Profilbild von hasirasi2

hasirasi2

Lesejury Star
offline

hasirasi2 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit hasirasi2 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.04.2019

Eine große Jugendliebe, losgelöst von Raum und Zeit

Mehr als tausend Worte
0

In der Reichspogromnacht am 9.11.1938 wird Aliza von einem Schreib geweckt – ihr Großvater wird von der Gestapo abgeholt. Ihr Bruder Harald warnt die Familie, sie sollten lieber wie viele andere Juden ...

In der Reichspogromnacht am 9.11.1938 wird Aliza von einem Schreib geweckt – ihr Großvater wird von der Gestapo abgeholt. Ihr Bruder Harald warnt die Familie, sie sollten lieber wie viele andere Juden emigrieren, so lange es noch geht. Aber Alizas Vater Samuel ist Arzt und will seine Heimat nicht verlassen. Das Haus, in dem sie leben und in dem auch seine Praxis ist, gehört ihnen: „Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, mein ganzes Leben, alles was mich ausmacht, zurückzulassen.“ (S. 75)
Auch Aliza kann sich nicht vorstellen, Berlin und ihre große Liebe Fabian zu verlassen. Es war bei Beiden Liebe auf den ersten Blick und obwohl er kein Jude ist, will er Aliza an ihrem 18. Geburtstag heiraten. Doch innerhalb weniger Monate spitzt sich die Lage so dramatisch zu, dass wenigstens Aliza mithilfe eines Kindertransports nach England in Sicherheit gebracht werden soll. Es muss schnell gehen, da Aliza bald 17 wird und dann zu alt dafür wäre ...

„Mehr als tausend Worte“ von Lilli Beck erzählt die Geschichte einer großen Jugendliebe, die anscheinend völlig losgelöst von Raum und Zeit existiert. Während die Welt um sie herum immer judenfeindlicher wird, hat Aliza nur Augen und Gedanken für Fabian. Sie ist sehr unreif, naiv und wird geradezu bockig, als sie nach England gehen soll. Man merkt vielleicht, ich hatte so meine Probleme mit ihr. Sie verdrängt die Repressalien gegen die Juden, erscheint verwöhnt und unselbständig, dabei hat sie ihrem Vater oft in der Praxis geholfen und gesehen, was die Nazis anrichten. Sie kommt aus einer aufgeklärten Familie und wollte selber Medizin studieren, bevor es verboten wurde. Man könnte ihr zwar zugute halten, dass sie erst 16 ist, aber auch später, als sie älter wird, ändert sich ihr Charakter nicht wirklich.
In England wäre sie ohne gleichaltrige Mizzi, die ebenfalls aus Berlin weggeschickt wurde, gescheitert. Denn während Aliza sich nur selbst bemitleidet und nach Fabian verzehrt, organisiert Mizzi ihrer beider Leben.

Viel spannender und realistischer als Alizas Geschichte fand ich die Schilderungen der Überlebensbemühungen ihrer zurückgebliebenen Familie in Berlin. Sehr bewegend beschreibt Lilli Beck deren sozialen Abstieg. Alizas Bruder darf nicht mehr Medizin studieren, sondern arbeitet als Leichenschieber in der Nachtschicht. Ihr Vater darf erst nur noch Juden behandeln, dann gar niemanden mehr – sein Einkommen bricht weg. Um irgendwie an Geld kommen hilft er anderen Juden entgegen seinem hippokratischen Eid mit illegalen Methoden, Krankheiten vorzutäuschen, um der Zwangsarbeit zu entgehen. Er versucht auch, das Haus zu retten indem er es pro Forma an den Blockwart überschreibt – ein großer Fehler, wie sich herausstellen wird.

Neu war mir die geschilderte Tatsache, dass in England lebende deutsche Juden nach Ausbruch des Krieges als Nazis beschimpft und angegriffen worden. Gerade den Übergriffen in Deutschland entronnen, wurden sie wieder zu Aussätzigen. Bei diesen Szenen hatte ich Gänsehaut. Auch die Beschreibung der Trümmerwüste Berlins, in die Aliza nach dem Krieg zurückkehrt, ist mir an die Nieren gegangen

Leider war mir das Ende etwas zu konstruiert und happy, darum gibt es nur 4 von 5 Sternen, für diesen ansonsten sehr spannenden und bewegenden Roman.

