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Veröffentlicht am 29.03.2023

Keine perfekte Geschichte

Dein Taxi ist da
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„Aber das ist keine perfekte Geschichte. Das war sie von Anfang an nicht.“ (Seite 150)

Aber eine gute, das schon. Vielleicht nicht für die Figuren von Priya Guns‘ „Dein Taxi ist da“. Aber durchaus für ...

„Aber das ist keine perfekte Geschichte. Das war sie von Anfang an nicht.“ (Seite 150)

Aber eine gute, das schon. Vielleicht nicht für die Figuren von Priya Guns‘ „Dein Taxi ist da“. Aber durchaus für die Leser:innen ihres Debütromans. Vielschichtig ist er, vielleicht zu vielschichtig, zu voll, zu übertrieben manchmal, und daher nicht perfekt. Aber er ist launig, rasant, emotional, verwirrend und am Puls der Zeit.

Damani ist Fahrerin für RideShare, eine Taxi-Unternehmen, das ihren Fahrer:innen immer weniger zahlt – im Buch ist an einer Stelle von 25 % einer 120 Dollar-Fahrt für Damani die Rede – und so die Wut, den Protest von Damanis Freund:innen entfacht. Das ist ein Teil der Geschichte. Der vielleicht interessanteste, politisch brisanteste und stärkste, wenn sich die Fahrer:innen mit Demonstranten anderer Bewegungen auf die Straße begeben, aber auch eigene Aktionen planen. Was schade ist: Dieser Aspekt verliert sich irgendwann, zumindest in seiner Wichtigkeit.

Es geht um Armut und Existenzängste, Damani und ihre Mutter fürchten ständig, ihre Wohnung aufgrund von Mietrückständen verlassen zu müssen, seit ihr Vater gestorben ist. Und trotz abgeschlossenen Studiums ist kein „richtiger“ Job für sie in Aussicht. Es ist auch eine queere Liebesgeschichte, die rasant beginnt und in einer Katastrophe endet, um am Ende – tja nun, da setzt eine weitere Geschichte ein.

Denn das Auseinanderbrechen von Damani und Jolene, gefolgt von Stalking(ängsten), Verfolgungsjagden und Spendensammlung ist insofern verwirrend, dass nicht ganz aufgelöst wird, ob wir hier eine unzuverlässige Erzählerin haben oder eine Ex, die an paranoider Schizophrenie leidet, ohne hier eine tiefere Ebene zu erreichen.

Etwas anstrengender sind die Einschübe einer Vloggerin und – immerhin nur in einem späteren Kapitel auftauchenden – Tweets, die auf die Handlung anspielen. Das lässt sich aber verzeihen, denn Priya Guns hat in ihrem Debüt tolle Figuren entwickelt, nicht nur mit der Hauptperson, sondern auch mit den weiteren Charakteren wie Miss Patrice, Shereef und eben jener Jolene.

„Dein Taxi ist da“ bündelt Zukunfts- und Existenzängste, Rassismus, Familie und Liebe zu einer spannenden, leicht konfusen, aber grundsympathischen Geschichte. Nicht perfekt. Aber lesenswert. Und wichtig.

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Veröffentlicht am 21.03.2023

Ein Land vor unserer Zeit

Rote Sirenen
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Verrückt. Unfassbar. Unbegreiflich. Keine Ahnung, welche Wörter Victoria Belim durch den Kopf schossen, als sie an den letzten Wörtern von „Rote Sirenen“ saß und Russland seinen Angriffskrieg gegen die ...

Verrückt. Unfassbar. Unbegreiflich. Keine Ahnung, welche Wörter Victoria Belim durch den Kopf schossen, als sie an den letzten Wörtern von „Rote Sirenen“ saß und Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine begann. Denn ihr Buch ist ihre Geschichte, ihre Familiengeschichte in der Ukraine vor den Weltkriegen und nach dem Überfall auf die Krim. Das hier und jetzt und heute ist noch gar nicht Teil dieses Buchs – es spielt in einem Land vor unserer Zeit.

Victoria, Vika, ist in den 90ern mit ihrer Familie in die USA ausgewandert, lebte dort lange, blieb mit ihrer Familie so gut es ging in Kontakt, wenige Besuche, mehr Skype-Telefonate. Als ihr Vater starb, zog sie mit ihrem Mann nach Brüssel. Und als 2014 die Krim annektiert wurde, sie sich mit ihrem Onkel zerstritt, da machte sie sich auf Spurensuche. Wer war ihre Familie? Und was ist eigentlich mit ihrem Urgroßonkel passiert – eine große, stillschweigende Leerstelle in ihrem Stammbaum.

„Rote Sirenen“ ist kein Buch, dass die Hintergründe des Überfalls auf die Krim oder gar den Angriffskrieg erklärt, wohl aber die schwierige Beziehung zwischen Russland und der Ukraine, zwischen Russen und Ukrainern beleuchtet, von der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg bis heute. Und die auch zeigt, dass manche Menschen in der Ukraine Russland, andere Europa näherstehen – und viele einfach ihre Ruhe wollen.

