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Veröffentlicht am 12.04.2018

Und was bleibt?

So enden wir
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"In meiner Hilflosigkeit kam mir wahrscheinlich der Gedanke, dass die Zeit, in der wir lebten, der Auftakt zu einer langsamen, irreversiblen Katastrophe war und dass die Kraft, das Naturgesetz oder das ...

"In meiner Hilflosigkeit kam mir wahrscheinlich der Gedanke, dass die Zeit, in der wir lebten, der Auftakt zu einer langsamen, irreversiblen Katastrophe war und dass die Kraft, das Naturgesetz oder das Etwas, das unsere Träume mit Leben erfüllte, und mit >unsere< meinte ich meine Träume, die meiner Freunde, meiner Generation, allmählich versiegte."

Doch ein Freund wird dies nun alles nicht mehr miterleben. Als zufälliges Opfer in einem Raubüberfall wird Duke in Porto Alegre getötet. Vor gerade einmal 15 Jahren war er gemeinsam mit Aurora, Emiliano und Antero Mitglied der Orangotango-'Bewegung', die ein recht erfolgreiches politisch, alternatives Online-Magazin herausgaben. Dann verloren sie sich irgendwie aus den Augen um sich nun an seinem Grab wiederzutreffen. Daniel Galera beschreibt nun in "So enden wir" die einzelnen Geschichten und Gedanken, dieser ehemals besten Freunde und reißt damit viele Themen an, die diese Menschen der Generation Y bewegen, ihr Leben prägen und doch irgendwie so hoffnungslos vor sich her treiben. Der Aktivismus der damaligen Zeit scheint verflogen und Probleme größer denn je. Selbst Duke, der Digital-Verfechter möchte laut Testament nun gänzlich in den Untiefen des Internets verschwinden und wirft damit zumindest bei einem seiner damaligen Freunde einige Fragen auf.

"Mit unserer Welt ging es weder zu Ende noch voran, so sah ich das jedenfalls. Sie befand sich im Stillstand. Vielleicht stagnierte sie in inem Stadium des ewigen Sterbens."

"So enden wir" ist für mich ein Roman, der mit zahlreichen Ansätzen zum Denken anregt, aber kein stabiles Fundament bietet. Es ist eine Mischung aus Hinterfragen, Zukunftsproblemen, Vergleiche mit den Anfängen der digitalen Bewegungen und Revolution sowie Sexualpraktiken. Vielleicht ist es generell, das Zeichen einer unbefriedigenden aktuellen Situation, die dieser Gegenwartsroman beschreiben soll, vielleicht auch eher ein Konglomerat aus verschiedenen Gedanken und Einflüssen, die nicht einhundert prozentig zusammenpassen und doch irgendwie sprachlich, erzählerisch miteinander harmonieren. Es sind die Gegensätze von Vergangenheit und heute - den Anfängen und des heutigen stagnierenden Überdenkens, der Menschen mit seinen konträren Gedanken und Handlungen selbst, aber auch das Schicksal, welches alles plötzlich verändern kann. Insgesamt muss ich jedoch sagen, dass dieser Roman zwar sprachlich, interessant geschrieben ist, doch bis auf ein paar Anstöße, keine wirkliche Bereicherung bietet. Mit dem Ende des Buches, bleiben zahlreiche Fragen und das Bild, dass Galera versucht hat aufzubauen, zerfällt binnen weniger Minuten.

"Alles war so merkwürdig, dass die Bilder eine fast metaphysische Bedeutung bekamen. Sie existierten völlig unabhängig, erfüllten keinen Zweck, weil sie nicht wirklich waren, aber eben doch fast, so wie ein vierdimensionaler Würfel oder ein Yeti."

Veröffentlicht am 09.04.2018

Und dann geschieht das Wunder

Der Zopf
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"Wer als Kloputzer auf die Welt kommt, stirbt auch als Kloputzer. Es ist ein Erbe, ein Kreislauf, aus dem niemand ausbrechen kann. Ein Karma."

Das Leben von Smita könnte in Indien nicht 'bescheidener' ...

"Wer als Kloputzer auf die Welt kommt, stirbt auch als Kloputzer. Es ist ein Erbe, ein Kreislauf, aus dem niemand ausbrechen kann. Ein Karma."

