Verständnis für ihre Tochter Gesa, die lieber im fernen Hamburg leben will, und zieht deren ungewolltes Kind auf. Ava ist mutig und wissbegierig, allerdings ist auch ihr die Einsamkeit der Höhle manchmal zu viel und sie träumt vom Leben in einer Siedlung. Beide sind starke Persönlichkeiten, die sich ihrem Schicksal stellen und wenn nötig neue Wege suchen, statt alles nur hinzunehmen.
Klaus Störtebeker ist sehr charismatisch, ein Wirtssohn und Frauenliebling. Er ist einer Liebelei oder einem Glücksspiel nie abgeneigt, leidet allerdings darunter, eines Tages das Gasthaus seines Vaters übernehmen zu müssen. Störtebeker ist ein Freigeist und fühlt sich in der Stadt oft eingeengt. Avas Auftauchen bringt endlich Aufregung in sein Leben.

Mein Fazit: Ein sehr spannendes, mystisches und aufregendes Abenteuer, das nach einer Fortsetzung schreit!

Veröffentlicht am 10.06.2019

Mord ohne Leiche

Tote kriegen keinen Sonnenbrand
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„Mittendurch und am anderen Ende wieder raus. Möglichst unbeschadet und fahrtauglich.“ (S. 23) will Pianistin Henni (Henriette Sophie von Kerchstein) Omas xten 60. Geburtstag überstehen. Älter wird eine ...

„Mittendurch und am anderen Ende wieder raus. Möglichst unbeschadet und fahrtauglich.“ (S. 23) will Pianistin Henni (Henriette Sophie von Kerchstein) Omas xten 60. Geburtstag überstehen. Älter wird eine Dame nach deren Ansicht nämlich nicht und außerdem hält der schlosseigene Schnaps „Melisandengeist“ von innen und außen jung. Seit 11 Jahren lädt Oma die gleichen noch verbliebenen Landadeligen ein, damit Henni (mit 28!) endlich einen passenden adeligen (!) Ehemann wählt. Schließlich soll das Geschlecht derer „von Kerchstein“ nicht aussterben.
Den angedachten Ehemännern kann Henni wie immer absagen, aber beim Angebot von Gesangslehrer Friedemann Bond wird sie schwach. Sie soll seinen Meistersängerkurs für zukünftige Opernstars als Pianistin begleiten. 7 Tage, je 8 h á 100 € in einer toskanischen Villa – das kann sich Henni einfach nicht entgehen lassen. Dafür nimmt sie auch den überkandidelten Bond und seine nicht weniger exaltieren Schüler in Kauf.

Doch auch in der Toskana ist sie vor Verehrern nicht sicher. Bastian Poggenpohl, Bonds größte Hoffnung – von Henni liebevoll Moppeltenor genannt – baggert sie ununterbrochen an. Dabei findet Henni Bruno Sonego, den Neffen des Verwalterehepaars, viel interessanter. Doch der scheint gegen ihre Annäherungsversuche immun zu sein. Nach einen feuchtfröhlichen Abend mit großen Erinnerungslücken fehlt Bruno. Henni bildet sich ein, nachts durch eine Blutlache gewatet zu sein, natürlich ist am nächsten Morgen keine Spur mehr davon zu sehen ... Die entspannten Tage á la „... das Stück Pizza im Mund, der Rotwein im Glas, das Lachen in der Kehle.“ (S. 317) sind damit aber vorbei. Henni ermittelt.

„Tote kriegen keinen Sonnenbrand“ ist der Auftakt der neuen Cosy-Krimi-Reihe um Henni und ihren sie stets begleitenden Kater „Walter von Stolzing“, der gerne nachts singt, die örtlichen Katzendamen beglückt, ein begnadeter Mäusejäger ist und dabei unabsichtlich wichtige Hinweise entdeckt. Auch Henni weiß das Leben zu genießen, liebt gutes Essen und guten Wein und hat noch keine Ambitionen, einen Ehemann zu finden. Sie jagt lieber Mörder, denn leider stolperte sie schon öfter in ungewöhnliche Todesfälle.

