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Veröffentlicht am 15.09.2016

Wenn die Trennlinie nicht überwunden wird

Die Einsamkeit der Primzahlen
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Erzählt wird die Geschichte von Alice und Mattia, die beide eine schwierige Kindheit erlebten, deren Jugend ganz anders als die „normaler“ Teenager verlief und die sich letztlich zu Erwachsenen entwickelten, ...

Erzählt wird die Geschichte von Alice und Mattia, die beide eine schwierige Kindheit erlebten, deren Jugend ganz anders als die „normaler“ Teenager verlief und die sich letztlich zu Erwachsenen entwickelten, die immer noch und gerade wegen ihrer Vergangenheit Komplexe haben. Das Buch schlägt einen großen Bogen, zeichnet drastische Konturen und entwickelt einen ganz individuellen Charakter, der es zu etwas Besonderem macht. Die teils düstere Stimmung, die vielen unausgesprochenen Gefühle werden zwischen den Zeilen regelrecht greifbar, so dass man als Leser schwankt zwischen entsetztem Kopfschütteln und andächtigem Schweigen.

Kaum vorstellbar sind die vollzogenen Handlungen und doch erschreckend realistisch. Gibt es sie wirklich irgendwo? Menschen, die derart befangen, eigenbrötlerisch und anders sind, dass keine Menschenseele Zugang zu ihnen finden kann? Wie in einer Seifenblase gefangen verrinnen die Jahre, viele bedeutungslose Jahre die keine Entwicklung, Veränderung oder Verbesserung bringen. Zwei einsame Seelen, die nicht genügend Mut aufbringen konnten, einander jenes Vertrauen zu schenken, welches für eine gemeinsame Zukunft unabdingbar ist.

Der Autor wählt hier wechselnde Erzählperspektiven: Zum einen spricht der männliche Part Mattia, der seine geistig behinderte Zwillingsschwester in seiner Kindheit im Park zurück lies und zum anderen die weibliche Protagonistin Alice, die nach einem Skiunfall körperlich behindert ist und ihre Ohnmacht gegenüber dem Vater mittels Magersucht ausdrückt. Beide sind sich ähnlich, verschlossen, korrekt und am liebsten allein mit ihren persönlichen Schuldzuweisungen. In kurzen Momenten, in denen sie sich einander öffnen, entwickelt sich eine Art Freundschaft, ein wertvoller Augenblick für beide, weil sie erkennen, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten nicht allein sind. Doch langfristig betrachtet, können sie die Ansprüche an den anderen und auch an sich selbst nicht erfüllen und gehen getrennter Wege.

Fazit: Dieses Jugendbuch wird mir lange in Erinnerung bleiben, denn es erzeugt einen traurigen, nachdenklich stimmenden Nachklang. Ausgehend von einer stillen, über Jahrzehnte dauernden Erzählung bleibt eine Art Einsamkeit zurück, die bewegt. Ich spreche eine Leseempfehlung aus, für all jene, die sich gern in einem Roman verlieren und mit einem unbestimmten, wenn auch realistischem Ende zufrieden sind. Ein einprägsames Debüt des jungen italienischen Autors, von dem ich schon bald sein aktuelles Buch „Schwarz und Silber“ lesen werde.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Traum vom Fliegen

Dem Himmel entgegen
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„Er war gegangen, da er Jude war. Es war das einzig Richtige für ihn. Dafür musste er sie zurücklassen. Er hatte entschieden, für sich das Beste zu tun. Und damit hatte er auch eine Entscheidung gegen ...

„Er war gegangen, da er Jude war. Es war das einzig Richtige für ihn. Dafür musste er sie zurücklassen. Er hatte entschieden, für sich das Beste zu tun. Und damit hatte er auch eine Entscheidung gegen sie getroffen.“
Für Emmanuelle bricht eine schwere Zeit an, nachdem sie erfahren hat, dass sie von ihrer großen Liebe Julian ein Kind erwartet. Denn Julian verlässt ohne ein Wort des Abschieds das Land und Emmanuelle konnte ihm nicht einmal von der Schwangerschaft berichten. So entschließt sie sich ihr Kind zur Adoption freizugeben, um ein neues, ein anderes Leben zu führen. Doch Jahre später holt sie die Vergangenheit ein, denn plötzlich steht Julian wieder vor ihrer Tür und sie bemüht sich über einen Privatdetektiv herauszufinden, was mit ihrer Tochter geschah, denn den Verlust des Kindes konnte sie seit damals nicht überwinden. Als die Ermittlungsarbeit schließlich Früchte trägt, offenbart sich Emmanuelle ein gut gehütetes Geheimnis, welches ihr ganzes bisheriges Leben in Frage stellt.
Die Autorin Katja Maybach greift in diesem Buch auf die Faszination des Fliegens zurück und entwirft in diesem emotionalen Roman eine berührende Familiengeschichte, die sich mit den Entscheidungen dreier Frauen beschäftigt. Dabei geht sie gekonnt auf die vielen schicksalhaften Begegnungen und Ereignisse im Leben der drei Hauptprotagonistinnen ein und zeigt, wie anders und unerwartet sich eine Situation in eine vollkommen neue verwandeln kann. Sie sensibilisiert den Leser für verschiedene Lebenskonzepte und plädiert für Toleranz und den Mut, eine Verzeihung auszusprechen und anzunehmen. Die vielfältigen Gefühlsregungen wie Verzagen, den Wunsch etwas zu erreichen, die verpassten Chancen und die Akzeptanz des Unvermeidlichen ziehen sich wie der rote Faden durch den Roman. Begleitet wird die Erzählung durch eine leichte, schöne Sprache, einen zeitlich geteilten Handlungsverlauf und dem Fokus auf die jeweilige Erzählerin des Kapitels.
Fazit: Ich vergebe eine Leseempfehlung und 4 Sterne für diesen bewegenden Roman über die Liebe, das Leben und die Fliegerei. Eine ausgewogene Erzählung mit eingeflochtenen Geheimnissen und dramatischen Wendungen machen das Buch zum Lesevergnügen. Lediglich an der Erzähltiefe und damit am Nachklang des Buches, mache ich meinen Punktabzug fest. Denn trotz sehr aufwühlender Ereignisse und Rückschläge der handelnden Personen, finden diese erstaunlich schnell wieder in ein „normales“ Leben zurück.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Reich und Schön in Schweden

