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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.09.2023

Unerfüllte Erwartungen und Generationskonflikte

Bei euch ist es immer so unheimlich still
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Für mich war es der erste Roman von Alena Schröder und ich muss sagen, dass er mir überraschend gut gefallen hat.

Die Geschichte von Evelyn Borowski und ihrer angeheirateten Familie bzw. ihrer Tochter ...

Für mich war es der erste Roman von Alena Schröder und ich muss sagen, dass er mir überraschend gut gefallen hat.

Die Geschichte von Evelyn Borowski und ihrer angeheirateten Familie bzw. ihrer Tochter Silvia spielt auf zwei Zeitebenen. Der eine Zeitstrang beginnt in der Nachkriegszeit 1950, wo alles im Aufbruch ist und die Menschen sich nach den vielen Jahren des Leidens und der Entbehrungen ein neues Leben aufbauen. Der andere Zeitstrang beginnt 1989, einige Monate vor dem Mauerfall. Eine Zeit des Umschwungs, in dem die Handlung um die zwei Protagonistinnen perfekt integriert ist.

Evelyn hat eher einen kühlen emotionsarmen Charakter und das ist es auch, was Silvia immer zu schaffen gemacht hat. Sie fühlte sich von ihrer Mutter nie richtig wahrgenommen und nach einem dramatischen Ereignis kurz vor ihrem 16. Geburtstag verlässt sie überstürzt die Familie.
Als sie mit ihrer kleinen Tochter Hannah 1989 nach Ildingen zurückkehrt, möchte sie sich dieser schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung stellen und die Vergangenheit aufarbeiten. Stück für Stück erfährt der Leser mehr über Hintergründe und Geschehnisse.

Schön beschrieben wird die sehr langsame Annäherung der beiden Frauen auf ihre ganz eigene Art und wie Hannah dabei eine ganz entscheidende Rolle spielt. Bei diesem klaren und bildhaften Schreibstil konnte ich mich sehr gut in Silvias Situation hineinversetzen. So unterschiedlich alle Charaktere der Handlung auch waren, sie blieben immer authentisch und haben diese scheinbare Kleinstadtidylle hervorragend widergespiegelt. Das Cover ist farblich sehr ansprechend gestaltet und macht Lust auf die Lektüre, die ich sehr gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 30.08.2023

Die einzigartige Kraft der Freundschaft – sehr bewegend

Das Chaos eines Augenblicks
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Der Debütroman von Becky Hunter erzählt die ergreifende Geschichte von den allerbesten Freundinnen Scarlett und Evie. Sie wohnen zusammen in London und seit Evie’s MS-Diagnose gibt Scarlett ihr Rückhalt. ...

Der Debütroman von Becky Hunter erzählt die ergreifende Geschichte von den allerbesten Freundinnen Scarlett und Evie. Sie wohnen zusammen in London und seit Evie’s MS-Diagnose gibt Scarlett ihr Rückhalt. Doch durch eine einzige Entscheidung wird Scarlett jäh aus dem Leben gerissen und für Evie bricht eine Welt zusammen.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive beider Freundinnen erzählt, was ich anfangs eher befremdlich fand, hat sich schnell zu einer besseren Sichtweise auf die Dinge herausgestellt. Hat mir als Leser verdeutlicht, wie tief doch diese Freundschaft war. Die Autorin hat einen wunderbaren Schreibstil, der mich durch die Seiten hat fliegen lassen. Der Aufbau der Charaktere ist hier ganz fantastisch gelungen, authentisch, lebensnah. Man konnte Evie richtig nachempfinden, wie schwer die Multiple Sklerose ihr Leben belastet und mit welchen Symptomen sie zu kämpfen hat. Aber auch mit Trauer und Krankheit ist ein Weiterleben möglich, es muss nur Menschen geben, die einen aus dem Schneckenhaus herausholen und Mut zusprechen, um so manches Mal über sich hinaus wachsen zu können.

Das schön gestaltete Cover ist zwar sehr minimalistisch gehalten, doch der Betrachter erkennt sofort, dass es hier um eine ganz innige Freundschaft zweier junger Frauen geht. Die warmen Farben unterstreichen dies noch.

Ein sehr bewegender Roman voller Hoffnung, Vertrauen, Trauer und die Magie der Liebe. Meine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 18.08.2023

Den letzten Tagen und Stunden mehr Leben geben

Und wir tanzen, und wir fallen
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Ein Roman der unter die Haut geht und sehr bewegend die Freundschaft zweier Frauen, Ashley und Edith, erzählt, die sich seit über 40 Jahren kennen. In dieser Zeit haben sie viele gemeinsame Erinnerungen ...

Ein Roman der unter die Haut geht und sehr bewegend die Freundschaft zweier Frauen, Ashley und Edith, erzählt, die sich seit über 40 Jahren kennen. In dieser Zeit haben sie viele gemeinsame Erinnerungen angehäuft. Kindergarten, Schule, tolle Urlaube, Hochzeiten, Kinder und auch Krisen. Alles, was gute Freundinnen verbindet und eine Freundschaft so wertvoll macht. Seit 3 Jahren ist Edi an Krebs erkrankt, austherapiert und wird bald sterben. Der Umzug in ein Hospiz steht an. Nachdem ein Hospizplatz in der Nähe zu Ash’s Haus gefunden wurde, kümmert sich Ash aufopfernd um ihre Freundin. Sie versucht Edi’s letzte Wünsche zu erfüllen, ob Melonenwürfel, Pringles oder den einzigartigen Zitronen-Polenta-Kuchen von Daisy.
Es wird geweint, gelacht, gesungen und mit jedem Kapitel nähert man sich Edi’s letztem Atemzug. Die Autorin beschreibt diese Zeit so intensiv, dass mir ganz warm ums Herz wird. Wie schwer es ist das Unausweichliche zu akzeptieren und loszulassen, denn man hatte doch noch so viel vor. Den letzten Stunden mehr Leben geben und gemeinsam verbringen, Familie und Freunde um sich haben, ist doch das Einzige, was dann noch zählt.
Der Schreibstil war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig und mir teilweise etwas zu flapsig, aber ich denke diese Lockerheit macht dieses schwere Thema des Sterbens etwas erträglicher.
Die Charaktere waren gut ausgearbeitet, wobei Ash’s Befindlichkeiten etwas zu sehr dominiert haben. Die Gestaltung des Covers finde ich sehr passend, die Farben sind frisch aber gedeckt. Es ist doch das was übrig bleibt, wenn wir gehen, unser vielleicht letztes Lieblingsgetränk auf dem Nachttisch und die letzte Blume die bereits verwelkt. Für die herzzerreißende schöne Lektüre gebe ich meine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 13.08.2023

