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heinoko

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 09.05.2020

Eindrücklich und lesenswert

Liebe
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Wer in diesem Sammelband mit „Geschichten über das größte Gefühl der Welt“ romantische Mondschein-Schwüre und Geigenmusik erwartet, wird bitter enttäuscht werden.

Weit, weit weg von süßem Kitsch und ...


Wer in diesem Sammelband mit „Geschichten über das größte Gefühl der Welt“ romantische Mondschein-Schwüre und Geigenmusik erwartet, wird bitter enttäuscht werden.

Weit, weit weg von süßem Kitsch und geschöntem Leben geht es in diesem Buch hart zur Sache. Teilweise unbekanntere Geschichten findet man in ihm, manche sperrig, manche wunderlich, manche berührend, oftmals bitter. Es sind Geschichten von Menschen, die seelisch verletzt oder hoffnungslos sind, dem Leben und seinen schlechten Seiten ergeben sind, vielleicht auch vom Leben geschunden sind. Manche Akteure sind auch einfach nur verzweifelt anders als die anderen. Kurzum, es sind Geschichten, denen es an Glück fehlt und die vielleicht genau dadurch besonders wahrhaftig sind. Wie zum Beispiel diese seltsam unfertige Geschichte einer unfertigen Liebe, einer Liebe „auf der Stelle“. Oder Liebe versteckt in Endlossätzen, verboten, unendlich traurig. Oder Liebe wie zerlaufener Honig mit sich darbietenden Körpern aus Sehnsucht nach Verlorenem.

Es sind Geschichten, die lange nachhallen, nicht melodisch-süß, sondern verzweifelt suchend. Sehr, sehr eindrücklich und lesenswert!

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Veröffentlicht am 06.05.2020

Das Gelächter der Kadaver

Das wirkliche Leben
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Ein Roman, härter und brutaler und grausamer als jeder mir bekannte Thriller. Ein Roman, der mit Peitschenhieben durch die Seiten treibt. Ein ganz und gar unglaublicher Debüt-Roman, der absolut nicht ...


Ein Roman, härter und brutaler und grausamer als jeder mir bekannte Thriller. Ein Roman, der mit Peitschenhieben durch die Seiten treibt. Ein ganz und gar unglaublicher Debüt-Roman, der absolut nicht geeignet ist für empfindsame Leser.
Das zehnjährige Mädchen, die Ich-Erzählerin ohne Namen, und ihr kleiner Bruder Gilles leben in einer uniformierten Reihenhaussiedlung. Die Mutter wird beschrieben als eine Amöbe, ein graues, unsichtbares Nichts. Der Vater dagegen hat große Leidenschaften, nämlich die Jagd, Fernsehen, Whisky und in Prügeln sprechende Wutanfälle. Als eines Abends vor den Augen der beiden Kinder ein entsetzliches Unglück passiert, verändert sich das Leben schlagartig. Das glockenhelle Lachen von Gilles stirbt für immer. Und das Mädchen kämpft mit aller Kraft darum, dieses Lachen wieder zurückzuholen. Ihre überragende Intelligenz und ihr Mut helfen ihr, sich eine ganz eigene Welt zu konstruieren, eine Welt der Hoffnung, tief verborgen vor Mutter und Vater. Doch im Verlauf der Zeit entwickelt sich nicht nur ihr Geist, sondern auch ihr Körper, was ihrem Vater nicht verborgen bleibt.
Was für eine Sprache, so unerschütterlich direkt, so unfassbar gewaltig, geradezu von brachialer Kraft. Aber auch Feines erspürend, wenn zum Beispiel die Autorin innerseelische Vorgänge über das differenzierte Schildern von Gerüchen zum Ausdruck bringt. Der Roman benutzt unglaublich starke Bilder, die mit ungebremster Wucht direkt zum emotionalen Zentrum des Lesers vorstoßen, Flucht unmöglich. Und diese intensiven Bilder hinterlassen Einschusslöcher im Kopfkino, wie Kriegswunden, unheilbar. Dazu wirken die kurzen Kapitel wie Schlaglöcher, in die der Leser rumpelnd hineinstürzt und die ihn immer wieder fast zu Fall bringen. Ein Roman, der mit unfassbar großer literarischer Kraft „das wirkliche Leben“ in der ganzen Bandbreite von schön bis schrecklich auf 230 Seiten bannt.

