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Veröffentlicht am 15.09.2020

Äußerst realitätsnah aber stellenweise vorhersehbar

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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Hulda Gold bzw. Fräulein Gold ist eine selbstbewusste junge Frau mitten in den Geschehnissen der 20er Jahre. Von der Gesellschaft bereits als „spätes Mädchen“ bezeichnet, da sie noch keinen Ehemann und ...

Hulda Gold bzw. Fräulein Gold ist eine selbstbewusste junge Frau mitten in den Geschehnissen der 20er Jahre. Von der Gesellschaft bereits als „spätes Mädchen“ bezeichnet, da sie noch keinen Ehemann und Kinder hat, übt sie mit Leidenschaft ihren Beruf aus, denn sie ist Hebamme. So hilft sie im Nachkriegsberlin, welches noch versucht sich von den Schrecken des 1. Weltkrieges zu erholen, Kinder auf die Welt zu bringen und kümmert sich rührend um die Mütter als auch um die Kinder, oftmals sogar ohne Bezahlung. Dabei trifft sie auf die Ärmsten der Armen und sieht neben Freude auch viel Leid. Durch Zufall erfährt sich bei der Betreuung der Wöchnerin Lilo von einem Kriminalfall. Deren Nachbarin Rita wurde tot im Kanal gefunden, was Lilo äußerst verunsichert und verstört, da Rita für sie wie eine mütterliche Freundin war. Da Hulda stets das Beste für die Betreuung ihrer Wöchnerinnen gibt, nimmt sie sich dieser Sache an und beginnt erste eigene Nachforschungen zu unternehmen. Nicht zuletzt ist es auch Huldas Neugier, die geweckt wurde und somit Schritt für Schritt einer Ungeheuerlichkeit auf die Spur kommt. Damit verstrickt sie sich zunehmend in den Fall und gerät dabei selbst in große Gefahr.

Anne Stern beginnt mit dem Buch Fräulein Gold die Trilogie um die Hebamme Hulda Gold. Die Autorin war mir, bis mir das Buch ins Auge gefallen ist, leider noch nicht bekannt, aber das Cover des Buches und auch die gesamte Buchaufmachung (nämlich mit goldener Farbe) fällt bereits sehr auf und ist damit bemerkenswert gut gewählt. Die auf dem Cover abgebildete junge Frau im Kleidungsstil der 20er Jahre erkennt man sofort als Sinnbild der Hulda Gold. Genau so möchte man sie sich vorstellen und genau mit jenem selbstbewussten Blick, mit dem sie in die Kamera schaut, tritt sie auch im Buch auf.

Neben diesen reinen Äußerlichkeiten gelingt es Anne Stern sprachlich vortrefflich Hulda Gold sowie alle anderen Charaktere zu skizzieren. Vor dem geistigen Auge entsteht unweigerlich das Berlin der 20er Jahre. Sofort kann man sich in die Situation hineinversetzen, man sieht förmlich noch die Strapazen des erst vor kurzem beendeten Krieges, die Zerstörungen, die Entbehrungen. Gleichzeitig spürt man auch förmlich den Lebensmut und die Aufbruchsstimmung der noch jungen Weimarer Republik aber auch die Unsicherheiten der nahenden und bereits beginnenden Inflation. Die historischen Zusammenhänge werden äußerst prägnant in die Geschichte um die Hauptprotagonistin eingebunden. Auch die Beschreibung des Berufes der Hebamme zur damaligen Zeit finde ich äußerst interessant und spannend. Ob damals oder heute: Der Beruf der Hebamme ist immer noch völlige Hingabe und Berufung. Auch das kommt hervorragend im Buch zur Geltung. Ich hätte mir gerne noch mehr Einblicke in die Hebammenarbeit zu jener Zeitepoche gewünscht. Im Hinterkopf hatte ich immer die Serie „Call the Midwife“, die zwar in den 50er Jahren im Londoner East End spielt, aber für mich anfangs erstaunliche Parallelen zum Buch hatte, denn auch hier üben Hebammen mit sehr viel Herz und Hingabe ihren Beruf in einer sehr armen Gegend aus. Leider wurde meine Erwartung in dieser Hinsicht enttäuscht. Trotzdem muss man es Anne Stern zugute heißen, dass auch junge Frauen, die sich noch nicht großartig mit dem Thema Schwangerschaft und Geburt auseinandergesetzt haben, dieses Buch bedenkenlos lesen können, ohne dadurch verschreckt zu werden. Sehr bewegt haben mich außerdem die medizinischen Abhandlungen zur Behandlung von psychischen Krankheiten zur damaligen Zeit, die man zusätzlich nebenher erfährt. Das machte mich sprachlos.

