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Veröffentlicht am 14.08.2018

Die Liebe deiner Mutter verlierst du nie

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„Das ist die Wahrheit – etwas aufgeblasen zwar, aber wahr. Was wäre die Liebe ohne die zum zerplatzen aufgeblasene Wahrheit, ohne diese besseren Versionen unserer Selbst, die wir als die Einzigen ausgeben?“


Inhalt


In ...

„Das ist die Wahrheit – etwas aufgeblasen zwar, aber wahr. Was wäre die Liebe ohne die zum zerplatzen aufgeblasene Wahrheit, ohne diese besseren Versionen unserer Selbst, die wir als die Einzigen ausgeben?“


Inhalt


In Nigeria ist es das größte Glück für ein jung verheiratetes Paar möglichst viele gemeinsame Kinder zu bekommen. Eine Familie hat erst dann den vollen Status und die öffentliche Anerkennung erreicht, wenn das Glückt im Herzen und neues Leben im Haus einzieht. Auch Yejide und Akin sehnen sich verzweifelt nach einem Kind, doch während ihre große, unbesiegbare Liebe bisher alle Prüfungen überstanden hat, so schleicht sich nach mehreren Jahren der Kinderlosigkeit nun die Arglist ein. Der gesellschaftliche Druck von außen wird so unaushaltbar stark, dass sich Akin genötigt sieht, nach alter Tradition eine Zweitfrau zu nehmen, die ihm ein Kind schenken soll. Yejide ist nicht nur traurig, wütend und geschockt, nein, für sie tun sich in der Partnerschaft zu Akin erste Risse auf. Eine polygame Lebensweise ist nicht das, was sie sich gewünscht hat und nun entbrennt auch noch der Wettkampf, welche Frau die erste sein wird, die ein Kind empfangen hat.

Verständnis findet Yejide bei ihrem Schwager Dotun, der obwohl er der jüngere Bruder ist, schon mehrere Kinder hat und als Einziger daran glaubt, dass sie auch noch Mutter werden wird. Yejide gibt nach und lässt sich in ihrer Verzweiflung in die Arme des anderen Mannes fallen, doch selbst als das erste Kind unterwegs ist, will sich das Glück von Liebe, Zusammenhalt und Erfüllung nicht einstellen, zu mächtig sind da bereits die latenten Vorwürfen, die mutwilligen Entscheidungen und bitterbösen Wahrheiten hinter der Fassade der Liebe und Zuwendung.


Meinung


Dieses Buch ist nicht nur der Debütroman der afrikanischen Autorin Ayobami Adebayo, er ist schlicht und einfach eine Wucht. Ein fesselnder Text, eine tragische Geschichte, ein emotionales Feuerwerk und nicht zuletzt bittere aber wunderschöne Wahrheit, die so viel mehr ausdrückt und so viel tiefere Gedankengänge beim Leser initiiert, als man der Geschichte an sich zuspricht. Geprägt von den Sitten eines Landes, von unantastbaren Traditionen, überschattet von politischen Instabilitäten und gestützt durch authentische Charaktere entfaltet sich der Roman zu einem Stück über Mutterliebe, Verlustängste, Identitätskrisen und enttäuschten Hoffnungen – aber immer mit einem Blick für die Besonderheiten der Liebe.


Die Autorin bemüht sich, nicht nur die Perspektive der Frau und Mutter aufzunehmen, sondern auch die des Mannes und Vaters, indem sie beide wechselseitig als Ich-Erzähler einsetzt. Das gelingt ihr hervorragend, nicht nur weil beide Seiten gleichermaßen wichtig erscheinen, sondern auch, weil man die Lücke gefüllt haben möchte, die anderenfalls bleiben würde. Das Thema Polygamie wirft diese Frage förmlich auf: „Was denkt mein Partner, wie fühlt er?“