Das Leben von Smita könnte in Indien nicht 'bescheidener' laufen. Als sie in die unterste Schicht bzw. Kaste geboren wurde, stand ihr Schicksal bereits fest. Sie ist "Schmutzsammler. Eine dezente Bezeichnung für eine Realität, die genau das nicht ist. Es gibt kein Wort, um zu beschreiben, was Smita macht. Sie sammelt den ganzen Tag über [...] die Scheiße der anderen auf." Gleiches möchte sie ihrer Tochter niemals antun und so beginnt ein steiniger Kampf aus diesem Leben und dem Karma zu entkommen. Neben Smita, handelt dieser Roman von Giulia aus Sizilien und Sarah aus Kanada. Konträrer könnten die Unterschiede ihrer Lebenssituationen nicht sein. Der Zopf von Laetitia Colombani ist eine sehr berührende Geschichte über ihr Leben und erzählt, wie sie ihr Schicksal nun selbst in die Hand nehmen. In Kanada, dem wohlhabenden Land, lebt Sarah. Mit ihren vierzig Jahren scheint sie bereits alles erreicht zu haben - ein toller Job als Juristin, eine eigene Familie, ein eigenes Haus ... Doch eine Schicksalswendung bringt ihr komplettes Leben ins Wanken. Auch auf Sizilien hat Giulia mit unvorhersehbaren Problemen zu kämpfen. Es geht um die Firma, ihre Zukunft und die der Familie und der Angestellten.
So verschieden das Leben der drei Frauen auch sein mag, eint sie, der Drang nach einer besseren Zukunft, im Kampf um ihre Existenz.
"Alles ist ruhig. Sie sinkt auf ihr Bett und lässt ihren Tränen freien Lauf. Sie denkt noch an die Frau, die sie gewesen ist, die sie gestern noch war..."

Es ist nicht nur die Tatsache, dass die dargestellten Kontraste der einzelnen Lebenssituationen diese Geschichte so faszinierend machen, sondern auch die Geschichte der Frauen selbst. Dieser Roman zeugt nicht nur von Kraft und Stärke; er hat mir auf ganz anderer Ebene gezeigt, wie gut es uns Menschen in der westlichen Welt eigentlich geht und welche gesellschaftlichen Probleme und Ansichten in anderen Teilen der Welt herrschen. Ohne bereits die ganze Geschichte erzählen zu wollen ... Dieses Buch hat mich bewegt, mir mal wieder bewusst gemacht, wie ersetzbar ein Mensch sein kann und dass eine Wendung des Schicksals oftmals gar nicht so verkehrt ist. Es ist ein Buch für Kämpfer(innen), für Mutige und Menschen, die an sich und die Zukunft glauben. Die Mischung aus Emotionen und Hoffnung macht aus diesem Roman etwas ganz Besonderes und Schönes.

"Manchmal ist die Vorstellung wohltuend, dass alles ein Ende hat, dass jeder Qual, so groß sie auch sein mag, irgendwann aufhört, vielleicht morgen."

Veröffentlicht am 01.04.2018

Am Anfang war der Berg oder das Meer oder wie nun?

Alles was glänzt
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"Von nun an war das Glänzen im Inneren des Berges nicht mehr zu beruhigen, es leuchtete bis hinunter ins Tal. aus der Ferne sah es aus wie ein Glitzern, das im Tageslicht aufstaubte. Er funkelte ach nachts ...

"Von nun an war das Glänzen im Inneren des Berges nicht mehr zu beruhigen, es leuchtete bis hinunter ins Tal. aus der Ferne sah es aus wie ein Glitzern, das im Tageslicht aufstaubte. Er funkelte ach nachts in Grün bin Dunkelblau, fast schwarz."

Alles was glänzt von Marie Gemillscheg handelt von der Geschichte eines Berges, eines Ortes mit samt seiner verbliebenen Bewohner im Umbruch. Einst wurden im Berg Erz abgebaut und Touristen überfluteten die Gegend. Doch nun scheint alles im Wandel zu sein und der Berg scheint bald einzustürzen. Es kann nicht mehr lange dauern, erste Risse auf Wiesen eröffnen sich und neulich erst ist Martin auf mit seinem Auto auf dem Berg umgekommen. "Es trifft uns mitten ins Herz" und dies beteuert nicht nur der Bürgermeister mehrere Male. Eine Geschichte übers Bleiben und Gehen, Beobachten und Hoffen...

