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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2017

Bayerischer Humor

Fastenopfer
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Es ist Fastenzeit in Bayern. Kaum jemand nimmt das Fastengebot so ernst wie die Haushälterin von Monsignore Hirlinger, die ihren Dienstherrn mit ihrer Low Carb Diät an die Grenzen seiner Leidensfähigkeit ...

Es ist Fastenzeit in Bayern. Kaum jemand nimmt das Fastengebot so ernst wie die Haushälterin von Monsignore Hirlinger, die ihren Dienstherrn mit ihrer Low Carb Diät an die Grenzen seiner Leidensfähigkeit bringt. Und da ist noch der Fingernägel kauende Kommissar Kramer, der am Aschermittwoch-Morgen die attraktive Staatsanwältin in seinem Bett vorfindet, ohne sich an irgend etwas erinnern zu können. Aber da ist auch eine Leiche. Erstochen liegt der Verwalter des "Tilly-Benefiziums" in der Altöttinger Kapelladministration. Und so nimmt die Geschichte ihren Lauf. Eine Reihe von schrägen bayerischen Vögeln taucht auf, legt Spuren, und Kommissar Kramer gerät in immer größere Verwirrnis...

Ganz grundsätzlich: Das Buch zu lesen, bringt Spaß. Da ich aus Bayern komme, habe ich beim Lesen heimatliche Gefühle, denn die Art und Weise der handelnden Personen ist wirklich sehr bayerisch, d. h. etwas hinterkünftig, ohne Eile, mit urigem Humor gesegnet. Dass mundartlich angehauchte Konversation eingestreut ist, gefällt mir gut und passt perfekt zu den vorgestellten Protagonisten. Die einzelnen Handlungsstränge fügen sich erst gegen Ende des Buches logisch zusammen, sodass man mit Spannung bei der Sache bleibt. Manchmal allerdings findet man ein wenig zuviel bemühten Witz, ein bisschen viel Hauruck-Humor, aber das Überzeichnen schadet letztlich dem guten Gesamteindruck nicht.

Das Buch kommt mir vor wie ein Glas Weißbier, auf das man richtig Lust hat - süffig. Und wenn das Glas leer ist, war's das. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Veröffentlicht am 23.01.2017

Spannend, aber auch mit Längen

Die Tochter des Fechtmeisters
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Das Cover ist so gestaltet wie bei so vielen anderen historischen Romanen auch: Im Vordergrund eine zur erzählten Zeit passend gekleidete Person, im Hintergrund die dazugehörige Landschaft. Nicht sehr ...

Das Cover ist so gestaltet wie bei so vielen anderen historischen Romanen auch: Im Vordergrund eine zur erzählten Zeit passend gekleidete Person, im Hintergrund die dazugehörige Landschaft. Nicht sehr originell, aber eindeutig sofort als historischer Roman identifizierbar.

Das seitenstarke Buch widmet sich der Zeit Anfang des 17. Jahrhunderts und spielt aufgrund der verschiedenen Handlungsstränge in Rostock, Frankfurt, in Prag und in Nürnberg. Clarissa, die Tochter des Fechtmeisters, war sehr sorgfältig – und für die Zeit ungewöhnlich – von ihrem Vater in der Kunst des Fechtens ausgebildet worden. Ebenso ungewöhnlich für die Zeit darf sie ihren Vater auf eine Reise nach Frankfurt begleiten, wobei diese Reise alles andere als gut verläuft. Ihr Vater wird getötet und Clarissa von einer räuberischen Gruppe in Gefangenschaft genommen. Von Anfang an werden viele weitere Personen in die Handlung einbezogen und deren Charaktere und Fortkommen geschildert. Geschickt wird in der Erzählung das persönliche Schicksal von Clarissa, einer ungewöhnlich starken und sympathischen Frau, verwoben mit einem brisanten zeitgeschichtlichen Hintergrund

Sabine Weiß schreibt sehr detailreich, was einerseits, wenn es um das Beschreiben der Protagonisten geht oder um Schilderungen von Örtlichkeiten und Geschehnissen, ein großer Gewinn für den Leser ist, andererseits jedoch recht ermüdend, wenn z. B. die Aufzählung der Fecht-Fachbegriffe gar kein Ende nehmen will oder man Mühe hat, die vielen Personen und Handlungsstränge im Hinterkopf zu behalten. Auch die ca. 100 Seiten am Ende des Buches sind mühsam zu lesen und verführen zum Überblättern.

Alles in allem ein gekonnt geschriebener, einmalig gut recherchierter historischer Roman, teilweise sehr spannend und informativ, teilweise mit einigen Längen versehen.

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  • Schreibstil
Veröffentlicht am 22.09.2024

Beeindruckende Darstellung der Kraft einer Frau

Sing, wilder Vogel, sing
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Wie immer, war ich besonders gespannt auf einen neuen Roman aus meinem Lieblingsverlag, dem ich schon so manche besondere Lese-Erlebnisse verdanke. Bereits jedes ausgesuchte Gemälde auf dem Cover sehe ...