Der für mich aber noch zentralere Schwerpunkt des Buches liegt auf der Bedeutung der Frau in ihrer Rolle als Mutter. Dinge, die über die bloße Tatsache hinausgehen, das man rein biologisch ein Kind geboren hat, nein vielmehr die mentale Ebene, die zwischen Müttern und Kindern bestehen kann, wenn man sie zulässt, aber auch wenn man wider besseren Wissens, Distanz wahrt und nicht die Mutter ist oder auch sein kann, die man sich selbst gewünscht hat. Auch hier ist der Text keine bloße Abhandlung, kein Gerüst oder eine leere Phrase, sondern mit Hilfe einer erblich bedingten Krankheit, zeigt Adebayo, wie es sich anfühlt, das eigene Kind immer wieder zu verlieren, nicht nur eines, sondern gleich mehrere und welche Leere dann bleibt, der man einfach nichts entgegensetzen kann.


Fazit


Ich vergebe begeisterte 5 Lesesterne für diesen Roman, der es auf Anhieb in meine Jahreshighlights 2018 geschafft hat. Einerseits weil mir die Thematik Familie, Tradition, Liebe, Schicksal und Vertrauen sehr zusagt, aber vielmehr auf Grund der intensiven, nachvollziehbaren Gedankenspielerei, der man als Leser verfällt. Hinzu kommen immer wieder unvorhersehbare Wendungen, weitere Schicksalsschläge aber ebenso glückliche Fügungen, die man so nicht erwartet hat. Deshalb wird es auch nie langweilig. Und dann ist es diese Gesamtaussage des Romans, die mich vollends überzeugen konnte: Mutterliebe kann viele Lebensprüfungen mildern, sie kann schwanken, zetern oder brüllen, sie kann am Abgrund stehen und verzweifeln, doch selbst wenn man als Kind nicht in den Genuss ebenjener bedingungslosen Liebe kommt, muss das nicht bedeuten, dass es sie nicht gibt und man möglicherweise eines Tages eine Entdeckung macht, die sämtliche Grundsätze über Bord wirft. Für mich ein absolutes Herzensbuch, bei dem ich die Gefühle aller Beteiligten hautnah miterleben durfte – wunderbar!

Veröffentlicht am 01.08.2018

Hinter der Fassade lauert das Böse

Teuflisches Spiel
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„Die Aufklärung eines Falls gleicht dem Zusammensetzen eines Puzzles mit tausend kleinen Teilen, von denen einige fehlen, andere beschädigt sind oder gar nicht dazugehören.“


Inhalt


Auch in ihrem fünften ...

„Die Aufklärung eines Falls gleicht dem Zusammensetzen eines Puzzles mit tausend kleinen Teilen, von denen einige fehlen, andere beschädigt sind oder gar nicht dazugehören.“


Inhalt


Auch in ihrem fünften Fall ermittelt Kate Burkholder in einem vermeintlichen Mord, des zunächst als Unfall mit Fahrerflucht getarnt war. Paul Borntrager und zwei seiner kleinen Kinder sterben bei einem Zusammenprall ihres Buggys mit einer frisierten Kühlerhaube eines Pick-Ups. Bei 130 km/h hatten die drei keine Chance und vom Fahrer des flüchtigen Fahrzeugs fehlt jede Spur. Leidtragende und trauernde Witwe ist Kates ehemalig beste amische Freundin Mattie, die nun mit ihrem behinderten Sohn allein dasteht. Kate setzt alles daran, ein Motiv des Täters zu ermitteln, denn die spärlichen Beweismittel reichen längst nicht aus, um irgendjemanden ins Netzt zu locken. Durch bloßen Zufall entdeckt Kate nach langem erfolglosen Suchen, das mutmaßliche Tatfahrzeug in einer ungenutzten Scheune, wird es nun endlich möglich sein, Spuren zu finden? Doch bevor Kate handeln kann, rückt Mattie immer mehr in den Vordergrund der Ermittlung. Hat es der Täter vielleicht eher auf sie, als auf ihren Mann abgesehen und wie nah, kann er ihr noch kommen?


