Beklemmend, verstörend, enervierend
Die ArenaParis ist nicht so schön, wie es scheint. Vielmehr ist es eine zerrissene Stadt, voller Hoffnungslosigkeit, Elend und verpfuschter Träume. Das wird spätestens mit dem Buch „Die Arena“ von Négar Djavidi ...
Paris ist nicht so schön, wie es scheint. Vielmehr ist es eine zerrissene Stadt, voller Hoffnungslosigkeit, Elend und verpfuschter Träume. Das wird spätestens mit dem Buch „Die Arena“ von Négar Djavidi deutlich. Da ist Benjamin, der es geschafft hat, der seinem Viertel entkommen ist, aber einen hohen Preis dafür zahlt, dass er die Karriereleiter eines beliebten Streamingdienstes weit nach oben geklettert ist. Von seiner Mutter, die ihn allein aufgezogen hat, hat er sich entfremdet. Beide sind unfähig, sich gegenseitig zu zeigen, wie viel sie sich immer noch bedeuten. Da ist so viel Stille, so viel Ungesagtes, so viel Missverstandenes, dass es einen schon beim Lesen traurig macht.
Ständig steht Benjamin unter Strom, beobachtet sich, seine Wirkung auf die Chefetage, will gefallen, funktionieren, hat Angst davor, eher heute als morgen ersetzt zu werden. Das ist kein Leben, auch wenn es besser ist als das der Migranten, die in Zelten an der Seine vor sich dahinvegetieren, wenn ihre Lager nicht während einer Razzia von der Polizei aufgelöst werden, sodass sie auch noch das Letzte verlieren. Da ist Asya Badar, eine türkischstämmige Polizistin, die sich jeden Tag aufs Neue in einer rauen Männerwelt behaupten muss. Sie hat viel geschafft, ist den Zwängen ihrer Familie entflohen, steht aber plötzlich im Zentrum der viralen Aufmerksamkeit, als ein Fußtritt per Video um die Welt geht, mit dem sie einen Toten aufwecken wollte. Gedreht hat es ein junges Mädchen, das für kurze Zeit im Zentrum der Aufmerksamkeit steht, deren zweifelhafter Ruhm aber schnell wieder verpufft. Alle Protagonisten jagen ihren Träumen hinterher, sind miteinander verbunden. Für den einen oder anderen enden sie schneller als gedacht, beispielsweise für einen 16-jährigen Jungen, den seine Mutter aus dem Haus scheucht, weil er sich seit Tagen dort verkrochen hat.
Négar Djavadi nimmt den Leser mit in ein Paris des Entsetzens, der Hoffnungslosigkeit, weitab der Touristenströme und kitschiger Postkarten. Es ist kein Buch, das sich Seite für Seite einfach so weglesen lässt. Dafür steckt zu viel zwischen den Zeilen, den Botschaften, die Négar Djavidi immer wieder einstreut. Atmosphärisch dicht, sprachlich elegant, schildert sie verschiedene Milieus und zeigt die Unzufriedenheit der Menschen, die auch vor gutsituierten Parisern keinen Halt macht. Zwangsläufig vergleicht man die verschiedenen Charaktere, ihre Schicksale und erkennt, wie profan die eigenen kleinen Probleme doch sind.