Wie immer, war ich besonders gespannt auf einen neuen Roman aus meinem Lieblingsverlag, dem ich schon so manche besondere Lese-Erlebnisse verdanke. Bereits jedes ausgesuchte Gemälde auf dem Cover sehe ich mir immer sehr genau an und nehme dessen Stimmung und Ausdruck auf, bevor ich das Buch überhaupt öffne. So auch bei diesem Roman, der mich nicht nur mit dem Coverbild, sondern auch mit seinem Schreibstil und Inhalt sehr berührte. Und wie unglaublich passend, die Worte von Rainer Maria Rilke, die dem Roman vorangestellt sind.
Es geht um Honora, eine junge Frau Mitte des 19. Jahrhunderts, lebend in einem Dorf an der irischen Westküste. Sie ist eine Außenseiterin, eine Frau, die lieber in den Wäldern lebt als in einer Hütte, die Freiheit braucht und im Alleinsein und aus der Natur ihre Kraft schöpft. Unvergleichlich intensiv wird eine Hungersnot geschildert, die das gesamte Dorf auf brutalste Weise trifft. Es geht nur noch ums blanke Überleben. Unvorstellbar für uns, die wir im unfassbaren Überfluss jeden Tag leben und schon lange nicht mehr wissen, was wirklich lebens-notwendig ist. Ein Teil des Dorfes macht sich mit letzter Kraft auf den Weg durch die Berge, weil ihnen angeblich dort Essensrationen zugeteilt werden könnten. Doch die meisten Dorfbewohner sterben. Honora aber gibt nicht auf, denn sie hat in sich ein unglaublich großes Kraftreservoir, obwohl sie schon von Kindheit an so viel Leid und Elend erlebt hatte. Sie schafft es auf ein Schiff, das sie nach Amerika bringen soll. Denn dort, so glaubt Honora, wartet auf sie die lang ersehnte Freiheit. Und doch erfährt sie zunächst nichts anderes als Gewalt und Unterdrückung.
Den Schreibstil fand ich äußerst beeindruckend. Ich bekomme die Bilder des gnadenlosen Hungers nur noch schwer wieder aus dem Kopf. Und im Buchaufbau, springend vor und zurück im Leben von Honora, spiegelt sich wider deren Inneres, das freiheitsstrebend und unbezähmbar ist. Dass historische Gegebenheiten den Hintergrund für diesen Roman bilden, macht den Roman noch um ein Weiteres mehr beeindruckend. Die Kraft und Stärke einer Frau ist selten so bemerkenswert intensiv dargestellt worden.

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Veröffentlicht am 05.09.2024

Unvollständiges Urteil über einen grandiosen Roman

Unsere Jahre auf Fellowship Point
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Dieser Roman brauchte 17 Jahre bis zu seiner Vollendung. Und er hat es verdient, dass sich der Leser für die 730 Seiten viel Zeit nimmt. Denn dieser Roman ist nicht einfach zum Herunterlesen geschrieben ...


Dieser Roman brauchte 17 Jahre bis zu seiner Vollendung. Und er hat es verdient, dass sich der Leser für die 730 Seiten viel Zeit nimmt. Denn dieser Roman ist nicht einfach zum Herunterlesen geschrieben worden, ganz im Gegenteil. Er verlangt Hingabe. Hingabe an die außerordentlich schöne Sprache und Hingabe an den außerordentlich vielfältigen und vielschichtigen Inhalt. Doch mir blieben nur drei Wochen Zeit, um mein Urteil abzugeben. Drei Wochen Lese-, Denk- und Schreibzeit sind dieses großen Romans nicht würdig! Und so schreibe ich meine Eindrücke termingerecht, aber ohne das Buch bis zu Ende gelesen zu haben. Man möge mir diesen „unvollständigen“ Eindruck verzeihen. Mir jedenfalls bleibt anschließend weitere genussvolle Lektüre-Zeit ohne Abgabedruck.
Aus oben genanntem Grund zitiere ich auszugsweise zur Inhaltsangabe das, was der Verlag sehr schön in Worte gefasst hatte. (Ein Vorgehen, das ich normalerweise nie wähle.) „Agnes und Polly sind von Kindheit an miteinander verbunden. Schon als Kinder verbrachten sie jeden Sommer mit ihren Familien auf Fellowship Point an der Küste Maines und haben seither Glück und Kummer geteilt. Die fürsorgliche Polly hat ihr Leben ihrer Familie gewidmet, die unabhängige Agnes ihres dem Schreiben. Als die Zukunft von Fellowship Point auf dem Spiel steht, geraten die Dinge in Bewegung…“
Und ich zitiere mein erstes Fundstück der Lektüre: „Gewohnheiten füllten die Fissuren eines alternden Körpers und Geistes.“ Allein an diesem Satz blieb ich tagelang hängen. Aber er wird wohl nur von jemandem verstanden, der aufgrund des höheren Alters diese Fissuren kennt und sich mit Regelmäßigkeit und Gewohnheiten bei Laune hält. So wie Agnes, diese aufrechte, stolze, oftmals schroff wirkende Frau, die als Schriftstellerin sehr erfolgreich war, aktuell aber von einer Schreibblockade „befallen“ wird. Polly, ihre Lebenszeit-Freundin, ist ihrem sich selbst überschätzenden Ehemann unterwürfig und sieht ihre Lebensaufgabe darin, die Welt freundlicher zu machen. Agnes dagegen steht für einen unabhängigen, lautlosen Feminismus. Der Roman beleuchtet dieses Frauenpaar und deren lebenslange Freundschaft aus unterschiedlichen Perspektiven in Gegenwart und Vergangenheit. Rund um diese beiden Frauen treten verschiedene Personen ins Blickfeld, werden präzise beobachtet und verschwinden auch wieder, wie im richtigen Leben. Die 17 Jahre Entstehungsgeschichte des Romans schaffen eine ganz besondere Weitsicht des Lebens. Eine Fülle an Themen und Ansichten regt zum Nachdenken, oftmals auch zum Widerspruch an. Hinreißend schön, geradezu zart in Worte gefasst sind eingestreute Naturbeobachtungen. Um die Vielfalt des Romans und die volle Schönheit der Sprache zu erfassen, braucht es wache Sinne und viel Zeit. Nur so gelingt es, alle feinen Facetten dieses grandiosen Romans zu erfassen.

