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heinoko

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Veröffentlicht am 28.06.2018

Schade um die Lesezeit

Die Toten von Paris
1

Anmerkung vorneweg: Eigentlich mag ich es nicht, wenn in der Rezension der Klappentext zitiert wird. Aber in diesem Fall wähle ich gerne diesen einfacheren Weg zur Inhaltsübersicht, da mir das Buch wenig ...

Anmerkung vorneweg: Eigentlich mag ich es nicht, wenn in der Rezension der Klappentext zitiert wird. Aber in diesem Fall wähle ich gerne diesen einfacheren Weg zur Inhaltsübersicht, da mir das Buch wenig gefallen hat und ich es mir damit gerne etwas leichter machen möchte:
„Paris 1944. Jean Ricolet ― ein junger Inspektor aus dem Süden Frankreichs ― wird nach der Befreiung nach Paris versetzt. Er soll der Form halber den Mord an einem Nazi untersuchen, der für die Verteilung der Raubkunst zuständig gewesen ist. Im Zuge seiner Ermittlungen sucht Ricolet die Kunststudentin Pauline Drucat auf, die für die Nazis als Expertin arbeiten musste, doch gleichzeitig eine Spionin der Résistance war. Gemeinsam beginnen sie und Ricolet der Spur des Mörders zu folgen. Und schnell erhärtet sich ihr Verdacht, dass von der Verteilung der Raubkunst nicht nur die deutschen Besatzer profitierten ...“
Eigentlich klingt der Plot interessant. Der geschichtliche Hintergrund – 1944, Paris ist befreit – verlockt. Am Ende des Buches frage ich mich allerdings vergeblich, was ich an Historischem erfahren habe, was ich gelernt haben könnte. Nichts. Und was habe ich über Paris, über die Franzosen gelernt? Nichts. Ein paar eingestreute französische Brocken, ein paar klischeehafte Beschreibungen. Nein, das genügt einfach nicht. Nächster Kritikpunkt sind die Protagonisten. Inspektor Ricolet, vom Lande, wird als eine Mischung aus trampelig-naiv und draufgängerisch-charmant dargestellt, dann wiederum kommandiert er seine Kollegen herum, die Kollegen erst ganz klischeehaft mit Vorbehalten ihm gegenüber, dann machen sie plötzlich alles, was er möchte, Pauline als verlogen-betrügerisch, sich selbst verkaufend (ach ja, Zeitbezug, da konnte man nicht anders, wenn man etwas erreichen wollte…), mitunter geradezu pubertär wirkend, aber auch wieder irgendwie anziehend, niemals aber wie eine mutige Frau in der Résistance. Also rundum sind die Protagonisten in ihren sehr gemischten Persönlichkeiten jenseits aller minimal-psychologischen Kenntnisse gezeichnet, dazu noch so blass-lebensleer beschrieben, dass man als Leser diesen Menschen sehr fern bleibt. Man liest als leidlich interessierter Zuschauer, ohne Emotionen, ohne Hoffen und Bangen, man liest einfach nur, damit man das Buch gelesen hat. Eine gewisse Spannung flackert hin und wieder auf, aber dieses Spannungsfeuer erstickt sich selbst immer wieder an seinen Unwahrscheinlichkeiten. Dass der Sprachstil sperrig ist, spröde, umständlich, rundet den Negativeindruck ab. Das Buch mischt wild alle Genres von Krimi bis Schmonzette, verbindet dieses Durcheinander in unpassendem Sprachstil und verpasst dem Ganzen sozusagen als Garnierung ein paar hübsche französische Wörter und ein Kriegsjahr, das sich in diesem Buch so harmlos wie Hustenbonbon darstellt. Schade um die Lesezeit!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Figuren
  • Geschichte
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 27.06.2018

Langer Tanz um's Feuer

Das Paar aus Haus Nr. 9
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Viel geschieht eigentlich nicht in diesem Buch: Sara und Keith mit ihren beiden Kindern leben ein geordnetes, strukturiertes und durchaus glückliches Familien- und Berufsleben. Als die neuen Nachbarn, ...