Meinung


Ganz klar, die Thriller-Reihe der amerikanischen Autorin Linda Castillo, rund um Mord-und Kriminalfälle innerhalb der Glaubensgemeinschaft der Amischen, verliert auch in ihrem 5. Band nicht an Potential. Immer wieder überzeugt der temporeiche, doch weniger auf Action basierende Erzählton, der Straftaten aufdeckt, die man als Außenstehender nicht direkt vermutet und deren Aufklärung immer wieder die kleinen grauen Gehirnzellen fordert. Zwar ist es nichts wirklich Neues und auch die Rahmenhandlung mit der engagierten Kate, ist den Fans hinreichend bekannt, doch dem Spannungsfaktor tut das keinen Abbruch. Selbst wenn man die Bücher nicht unmittelbar und in chronologischer Reihenfolge konsumiert, kann man ausgesprochen gut folgen, ohne große Wissenslücken zu haben.


Was mir an diesem Band besonders gefallen hat, war die subjektiv andere Lage der Dinge, denn diesmal war Mattie nicht nur irgendeine Amische, sondern die beste Jugendfreundin der Polizistin. Dadurch bekam die persönliche Note ein größeres Augenmerk und man erfährt wieder kleine Anekdoten aus den Jugendtagen von Kate, die sich ganz bewusst gegen das Leben als Amische entschieden hat, weil sie eben nicht mit jener geduldigen Gelassenheit den Schrecken des Bösen begegnen kann, wie es für die Mitglieder normalerweise Pflicht ist. Ein weiteres Plus des Bandes: Kates Geheimnis um ihren Vergewaltiger Daniel Lapp holt sie ein, denn dessen sterbliche Überreste wurden nun gefunden und ein anderes Polizei Department nimmt sich des alten Falles an. Für Kate steht viel auf dem Spiel und der Leser darf alles hautnah miterleben.


Fazit


Von mir gibt es begeisterte 5 Lesesterne für diesen fesselnden Thriller mit persönlicher Note. Sowohl für Neulinge als auch für Fans ein gelungenes Leseerlebnis, bei dem man mitfiebern kann, ohne Gefahr zu laufen, dass es Kate nicht schaffen könnte, denn obwohl ihr Leben durchaus auf dem Spiel steht, wird es in Band 6 (den ich allerdings schon kenne) und auch in allen weiteren Büchern ein willkommenes Wiedersehen geben. Ich bleibe auf jeden Fall an dieser Reihe dran und empfehle sie uneingeschränkt weiter.

Veröffentlicht am 01.08.2018

Wenn das Leben eine zweite Chance bereithält

Babydoll
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Doch sie wusste, dass sie fürs Erste in Sicherheit war und das sie geliebt wurde. Es war nicht das Leben, das sie sich vorgestellt hatte, als Lily zurückgekommen war, doch sie ging jeden Abend mit reinem ...

Doch sie wusste, dass sie fürs Erste in Sicherheit war und das sie geliebt wurde. Es war nicht das Leben, das sie sich vorgestellt hatte, als Lily zurückgekommen war, doch sie ging jeden Abend mit reinem Gewissen zu Bett.“


Inhalt


Lily Riser hat es geschafft: nach 8 Jahren Gefangenschaft an der Seite eines gewalttätigen Soziopathen ist es ihr gelungen, ihrem Peiniger zu entkommen. Gemeinsam mit ihrer Tochter Sky flüchtet sie sich in ihr Zuhause und alarmiert die Polizei. Es dauert nicht lange, bis der Schuldige zur Rechenschaft gezogen wird und nun hinter Gittern auf sein gerechtes Urteil wartet. Doch für Lily gestaltet sich der Neuanfang schwierig. Nicht nur, dass sie selbst und ihre Tochter dringend auf therapeutische Hilfe angewiesen sind, sondern vor allem die Tatsache, dass ihre Zwillingsschwester Abby nun ein Kind von Lilys Jugendliebe Wes erwartet. Mühevoll arbeitet sie an der Normalität, die sich einfach nicht einstellen möchte und verfällt dabei in eine leidvolle Lethargie. Abby möchte ihrer über alles geliebten Schwester helfen, doch solange ihr Entführer sich in jeden Gedanken schleicht, gibt es kein Morgen – es sei denn, sie nimmt das Glück selbst in die Hand …