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Veröffentlicht am 04.05.2020

Ein sehr gelungenes Foto-Bilderbuch

Lotti & Dotti (Bd. 1)
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Ein Bilderbuch ohne Zeichnungen? Ein Bilderbuch, illustriert ausschließlich mit Fotografien? Ich konnte es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Wie will man den Kleinen anhand von Fotos eine Geschichte ...


Ein Bilderbuch ohne Zeichnungen? Ein Bilderbuch, illustriert ausschließlich mit Fotografien? Ich konnte es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Wie will man den Kleinen anhand von Fotos eine Geschichte so erzählen, dass sie ankommt, dass sie Aufmerksamkeit oder Neugier erregt, dass sie Gefühle auslöst? Doch meine Zweifel waren nach der Lektüre völlig beseitigt, im Gegenteil, das Foto-Bilderbuch hat mich begeistert.

Lotti darf in den Ferien zu ihrer Oma, was das allerschönste ist. Denn mit Oma kann man wunderbar spielen. Sie hat tolle Ideen und vor allen Dingen hat sie viel Zeit für Lotti. Doch dann passiert etwas Unglaubliches! Eines Morgens steht da doch tatsächlich ein kleines Pferd in Omas Flur. Ein niedliches, kleines, schwarzgepunktetes Pony schaut sich neugierig um und stupst Lotti freundschaftlich. Man erfährt, dass es Dotti heißt, dass es ihm arg langweilig ist und dass es aus dem benachbarten Reiterhof regelmäßig ausbüxt, weil es so klein ist und überall durchschlupfen kann. Es darf in Omas großem Garten bleiben, und für Lotti und Dotti beginnen die allerschönsten Ferientage. Doch irgendwann sind die Ferien zu Ende. Was dann? Die Überraschung, die Lotti erlebt, wird natürlich nicht verraten.

Wenn man das zauberhafte Bilderbuch durchblättert, hat man das Gefühl, dass die Fotos die Geschichte diktiert haben, nicht umgekehrt. Sie erzählen so lebendig, so frisch und witzig von wunderschönen Ferientagen, wie es Zeichnungen gar nicht könnten. Die Bildausschnitte bringen ein fröhliches, unbeschwertes Miteinander zwischen Menschen und Tier so intensiv zum Ausdruck, dass ich beeindruckt bin. Gerade die Kombination zwischen buntem (Fot-Realismus und einer Geschichte, wie sie sich Kinder gerne erträumen, macht den besonderen Reiz aus. Die Fotos sind so ausdrucksstark, dass die Geschichte auch von den Kleinen verstanden wird, die den Text noch nicht lesen können. Ein sehr gelungenes, rundum fröhlich stimmendes Bilderbuch!

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Veröffentlicht am 01.05.2020

Märchenhaft-spannende Reise in die Welt der Bilder

Joana auf Echo-Hall
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Man könnte eine Diskussion anzetteln, für welche Altersgruppe das Buch geeignet ist. Bei Amazon steht „8-10“, der Autor selbst schwankt zwischen 10 und 12. Doch solche „Standardmaße“ passen ganz und gar ...


Man könnte eine Diskussion anzetteln, für welche Altersgruppe das Buch geeignet ist. Bei Amazon steht „8-10“, der Autor selbst schwankt zwischen 10 und 12. Doch solche „Standardmaße“ passen ganz und gar nicht zum vorliegenden Buch. Hier würde ich die Zielgruppenbezeichnung „neugierig-interessiert“ wählen, egal ob 8, 10 oder 80 Jahre alt.

Hinter dem schlichten Titel verbirgt sich eine sehr fantasievolle Geschichte: Joana, ein 10-jähriges aufgewecktes Mädchen, dessen Mutter schwer erkrankt ist und deren Vater sich auf hoher See befindet, muss den Sommer auf Echo-Hall verbringen, einem weitläufigen, dunklen, alten Gemäuer. Der Hausherr, ein finsterer, freudloser Gelehrter, stellt strenge Regeln auf, an die sich Joana zu halten hat. Ganz schön trostlos und entsetzlich langweilig für Joana. Als sie jedoch entdeckt, dass es Gemälde im Haus gibt, die sich auf seltsame Weise verändern, beginnt für Joana eine aufregende, geheimnisvolle Entdeckungsreise…