Weiterhin fügt Frau Stern in diesem Roman auch den Kriminalfall sehr geschickt ein. Sehr gut gemacht, zeitlich perfekt und spannend eingebaut und doch teilweise etwas vorhersehbar. Bereits beim Lesen keimte in mir auch ein Verdacht auf, worauf die Sache hinauslaufen könnte. Ich fand es leider ein bisschen befremdlich, dass ausgerechnet die Hebamme Hulda Gold sich auf eigene Faust auf Spurensuche begibt und sich dabei sogar selbstlos in große Gefahr begibt. Das passt für mich nicht ganz zusammen, auch wenn Hulda insgesamt äußerst selbstbewusst und unerschrocken auftritt.

Mein Fazit:

Fräulein Gold bietet beste Unterhaltung und von jedem ist etwas dabei: Medizin, Krimi, Geschichte sowie reichlich Spannung. Ein Buch, welches man erst aus der Hand legt, wenn es fertiggelesen ist. Die Leseprobe zu Band 2, die sich bereits mit im Buch befindet, macht gleich wieder neugierig auf den nächsten Roman. Dennoch erscheint mir manches etwas unrealistisch oder vielleicht „zu viel gewollt“. Dennoch- wer vor hat in die Welt der 20er Jahre durch die Augen einer Hebamme einzutauchen und dabei noch einen spannenden Kriminalfall lösen möchte, der ist bei dem Buch genau richtig!

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Veröffentlicht am 14.09.2020

Eine Geschichte zum Wohlfühlen und Träumen

Die Frauen von Gut Falkensee
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Charlotte von Bargelow, ist aller Konventionen und Erwartungen an eine junge Frau im Jahr 1904 zum Trotz, sehr selbständig, selbstbewusst und teils auch eigensinnig. Normalerweise haben junge Frauen, vor ...

Charlotte von Bargelow, ist aller Konventionen und Erwartungen an eine junge Frau im Jahr 1904 zum Trotz, sehr selbständig, selbstbewusst und teils auch eigensinnig. Normalerweise haben junge Frauen, vor allem jene von Stand, eine vernünftige Partie zu heiraten und selbst einmal einen großen Haushalt mit Dienerschaft zu führen. Nicht so bei Charlotte. Sie studiert in Paris und geht ohne das Wissen ihrer Eltern in Vorlesungen zu Themen der Agrarwissenschaften und träumt davon einmal das Gut ihres Vaters führen zu können. Als Gut Falkensee in eine Schieflage gerät, kann nur eine arrangierte Ehe, die Charlotte mit einem wohlhabenden Mann, dem Witwer Baldur von Krammbach, eingehen muss, das Gut retten. Als sie dann Karol, einen jungen Polen, kennen lernt, stellt das ihr Leben reichlich auf den Kopf. Zwischen den beiden entwickeln sich erste Gefühle. Doch Karol ist kaum standesgemäß für eine junge Gutsherrentochter. Trotzdem können beide nicht voneinander lassen. Charlotte muss sich entscheiden und das ist nicht leicht …

