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Veröffentlicht am 14.09.2020

Eine Geschichte zum Wohlfühlen und Träumen

Die Frauen von Gut Falkensee
3

Charlotte von Bargelow, ist aller Konventionen und Erwartungen an eine junge Frau im Jahr 1904 zum Trotz, sehr selbständig, selbstbewusst und teils auch eigensinnig. Normalerweise haben junge Frauen, vor ...

Charlotte von Bargelow, ist aller Konventionen und Erwartungen an eine junge Frau im Jahr 1904 zum Trotz, sehr selbständig, selbstbewusst und teils auch eigensinnig. Normalerweise haben junge Frauen, vor allem jene von Stand, eine vernünftige Partie zu heiraten und selbst einmal einen großen Haushalt mit Dienerschaft zu führen. Nicht so bei Charlotte. Sie studiert in Paris und geht ohne das Wissen ihrer Eltern in Vorlesungen zu Themen der Agrarwissenschaften und träumt davon einmal das Gut ihres Vaters führen zu können. Als Gut Falkensee in eine Schieflage gerät, kann nur eine arrangierte Ehe, die Charlotte mit einem wohlhabenden Mann, dem Witwer Baldur von Krammbach, eingehen muss, das Gut retten. Als sie dann Karol, einen jungen Polen, kennen lernt, stellt das ihr Leben reichlich auf den Kopf. Zwischen den beiden entwickeln sich erste Gefühle. Doch Karol ist kaum standesgemäß für eine junge Gutsherrentochter. Trotzdem können beide nicht voneinander lassen. Charlotte muss sich entscheiden und das ist nicht leicht …

Luisa von Kamecke beginnt mit „Die Frauen von Gut Falkensee“ als Band Nr. 1 die große Westpreußen-Saga. Sie hat bereits vorher unter verschiedenen Pseudonymen historische Romane veröffentlicht. In diesem historischen Roman schreibt sie nun sehr persönlich von den Erzählungen ihrer Familie, die in den Kriegswirren 1944 ihren Landsitz in Westpreußen aufgeben mussten. Man kann daher annehmen, dass in dem Roman sich vielfältige persönliche Einblicke bieten. So gelingt es Luisa von Kamecke in ihrem leichten, flüssigen Erzählstil den Leser von Anfang an in die Geschehnisse um Gut Falkensee einzubinden. Alle Charaktere werden anschaulich beschildert, die Gutsherrenfamilie ebenso wie die Dienerschaft. Natürlich darf hierbei auch nicht das übliche „Schubladendenken“ der Stände fehlen sowie Liebe und Leidenschaft.
Das Buch ist großartig für Fans von historischen Romanen, die sich eine wunderbare Unterhaltung wünschen. Besonders die Hauptfigur Charlotte von Bargelow zieht einen schnell in den Bann. Sie ist bereits Anfang des 20. Jahrhunderts so, wie man sich eine junge, selbstbewusste Frau heute vorstellt. Man möchte unweigerlich wissen, wie es mit Charlotte aber auch den anderen Charakteren weiter geht. Für mich persönlich war es eine regelrechte Sucht. Die Geschichte wird so locker und liebevoll erzählt, dass man unweigerlich mit den Charakteren mitfiebert, sich mitfreut oder auch mitleidet. Die Gefühle werden so realistisch dargestellt, dass man selbst durchaus auch ein Tränchen oder einen tiefen Seufzer verlieren kann. Dabei gelingt es Luisa von Kamecke vortrefflich, die unterschiedlichsten Personen, die man in einer solchen Geschichte erwartet, darzustellen. Die starke Frau, die stark konventionellen Eltern, der Umwerbende, der ungestüme Liebhaber, der Möchtegern-Matcho, die guten Seelen der Dienerschaft – alles passt wunderbar zusammen.

Am Anfang vermisst man noch eine gehörige Portion Liebe und Leidenschaft, die sich durch die Beziehung von Charlotte und Karol erst später einstellt. Da auf dem Klappentext auf die Beziehung zu beiden hingewiesen wird, erwartet man förmlich, dass es doch mal losgehen müsse und die Geschichte bleibt an dieser Stelle hinter den Erwartungen zurück. Diesbezüglich bleiben für mich, wahrscheinlich auch deshalb, allerlei Fragen offen. Anfangs erscheint es so, dass sie sich gar nicht leiden können oder voneinander angetan sind, plötzlich befinden sie sich in einem Gefühlschaos. Diese beschriebene Situation ist für mich auch das Gesamtmanko des Buches. Es wird zwar viel erzählt, allerdings ist manches eventuell nicht ganz zu Ende gedacht – ich wünschte mir unweigerlich immer ein Fünkchen mehr. Das Leben auf dem Gut wird hinsichtlich der Dienerschaft auch ordentlich erzählt und man mag es sich lebhaft vorstellen, aber auch dort hätte ich mir mehr Hintergrundwissen z.B. aus landwirtschaftlicher Sicht gewünscht. Viele Erzählstränge sind aufgrund der relativen Kürze des Buches (395 Seiten) noch nicht zu Ende erzählt aber die Ankündigung weiterer Bände lässt hoffen, dass doch einige Vorkommnisse weitergeführt bzw. aufgearbeitet werden.

Mein Fazit:

Alles in allem ein sehr gelungenes und unterhaltsames Buch, welches man so schnell nicht wieder aus der Hand legen möchte. Ich werde auch Band 2 lesen und freue mich auf die Fortsetzung der Geschichte. Allerdings fehlt einem trotzdem das gewisse Etwas um eine volle Punktzahl geben zu können, da manches in meinen Augen zu einfach und zu flach erzählt ist. Dennoch- wer einmal in eine andere Welt eintauchen und träumen möchte, der ist hier genau richtig!

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