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Veröffentlicht am 15.01.2024

Dranbleiben lohnt sich!

Milchmann
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„Damals, als ich achtzehn war, lauteten die Grundregeln in der permanent alarmbereiten Gesellschaft, in der ich aufgewachsen war: Wenn keine körperliche Gewalt ausgeübt und man nicht direkt verbal beleidigt ...

„Damals, als ich achtzehn war, lauteten die Grundregeln in der permanent alarmbereiten Gesellschaft, in der ich aufgewachsen war: Wenn keine körperliche Gewalt ausgeübt und man nicht direkt verbal beleidigt worden war und keiner in der Nähe blöd guckte, dann war auch nichts passiert. Wie also konnte man Opfer von etwas sein, das es gar nicht gab?

Ein deutlich älterer verheirateter Mann stellt einer jungen Frau nach und doch schauen alle nur auf sie.

Bei Milchmann ist nicht nur der Titel, sondern auch die Art der Erzählung ungewöhnlich: Keine der Figuren trägt einen Namen & der Ort wird nicht genannt. Stattdessen begegnen wir Milchmann – nicht zu verwechseln mit Echter Milchmann –, erfahren etwas über Schwager Eins bis Drei, bekommen von Älteste Freundin gutgemeinte Ratschläge und besuchen Vielleicht-Freund.

Ich habe einige Seiten gebraucht, um mich an die Namenslosigkeit zu gewöhnen, empfinde es rückblickend aber sehr passend: Ständig wird be- und verurteilt, es gibt nur „wir“ oder „die“, andere Gedanken haben keinen Platz. Alles bleibt austauschbar. Irritationen werden als Schwachsinn abgetan & die Personen gesellschaftlich ausgeschlossen.

„Er war bei der Arbeit von einer Autobombe in den Tod gerissen worden, weil er die falsche Religion am falschen Ort gehabt hatte, so was kam vor.“

Und dann wäre da noch die Gewalt und die Willkür, die für die Erzählerin zum Alltag gehören, mich in ihrer Selbstverständlichkeit hingegen nicht nur einmal aus der Bahn geworfen haben.

Die Einblicke, wie die Gemeinschaft tickt, wo Grenzen gezogen werden (oder auch nicht), wie sich die Gerüchte weiterverbreiten und ein Eigenleben entwickeln sowie die eindringliche Schilderungen der Protagonistin, wie sie zunehmend in die Isolation getrieben wird, obwohl sie so dringend Solidarität bräuchte, haben mich sehr bewegt.

Insgesamt ein besonderes Buch, das Konzentration fordert und nicht ohne Ausschweifungen auskommt, sich aber sehr lohnt.

Meine Empfehlung: Gemeinsam lesen! Die verschiedenen Interpretationen & der Austausch zum Nordirlandkonflikt (namentlich nicht genannt, aber stets präsent) waren für mich Gold wert.

Die Übersetzung stammt von Anna-Nina Kroll. 📝

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Veröffentlicht am 31.12.2023

Ein wunderbares Buch zum Besprechen & Diskutieren

Kleine Dinge wie diese
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„Diese Geschichte ist den Frauen und Kindern gewidmet, die in irischen Mutter-Kind-Heimen und in Magdalenen-Wäschereien gelebt und gelitten haben“, bereits die Widmung des Buches macht deutlich, dass in ...

„Diese Geschichte ist den Frauen und Kindern gewidmet, die in irischen Mutter-Kind-Heimen und in Magdalenen-Wäschereien gelebt und gelitten haben“, bereits die Widmung des Buches macht deutlich, dass in „Kleine Dinge wie diese“ ein dunkles historisches Kapitel aufgemacht wird.

Wir begleiten den Kohlenhändler Billy Furlong und seine Familie. Es sind schwierige Zeiten (Irland, 1985), dennoch schafft er es für sich, seine Frau und die gemeinsamen fünf Töchter ein recht behütetes Leben zu ermöglichen. Weder Tratsch noch Gerüchte kommen bei ihm an, dafür versorgt ihn seine Frau mit regelmäßigen Einblicken. Bis Billy bei einer Auslieferung eine verstörende Entdeckung im Kohleschuppen des Klosters, einer seiner wichtigen Auftraggeber, macht. „Er muss eine Entscheidung treffen: als Familienvater, als Christ, als Mensch.“

Trotz der wenigen Seite habe ich die Atmosphäre als sehr dicht und emotional ergreifend empfunden. Abgesehen vom Inhalt bin ich daher nachhaltig beeindruckt, wie wenig Seiten die Autorin gebraucht hat, um so eine Geschichte zu stricken. Worum geht es beim Helfen? Um das Ergebnis oder darum den Anfang zu machen bzw. überhaupt die Hand ausgestreckt zu haben? Und was ist mit denen, die die Konsequenzen ungewollt mittragen?