Meinung


Der Debütroman der amerikanischen Autorin Hollie Overton greift einen ungewöhnlichen Ansatz für einen Thriller auf, zielt er doch genau auf jenen Zeitpunkt ab, bei dem die Opfer nicht getötet werden, sondern dank glücklicher Umstände tatsächlich entkommen sind. Und so wirkte das Buch auf mich in erster Linie als Spannungsroman und weniger als nervenaufreibender Thriller.


Die Autorin legt Wert auf menschliche Verhaltensweisen und versetzt sich in die Köpfe der Geschädigten nach einem äußerst dramatischen Schicksalsschlag. Geschickt verflicht sie die Leben ihrer Protagonisten miteinander, die nicht nur eine Familie waren, sondern auch immer noch eine sind. Obwohl klar ersichtlich wird, dass ein unbeschwerter Umgang miteinander längst nicht mehr die Realität ist. Inhaltlich konzentriert sie sich dabei auf eine ehemals intakte Beziehung zwischen den Zwillingsschwestern Lily und Abby, die nun auf dem Prüfstand steht und ununterbrochen durch Vertrauensbrüche belastet wird. Verzeihen, Verstehen und Mitleid kommen immer wieder zur Sprache und lassen den Leser das brüchige Verhaltenskostüm der Charaktere authentisch nachvollziehen. Im Verlauf der Geschichte gibt es dann aber doch einige aus meiner Sicht überspitzte Dramas, deren Ausarbeitung in dieser Form etwas aufgesetzt und übermotiviert wirken. Hinzu kommt ein klein wenig „Heile-Welt-Anstrich“, den es nicht gebraucht hätte. Doch generell packt einen die Überlebensgeschichte der jungen Frau schon, weil sie glaubwürdig geschildert wird.


Fazit


Ich vergebe gute 4 Lesesterne für diesen Spannungsroman, der kein richtiger Thriller ist und das Grauen eines gefolterten Entführungsopfers dennoch vortrefflich einfängt. Lobenswert erscheint mir die menschliche Vielfalt, die Komplexität der Erzählung, die betrüblichen Aussichten auf eine Zeit jenseits der Normalität, gefangen in einem Leben, welches mit schrecklichen Erinnerungen durchwirkt ist. Abwechslungsreich und innovativ – hat man doch die geschilderte Szenerie nicht allzu oft in der Literatur vor Augen. Über das familiäre Drama, welches sich anschließt kann man hinwegsehen. Ich habe es gern gelesen auch wenn es teilweise zu viel des Guten war.

Veröffentlicht am 01.08.2018

Freundschaft voller dunkler Geheimnisse

Dunkelgrün fast schwarz
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„Es war nur ein Zufall, ein Unglück, dass er Raf begegnet ist. Das Schlimmste vielleicht, was ihm je geschehen ist. Und Jo. Für Jo gilt das ebenfalls. Und gleichzeitig, ein bisschen auch das Beste.“


Inhalt


Für ...

„Es war nur ein Zufall, ein Unglück, dass er Raf begegnet ist. Das Schlimmste vielleicht, was ihm je geschehen ist. Und Jo. Für Jo gilt das ebenfalls. Und gleichzeitig, ein bisschen auch das Beste.“