Veröffentlicht am 17.04.2019

52 Länder in 52 Wochen

Der Wind nimmt uns mit
0

Mayas Plan „52 Länder in 52 Wochen“ endet jäh als sie feststellt, dass sie nach einem One-Night-Stand schwanger ist. Das passt der Reisebloggerin gar nicht. Sie möchte das Kind auch nicht bekommen, allerdings ...

Mayas Plan „52 Länder in 52 Wochen“ endet jäh als sie feststellt, dass sie nach einem One-Night-Stand schwanger ist. Das passt der Reisebloggerin gar nicht. Sie möchte das Kind auch nicht bekommen, allerdings will sie sich vom Kindsvater eine Art „Absolution“ erteilen lassen. Seit sie vor Jahren zufällig herausgefunden hat, dass sie adoptiert wurde, ist sie bei diesem Thema heikel. Leider weiß sie außer seinem Vornamen (Tobi) nicht viel über ihn. Ihre Freundin bringt sie auf die Idee, Tobi mit Hilfe ihres Blogs zu suchen. Es funktioniert. Er wurde zuletzt auf La Gomera gesehen. Ausgerechnet. Da wollte Maya nämlich nie mehr hin, weil ihre Adoptivmutter Karoline dort lebt. Und La Gomera hält noch viel mehr Überraschungen für Maya bereit ...

„Der Wind nimmt uns mit“ ist bereits der dritte Sommerroman von Katharina Herzog und besticht vor allem durch seine inspirierenden Beschreibungen der kanarischen Insel – sie scheint eine wahre Schönheit zu sein. Auch die Schilderungen der Künstlerkolonie und des Esoterik-Ressorts, in dem Maya unterkommt, haben mir gut gefallen.

Dafür hatte ich so einige Probleme mit Maya. Sie ist bereits Mitte 30 und immer auf der Suche nach dem nächsten Kick, dem nächsten Abenteuer. Dabei verpasst sie all die schönen Dinge, die ihr gerade passieren: Ich möchte mit Erinnerungen sterben, nicht mit Träumen.“ (S. 40). Ihr Reiseblog war eigentlich nur als Hobby geplant, inzwischen kann sie sehr gut davon leben. Aber wenn sie ehrlich zu sich ist, macht es ihr schon länger keinen Spaß mehr. Doch gleichzeitig wünscht sie sich: „Alles soll bleiben, wie es ist.“ (S. 21). Maya ist eine extrem zerrissene Person. Das zeigt sich auch in ihrer Fixierung, Tobi unbedingt von dem Kind erzählen zu wollen, eh sie es abtreiben lässt. Dieses Verhalten war für mich nicht ganz logisch.

Parallel zu Mayas Suche wird die Geschichte ihrer (Adoptiv-)Mutter Karoline erzählt. Sie kam als Studentin das erste Mal mit ihren Eltern nach La Gomera und hat sich sofort in die Insel und einen Einheimischen verliebt. Trotzdem ging sie zurück nach Hamburg, bevor sie sich Jahrzehnte später doch auf der Insel niederließ. Dieser Erzählstrang hat mir viel besser gefallen. Karoline war eine junge Frau mit Wertvorstellungen, Zielen und einen großen Herz – und ist es immer noch. Ich habe die ganze Zeit gehofft, dass sie und Maya sich wieder annähern, denn Karoline leidet darunter, dass Maya den Kontakt abgebrochen hat.

Mein Fazit: Eine schöne, leichte, humorvolle Sommer-Urlaubs-Strand-Geschichte, bei der ich mir an einigen Stellen mehr Tiefe und weniger Happiness gewünscht hätte.

Veröffentlicht am 16.04.2019

Erschreckend, dramatisch, fesselnd

Das Leuchten jenes Sommers
0

„Mit dem Krieg ist es wie mit der Liebe. Er findet immer einen Weg. Wir vergessen ihn, aber eh wir es uns versehen, ist er wieder da.“ (S. 7)
Im August 1939 freut sich Maddy (Madeline) Hamilton, dass ihre ...