"Wer durch den Ort geht, der weiß: Hier ist was passiert. Noch immer kommt jeden Morgen der Schulbus, bleibt stehen, fährt weiter. Das Licht im Kiosk geht an, und die Glocke im Schichtturm schlägt.
Aber jetzt schläft alles. Alles ist dunkel."

Eigentlich weiß ich gar nicht so recht was ich von diesem Roman halten und über ihn schreiben soll. Er wirkt für mich nicht zu Ende gedacht, nicht gradlinig, emotionslos distanziert und für mich nicht passend. Vielleicht ist es auch nur mein aktueller Eindruck und irgendwann fände ich das gerade toll. Was zunächst noch als eine interessante Mischung aus vielschichtigen Gedanken und Ereignissen zusammengesetzt war, machte für mich das Lesen nach und nach schwieriger und ich verlor die Lust an der Geschichte. Mehrfache Wiederholungen und nicht abgeschlossene Gedanken und Gedankensprünge kamen hinzu. Dieser Roman hat ein total tolles, reduziertes Cover und ein paar tolle Zwischenkapitel, aber das waren dann leider auch schon meine einzigen Highlights an diesem Buch. Vielleicht hat mich auch einfach der Glanz nicht erreicht. Schade!

"Normalerweise gehen jetzt Lichter an, und dann wird die Geschichte vom Blintelmann erzählt, wie er die Sonne über dem Ort fallen lässt, aber das ist kaputt gerade"de"

Veröffentlicht am 24.03.2018

Ein Traum von Aussichtslosigkeit und Hoffnung

Stadt der Feen und Wünsche
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"Dann steht für Minuten der Stille im Raum. Jedes Mal, wenn ich hier bin, möchte ich irgendwie bleiben, aber trotzdem gehe ich immer. Wenn ich bliebe, würde ich die Sehnsucht vermissen, glaube ich."

Berlin ...

"Dann steht für Minuten der Stille im Raum. Jedes Mal, wenn ich hier bin, möchte ich irgendwie bleiben, aber trotzdem gehe ich immer. Wenn ich bliebe, würde ich die Sehnsucht vermissen, glaube ich."

Berlin kann man mit vielen Augen betrachten, nicht jedem gefällt's, nicht jeder fühlt sich 'am Puls der Welt' so wohl. Ein Ort der Schnelllebigkeit und des Verdrängens. Dort wo jeder ein Ziel haben und mit der Zeit gehen sollte oder sonst einfach in dem Vorbeirasen der Stadt verloren zu gehen scheint. Die "Stadt der Feen und Wünsche" von Leander Steinkopf ist eine Version. Drei Tage lang begleiten wir den pessimistisch, misanthropischen Einen, der sich über alles und nichts Gedanken macht. Wir beobachten mit ihm die Stadt voller Möglichkeiten und gehen dabei verloren. Ein Ausschnitt der Gegenwart, eine Darstellung von Gegensätzen und des aneinander vorbei Lebens.

"Rot steht das Licht am Himmel, dann rosa, dann lila, dann blau. Die Stadt verfärbt sich wie ein Bluterguss. Und ich fühle mich plötzlich einsam, da ich nicht weiß, wen ich anrufen würde, um mir den Weltuntergang nicht allein anschauen zu müssen, wer bereit wäre zu kommen."

Obwohl es 'nur' eine kurze Erzählung ist, hat "Stadt der Feen und Wünsche" eine wahnsinnige Tiefe und Ausdrucksstärke, die sich so manch anderer Roman als Vorbild nehmen könnte. Für mich ist dieses Buch eine poetisch, melancholische Liebeserklärung an Berlin, eine Auseinandersetzung mit dem Jetzt und ein Ausschnitt aus dem nüchternen, pessimistischen Leben und Gedanken des Protagonisten ohne Namen. Es ist die Mischung aus Momentaufnahme und feinsinniger Wortwahl, die dieses Buch so lesenswert machen. Ein Buch, welches man einfach mehrfach lesen muss, um immer wieder Neues zu entdecken und zu hinterfragen. Ich kann es kaum in Worte fassen, denn Steinkopf schafft es recht viel Spielraum und Platz für eigene Wertungen zwischen den Zeilen zu lassen und doch ist "Stadt der Feen und Wünsche" so kompakt, so trostlos und voller Hoffnung.

