Ein Tagebuch der besonderen Art
Nach mir die FlutSarah Perry ist vielleicht bereits einigen ein Begriff. "Die Schlange von Essex" erschien im letzten Jahr und hatte auch mich sprachlich total fasziniert. Die Handlung war allerdings nicht ganz so wie ...
Sarah Perry ist vielleicht bereits einigen ein Begriff. "Die Schlange von Essex" erschien im letzten Jahr und hatte auch mich sprachlich total fasziniert. Die Handlung war allerdings nicht ganz so wie erwartet und hier und da warf das Buch einige Fragen auf, die unbeantwortet blieben oder etwas konfus in Beziehung gestellt wurden. Jedenfalls wollte ich Sarah Perry und ihrem eigentlichen Debütroman "Nach mir die Flut" nun eine Chance geben.
"Nach mir die Flut" ist eine Art Tagebuch. Ein Buch über eine Woche aus dem Leben des John Cole. Doch nicht irgend eine x-beliebige Woche, denn das Heft in dem er schreibt, fand er in den Habseligkeiten eines anderen.
"Wissen Sie, alles war weg - einfach weg. Wie sich herausstellte, war der Fels, auf dem ich stand, nur ein Sandhügel, und dann kam die Flut."
Als John eines Tages beschließt auszubrechen und die Stadt, seinen Buchladen und sein Leben hinter sich lässt und mit seinem Auto aufbricht, weiß er noch nicht, was passieren wird. Eine Autopanne führt ihn zu einem etwas kurios, verwahrlosten Haus. Vor ihm, ein unbekanntes Mädchen, dass seinen Namen ruft und ihn hinein bittet. Er wird bereits von den Bewohnern des Hauses erwartet und sein Zimmer, in dem sich die Kartons mit seinen Habseligkeiten stapeln, ist soweit hergerichtet. Ohne dass er es weiß, halten sie ihn für verrückt und als er es begreift, ist es bereits zu spät. Sie verwechseln ihn. Die Bewohner des Hauses, die nach ihrem Aufenthalt im Sanatorium für psychisch Kranke weder allein sein konnten, noch wollten und in diesem Ort eine Gemeinschaft fanden, empfangen ihn mit offenen Armen. Sie denken er sei so wie sie, so wie Jon Coule, der sich eigentlich anmeldete und sich um eine Woche verspäten würde. Es beginnt eine Woche voller Geheimnisse. Eine Woche mit fraglichen Umständen, besonderen Begegnungen und der Angst, dass die Flut wirklich über sie hereinbrechen könnte, obwohl alle Anzeichen dagegen sprechen.
"Und jetzt?[...] Worüber wusste er angeblich Bescheid? Wer war der andere John, der jetzt hier an seiner Stelle stehen sollte? Und trotz seiner Verwirrung spürte er einen stechenden Ärger: Gut, er würde es also tun und war wieder einmal nur der Lückenbüßer."
Wie bereits zu erwarten war, hat Sarah Perry es mir sprachlich mal wieder sehr angetan. Diesen Buch enthält aufs Neue, so sehr verschiedene, wunderschön verschrobene Charaktere und eine enorme Bildhaftigkeit. Aber das war's dann auch mal wieder mit dem Lob. "Die Schlange von Essex" war ja bereits ein richtiger Klopper, so sollte dann Perrys neuübersetztes Werk ein leichtes sein. Dachte ich. Obwohl dieses Buch gerade einmal 270 Seiten aufweist, tat ich mich damit recht schwer und es begleitete mich sehr lange. Der Anfang war noch recht spannend, doch dann zog es sich sehr in die Länge. Teilweise mochte ich dann auch nicht mehr und musste mich einige Male überwinden, auch den letzten offenen Fragen auf die Spur zu kommen. Doch die wirklich tolle Bildhaftigkeit konnte mir am Ende den Sinn dieses Romans einfach nicht offenbaren. Vielleicht war es gerade ein schlechter Zeitpunkt, denn so wirklich warm geworden bin ich mit diesem Buch nie. Zwischenzeitlich habe ich einige Kapitel nur überflogen um dann beim späteren Ansetzen festzustellen, dass es vielleicht doch sinnvoll wäre, das Vorherige komplett zu lesen, auch wenn es mich gerade eher weniger interessierte. Und dann gab es kurz vor Schluss noch einen Höhepunkt, der für mich wieder viel zu schnell wieder ins Tal hinabschrumpfte. Hmm... ein Debüt ... hmmm, ja. Dennoch bin ich hier eher enttäuscht worden und habe es einfach nicht verstanden. Ich liebe Romane mit einer Aussage, mit Tiefgang, mit Emotionen, die auch bei mir ankommen und mich bewegen, aber davon war hier, für mich, nur recht wenig zu spüren.
"Ich habe noch nie Tagebuch geführt. Nichts, was mir je passiert ist, war es wert, aufgeschrieben zu werden. Doch was sich heute ereignet hat [...] ist so unglaublich, dass ich fürchte, ich könnte es in einem Monat für einen grotesken Roman halten, gelesen vor vielen Jahren, als ich noch jung war und es nicht besser wusste."