Inhalt


Für Moritz ändert sich förmlich von einem Moment auf den anderen sein Leben, als vollkommen unerwartet sein bester Freund aus Kindertagen vor der Haustür steht. Raffael, genannt Raf, den er seit fast 15 Jahren nicht mehr gesehen hat, bittet um ein Nachtquartier und Moritz gewährt es ihm, wie jeden seiner Wünsche seit eh und je. Eigentlich hat Moritz mit dieser alten Freundschaft längst abgeschlossen, denn Raffael ist damals einfach verschwunden, ohne ein Wort des Abschieds, ohne sich für irgendetwas zu interessieren. Die Beziehung der beiden zueinander ein Phänomen – war es doch immer der charismatische, einprägsame Raf, dessen Skrupellosigkeit und Entschlossenheit ebenso wie seine Geheimniskrämerei einen deutlichen Gegenpol zu Moritz Offenheit und Schüchternheit darstellten. Erst als Kristin, die Lebensgefährtin von Moritz kurz vor der Entbindung ihres ersten Kindes auszieht, weil sie es nicht länger mit Raffael unter einem Dach aushält und dieser keine Anstalten macht, die Unterkunft zu verlassen, sieht sich Moritz gezwungen, die unschöne Vergangenheit aufzuarbeiten und den Dämonen von damals Zutritt zu gewähren.


Doch von was lebt Raffael eigentlich? Warum bleibt er so lange und wo will er hin? Und warum klingelt er nach so vielen Jahren gerade bei Moritz an der Tür? Fragen, die einer dringenden Klärung bedürfen und die umso elementarer werden, als plötzlich Jo, die Jugendlieber beider Männer auftaucht und sich dazugesellt. Moritz ist sich sicher – das ist ein abgekartetes Spiel und sein Seelenheil der bittere Preis für die absichtlichen Fehltritte anderer.


Meinung


Die österreichische Autorin Mareike Fallwickl widmet sich in ihrem Debütroman den vielen unterschiedlichen Facetten einer unausgeglichenen Männerfreundschaft, die in ihrer Tiefe und Intensität schnell den Weg der Normalität verlässt. Sie schafft ein psychologisches Porträt über menschliche Motive, Beziehungen einzugehen, sie zu führen auch entgegen der inneren Überzeugung und sie mit bitterem Nachgeschmack zu beenden. In erster Linie steht dabei der Wille und die Charakterstärke Einzelner im Zentrum der Erzählung und ihre Macht oder besser der Missbrauch selbiger, um das eigene Selbst zu erhöhen und andere damit zu erniedrigen.


„Dunkelgrün fast Schwarz“ bezeichnet die Farbe, die der künstlerisch begabte Moritz an seinem vermeintlich besten Freund wahrnimmt. Denn Moritz verfügt über die ungewöhnliche Begabung rund um eine fremde Person eine sich verändernde, doch dominante Farbe wahrzunehmen. Und dieses Gefüge manifestiert sich in klaren, hellen Farben und damit freundlichen Charakteren und dunklen, gefährlichen Tönen, die dennoch enorm reizvoll sind. Doch was Moritz nicht kann, ist es Grenzen zu ziehen und sich gegen das Bedrohliche in Raffael abzugrenzen. Er wird zum emotional abhängigen Mitläufer, dem durchaus mit erschreckender Einsicht bewusst wird, dass sein Ego immer durchscheinender im Glanz des Anderen wird.


Die Autorin vermag es intensiv und spannend eine Geschichte über viele Jahre hinweg aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und doch immer im entscheidenden Moment, den Leser im Unklaren zu lassen und eine seltsame Schwebe aufrechtzuerhalten, die fesselt aber auch anstrengt, denn nie erfährt man, was Raffael eigentlich ist und was er mit seinem Verhalten bezweckt.


Fazit


Ich vergebe empfehlenswerte 4 Lesesterne für einen gut durchdachten, auf Emotionen und Geheimnissen basierenden Roman, der tief in menschliche Abgründe hineinschaut. Wer sich für Psychologie interessiert oder hinter die gutbürgerliche Fassade schauen möchte, ist hier genau richtig. Zum Lieblingsbuch fehlt mir aber einiges, auch wenn viele Leser so schwärmen. Vor allem die Tatsache, dass die Spannungskurve so sehr ausgereizt wird, hat mir missfallen. Denn irgendwann habe ich aufgehört, den Menschen hinter dem Protagonisten zu suchen und habe das Geschehen nur noch hingenommen, ohne mir genauere Gedanken darüber zu machen.