Irgendwo zwischen Biografie, Roman und Sachbuch angelegt, wirken manche Dialoge leider etwas zu konstruiert, zwischendurch hakte mein Lesefluss gewaltig, aber nicht so, dass ich das Buch aus der Hand legen wollte. Es ist eine spannende Reise in ein trotz der Nachrichtenpräsenz unbekanntes Land, eine Heimat voller Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Das Tragische: Es ist völlig unklar, wie es den Menschen heute geht, abgesehen von Vikas 2021 an COVID-19 verstorbener Großmutter, die den neuerlichen Krieg nicht mehr erlebte, der die Ukraine wieder einmal veränderte und das Land aus „Rote Sirenen“ zu einem Land vor unserer Zeit machte, wieder einmal.

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Veröffentlicht am 03.03.2023

Theater im Wald

Grimmwald: Teds und Nancys total verrücktes Abenteuer – Band 1
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Kopflos geht es zu in Grimmwald. Erst erwischt es den guten Binky, dann … ach nein, das wäre ein Spoiler zu viel. Aber: Wer Kinderbücher nicht schätzt, in der Tiere anderen Tieren den Kopf abbeißen, für ...

Kopflos geht es zu in Grimmwald. Erst erwischt es den guten Binky, dann … ach nein, das wäre ein Spoiler zu viel. Aber: Wer Kinderbücher nicht schätzt, in der Tiere anderen Tieren den Kopf abbeißen, für den ist Grimmwald nichts. Alle anderen könnten viel Spaß haben auf dem Land. So wie Ted. Nicht so wie Nancy.

Ted und Nancy sind zwei Fuchsgeschwister. Sie leben in der großen Stadt, ihre Eltern sind weg und sie haben Beef mit den Katzen. Besonders mit einer: Prinzessin Pinöckel. Dieses gar nicht mal so reizende Exemplar einer Mieze will die Herrschaft über die Mülltonnen der örtlichen Imbissbude an sich reißen und verliert dabei ihren Schwanz, als Ted ihn mit einem Hot Dog verwechselt. Kann ja mal passieren. Die Fuchs-Geschwister müssen jedenfalls vor Prinzessin Pinöckels Zorn untertauchen – in Grimmwald.

Ein wenig erinnert das an den umgedrehten Plot von Jörg Isermeyers Reihe „Dachs und Rakete“, nur ist es brachialer, lauter und mitunter ein bisschen weniger herzlich. Very british eben, könnte man sagen, allerdings weiß die Zielgruppe vermutlich noch zu wenig damit anzufangen. Die Füchse werden in Grimmwald herzlich aufgenommen, mit verlassenem Fuchsbau und frischen Smoothies versorgt und sogar auf einen Kaffee eingeladen, was Nancy zumindest ein kleines Lächeln abringt, während ihr Bruder den Spaß seines Lebens hat und zum ersten Mal überhaupt Freunde findet.

Wer zunächst vermutet, dass hier ein Unheil mitschwingt, sich die Bewohner Grimmwalds als fuchsfressende Sekte oder der Wald als verwunschener Gruselforst entpuppen wird, der … naja, ist entweder furchtbar enttäuscht oder ziemlich erleichtert, denn in Grimmwald passiert nichts Böses. Es gibt eine Menge Theater, aber nur auf der Bühne, einen etwas durchgeknallten Vogel, siehe Kopflosigkeit, ansonsten ist die Geschichte harmlos, bis Prinzessin Pinöckel mit ihrer Katzenbande auftaucht.

Nadia Shireens „Grimmwald“ ist durchaus gefällig, aber leider fehlt doch ein bisschen der Charme, die Herzlichkeit und vielleicht auch ein gewisser Plottwist, der über Prinzessin Pinöckels Auftauchen in Ted und Nancys neuer Heimat hinausgeht. Immerhin: Dies ist erst der erste Band von einigen – da kann also noch einiges in Grimmwald passieren. Denn so viel kann verraten werden: Ted und Nancy zieht es nicht zurück in die Stadt. Warum auch?

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Veröffentlicht am 27.02.2023

Shakespeare und Super Mario

Morgen, morgen und wieder morgen
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Nach 400 Seiten bricht Gabrielle Zevin den Leser:innen das Herz. Oder zumindest mir, dabei bin ich eigentlich immer relativ emotionslos, wenn Roman- oder Filmfiguren etwas passiert, das nichts Gutes verheißt. ...

Nach 400 Seiten bricht Gabrielle Zevin den Leser:innen das Herz. Oder zumindest mir, dabei bin ich eigentlich immer relativ emotionslos, wenn Roman- oder Filmfiguren etwas passiert, das nichts Gutes verheißt. Aber: In „Morgen, morgen und wieder morgen“ geschehen ständig unschöne Dinge – Unfälle, Übergriffe, Überfälle – und dennoch, vielleicht auch gerade deswegen, ist es ein gutes Buch. Aber auch: kein sehr gutes.