„Mit dem Krieg ist es wie mit der Liebe. Er findet immer einen Weg. Wir vergessen ihn, aber eh wir es uns versehen, ist er wieder da.“ (S. 7)
Im August 1939 freut sich Maddy (Madeline) Hamilton, dass ihre ältere Schwester Georgiana nach der sechsmonatigen Europareise endlich wieder zurück nach Hause auf das Anwesen „Summerhill“ kommt. Doch Maddy erkennt Georgina kaum wieder. Aus dieser ist Gigi geworden – eine neue, moderne, erwachsene Frau. Maddy ist traurig, bisher hat sich das Leben ihrer Schwester nur um sie gedreht. Gigi hat sie nach dem frühen Tod der Eltern aufgezogen. Jetzt hat Gigi ein halbes Dutzend partywütige Freunde im Schlepptau, die sie während ihrer Reise kennengelernt hat. „... das Einzige, worum es ihnen geht im Leben, ist, alles in eine einzige Party zu verwandeln.“ (S. 62) Mit einem von ihnen, Victor, ist sie sogar liiert. Zu Beginn mag Maddy ihn auch, aber bald wird er ihr immer suspekter. Während seine Freunde feiern und den nahenden Krieg verdrängen, interessiert er sich etwas zu sehr für die Belange und Besitztümer von Summerhill. Maddy wird misstrauisch.

70 Jahre später: Cloe McAllister ist schwanger, doch sie verheimlicht es ihrem Mann Aiden, einem berühmten Chirurgen. Sie hat Angst, dass das Baby die gleiche Erbkrankheit haben könnte wie ihr Bruder Danny und ist unsicher, ob sie es überhaupt will. Sie musste Danny nach dem Weggang ihrer Mutter allein aufziehen, sich aufgrund seiner Erkrankung immer um ihn kümmern. Aber sie hat es gern gemacht. Inzwischen lebt Danny in einem sehr guten Heim und Cloe könnte ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten, wieder als Fotografin arbeiten. Zumindest theoretisch, denn Aidan hat seine ganz eigenen Vorstellungen von ihrer Ehe: „Ich will nur, dass Du glücklich bist, hier zu Hause mit mir, nicht da draußen mit irgendwelchen Fremden. Nur Du und ich, für immer zusammen.“ (S. 33) Als sie den Auftrag bekommt, Madeleine Hamilton zu fotografieren, verbietet er es ihr rigoros. Dabei sind Madeleine und Georgiana die Autorinnen der Kinderbücher, die sie und Danny so geliebt haben. Die Bücher gehören zu ihren glücklichsten Kindheitserinnerungen. Cloe nimmt den Auftrag heimlich an und was sie dabei entdeckt, lässt sie ihr eigenes Leben überdenken ...

„Das Leuchten jenes Sommers“ hatte mich sofort in seinen Bann gezogen. Nikola Scott erzählt auf zwei Zeitebenen die Geschichten von Maddy & Gigi und Cloe & Danny, die viele Parallelen aufweisen. Beide Geschwisterpaare sind früh zu Waisen geworden und die jeweils ältere Schwester wurde zum Mutterersatz. Aber es gibt auch Unterschiede. Maddy klammert sich an Gigi und diese weiß nicht, wie sie sich von dieser Pflicht befreien kann. „... ich glaube, dass wir uns nah sein können, auch wenn wir nicht jeden Moment miteinander teilen. Teil des Lebens eines anderen zu sein, aber auch eigenständig, das ist etwas Gutes ...“ (S. 266)
Danny hingegen will in ein Heim, damit sich Cloes Leben nicht nur um ihn dreht. Aber Cloe kann und will die Verantwortung und Pflege von Danny nicht an Fremde übergeben – schließlich ist er alles, was sie noch hat.
Auch die Victor und Aidan sind sich sehr ähnlich. Beide sind attraktiv, wissen, wie man einer Frau imponiert und sie beeinflusst. Aber während mir Victor einfach nur unangenehm war, hatte ich vor Aiden richtiggehend Angst. Er erdrückt Cloe regelrecht mit seiner fürsorglichen Liebe, nimmt ihr die Luft zum Atmen. Zu Beginn fühlt sie sich noch geschmeichelt, aber bald nimmt diese „Liebe“ erschreckende Züge an.