Veröffentlicht am 01.08.2018

Die Toten, nicht die Lebenden

Todsünde
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Die Gestalt kam mit merkwürdig ungelenken Bewegungen auf Redfield zu und blieb wenige Schritte vor ihm stehen. Die Kamera fiel ihm aus den Händen. Er wich entsetzt zurück, den Blick auf die Gestalt geheftet. ...

Die Gestalt kam mit merkwürdig ungelenken Bewegungen auf Redfield zu und blieb wenige Schritte vor ihm stehen. Die Kamera fiel ihm aus den Händen. Er wich entsetzt zurück, den Blick auf die Gestalt geheftet. Es war eine Frau. Und sie hatte kein Gesicht.“


Inhalt


Maura Isles, Gerichtsmedizinerin wird zu einem schauerlichen Mord in ein gottesfürchtiges Kloster gerufen. Zwei der Nonnen wurden mitten in der Nacht aus ihren Zimmern gelockt und brutal erschlagen. Die eine bedauernswert jung, die andere hat schwerverletzt überlebt, liegt aber nun im Koma. Maura stützt sich auf die Obduktion der Leiche und stellt dabei fest, dass die junge Nonne kurz vor ihrer Ermordung entbunden haben muss. Als die Polizeichefin Jane Rizzoli durch Zeugenbefragungen den Leichnam des Babys entdeckt, rückt der potentielle Vater ins Visier der Ermittler. Doch bald erweist sich der Ansatz als vollkommen falsch, denn es war die ältere der beiden Nonnen, die den Feind anscheinend ins Kloster gelockt hat und das nur, weil sie ein Geheimnis kannte, was niemand kennen sollte. Mühsam setzen Jane und Maura die kleinen Ungereimtheiten zusammen und stellen viel zu spät fest, dass sie den Falschen vertraut haben …


Meinung


Die amerikanische Thrillerautorin Tess Gerritsen, die sich mit ihrer Rizzoli-Isles-Reihe in die Herzen der Liebhaber guter Spannungsromane geschrieben hat, entwirft hier im dritten Band der Reihe ein gut durchdachtes, schauriges Intermezzo, bei dem man als Leser nicht nur Interesse für das Tagwerk einer Ermittlerin und einer Gerichtsmedizinerin bekommt, sondern neben dem Fall auch noch eine stark ausgeprägte persönliche Komponente geliefert bekommt. Die Spannungskurve verläuft zunächst eher flach und gemächlich, weil man nicht ohne Weiteres die Zusammenhänge durchschaut, dafür steigert sich das Potential immer mehr und bald ist es ein ganzes Knäuel an Verflechtungen, die man voller Interesse verfolgt. Die Autorin greift dabei zu ganz klassischen Methoden gutbewährter Art: ein geheimnisvolles Intro, einen nicht zu dominanten Mörder, ein starkes Ermittlerteam und viele verschlungene Wege, die immer wieder Abzweigungen nehmen.


Wer nur ein blutiges Schauspiel oder extremen Nervenkitzel erwartet, ist hier nicht richtig am Platze, denn auch der familiäre Kontext der beiden Hauptprotagonistinnen nimmt einen großen Stellenwert ein. Kleine Nebenerzählungen führen aber dazu, dass der Fall selbst in den Hintergrund tritt. Für Abwechslung ist allemal gesorgt, zumal bald klar wird, dass auch die Bekanntschaften von Isles und Rizzoli nicht ganz unbeteiligt sind am Verlauf der Gesamthandlung.


Fazit


Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen klassischen Thriller mit spannendem Handlungsaufbau, der mich sehr gut unterhalten hat und tatsächlich durch eine gut eingebaute Rahmenhandlung nicht nur den bloßen Unterhaltungswert bietet, sondern auch Sympathien weckt. Für Fans der Reihe ein lesenswertes Buch, wenn auch nicht so herausragend, wie andere. Es lässt sich auch isoliert lesen und weckt selbst nach längerer Pause, wie bei mir, das Interesse daran, die Reihe fortzusetzen.