Viel geschieht eigentlich nicht in diesem Buch: Sara und Keith mit ihren beiden Kindern leben ein geordnetes, strukturiertes und durchaus glückliches Familien- und Berufsleben. Als die neuen Nachbarn, Gavin und Louise, im Nebenhaus einziehen, beobachtet sie Sara erst verstohlen, dann immer offenkundiger. Nach ersten vorsichtigen Kontaktaufnahmen werden Sara und Keith mehr und mehr in die unkonventionelle Welt der neuen Nachbarn hineingezogen. Da gibt es altersfleckige Bettwäsche, vor Schmutz klebende Fußböden, halb abgebeizte Türen, völlig vernachlässigte und unerzogene Kinder. Alles nimmt Sara, die perfekte Hausfrau, wahr, durchaus erst mit Schaudern, dann aber zunehmend mit einer unerklärlichen Faszination. Je mehr Zeit Sara und Keith mit ihren neuen Nachbarn verbringen, umso mehr löst sich ihr eigenes wohlgeordnetes Leben auf.

Ich habe das Buch gelesen, als sei ich selbst eine neugierige Nachbarin, stünde hinter einer imaginären Gardine und könnte es einfach nicht lassen, die beiden Ehepaare zu beobachten. Und ich war, wie Sara, gleichermaßen angezogen und abgestoßen von diesen so verschiedenen Lebensformen. Ich schaute fasziniert zu, wie Sara und Keith zunehmend sich selbst verloren, indem sie, wie sie selbst glaubten, mehr Weltoffenheit gewannen. Voyeuristisch schaute ich als Leserin diesen Menschen beim Leben zu und wartete gespannt auf das entscheidende Drama. Eine seltsame Spannung liegt über dem gesamten Buch, sehr eindringlich ist es geschrieben, mit großartiger Beobachtungsgabe in Szene gesetzt, mit schönen Wortbildern („… wie eine psychedelische Trappfamilie…“) farbig gemalt. Auch psychologisch stimmig werden die Menschen dargestellt, von sehnsüchtiger Unsicherheit bis zur exaltierten Selbstüberschätzung wird eine große Bandbreite menschliche Eigenschaften anhand von kleinen Szenenschnippseln bildlich nachvollziehbar gemacht. Für mich erscheint dieses gelungene Buch wie ein langer, sehr langer Tanz um das Feuer und der voyeuristische Leser wartet von Seite zu Seite darauf, wann sich wer wie schwer verbrennen wird.

Veröffentlicht am 25.06.2018

Höchste Erwartungen in Perfektion erfüllt

Der Flüstermann: Thriller
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Meine Erwartungen an jedes neue Buch von Catherine Shepherd sind hoch, höher, am höchsten. Und jedes Mal erfüllt Catherine Shepherd diese meine höchsten Erwartungen aufs Neue in Perfektion. Allein schon ...