Luisa von Kamecke beginnt mit „Die Frauen von Gut Falkensee“ als Band Nr. 1 die große Westpreußen-Saga. Sie hat bereits vorher unter verschiedenen Pseudonymen historische Romane veröffentlicht. In diesem historischen Roman schreibt sie nun sehr persönlich von den Erzählungen ihrer Familie, die in den Kriegswirren 1944 ihren Landsitz in Westpreußen aufgeben mussten. Man kann daher annehmen, dass in dem Roman sich vielfältige persönliche Einblicke bieten. So gelingt es Luisa von Kamecke in ihrem leichten, flüssigen Erzählstil den Leser von Anfang an in die Geschehnisse um Gut Falkensee einzubinden. Alle Charaktere werden anschaulich beschildert, die Gutsherrenfamilie ebenso wie die Dienerschaft. Natürlich darf hierbei auch nicht das übliche „Schubladendenken“ der Stände fehlen sowie Liebe und Leidenschaft.
Das Buch ist großartig für Fans von historischen Romanen, die sich eine wunderbare Unterhaltung wünschen. Besonders die Hauptfigur Charlotte von Bargelow zieht einen schnell in den Bann. Sie ist bereits Anfang des 20. Jahrhunderts so, wie man sich eine junge, selbstbewusste Frau heute vorstellt. Man möchte unweigerlich wissen, wie es mit Charlotte aber auch den anderen Charakteren weiter geht. Für mich persönlich war es eine regelrechte Sucht. Die Geschichte wird so locker und liebevoll erzählt, dass man unweigerlich mit den Charakteren mitfiebert, sich mitfreut oder auch mitleidet. Die Gefühle werden so realistisch dargestellt, dass man selbst durchaus auch ein Tränchen oder einen tiefen Seufzer verlieren kann. Dabei gelingt es Luisa von Kamecke vortrefflich, die unterschiedlichsten Personen, die man in einer solchen Geschichte erwartet, darzustellen. Die starke Frau, die stark konventionellen Eltern, der Umwerbende, der ungestüme Liebhaber, der Möchtegern-Matcho, die guten Seelen der Dienerschaft – alles passt wunderbar zusammen.

Am Anfang vermisst man noch eine gehörige Portion Liebe und Leidenschaft, die sich durch die Beziehung von Charlotte und Karol erst später einstellt. Da auf dem Klappentext auf die Beziehung zu beiden hingewiesen wird, erwartet man förmlich, dass es doch mal losgehen müsse und die Geschichte bleibt an dieser Stelle hinter den Erwartungen zurück. Diesbezüglich bleiben für mich, wahrscheinlich auch deshalb, allerlei Fragen offen. Anfangs erscheint es so, dass sie sich gar nicht leiden können oder voneinander angetan sind, plötzlich befinden sie sich in einem Gefühlschaos. Diese beschriebene Situation ist für mich auch das Gesamtmanko des Buches. Es wird zwar viel erzählt, allerdings ist manches eventuell nicht ganz zu Ende gedacht – ich wünschte mir unweigerlich immer ein Fünkchen mehr. Das Leben auf dem Gut wird hinsichtlich der Dienerschaft auch ordentlich erzählt und man mag es sich lebhaft vorstellen, aber auch dort hätte ich mir mehr Hintergrundwissen z.B. aus landwirtschaftlicher Sicht gewünscht. Viele Erzählstränge sind aufgrund der relativen Kürze des Buches (395 Seiten) noch nicht zu Ende erzählt aber die Ankündigung weiterer Bände lässt hoffen, dass doch einige Vorkommnisse weitergeführt bzw. aufgearbeitet werden.

Mein Fazit:

Alles in allem ein sehr gelungenes und unterhaltsames Buch, welches man so schnell nicht wieder aus der Hand legen möchte. Ich werde auch Band 2 lesen und freue mich auf die Fortsetzung der Geschichte. Allerdings fehlt einem trotzdem das gewisse Etwas um eine volle Punktzahl geben zu können, da manches in meinen Augen zu einfach und zu flach erzählt ist. Dennoch- wer einmal in eine andere Welt eintauchen und träumen möchte, der ist hier genau richtig!

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