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Veröffentlicht am 04.09.2024

Unkritisch dargestellter Plot, nerviger, psychisch kranker Ermittler

Bruch: Durch finstere Zeiten
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Tatsächlich hatte ich vollkommen vergessen, dass ich bereits ein Buch dieses Autors gelesen hatte – leider damals bereits ohne größeres Vergnügen, im Gegenteil…. Der nun vorliegende neue Band mit Bruch ...


Tatsächlich hatte ich vollkommen vergessen, dass ich bereits ein Buch dieses Autors gelesen hatte – leider damals bereits ohne größeres Vergnügen, im Gegenteil…. Der nun vorliegende neue Band mit Bruch hat leider, leider meine damalige Enttäuschung wiederholen lassen. Wirklich schade, denn ich war aufgrund meiner Erinnerungslücke ganz neugierig-neutral auf dieses Buch zugegangen.
Der Beginn ist durchaus packend: Zwei Polizisten werden auf einer abgelegenen Landstraße erschossen aufgefunden. Ein Grund für diesen Mord ist nicht zu finden, insbesondere ist rätselhaft, was die junge Beamtin und der Familienvater weit entfernt von ihrem eigentlichen Revier zu suchen hatten. Die mühsamen, langwierigen Ermittlungen führen Felix Bruch und Nicole Schauer tief in die Welt der Prepper und Reichsbürger. Eine weitere Leiche wird im Wald gefunden und gibt neue Rätsel auf. Vor allen Dingen geraten Bruch und Schauer zunehmend in bedrohliche Gefahr.
Der Plot gibt tatsächlich einiges her, insbesondere wenn man von einer guten Recherchearbeit ausgeht. Das abstruse Denken und Verhalten von Preppern, Reichsbürgern und Querdenkern bekommt in diesem Kriminalroman sehr viel Raum. Dank der detailfreudigen Erzählweise sind die geschilderten Situationen gut vorstellbar und hilfreich für das Kopfkino. Gleichzeitig aber ist das Buch dadurch passagenweise ermüdend langweilig zu lesen. Allein schon bei den Diskussionen mit dem Prepper Götze habe ich mich des Öfteren gefragt, mit welchem Hintergrund der Autor den Selbstdarstellungen der Reichsbürger und Querdenker unwidersprochen so viel Raum lässt. Bruchs Kollegin Nicole Schauer wird als eine Art unbefangene Plaudertasche dargestellt, die zwar durchaus strukturierte Überlegungen anstellt, oft aber auch recht unbedacht handelt. Bruch jedoch wird schlimmer denn je geschildert. Seine psychische Erkrankung macht ihn stumm, regungslos, tatenlos, beziehungsunfähig – überraschend jedoch seine verborgenen Gedankengänge, die ganz selten aufblitzen. Wieder frage ich mich, warum es unbedingt immer öfter Ermittler sein müssen, die hochgradig gestört sind, durch psychische Störungen beeinträchtigt sind und durch unverständliches Handeln bzw. Nicht-Handeln den Leser permanent aufregen. In diesem Band wird wenigstens ansatzweise das frühe Trauma, das Bruch seelisch zerstört hat, angedeutet. Dennoch gehen mir zunehmend solche kaputten Ermittler auf die Nerven. Dies war definitiv mein letztes Buch mit Bruch.
Fazit: Ein absolut unsympathischer, hochgradig psychisch kranker Ermittler, dessen breitgetretene Defizite den eigentlich guten aber unkritisch dargestellten Plot vollends kaputt machen

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