Hilke Sellnicks Figuren und ihre Art zu erzählen erinnern zwar ein wenig an Tatjana Kruses Reihe mit der ermittelnden Operndiva Pauline Miller, trotzdem hat sie einen ganz eigenen Kosmos erschaffen. Die zukünftigen Meistersänger und ihr Lehrer sind alle ziemlich crazy, auf Henni wirken sie wie „Willenlose Wesen im Bann von Lord Voldemort.“ (S. 93). Kein Wunder, dass sie da lieber ermittelt anstatt den dauernden Demütigungen des Meisters beizuwohnen.

Das Buch ist sehr lustig, spannend und etwas mystisch (es gibt z.B. Geheimgänge und nächtliche Besuche einer Frau in Schwarz ...). Perfekt für ein gemütliches Wochenende und eine amüsante Auszeit vom Alltag. Ich bin schon sehr gespannt auf Hennis nächsten Fall, der im Dezember erscheinen wird.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Singer – wie die Nähmaschine

Die Nähmaschine
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... so habe ich meinen Mädchennamen früher immer erklärt. Ob heutzutage noch jemand was mit der Erläuterung anfangen könnte? Man kennt die Maschinen ja höchstens noch von Oma oder aus den Antiquitätensendungen ...

... so habe ich meinen Mädchennamen früher immer erklärt. Ob heutzutage noch jemand was mit der Erläuterung anfangen könnte? Man kennt die Maschinen ja höchstens noch von Oma oder aus den Antiquitätensendungen im Fernsehen ...

Die Geschichte der Nähmaschine in diesem Buch beginnt 1911 im Singer-Werk in Clydbank. Für Jean ist es die letzte, deren Qualität sie prüft, bevor sie mit ihrem Verlobten Donald nach Edinburgh geht, denn er wurde nach einem Streik gefeuert. Um auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen, versteckt sie eine Nachricht für die zukünftige Besitzerin in der Garnspule.
Fred entdeckt diese Zeilen 2016, als er die Singer zusammen mit der Wohnung seines Großvaters erbt. Im Sockel der Maschine findet er unzählige Notizbücher, in denen die Vorbesitzerinnen auf jede Seite jeweils kleine Stücke des verarbeiteten Stoffs genäht haben mit der Notiz, was sie daraus für wen für wie viel Geld angefertigt haben. Damit schließt sich der Kreis, denn Fred, der gerade in einer Umbruchsituation steckt, lernt nicht nur auf ihr zu nähen und kommt seinen neuen Nachbarn näher, sondern deckt mit Hilfe der Notizbücher auch noch ein altes Familiengeheimnis auf.

Natalie Fergie erzählt die Geschichte der Nähmaschine ohne Effekthascherei, abwechselnd auf mehreren Zeitebenen. Man erfährt, wie es Jean und Donald in Edinburgh ergeht und welchen Familien die Singer in den folgenden 100 Jahren gute Dienste leistet. Da ist z.B. Kathleen, die 1954 Sachen für das Vorstellungsgespräch ihrer Tochter Connie ändert. Connie wiederum näht darauf 1980 Schwangerschaftskleidung für die Schwesternschülerin Ruth. Das Leben ihrer Besitzerinnen ist immer eng mit der Maschine verknüpft – sie ist ein fester Bestandteil des Familienlebens und hilft ihnen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder für Freunden und Nachbarn zu nähen.

Mir hat gerade das Unaufgeregte der Geschichte gut gefallen. Ich habe die einzelnen Protagonisten sehr gemocht und gern durch ihr Leben begleitet. Wie die einzelnen Erzählstränge zusammenhängen, wird erst ganz am Ende aufgelöst und hat mich an einer Stelle sehr überrascht. Außerdem regt das Buch dazu an, doch mal wieder die Nähmaschine auszupacken und sich wenigstens an einem Kissenbezug zu versuchen.

Wie alle Bücher aus dem Wunderraum-Verlag erzählt auch dieses eine ganz besondere Geschichten, die sich auch in der besonderen Aufmachung widerspiegelt. Das Buch hat einen hochwertigen Leinenrücken und ein Lesebändchen, der Coverhintergrund ist wie ein Stück Stoff gestaltet.

Wunderschöne Geschichte einer Nähmaschine und ihrer Besitzer über ein Jahrhundert hinweg.