Dem Autor ist es auf bewundernswerte Weise gelungen, anhand einer spannenden Rahmengeschichte symbolträchtig den besonderen Zauber, der der Malerei innewohnt, auf kindgerechte Weise zu vermitteln. Joana, die liebenswerte Hauptfigur, ist pfiffig, neugierig und herzerwärmend mitfühlend, wo nötig folgsam, aber auch mutig grenzüberschreitend. Gerade ihre Neugier, ihr Wissensdrang machen sie zur idealen Identifikationsfigur für eine Reise in die Malerei. Mittels kleiner Textpassagen hat Alexander Bálly Wissenswertes, Informatives mit der Handlung verwoben, ohne dass die Spannung darunter leidet. Denn man sieht nur, was man weiß.

Fazit: Die magische Wirkung von Kunst wird in dieser mit einem gewissen Anspruch geschriebenen, fantasievollen, lebendig-spannenden Geschichte von Anfang bis Ende spürbar. Und ich vertraue der Kraft dieser Erzählung, dass Erwachsene und Kinder durch das Buch angeregt werden zu eigenen Entdeckungsreisen, zu eigenen „Bildbegehungen“.

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Veröffentlicht am 28.04.2020

Urlaubsfeeling, Klimaschutz und ein Toter

Mitten im August
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Ein gemütlicher Sitzplatz auf der Terrasse, eine duftende Tasse Kaffee und das vorliegende Buch - fertig ist die perfekte Lesestunde. Man wird sofort weggebeamt in das südliche Italien, zu eigenwilligen ...


Ein gemütlicher Sitzplatz auf der Terrasse, eine duftende Tasse Kaffee und das vorliegende Buch - fertig ist die perfekte Lesestunde. Man wird sofort weggebeamt in das südliche Italien, zu eigenwilligen Protagonisten, zu duftenden Blüten, zu von der Sonne aufgewärmten Steinmäuerchen, zu schaukelnden Booten… „Mitten im August“ ist der gelungene Auftaktband einer Capri-Serie, deren weitere Bände ich mit Sicherheit gerne lesen werde.

Enrico Rizzi, Inselpolizist auf Capri, nutzt seinen ruhigen Posten, um seinem Vater in dessen Obst- und Gemüsegärten hoch über dem Golf von Neapel zu helfen. Sein beschauliches Leben wird jäh unterbrochen, als ein Toter, von mehreren Messerstichen getötet, in einem Ruderboot liegend an den Strand getrieben wird. Es handelt sich um Jack, den Sohn einer reichen Industriellenfamilie, Student der Ozeanologie. Rizzi gerät mit seinen Ermittlungen in seinem ersten Mordfall zwischen alle Stühle, denn einerseits soll es eine schnelle Aufklärung geben, damit die Touristen nicht wegbleiben, andererseits wird er in seinem Eifer immer wieder ausgebremst durch Kompetenzgerangel und falsche Spuren. Doch Rizzi lässt nicht locker…

Das Buch lebt in allererster Linie von seinen malerischen Beschreibungen und von der bilderreichen, atmosphärisch dichten Erzählweise. Man spürt auf jeder Seite, dass der Autor mit Herz und Seele in der Gegend lebt. Doch jenseits der schützenswerten Urlaubsidylle lässt den Autor die Frage nicht los, wie es um die Zukunft der Meere bestellt ist. Wobei es nicht genügt, die Missstände zu konstatieren: „Das Dokumentieren der zunehmenden Zerstörung ist nichts anderes als Sterbebegleitung.“ Dem Autor ist es geschickt gelungen, Informationen über die Versauerung der Ozeane und ihre gravierenden Folgen in die Krimihandlung einzubetten. Die ruhig-unaufgeregt erzählte Krimihandlung mit einer völlig unerwarteten Aufklärung gegen Ende des Buches ist dabei durchweg fesselnd zu lesen und macht Lust auf mehr.
Und das sei auch noch erwähnt. Diogenes Bücher sind immer auch ein sinnliches Vergnügen. Feines glattes Papier, gut lesbares Satzlayout, ein stimmiges Cover, dazu die gekonnt geschriebene Geschichte. Perfekt.


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