Großartig, ergreifend und nachhallend

Simone
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Die Autorin Anja Reich begibt sich nach über 20 Jahren nach dem Tod ihrer Freundin Simone auf Spurensuche, warum sich Simone im Alter von nur 27 Jahren das Leben nahm. Anja stellt sich die Frage, ob sie ...

Die Autorin Anja Reich begibt sich nach über 20 Jahren nach dem Tod ihrer Freundin Simone auf Spurensuche, warum sich Simone im Alter von nur 27 Jahren das Leben nahm. Anja stellt sich die Frage, ob sie es hätte erkennen müssen, dass Simone selbstmordgefährdet war, oder hätte sie sogar den Tod verhindern können, wenn sie beim letzten Telefonat für Simone Zeit gehabt hätte. Fragen für dessen Antworten sich Anja auf eine Reise in Vergangenheit macht. Mit Hilfe von Simones Familie, ihren Tagebüchern, Bildern, Kalendern, Freunden, Weggefährten und Ärzten erstellt sie eine Biographie ihrer Freundin. Sie stellt Fragen, versucht die Ursachen zu ergründen, forscht in ihren eigenen Erinnerungen nach und taucht dabei auch in ihre eigene Vergangenheit ein.

Mit einem klaren, präzisen und emotionalen Schreibstil arbeitet die Autorin die Geschichte von Simone von der Geburt bis zu ihren Suizid auf. Privilegiert aufgewachsen, hübsch, intelligent, weltoffen und doch aus dem System gefallen.

Das Buch verdeutlicht sehr gut, wie manche Menschen von den vorgegebenen Strukturen der DDR abhängig waren und nach dem Mauerfall ihren Halt verloren, sich umorganisieren mussten oder wie Simone, die ewig Suchende war. Der Satz "Ich bringe mein Leben in Ordnung" hallt nach.

Trotz des traurigen und schweren Themas konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Es ist ein sehr persönliches Werk und ich bin beeindruckt, dass die Autorin nach so vielen Jahren, wahrscheinlich war der Abstand auf die Sicht der Dinge notwendig, ein so bewegendes Buch über ihre Freundin Simone geschrieben hat. Absolut empfehlenswert.

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Veröffentlicht am 29.07.2023

Altes Stück auf neuer Bühne

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
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Doris Knecht ist mir als Autorin ein Begriff, doch ich kam noch nie in den Genuss, ein Buch von ihr zu lesen. Titel und Cover haben mich sehr angesprochen und so habe ich mich auf die Geschichte der namenlosen ...

Doris Knecht ist mir als Autorin ein Begriff, doch ich kam noch nie in den Genuss, ein Buch von ihr zu lesen. Titel und Cover haben mich sehr angesprochen und so habe ich mich auf die Geschichte der namenlosen Protagonistin eingelassen.

Dieses Buch beschreibt den Prozess vom Gedanken sich verändern zu müssen bis zum Ankommen in einem neuen Leben.
Nachdem die Zwillinge der alleinerziehenden Ich-Erzählerin ihre Matura gemacht haben und das heimische Nest verlassen wollen, steht sie vor einer lebensveränderten Entscheidung. Grundsätzlich sind ihr Veränderungen zuwider, doch die viel zu große und nicht bezahlbare Wohnung kann sie nicht behalten, andere Wohnungen sind kaum erschwinglich und so macht sie sich mit dem Gedanken vertraut, in ihre sehr kleine Werkstatt umzuziehen.

All die Dinge, die sie eine lange Zeit begleitet haben, müssen sortiert, aussortiert, verkauft oder verschenkt werden. Die damit verbundenen Erinnerungen lassen sie auf ihr bisheriges Leben zurückblicken und für den Leser noch einmal Revue passieren. Kindheitserlebnisse, ihr Verhältnis zu den Eltern und Geschwistern, Studienzeit, eine gescheiterte Ehe und die Herausforderungen einer berufstätigen alleinerziehenden Mutter von Zwillingen. Ausdrucksstarker Schreibstil, sachlich, schonungslos, sehr authentisch und realitätsnah, aber wenig emotional.

Die Handlung fokussiert sich auf die starke Protagonistin, alle weiteren Charaktere werden nur oberflächlich karikiert. Diesen klar strukturierten Schreibstil mag ich sehr, da ich mich als Leserin nicht mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten auseinandersetzen muss.

Ich habe wirklich überlegt, ob einige Passagen hier vielleicht autobiographisch sind, denn ich konnte mich mit einigen Gedanken, Gefühlen und Betrachtungsweisen der Ich-Erzählerin gut identifizieren.
Dies ist eine schöne Lektüre für zwischendurch, kurze Kapitel, schnell zu lesen – empfehlenswert.

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