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Veröffentlicht am 08.09.2018

Eigentlich ist Spionieren nichts anderes als Schauspielern.

Die Meisterbanditin
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Herzogtum Württemberg 1721: „Du solltest das Dorf verlassen, wenn Du einen Funken Anstand besitzt. ... Hier wird Dich bestimmt keine gottgläubige Frau ins Haus lassen. ... Warum verdingst du dich nicht ...

Herzogtum Württemberg 1721: „Du solltest das Dorf verlassen, wenn Du einen Funken Anstand besitzt. ... Hier wird Dich bestimmt keine gottgläubige Frau ins Haus lassen. ... Warum verdingst du dich nicht bei der Hexe als Magd?“ bekommt Marie zu hören, nachdem sich ihr Freund Bartholomäus nicht mit ihr, sondern der Tochter des reichen Pferdebauern verlobt. Die „Hexe“ ist Wilhelmine von Grävenitz, die Mätresse von Eberhard Ludwig, dem Herzog von Württemberg. Sie wird wegen der Schönheitstränke und Salben, die sie sich selber braut, und ihrem Einfluss auf den Herzog verschrien.
Letztendlich hat Marie keine Wahl und geht wirklich als Dienstmagd aufs Schloss. Dort stellt ihr vom Beginn an der herzogliche Jäger nach und als sie ihm widerholt entwischt, lässt er sie kurzerhand als Diebin verhaften. Doch Wilhelmine hat etwas anderes mit Maria vor. Sie teilt sie der Schauspielertruppe von La Bonaille zu – Wilhelmines bestem Spion.

Silvia Stolzenburg hat in der „Meisterbanditin“ geschickt zwei Handlungsstränge verwoben: Maries Aufstieg zur Meisterdiebin und Wilhelmines Ränkespiele.

Wilhelmine ist nicht nur die Mätresse des Herzogs, sondern auch seine Landeshofmeisterin, da er sich überhaupt nicht für Politik interessiert. Er sieht sich als deutscher Sonnenkönig, liebt große Jagden und noch größere Feste. Die machtbesessene Wilhelmine kümmert sich derweil um das „Tagesgeschäft“. Das bringt ihr natürlich viele Neider. Nicht nur die Ehefrau des Herzogs, auch bei den Kaufleuten ist sie nicht gut gelitten. Um immer gut informiert zu sein, hat sie sich einen Spionagering aufgebaut. Und Marie passt perfekt in ihre Pläne.

Marie ist ziemlich unbedarft und bis dato noch nie aus ihrem Dorf herausgekommen. Das Schloss war schon ein Kulturschock für sie und ihr Erstaunen wird noch größer, als sie das erste Mal eine richtige Stadt sieht. Das Leben als Schauspielerin ist nicht einfach, zumal ihr die ehemalige Favoritin des Anführers diverse Steine in den Weg legt. Neben dem Schauspielern muss Marie außerdem lernen, wie man Leute bestiehlt und sich als Dame der gehobenen Gesellschaft verhält. Dann verliebt sie sich auch noch in La Boneille, den Anführer der Truppe. Und sie merkt schnell, dass es gar nicht so schwer ist, Anderen die Geldbörsen oder Schmuckstücke abzunehmen. Vielleicht kann sie sich ja allein ein gutes Leben aufbauen?

Silvia Stolzenburg schreibt gewohnt spannend und sehr unterhaltsam. Wilhelmine und Herzog Eberhard Ludwig kannte ich bis zu diesem Buch ehrlich gesagt nicht, obwohl ich das von ihm erbaute Schloss Ludwigsburg schon mal besucht habe. Sie scheinen beide sehr schillernde, umstrittene Persönlichkeiten gewesen zu sein. Einige der im Buch erwähnten Vorkommnisse beruhen auf wahren Ereignissen. Auch die Theaterstücke, sie das Wandertheater aufführt, gab es zum Teil. So etwas finde ich immer sehr spannend.
Auch Maries Werdegang hat mir gut gefallen, einzig das Gefühlschaos um La Boneille war mir etwas zu übertrieben und das Ende einen Tick zu happy.

Erwähnen muss ich unbedingt wieder das Cover und die Innenausstattung des Buches. Das Gemälde von Gerrit van Honthorst passt perfekt zum Inhalt. Ein großes Lob an den Gmeiner-Verlag.

Veröffentlicht am 06.09.2018

Löse und verbinde!

Der Limonadenmann oder Die wundersame Geschichte eines Goldschmieds, der der Frau, die er liebte, das Leben retten wollte und dabei die Limonade erfand
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... war Jacob Schweppes Leitspruch.
Die erste Limonade (unser heutiges Tonic) hat er nur erfunden, weil er als findiger Geschäftsmann zur Malariaprophylaxe Chinintabletten mit Limettensaft in dem von ihm ...