"Es gibt einen Tiefpunkt allen Denkens. Von dem kann man sich nicht mehr entfernen. Es ist offensichtlich, dass ich hier nicht mehr hingehöre, aber ich habe noch eine Stempelbonuskarte, die ist fast voll, und kurz vor Ende gibt man nicht auf."

Veröffentlicht am 08.03.2018

"Wir sind in jeder Stunde tausend verschiedene Menschen."

Memory Wall
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"Alma steht barfuß und ohne Perücke mit einer Taschenlampe im oberen Schlafzimmer. [...] Vor einem Moment noch, da ist sich Alma sicher, hat sie etwas Wichtiges getan. Etwas, bei dem es um Leben und Tod ...

"Alma steht barfuß und ohne Perücke mit einer Taschenlampe im oberen Schlafzimmer. [...] Vor einem Moment noch, da ist sich Alma sicher, hat sie etwas Wichtiges getan. Etwas, bei dem es um Leben und Tod ging. Aber sie kann sich nicht erinnern, was es war."

In dieser Anthony Doerrs Novelle lernen wir die Geschichte von Alma kennen. Alma hat Demenz. Man kann es auch gar nicht schön reden, doch es ist trotz der fortschreitenden medizinischen Möglichkeiten nicht aufzuhalten. Ärzte können aufgrund von 4 Ports, die in Almas Kopf verankert sind, Erinnerungen 'ernten', auf Kassetten speichern. So können diese Fragmente oder Puzzleteile immer mal wieder abgespielt und zurück ins Gedächtnis gerufen werden. Früher hatte Alma täglich an der Wand gearbeitet. Eine Wand mit dutzenden von Erinnerungen in Form von Kassetten, Bildern und gekritzelten Notizen. In dessen Innerstes ein Bild ihres Mannes Harold. Eine Herzattacke riss ihn während der Suche nach Fossilien aus ihrem Leben. Und so ist Alma ganz auf sich allein gestellt. Naja, nicht ganz, ihr Haushälter Pheko, ein Einbrecher und Luvo leisten ihr hin und wieder Gesellschaft. Doch als sie in ein Heim abgeschoben und das Haus verkauft werden soll, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit und die Suche nach der einen entscheidenden Erinnerung...

"Jede Kassette an Almas Wand wird zu einem kleinen Feuer in der Dunkelheit. Luvo bewegt sich zwischen ihnen hin und her und erkundet nach und nach das Labyrinth ihrer Geschichte."

Dieses Buch hat mich auf eine sehr tiefgründige Art und Weise bewegt. Es sind die Bilder, die Anthony Doerr (und der Übersetzer Werner Löcher-Lawrence) hier hervorruft. Die Vergänglichkeit und das Zurücklassen von Erinnerungen und Andenken, die für andere eher Krempel darstellen und ohne die zugehörige Person nutzlos erscheinen. Es ist das Bild, dass wir ohne Erinnerung eigentlich nichts wären, als eine nutzlose Hülle unserer selbst. Schon allein das im Einstieg abgedruckte Zitat von Luis Bunuel schließt die Klammer um dieses Buch und öffnet die Gedankenwelt. Der Spiegel spricht von einem Zauber, den das obsessive Erzählen erzeugt - für mich ist es mehr als das. Eine mitreißend, traurig, schöne Geschichte sowie ein Gedankenanstoß der Endlichkeit und das Erkennen des ungeahnten Glücks.

"Nichts bleibt [...] Dass etwas versteinert, ist ein Wunder. Die Chancen stehen eins zu fünfzig Millionen. Der Rest von uns? Wir verschwinden im Gras, in Käfern, in Würmern. In Lichtstreifen."