Gelungenes Porträt in Romanform über Hermine Heusler-Edenhuizen
Ärztin einer neuen ÄraHermine Edenhuizen ist eine Pionierin ihrer Zeit. Eine der ersten Frauen, die 1898 ihr Abitur ablegt, und dann auch noch Medizin studieren und Ärztin werden will. Doch Hermine hält an ihrem Weg fest und ...
Hermine Edenhuizen ist eine Pionierin ihrer Zeit. Eine der ersten Frauen, die 1898 ihr Abitur ablegt, und dann auch noch Medizin studieren und Ärztin werden will. Doch Hermine hält an ihrem Weg fest und es gelingt ihr sämtliche Widerstände zu überwinden und tatsächlich Frauenärztin zu werden – die erste in Deutschland. Auch im Bereich Liebe und Ehe bleibt sie eine Wegbereiterin: Ihr Mann lässt sich für sie scheiden, sie führt einen Doppelnamen und lässt einen Ehevertrag aufsetzen, indem sie ihr Vermögen und ihre berufliche Tätigkeit nicht ihrem Ehemann unterordnen muss.
Yvonne Winkler beschreibt in „Ärztin einer neuen Ära“ in fiktiver Romanform den Lebensweg der Ärztin Hermine Edenhuizen, später Heusler-Edenhuizen. Der Roman beinhaltet sehr viele Stationen und auch Weggefährten ihres Lebens und beruht damit auf zahlreichen wahren Begebenheiten. Das Cover des Buches hat mich sofort angesprochen und passend zu einem Frauenporträt über eine besondere Persönlichkeit der damaligen Epoche. Der Roman ist in gut verständlicher Sprache verfasst und der Schreibstil ist sehr fließend und angenehm. Der Lebensweg von Hermine Edenhuizen ist spannend beschrieben und man mag das Buch gar nicht wieder aus der Hand legen. Besonders gut gelungen ist die detailreiche Darstellung der damaligen Zeit und des Frauenbildes. Eine Frau, die ihr Abitur ablegt und dann auch noch studieren möchte: Wahrlich eine Ungeheuerlichkeit im deutschen Kaiserreich! Die Kapitel sind dabei kurz und prägnant gewählt und die Geschichte geht recht zügig voran. Außerdem ist es sehr spannend Einblicke in die Arbeit von Hermine Edenhuizen zu bekommen und zum damaligen Stand der Wissenschaft in der Frauenheilkunde. Gerne hätte ich mir da noch mehr Situationen gewünscht, die geschildert werden. Allerdings bemerkt man sofort, dass Frau Edenhuizen eine Ärztin aus und mit Leidenschaft ist und sich für die Frauen und ihre Probleme einsetzt. So kämpft sie auch gegen den unrühmlichen § 218 StGB, wonach Schwangerschaftsabbrüche verboten sind und die Frauen sehr stark bestraft werden, was in ihren Augen ein Unding ist, denn die Frau trägt nicht nur die Folgen eines Eingriffs, sondern auch die Strafe, obwohl sie oft dazu gezwungen wurde, während der Mann straffrei und unbehelligt bleibt. Damit ist Hermine Edenhuizen eine wahre Pionierin für die damalige Zeit. Insgesamt ist der Roman daher sehr authentisch und die Charaktere treffend beschrieben. Man fühlt sich, als ob man mitten im Geschehen dabei ist.
Kritisieren möchte ich am Buch, dass es vor allem am Anfang einen längeren Abschnitt gab, bei dem es nicht so richtig vorwärts ging, Hermines Schulbildung und Herkunft im Zusammenhang mit dem Verlust des Vaters wird ziemlich in die Länge gezogen, wobei andere Themen dann meiner Meinung nach später zu kurz kommen. Insgesamt hätte ich mir gern noch weitere medizinische Darstellungen gewünscht, z. Bsp. mit welchen Problemen die Frauen sie als Frauenärztin aufgesucht haben (es wurde oft nur von Schwangerschaften oder im Extremfall von verpfuschten Abtreibungen gesprochen), aber die Bandbreite ist doch deutlich größer und es wäre interessant zu lesen gewesen, welche Therapiemöglichkeiten es zur damaligen Zeit gegeben hat und wie sie sich den jeweiligen Themen genähert hat. Es wurde beinahe theatralisch Wert daraufgelegt, wie schwer es doch die Frauen der Zeit hatten und wie sehr sich auch Hermine viele Dinge zu Herzen genommen hat. Das ist wichtig, aber irgendwann ist der Grundgedanke beim Leser angekommen – eben, weil man sich so gut in die Geschichte hineinversetzen kann, muss es nicht ständig erwähnt werden. Die aufkeimende Beziehung zu Otto Heusler wirkt außerdem zu einfach und zu kurz und mir im Vergleich zum Rest des Buches nicht detailliert genug.
Mein Fazit: Alles in allem ist „Ärztin einer neuen Ära“ ein sehr solider und gelungener historischer Roman, der auf wahren Begebenheiten beruht, welchen man so schnell nicht wieder aus der Hand legen möchte. Da mir aber schlussendlich das gewisse Etwas gefehlt hat, vergebe ich nur sehr gute 4 von 5 Sternen, aber trotzdem verbunden mit einer klaren Leseempfehlung.