Alle weiteren Ausführungen würden zu Spoilern führen, daher kann ich euch nur ans Herz legen das kurze Buch zur Hand zu nehmen. In der Leserunde hat das Buch auf jeden Fall für viel Gesprächsstoff gesorgt und mich noch lange beschäftigt.

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Veröffentlicht am 31.12.2023

Bereit für Séancen im viktorianischen Zeitalter?

Die geheime Gesellschaft
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1873: Ein Medium nutzt ihre Gabe, um ungeklärte Mordfälle zu lösen, während die Séance Society Frauen von ihren Erkenntnissen ausschließt und den exklusiven Status zu erhalten versucht – bis einer aus ...

1873: Ein Medium nutzt ihre Gabe, um ungeklärte Mordfälle zu lösen, während die Séance Society Frauen von ihren Erkenntnissen ausschließt und den exklusiven Status zu erhalten versucht – bis einer aus den eigenen Reihen stirbt...

Mich haben letztendlich vor allem zwei Aspekte bewegt: Zum einen, dass Lenna aus Liebe zu ihrer verstorbenen Schwester unbedingt an die spirituellen und okkulten Praktiken glauben möchte – und sich sogar ausbilden lässt! –, gleichzeitig aber ohne Beweise an deren Echtheit zweifelt, und zum anderen wie Trauer und Konventionen ein zentrales Bindeglied der Geschichte werden.

Atmosphärisch hat mir die Geschichte gut gefallen, wobei es für mich noch etwas unheilvoller hätte sein können. Dafür waren die breite Menge an (zum Teil auch widersprüchlichen) Gefühlen, die die beteiligten Personen mit in die Séancen bringen, für mich sehr greifbar. Außerdem war der weibliche Zusammenhalt erfrischend.

Es gab leider einen Charakter, der einfach eine maximal unangenehme Person ist – wie einige Leute in den Kommentarspalten bei Facebook – und bei dem ich grundsätzlich die schlimmsten Handlungen erwartet habe. Hier hätte ich mir gewünscht, dass die Entwicklung etwas subtiler gewesen wäre.

Trotz der düsteren Themen und Unholde finden auch zarte Gefühle ihren Weg in die Geschichte. Ohne Machtgefälle hätte mir diese Entwicklung besser gefallen, schön fand ich‘s trotzdem.

Insgesamt ist „Die geheime Gesellschaft“ ein leichtgängiger Genre-Mix für einen gemütlichen Sonntag auf dem Sofa. Ich war bis zum Ende gespannt, ob und wie die Autorin die Frage nach Geistern lösen wird: Alles nur Trugbilder oder gibt es doch Dinge, die unerklärlich bleiben?

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Veröffentlicht am 31.12.2023

Extrem interessant & zum Teil überraschend

Fake History – Hartnäckige Mythen aus der Geschichte
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Was meint ihr, wie viele Aussagen sind wahr?

🗡️ Daumen runter bedeutete in der römischen Antike den Tod des Gladiators.

🌊 Tote Wikinger wurden auf See in einem brennenden Schiff bestattet.

🍰 In einem ...

Was meint ihr, wie viele Aussagen sind wahr?

🗡️ Daumen runter bedeutete in der römischen Antike den Tod des Gladiators.

🌊 Tote Wikinger wurden auf See in einem brennenden Schiff bestattet.

🍰 In einem portugiesischen Kloster gibt es eine sehr schmale Tür, die zum Speisesaal führt. Mönche, die nicht hindurchpassten, wurden als Sünder (Völlerei) betrachtet.

📺 Die Serie EastEnders zeigte 1989 den ersten gleichgeschlechtlichen Fernsehkuss.

ᴡᴇʀʙᴜɴɢ | Sachbücher sieht man eher selten bei mir, aber hartnäckige Mythen aus der Geschichte haben mich neugierig gemacht. (Zumal Wissen & Gesellschaft ein spannendes Themenfeld ist!)

Die Geschichten reichen z. B. von absichtlich verändert – das spielt z. B. bei der Erfindung des Autos eine Rolle – über Anekdoten für Tourist:innen, die sich verselbstständigt haben, bis hin zu künstlerischen Projekten, die ihrem Kontext entzogen & als Beweise für nicht so ganz wahre Wahrheiten genutzt wurden.

Jeder Aspekt ist in zwei kurze Abschnitte unterteilt: „Was man Ihnen vielleicht erzählt hat“ & „Die Widerlegung“. Außerdem findet sich am Ende ein Quellenverzeichnis – unterteilt nach den einzelnen Themen. Zusätzlich gibt’s ein paar Tipps zum Start eigener Recherchen.