Goodreads Leser:innen kürten „Tomorrow, tomorrow and tomorrow“ mit deutlichem Abstand zum „Best Fiction“-Buch 2022, eine Verfilmung ist in Arbeit und das ist auch nachvollziehbar. Zevin schafft hier eine spannende Coming-of-Age Geschichte zwischen Freundschaft und Liebe und mit ganz viel 90er- und 00er-Jahre-Zeitgeist. Die Storyline kurz zusammengefasst: Sam und Sadie lernen sich in einem Krankenhaus in Los Angeles kennen, sie als Begleitung ihrer krebskranken Schwester, er nach einem Autounfall, gemeinsam zocken sie Super Mario, Tag für Tag, bevor ein Streit sie für Jahre trennt. In Boston treffen sie sich wieder, zufällig in der U-Bahn, sie steckt ihm ein von ihr programmiertes Videospiel in die Hand – und ein paar Seiten später entwickeln sie gemeinsam ein neues Spiel.

Es gibt viele Rückblenden, es gibt Blicke in die Zukunft, Interviews mit Sam und Sadie als Erwachsene, zurückblickend auf ihre Videospiele, die zu großen Erfolgen wurden. Manche Episoden werden aus Sadies, manche aus Sams Sicht erzählt, Teile auch aus der von Sams Mitbewohner Marx, eine Figur, die vermutlich am besten das Prädikat „Most wholesome character“ des Jahres verdient, wenn wir schon bei Preisen sind. Spannend ist dabei weniger die Not-Love-Story der Hauptfiguren, eher, wie sie selbst die jeweiligen Lebenssituationen beurteilen, bewerten, sich einander oft misstrauen und dabei selbst um ein schöneres, gemeinsameres Leben bringen. Egal ob als Paar oder Freunde.

Dass all dem der literarische Aufbau einer Tragödie innewohnt, macht schon der an Shakespeare angelehnte Titel deutlich, ein Teil eines Macbeth-Zitats. „Morgen, morgen und wieder morgen“ ist gut durchdacht, famos aufgebaut, spannend und toll zu lesen – als einziger Wermutstropfen bleibt der oft fehlende Sympathiewert der Hauptfiguren. Sam und Sadie bleiben nicht nur sich, sondern auch mir als Leser oft fremder als manche der charmanten Nebenfiguren, quälen sich zu sehr mit Sachen, die ihnen bewusst nicht gut tun (Sam: sein seit dem Unfall zerstörter Fuß, Sadie: ihr Dozent und zeitweiliger Lebenspartner Dov) und als Leser steht man eher hilflos daneben, während sie in einen Gumba nach dem anderen rennen statt einfach darauf oder drüber zu springen. Kleine Super-Mario-Referenz für Sam und Sadie.

Und dennoch: Gabrielle Zevins Buch ist ein gutes, spannendes und auf 560 Seiten niemals langweiliges Buch, zumindest, wenn ein gewisses Interesse für Videospiele und deren Produktion vorhanden ist. Eine gute Geschichte, die bloß ein bisschen von dem vermissen lässt, das auch Sam und Sadie fehlt: Liebe.

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Veröffentlicht am 15.02.2023

Saubere Arbeit

Wieso? Weshalb? Warum? junior. Die Müllfahrzeuge
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Große Kinderaugen, wenn sich die oft orangefarbenen Fahrzeuge durch die Straßen der Stadt schieben. Riesige Freude, wenn die Fahrer:innen winken. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann sich ein ...

Große Kinderaugen, wenn sich die oft orangefarbenen Fahrzeuge durch die Straßen der Stadt schieben. Riesige Freude, wenn die Fahrer:innen winken. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann sich ein Wieso? Weshalb? Warum? Junior-Buch von Ravensburger der vielleicht faszinierendsten Automobilfreude von Kleinkindern widmen: Müllfahrzeuge!

Auf acht Doppelseiten wird die vielfältige Welt der Müllentsorgung und Stadt- und Straßenreinigung erklärt. Wie ein Müllfahrzeug funktioniert, welche Varianten es gibt und wie sie, besonders im Sommer, gesäubert werden. Welche Arten von Müll wie entsorgt und abgeholt werden. Und wie das funktioniert, wenn Autos die Entsorgungsstellen nicht erreichen können.

Die vielen Klappen geben den jungen Leser:innen tolle Einblicke in die Fahrzeuge und ihre Funktionsweisen, lassen Straßen sauber und Müllautos gereinigt werden. Sehr schön gestaltet ist auch die abschließende Wimmelbildseite, auf der verschiedene Müllwerker:innen in der Stadt bei ihrer Arbeit gesucht und gefunden werden.

Der neue Band der tollen Wieso? Weshalb? Warum? Junior-Reihe macht richtig viel Spaß und bringt 2 bis 4 Jahre alten Kindern die Welt der Abfallentsorgung näher. Was vielleicht schön gewesen wäre: Eine Seite, die zeigt, wie Kinder die Stadt sauber halten und ihren Müll selbst entsorgen und trennen können. Aber ihnen das beizubringen ist ja eigentlich auch die Aufgabe der Eltern.

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