„Das Leuchten jenes Sommer“ ist ein echter psychologischer Spannungsroman. Nikola Scott schildert sehr dramatische und erschreckende Schicksale, die mich mitfiebern ließen. Einmal angefangen, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen, weil ich unbedingt wissen musste, wie es ausgeht. Sie zeigt dabei alle Aspekte der Liebe – auch die ungesunden – und was eine Familie ausmacht.
Besonders berührt hat mich, wie Gigi und Cloe zugunsten ihrer Geschwister zurückgesteckt haben, damit wenigstens diese eine einigermaßen schöne Kindheit hatten.

Mein unbedingte Leseempfehlung für diesen Pageturner!

Veröffentlicht am 15.04.2019

Torten nach Maß

Schmetterlinge aus Marzipan
0

„In den letzten 10 Tagen war ich öfter glücklich gewesen als in den letzten 10 Jahren ...“ (S. 177) denkt Nina, dabei hat sie ihr Leben gerade komplett umgekrempelt und sieht einer unsicheren Zukunft entgegen. ...

„In den letzten 10 Tagen war ich öfter glücklich gewesen als in den letzten 10 Jahren ...“ (S. 177) denkt Nina, dabei hat sie ihr Leben gerade komplett umgekrempelt und sieht einer unsicheren Zukunft entgegen. Vor einem Jahr hat sie sich von ihrem Mann, einem notorischen Fremdgänger, getrennt und ist mit ihrem 18jährigen Sohn in eine kleine Eigentumswohnung gezogen. Vor 2 Wochen hat sie ihren Chef um 4 Wochen unbezahlten Urlaub gebeten, um in einer Konditorei ein Praktikum zu machen. Ihre Arbeit als Chefsekretärin der chirurgischen Station eines Krankenhauses ist nämlich ein Horrortrip, seit sie auch die Korrespondenz für den Oberarzt der Station erledigen muss. Dieser nutzt jede Chance, um sie zu schurigeln und fertig zu machen. Backwaren hingegen haben sie schon immer glücklich gemacht. Die Schwester ihres Vaters war eine sehr nette, mütterliche, rundliche Frau die gerne buk und immer nach Kuchen roch. Das hatte etwas Tröstliches, da Ninas Mutter (eine Schlankheitsfanatikerin) sie von Kindheit wegen ihrer Figur quälte.

Parallel zu dieser beruflichen Neuorientierung hat ihre beste Freundin sie auch noch bei einer Online-Partnervermittlung angemeldet. Selbst die Männer, die auf den ersten Blick nett und normal aussehen, sind im realen Leben verkorkst oder haben einen irritierenden Fetisch – und schlagen Nina in die Flucht.

„Schmetterlinge aus Marzipan“ von Diana Böhle ist eine Mischung aus humorvoller Chick-Lit, Liebes- und Selbstfindungsroman, wobei dieser Cocktail m.E. nach nicht zu 100 % geglückt ist.
Ninas Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, ihre (anscheinend fiese) Mutter und deren dauernde Ermahnungen bezüglich Ninas Figur waren mir ein zu harter Bruch, wenn es kurz zuvor und gleich danach wieder um süße Tortenträume ging. Ihre Ehe war nicht glücklich, sie hat sich immer untergeordnet und weggesehen, um ja den Schein zu wahren. Auch im Beruf lässt sie sich einfach unterbuttern, statt mal auf den Tisch zu hauen. Nina war mir da viel zu duldsam und wehleidig, hat immer gehofft, dass sich das irgendwann von allein regelt. Erst für das Praktikum in der Konditorei nimmt sie ihr Leben endlich selbst in die Hand.
Von diesen Kritikpunkten abgesehen ist das Buch sehr kurzweilig und humorvoll geschrieben. Ich bin froh, dass ich nicht auf Online-Dating angewiesen bin und diese Spinner kennenlernen musste, aber ich hab gerne darüber gelacht.
Auch Ninas Sohn ist gerade in einer Umbruchphase. Er macht sein Abitur und bringt das erste Mal ein Mädchen mit heim bzw. übernachtet bei ihr. An diese neue Situation müssen sich beide erst gewöhnen.
Ninas Praktikum in der Konditorei wird durch den sehr einsilbigen Konditor Sven nicht unbedingt erleichtert, aber nach und nach raufen sie sich zusammen. Dabei entsteht auch die Idee zu ihrem eigenen Geschäft „Torten nach Maß“. Ob sie dieses Ziel umsetzt, verrate ich hier natürlich nicht. Auf jeden Fall ist sie auf dem besten Weg, da ihr eine Freundin die ersten privaten Backaufträge besorgt. Auch diese sind sehr amüsant und ich hoffe, dass es nicht wirklich Leute gibt, die bei einem Profi einen Kuchen bestellen, der dann wie selbst gebacken aussehen soll oder den falschen Geburtstag auf die Torte schreiben lassen. Ein kleines Manko: Da in fast jedem Kapitel gebacken wird und die Kreationen zum Teil sehr genau beschrieben werden, hätte ich mich gefreut, wenn auch das eine oder andere Rezept mit abgedruckt worden wäre.
3,5 Sterne.