... war Jacob Schweppes Leitspruch.
Die erste Limonade (unser heutiges Tonic) hat er nur erfunden, weil er als findiger Geschäftsmann zur Malariaprophylaxe Chinintabletten mit Limettensaft in dem von ihm patentierten Soda-Wasser auflöste.
Überhaupt war Schweppes ein sehr neugieriger und aufgeschlossener Mann. Als Kind deutscher Hugenotten mit französischer Abstammung ging er nach seiner Ausbildung zum Goldschmied und Juwelier nach Genf. Nebenher beschäftigt er sich auch mit Uhren und anderen technischen Spielereien. Er las alle wissenschaftlichen Bücher und Zeitung, die er bekommen konnte und als er von dem Engländer Priesley las, der mit Gasen und Wasser experimentiert und dabei Karbon-Dioxid herstellt, sah er sofort den möglichen Nutzen und Gewinn – die Idee zu seinem Soda-Wasser war geboren.

Günther Thömmes beschreibt in „Der Limonadenmann“ Jacob Schweppes bewegtes Leben. Obwohl der Klappentext eine dramatische Liebesgeschichte oder einen Krimi vermuten lässt „Doch kann seine Erfindung auch der Frau, die er liebt, das Leben retten? Und nebenbei auch noch einen Mann aus dem Weg räumen, der kein Mitleid verdient?“ ist es für mich eher ein biographisch angehauchter Roman. In Anlehnung an 1001 Nacht erzählt eine Nachfahrin von Jacobs großer Liebe dem britischen König Wilhelm IV. über mehrere Abende bzw. Nächte dessen Geschichte. Der Aufhänger ist dabei jeweils eine Person, die in Jacobs Leben zu der Zeit eine Rolle spielte oder anderweitig mit ihm in Verbindung stand. Dieser Erzählstil ist etwas ungewöhnlich, aber sehr unterhaltsam. Die Kapitel sind recht kurz gehalten und in einigen wurden mir etwas zu viel Rund-Rum-Wissen oder Nebensächlichkeiten erzählt, aber letztendlich bekommt man so ein recht umfassendes Bild von Schweppes Leben und den politischen und wirtschaftlichen Umständen der damaligen Zeit.

Fazit: Interessanter biographischer Roman über einen vergessenen Erfinder.

Veröffentlicht am 05.09.2018

Starke Frauen in Zeiten des Umbruchs

Der Gutshof im Alten Land
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Der erste Weltkrieg ist gerade vorbei und auf der Domäne (dem Landgut) der Familie von Voss könnte der Alltag wieder einkehren. Aber der Hausherr Edzard von Voss schwebt seit einem Schlaganfall zwischen ...

Der erste Weltkrieg ist gerade vorbei und auf der Domäne (dem Landgut) der Familie von Voss könnte der Alltag wieder einkehren. Aber der Hausherr Edzard von Voss schwebt seit einem Schlaganfall zwischen Leben und Tod und seine Frau Caroline opfert sich bei der Rund-um-die-Uhr-Pflege auf. Also leitet Tochter Finja (22) den Hof und ersetzt ihren Eltern die beiden Söhne. Gerrit hat sich vor dem Krieg mit dem Vater überworfen und ist nach Amerika ausgewandert und Lennart ist in Nordfrankreich verschollen. Sollte Edzard jetzt sterben, würde der Hof an seinen Neffen Roland Lüdersen gehen, Finjas ungeliebten Verlobten. Vor dem Krieg wollte sie Veterinärmedizin studieren, aber das ist in der jetzigen Situation natürlich unmöglich.