Für mich war vor allem interessant, wie es zu dem falschen Wissen gekommen ist, was nicht heißt, dass es nicht kurzweilig war zu lesen, wie es wirklich war. Trotzdem hat es einen besonderen Reiz zu schauen, wo aus welchen Gründen falsch abgebogen wurde.

Gelegenheiten zum Schmunzeln gibt es auch: Ein Zitat, das Motivationscoaches aber auch Politiker:innen scheinbar gerne nutzen, stammt nicht – wie oft behauptet – von einem ehemaligen Präsidenten, sondern von einer Country-Sängerin. 🤭 Wie schon die Autorin sagt: „Das mildert natürlich nicht seinen Wert, aber es macht Spaß, die Wahrheit jenen Typen unter die Nase zu reiben […], die denken sie würden einen Staatsmann zitieren.“

Da alle 101 Dinge, die so nie passiert sind, auf unter 500 Seiten Platz finden, sind es sehr kurze Abrisse. Unterhaltsam ist es allemal – und manchmal etwas erschreckend.

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Veröffentlicht am 31.12.2023

Enttäuschende Protagonistin

When The King Falls
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Nachdem mir When The King Falls wiederholt empfohlen wurde, habe ich mich auch in die Höhle der Vampire begeben:

„ɪᴄʜ ʙɪɴ sᴇɪɴᴇ ᴀᴜsᴇʀᴡäʜʟᴛᴇ. ɪᴄʜ ʙɪɴ sᴇɪɴ sᴄʜɪᴄᴋsᴀʟ. ɪᴄʜ ʙɪɴ sᴇɪɴ ᴛᴏᴅ…“ Eine Assassinin, ...

Nachdem mir When The King Falls wiederholt empfohlen wurde, habe ich mich auch in die Höhle der Vampire begeben:

„ɪᴄʜ ʙɪɴ sᴇɪɴᴇ ᴀᴜsᴇʀᴡäʜʟᴛᴇ. ɪᴄʜ ʙɪɴ sᴇɪɴ sᴄʜɪᴄᴋsᴀʟ. ɪᴄʜ ʙɪɴ sᴇɪɴ ᴛᴏᴅ…“ Eine Assassinin, die an den Hof des Königs geschickt wird, um der Herrschaft der Vampire ein Ende zu setzen – uh ja!

Leider war das „Drumherum“ nur auf dem Klappentext aufregend und letztendlich austauschbar & (für mich) nicht griffig, was ich so schade finde, weil das Setting mit entsprechendem Worldbuilding sicher interessant gewesen wäre! Ich hätte z. B. gern mehr von den Zuständen außerhalb des Schlosses erfahren und mehr Tiefe bei den Nebencharakteren beobachtet. Letztendlich hätte der Vampirkönig auch der vermeintlich „eiskalte“ CEO sein können & sie die tollpatschige Praktikantin, die um jeden Preis ein Empfehlungsschreiben für ihre Traumuniversität bekommen will und auf dem Weg dahin daran zweifelt, ob es wirklich ihr Traum oder der ihrer Eltern ist.

Florence hätte ich aufgrund ihres Verhaltens auf jeden Fall deutlich jünger eingeschätzt & ihre Naivität und Unbeholfenheit hat mich unangenehm überrascht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie ihr Leben lang auf ihre Mission vorbereitet wurde, stattdessen hatte sie Chosen-One-Vibes am Tag der Offenbarung. Außerdem war „ʙɪs ᴢᴜʀ ɴᴀᴄʜᴛ ᴅᴇʀ sᴏᴍᴍᴇʀsᴏɴɴᴇɴᴡᴇɴᴅᴇ ᴡɪʀᴅ ᴅᴇʀ ᴋöɴɪɢ ᴛᴏᴛ sᴇɪɴ. ᴅᴇɴɴ ᴡᴇɴɴ ᴇʀ ᴍᴇɪɴᴇ ᴅᴏʀɴᴇɴ ʙᴇᴍᴇʀᴋᴛ, ɪsᴛ ᴇs ʟäɴɢsᴛ ᴢᴜ sᴘäᴛ.“ aus meiner Sicht Selbstüberschätzung – sie war eher eine sensible Zimmerpflanze.

Die fehlende Sympathie hat es dem Buch leider schwer gemacht, weil ich emotional automatisch weniger involviert war. Dazu war auch die Rebellion blass – und zusätzlich bei beinahe allem schlecht oder gar nicht informiert.

Wenn ihr Lust auf Romance habt & das „Drumherum“ nur ein Zusatz ist, ist es vermutlich eine unterhaltsame Geschichte für zwischendurch. Ich hatte mehr Plot (außerhalb der Annäherungen) und einfach mehr Fantasy erwartet. Dass es am Ende plötzlich Schlag auf Schlag geht, hat's für mich auch nicht ausgeglichen. Schade!

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