Veröffentlicht am 14.04.2019

Singer – wie die Nähmaschine

Die Nähmaschine
0

... so habe ich meinen Mädchennamen früher immer erklärt. Ob heutzutage noch jemand was mit der Erläuterung anfangen könnte? Man kennt die Maschinen ja höchstens noch von Oma oder aus den Antiquitätensendungen ...

... so habe ich meinen Mädchennamen früher immer erklärt. Ob heutzutage noch jemand was mit der Erläuterung anfangen könnte? Man kennt die Maschinen ja höchstens noch von Oma oder aus den Antiquitätensendungen im Fernsehen ...

Die Geschichte der Nähmaschine in diesem Buch beginnt 1911 im Singer-Werk in Clydbank. Für Jean ist es die letzte, deren Qualität sie prüft, bevor sie mit ihrem Verlobten Donald nach Edinburgh geht, denn er wurde nach einem Streik gefeuert. Um auf diese Ungerechtigkeit hinzuweisen, versteckt sie eine Nachricht für die zukünftige Besitzerin in der Garnspule.
Fred entdeckt diese Zeilen 2016, als er die Singer zusammen mit der Wohnung seines Großvaters erbt. Im Sockel der Maschine findet er unzählige Notizbücher, in denen die Vorbesitzerinnen auf jede Seite jeweils kleine Stücke des verarbeiteten Stoffs genäht haben mit der Notiz, was sie daraus für wen für wie viel Geld angefertigt haben. Damit schließt sich der Kreis, denn Fred, der gerade in einer Umbruchsituation steckt, lernt nicht nur auf ihr zu nähen und kommt seinen neuen Nachbarn näher, sondern deckt mit Hilfe der Notizbücher auch noch ein altes Familiengeheimnis auf.

Natalie Fergie erzählt die Geschichte der Nähmaschine ohne Effekthascherei, abwechselnd auf mehreren Zeitebenen. Man erfährt, wie es Jean und Donald in Edinburgh ergeht und welchen Familien die Singer in den folgenden 100 Jahren gute Dienste leistet. Da ist z.B. Kathleen, die 1954 Sachen für das Vorstellungsgespräch ihrer Tochter Connie ändert. Connie wiederum näht darauf 1980 Schwangerschaftskleidung für die Schwesternschülerin Ruth. Das Leben ihrer Besitzerinnen ist immer eng mit der Maschine verknüpft – sie ist ein fester Bestandteil des Familienlebens und hilft ihnen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder für Freunden und Nachbarn zu nähen.

Mir hat gerade das Unaufgeregte der Geschichte gut gefallen. Ich habe die einzelnen Protagonisten sehr gemocht und gern durch ihr Leben begleitet. Wie die einzelnen Erzählstränge zusammenhängen, wird erst ganz am Ende aufgelöst und hat mich an einer Stelle sehr überrascht. Außerdem regt das Buch dazu an, doch mal wieder die Nähmaschine auszupacken und sich wenigstens an einem Kissenbezug zu versuchen.

Wie alle Bücher aus dem Wunderraum-Verlag erzählt auch dieses eine ganz besondere Geschichten, die sich auch in der besonderen Aufmachung widerspiegelt. Das Buch hat einen hochwertigen Leinenrücken und ein Lesebändchen, der Coverhintergrund ist wie ein Stück Stoff gestaltet.

Wunderschöne Geschichte einer Nähmaschine und ihrer Besitzer über ein Jahrhundert hinweg.