Als Retter in dieser Situation erscheint ihnen Clemens Curtius, ein Kriegskamerad von Lennart, der ihm unglaublich ähnlich sieht. Eigentlich will er Lennarts Eltern nur dessen Papiere übergeben, aber Caroline sieht sofort, dass er die Lösung ihrer Probleme ist – er sieht dem Erben zu ähnlich!
Clemens weckt in seiner Rolle als Lennart sofort die Begehrlichkeiten der Damenwelt. Sei es die Caroline, Tochter des neuen Arztes oder Ariana, die Tochter eines Reeders und ehemalige Freundin von Gerrit – sie verfallen Clemens Charme. Sein „Rollenspiel“ hilft aber nicht nur den Voss, sondern auch ihm selbst. Er ist verwundet, allein und heimatlos. Die Zeit im Alten Land ist wie eine Kur für ihn. „Ich hoffe, dass ich deiner Familie durch meine Anwesenheit etwas von dem zurückgeben kann, was ihr für mich tut.“ (S. 214). Allerdings ist der Spagat gefährlich, jederzeit könnte seine wahre Identität entdeckt werden. Durch seine Verwundung ist er opiumabhängig und muss regelmäßig nach Hamburg ins Chinesenviertel fahren, um sich Nachschub zu besorgen.
Vor allem das Dienstmädchen Käthe, die Geliebte von Roland Lüdersen, spioniert Clemens hinterher, weil sie sich so den Einstieg in ein besseres Leben erhofft. Schließlich sind die Sozialisten auf dem Vormarsch, auf dem Papier jetzt alle gleich: „Ihresgleichen hatte jetzt ebenso viele Rechte, aber leider noch weniger zu essen.“ (S. 147). Und es gilt noch ein weiteres Geheimnis lösen: Ihre ältere Schwester Jenny verschwand vor Jahren, als Lennart in den Krieg zog, und wird ihr jetzt immer wieder als schlechtes Vorbild präsentiert. Was ist damals passiert und wo ist Jenny jetzt?

Micaela Jary hat es wieder geschafft, mich von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann der Geschichte zu ziehen. Stellenweise ist es schon fast ein Krimi – was wurde z.B. aus den Söhnen des Hauses und warum sieht Clemens Lennart so ähnlich?
Sie beschreibt sehr lebendig das Leben im Alten Land in der damaligen Zeit. Dabei romantisiert sie nichts sondern zeigt alle Facetten des Lebens und die vielen Einschränkungen, denen die Menschen unterlagen.
Ich bewundere vor allem die starken Frauenfiguren, denen die Autorin in ihren Büchern ein Zuhause gibt. In der sich verändernden Gesellschaft träumten sie von einer anderen, fortschrittlicheren Zukunft und obwohl sie sich oft der Familie oder den Umständen unterordnen mussten, schafften sie es, sich wenigstens etwas ihrer im Krieg erworbenen Selbständigkeit zu bewahren.

Veröffentlicht am 04.09.2018

Von Herz zu Herz, Julien

Die Liebesbriefe von Montmartre
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Julien Azouley hat seine Frau Hélène vor 5 Jahren am Grab von Heinrich Heine auf dem Friedhof Montmarte kennengelernt, jetzt liegt sie selber hier und er besucht sie jeden Freitag. Manchmal begleitet ihn ...

Julien Azouley hat seine Frau Hélène vor 5 Jahren am Grab von Heinrich Heine auf dem Friedhof Montmarte kennengelernt, jetzt liegt sie selber hier und er besucht sie jeden Freitag. Manchmal begleitet ihn dabei sein kleiner Sohn Arthur.
Julien ist Schriftsteller und berühmt für seine Liebeskomödien. Aber seit Hélènes Tod kann er nicht mehr schreiben. Nicht mal die 33 Briefe – für jedes Lebensjahr eins – die er ihr versprechen musste. „Schreib mir, wie die Welt ist ohne mich.“ (S. 13)
Erst als ihn sein Verleger immer mehr drängt und auch sein Freund Alexandre ihm den Kopf zurechtrückt „Die meisten großen Schriftsteller waren gerade dann am besten, wenn sie am unglücklichsten waren.“ (S. 55), platzt der Knoten und er schreibt wenigstens die Briefe an Hélène. Und was immer sie sich dabei gedacht hat, mit jedem Brief geht es Julien etwas besser. Das Schreiben tröstet ihn, er erinnert sich an die schönen Zeiten mit ihr und erzählt ihr, wie es ihm und Arthur gerade geht, was Familie und Freunde machen. Die Briefe versteckt er in einem Geheimfach des Grabsteins. Doch eines Tages sind sie weg, dafür liegt ein kleines Steinherz darin. Und auch auf die nächsten Briefe scheint Hélène zu antworten ... „Wohin werden mich diese Briefe führen, Hélène?“ (S. 234)

Julien tat mir sehr leid. Ich konnte gut verstehen, dass er sich nach dem Tod seiner Frau von allem abgeschottet hat. Arthur war oft der einzigste Grund, überhaupt aufzustehen und aus dem Haus zu gehen. Man sagt zwar, die Zeit heilt alle Wunden, aber manche brauchen eben etwas länger. „Das Leben schien neu zu beginnen, nur ich haderte mit der Ungerechtigkeit des Schicksals.“ (S. 99). Auch seine Verwirrung, als plötzlich die Briefe weg waren und dafür Antworten im Versteck lagen, konnte ich gut nachvollziehen. Ich hätte auch an meinem Verstand gezweifelt.
Arthur macht seinem Namen trotz seiner 4 Jahre alle Ehre. Er ist ein tapferer kleiner Kerl. Seine Vorstellung von seiner Mama als Engel fand ich wunderschön. Außerdem ist er einfach goldig, wenn er seinem Papa erklärt, dass er jetzt eine Freundin habe und Julien sich auch eine suchen soll, damit er nicht mehr so traurig ist.

