Perfekter Krimi-Grusel-Hörgenuss für lange Gassirunden
Frauen, die Bärbel heißen„Öffne nie eine Tür vor dir, bevor du die hinter dir nicht geschlossen hast.“ Diesen Rat ihrer Mutter hätte Bärbel mal lieber befolgt, bevor sie Bambi ins Haus gelassen hat. Bambi? Das Reh? Nein, natürlich ...
„Öffne nie eine Tür vor dir, bevor du die hinter dir nicht geschlossen hast.“ Diesen Rat ihrer Mutter hätte Bärbel mal lieber befolgt, bevor sie Bambi ins Haus gelassen hat. Bambi? Das Reh? Nein, natürlich nicht die Disney-Figur, sondern eine Frau, die genau so aussieht. Aber ich beginne lieber von vorn.
Bärbel Böttcher, 54, früh verwaist, Dermoplastikerin (also Tierpräparatorin) und Hundehalterin findet beim morgendlichen Gassigehen das perfekte Stöckchen für ihre Hündin Frieda. Das Problem ist nur, dass das Stöckchen im Auge eines toten MaMil (Middle Aged Men in Lycra) steckt. Das Stöckchen einfach rausziehen oder doch die Polizei rufen? Letztendlich entscheidet sich Bärbel für die Polizei und bereut es bald. Denn ihr ruhiges und zurückgezogenes Leben gehört damit der Vergangenheit an.
Ich kann mich nicht erinnern, schon mal so einen makabren Krimi gehört zu haben. Ich mag den trockenen Humor und Katja Riemanns fast emotionslose Interpretation, die so perfekt zu Bärbels kruder Persönlichkeit passt.
Bärbel ist eine Klasse für sich. Sie lebt extrem zurückgezogen im Wald am Rand einer Kleinstadt, in einem Haus voller von ihr ausgestopfter Tiere. Kontakt zur Außenwelt hat sie nur beim Einkaufen. Oft vergehen Tage, ohne dass sie einen anderen Menschen sieht oder gar spricht. Ihr einziges Vergnügen ist der Teleshoppingkanal. Kurz, Bärbel liebt, nein sie BRAUCHT ihre Ruhe, in die nun Bambi platzt. Die macht ihrem Namen alle Ehre. Zart gebaut und mit großen braunen Rehaugen ist sie es gewöhnt, dass man(n) ihr jeden Wunsch aus den selbigen abliest – aber da beißt sie bei Bärbel auf Granit. Doch bald müssen sich die Beiden leider arrangieren. Sie bilden eine sehr ungewöhnliche Zweckgemeinschaft und wachsen in Notsituationen über sich hinaus.
Der Fall an sich ist sehr spannend. Ich will nicht zu viel verraten, aber bei dem einen Toten bleibt es nicht und Verdächtige gibt es viele. Bärbel wird aus ihrer Komfortzone und ihrem Haus gerissen und in eine neues, besseres (?) Leben katapultiert.
Die Geschichte wird aus Bärbels Sicht erzählt. In Rückblicken erfährt man von ihrer erschreckend freud- und lieblosen Kindheit. Kein Wunder, dass sie nie gelernt hat, eine Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen und von ihnen oft nicht mal wahrgenommen wird. Bambi ist das ganze Gegenteil. Auffällig, verwöhnt, egozentrisch. Da prallen Welten aufeinander und genau davon lebt das (Hör-)Buch, den Wortgefechten und Interaktionen dieser so unterschiedlichen Persönlichkeiten.
„Frauen, die Bärbel heißen“ hat mich wunderbar unterhalten, auch wenn es beim alleinigen Gassigehen im Wald manchmal etwas gruselig war, und ich hoffe, dass Marie Reiners noch viele skurrile Krimis schreibt.