Meine Erwartungen an jedes neue Buch von Catherine Shepherd sind hoch, höher, am höchsten. Und jedes Mal erfüllt Catherine Shepherd diese meine höchsten Erwartungen aufs Neue in Perfektion. Allein schon für diese Verlässlichkeit in puncto Thrillerspannung pur schätze ich die Autorin sehr. Auch bei dem vorliegenden Buch geht es mir so: Ich beginne zu lesen und habe das Gefühl, vor Spannung den Atem anzuhalten, bis ich am Ende angelangt bin, nach Luft schnappend…
Um nicht zuviel vom Inhalt zu verraten, nutze ich dieses Mal den Klappentext zur Einstimmung: Ein grauenvolles Video taucht im Internet auf. Eine junge Frau wird vor den Augen aller Welt ermordet. Der Täter flüstert ihr vorher etwas ins Ohr, das Laura Kern zutiefst schockiert. Die Spezialermittlerin arbeitet auf Hochtouren, doch bereits nach kurzer Zeit wird ein neues Video veröffentlicht. Der Killer scheint seine Opfer wahllos von der Straße zu holen. Bevor er tötet, testet er sie. Laura jagt ein Monster, das ihr immer einen Schritt voraus ist. Erst viel zu spät entdeckt sie ein dunkles Geheimnis, das sie auf die Spur des Serienmörders bringt. Aber der hat das nächste Opfer längst in seiner Gewalt, und niemand vermag zu sagen, ob Laura ihn rechtzeitig stoppen kann.“
Die Meisterschaft von Catherine Shepherd liegt darin, durch schnelle Perspektiv- und Zeitenwechsel den Leser durchs Buch zu jagen. Perfekt gesetzte Cliffhanger hangeln ihre Fangarme nach dem Leser und halten ihn fest, sodass ihm nichts anderes übrig bleibt, als weiter von Kapitel zu Kapitel zu eilen, in alle von der Autorin als verlockend angezeigten Fallen zu tappen, sich wieder aufzurappeln und weiter und weiter zu lesen bis zum Herzschlagfinale. Die Protagonisten sind wie immer absolut stimmig dargestellt, die erzählte Geschichte eines die Jahre überdauernden Racheverlangens ist nachvollziehbar. Alle Zutaten werden in gekonnter Weise zu einem atemberaubend spannenden Thriller gemixt. Aber seien Sie gewarnt: Beginnen Sie das Buch nur, wenn nichts und niemand auf Sie wartet, denn Sie werden, solange Sie lesen, Ihr Umfeld restlos vergessen!

Veröffentlicht am 24.06.2018

Grandios erzählt, nicht nur für Jugendliche

Hyde
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Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an, nein, schon beim genaueren Betrachten des Covers, in seinen Bann gezogen und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen! Da ich den Inhalt nicht erzählen ...

Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an, nein, schon beim genaueren Betrachten des Covers, in seinen Bann gezogen und bis zur letzten Seite nicht mehr losgelassen! Da ich den Inhalt nicht erzählen kann, ohne Wesentliches der Geschichte zu verraten, bemühe ich dieses Mal ausnahmsweise den Klappentext: „Seit sie denken kann, ist Hyde Katrinas Zuhause gewesen. Hier ist sie aufgewachsen, mit ihrer Schwester Zoe und ihrem Vater. Jetzt ist Hyde verschwunden – und Katrina auf sich allein gestellt. Von dem, was geschehen ist, weiß sie nur noch Bruchstücke. Als sie beginnt, ein verfallenes Haus zu renovieren, mit dem sie sich auf seltsame Weise verbunden fühlt, führt sie dies auf die Spur eines ungeheuren Geheimnisses. Ist sie überhaupt diejenige, die sie glaubt zu sein?“
Das Buch ist meiner Meinung nach grandios geschrieben. Zwei Erzählstränge, Gegenwart und erinnerte Vergangenheit, werden aus Sicht von Katrina erzählt. Katrina ist eine seltsame Achtzehnjährige, Tischlerin auf der Walz, mit einer undeutlichen Aussprache und einem Tuch vor dem Gesicht. Die beiden Erzählstränge bewegen sich erst einmal in langsamen Schritten aufeinander zu, aber je mehr die Handlung voranschreitet, desto schneller finden die Sprünge von Jetzt zu Früher und zurück statt, wobei von Abschnitt zu Abschnitt immer neue Wendungen, neue Fragen, Rätsel und Ungewissheiten auftreten. Allein schon dieses Stilmittel schafft eine Steigerung der Spannung, die atemlos macht. Die Person Katrina, überhaupt alle Personen im Buch, werden außerordentlich lebendig beschrieben, man kommt Katrina im Laufe des Buches als Leser sehr nahe, was ebenfalls einen Teil der Spannung ausmacht. Und dann ist da für mich persönlich das wichtigste Element, der großartige Sprachstil, der teilweise fast expressionistisch mit Wörtern malt wie z. B. die Abendstimmung wie „Johannisbeersirup – ausgelaufen am Himmel“, und so die Geschehnisse, die durchaus auch etwas Mystisches haben, ganz und gar stimmig erzählt. Das Buch löst einen gewaltigen Sog aus, so dass man sich als Leser restlos im Geschehen verliert und die vielen angeschnittenen Themen und damit verbundenen Gefühle hautnah erlebt.
Fazit: Ein grandios erzähltes Buch, fesselnd, erschreckend, intensiv – und keinesfalls „nur“ ein Jugendbuch!