Nicolas Barreau hat einen ganz wunderbaren Schreibstil. Romantisch, ohne kitschig zu sein. Juliens und Hélènes Geschichte hat mich bis zum Schluss gefesselt und sehr gerührt. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.

Barreaus Beschreibungen von Paris machen seine Bücher für mich rund. Ich erkenne so viele Stellen wieder. Das Musée Rodin mit seinem Park hat mir bei unserem letzten Besuch besonders gefallen. Mitten in der Stadt und trotzdem ruhig. Montmartre haben wir bei jeder Reise besucht und an Heines Grab habe ich auch schon gestanden. In seinen Büchern erlebe ich diese Reisen immer noch mal.

Mir gefällt auch, dass das Buch zwar gebunden ist, aber trotzdem eine sehr schöne handliche Größe hat. Sozusagen Taschenformat.

Veröffentlicht am 28.08.2018

Tolles Kopfkino

Lavendelträume
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Julias Freund Frank versteht nicht, dass sie über den Unfalltod ihrer Mutter einfach nicht hinwegkommt. Als sie dann auch noch ein geheimes Schließfach ihrer Mutter entdeckt, in dem ein Päckchen mit deren ...

Julias Freund Frank versteht nicht, dass sie über den Unfalltod ihrer Mutter einfach nicht hinwegkommt. Als sie dann auch noch ein geheimes Schließfach ihrer Mutter entdeckt, in dem ein Päckchen mit deren Lieblingsparfüm und einem Liebesbrief liegt – der Absender ist der Parfümeur Antoine Lefort aus der Nähe vom Grass – fährt sie kurzentschlossen zu ihm nach Roquefort-les-Pins. „Fragen zu stellen ist das Einzige, was mir geblieben ist. Wenn ich das nicht tue, werde ich verrückt.“ (S. 16)
Doch auch Antoine ist inzwischen gestorben und seinen Sohn Nicolas will Julia mit der Vermutung, dass die beiden evtl. eine Affäre hatten, nicht überrumpeln. Zumal sich beide sofort sympathisch sind und aus ihrer Freundschaft mehr werden könnte ...

Julia ist eine sehr sympathische Person, der ich in ihrer Situation gern zur Seite gestanden hätte. Der Verlust ihrer Mutter trifft sie hart. Ihr Vater und sie entfremden sich immer mehr. Auch ihr Freund Frank, ein stets logisch denkender Mathematiker, kann nicht mehr zu ihr durchdringen, so sehr er sich auch bemüht. Ich bin kein besonders geduldiger Mensch, in der Liebe Gott sei Dank jedoch hartnäckig.“ (S. 229)
Nicolas ist das ganze Gegenteil von Frank, ein extrem kreativer Mensch, ebenfalls erfolgreicher Parfümeur, startet aber gerade als Maler durch. Sie verstehen sich auf den ersten Blick und seine Lebenslust steckt Julia an, bricht nach und nach ihre Schale auf. Dabei helfen auch das entspannte Leben in der Provence, das gute Essen und der beruhigende Duft des Lavendelsträußchens neben ihrem Bett. Plötzlich steht sie zwischen 2 Männer und muss sich entscheiden. Doch sie Nicolas dann endlich den Liebesbrief seines Vaters zeigt und sie zusammen Nachforschungen anstellen, entdecken sie etwas Ungeheuerliches.

Gabriele Diechlers „Lavendelträume“ ist eine wunderbare, bezauberndere Geschichte über Abschiede, Neuanfänge und die Liebe. Für all diese Dinge braucht man Mut, Zuversicht und Selbstvertrauen – die muss Julia erst wieder lernen bzw. an sich entdecken.
Die Autorin erklärt sehr interessant, wie ein neuer Duft entwickelt wird, aus was er sich zusammensetzt. Ergo, wie ein Parfüm entsteht. Sie hat ein Händchen für das besondere Flair, dass die Provence im Sommer und Paris zu Weihnachten versprühen. Ihre Beschreibungen von Land und Leute, den schier endlosen Lavendelfeldern, dem ausgezeichneten Essen und hervorragenden Wein bescheren dem Leser ein tolles Kopfkino und schüren die Sehnsucht nach der Provence.

Und wer weiß? „Manchmal werden Träume wahr.“ (S. 167)