Veröffentlicht am 22.06.2018

Unaufgeregt-sympathische Sommerlektüre

Mein wunderbarer Buchladen am Inselweg
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Unaufgeregt-sympathische Sommerlektüre

Noch ein letzter Auftrag für die Redaktion, dann Abflug in ein neues Leben in Boston, zusammen mit Freund Harald, zur Gründung einer eigenen Agentur! Frieke ist ...

Unaufgeregt-sympathische Sommerlektüre

Noch ein letzter Auftrag für die Redaktion, dann Abflug in ein neues Leben in Boston, zusammen mit Freund Harald, zur Gründung einer eigenen Agentur! Frieke ist Journalistin, liebt ihr Smartphone und liebt es zu twittern. Und nun soll sie noch schnell vor Abreise auf die Insel Spiekeroog, um einen verschrobenen Ornithologen, Bengt Gerjets, zu interviewen. Dieser Vogelkundler lebt zurückgezogen und fern aller Bequemlichkeiten der modernen Zeit in einem Bauwagen und beobachtet Brandseeschwalbenkolonien. Oder hat ihr Chef, der auch ein guter Freund von Frieke ist, noch andere Gedanken, Frieke auf die Insel zu schicken? Denn ihr leibliche Vater, den Frieke nie gesehen hat, lebt auch auf Spiekeroog, schwer an Krebs erkrankt. Und dann gibt es noch die Inselbuchhandlung, deren Betreiber sich sehnlichst einen würdigen Nachfolger wünschen, damit sie selbst in einem Cottage in Irland ihren Lebensabend verbringen können.
Ja, richtig, das klingt nach Schmonzette. Und es klingt nach einer vorhersehbaren Geschichte. Und doch hat das Buch Qualitäten, die es von der befürchteten verkitschten Groschenheftchenromantik weit entfernt. Zum Beispiel hat es Humor. Da gibt es so manch eine schräge Situation, so manchen „wortreichen“ Ausspruch, der es auf den Punkt bringt. „Du bist Frieke“. „Und du bist Ole.“ Mehr nicht. So begegnen sich Frieke und ihr Vater erstmalig und gehen wieder ihrer Wege. Ostfriesisch knapp halt. Und dann ist da auch die unbedingte Liebe zur Literatur, zu Büchern. Ebba, die Betreiberin der Inselbuchhandlung, hat die Gabe, für jeden Menschen in seiner speziellen Situation genau das richtige Buch zu finden. Man ist als Leser überrascht, mit wieviel Literaturkenntnis solche Szenen geschrieben sind. Und dann ist da die Fähigkeit der Autorin, sehr bildhaft nachspürbar die besondere Ausstrahlung der Insel Spiekeroog in Worten zu malen, die Kraft der Natur geradezu fühlbar zu machen. In einem lebendig-frischen Erzählstil bringt uns die Autorin ihre Protagonisten näher, die alle besondere, eigenständige, psychologisch nachvollziehbare, aber vor allen Dingen sympathische Persönlichkeiten sind. Insgesamt gesehen eine anrührend-unterhaltsam und wohltuend unaufgeregt erzählte Geschichte, eine wohltuend sommerleichte Sommerlektüre.
Lediglich einige Rechtschreibfehler, insbesondere in der Großschreibung, stören den guten Gesamteindruck. Und jemand sollte der Autorin noch die alte, aber immer noch gültige Regel beibringen: „Wer brauchen ohne „zu“ gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.“