Die Erbin
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Die junge Natalia de la Grip ist nicht nur Teil einer großen schwedischen Familiendynastie sondern darüber hinaus eine überaus erfolgreiche Juristin. Als sie vom berühmt-berüchtigten David Hammar zum Essen ...

Die junge Natalia de la Grip ist nicht nur Teil einer großen schwedischen Familiendynastie sondern darüber hinaus eine überaus erfolgreiche Juristin. Als sie vom berühmt-berüchtigten David Hammar zum Essen eingeladen wird, nimmt sie an ohne den Grund für sein plötzliches Interesse zu kennen. Und bereits nach wenigen Treffen ist sie ihm vollkommen verfallen. Doch die kurze, heiße Affäre die beide beginnen, scheint eine Farce zu sein, denn David verfolgt einen ehrgeizigen Racheplan, dessen Ziel die Zerstörung von Natalias Familienunternehmen ist. Nur die Gefühle der beiden zueinander gehen weit über eine nette Unverbindlichkeit hinaus, so dass ihre beruflichen Pläne im krassen Gegensatz dazu stehen. Wie wird sich David wohl entscheiden – Geld oder Liebe?

Simona Ahrnstedt entwirft hier auf 600 Seiten einen zeitgenössischen Liebesroman, der den Leser in die schöne, reiche, prestigeträchtige Finanzwelt der schwedischen Metropole Stockholm entführt. Eine Welt voller Glamour, Geld, teuren Statussymbolen und leider auch oberflächlichen Verhaltensweisen. Die High-Society verfolgt eigene, oft korrupte Ziele, deren Selbstzweck darin besteht, noch mehr Macht und Ansehen anzuhäufen unabhängig von moralischen Grundsätzen.

Während das Buch einen durchaus interessanten Handlungshintergrund in der Finanzwelt schafft, bleibt die eigentliche Liebesgeschichte zwischen Natalia und David auf der Strecke. Einerseits bekommt man Kapitel voller detaillierter Sexszenen präsentiert, andererseits zwei zwiespältige Hauptprotagonisten, die vollkommen differenzierte Wünsche und Erwartungen hegen. Vieles wirkt auf mich konstruiert, emotionslos und manchmal auch überzogen. Außerdem verliert sich die Geschichte in Banalitäten und ausschweifenden Nebenhandlungen, teils auch in absoluten Unwahrscheinlichkeiten. All das konnte mich nicht wirklich überzeugen, so dass ich hier nur eine mittelprächtige Bewertung abgeben kann.

Fazit: Ich vergebe drei Sterne für einen abwechslungsreichen Unterhaltungsroman, der wahrheitsgetreue Gesellschaftskritik übt aber mit einer recht flachen Liebesgeschichte aufwartet. Prinzipiell fällt er nicht in mein Beuteschema und konnte mich dementsprechend auch nicht restlos begeistern.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Vom Abschied in jungen Jahren

Auf Zehenspitzen berühre ich den Himmel
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Mit 32 Jahren verändert sich das glückliche Familienleben von Poppy Cricket von einem Moment auf den anderen in ein einziges Drama. Ein Knoten in der Brust entpuppt sich als bösartiger Tumor, der bereits ...

Mit 32 Jahren verändert sich das glückliche Familienleben von Poppy Cricket von einem Moment auf den anderen in ein einziges Drama. Ein Knoten in der Brust entpuppt sich als bösartiger Tumor, der bereits die Knochen angegriffen hat und im vorliegenden Stadium unheilbar ist. Plötzlich verliert alles in Poppys Leben an Bedeutung: die Unbeschwertheit kommt abhanden und sie versucht mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln eine Zukunft für ihren Mann und die geliebten Kinder zu schaffen. Langsam schleicht sie sich aus dem Leben, weil die körperlichen Beeinträchtigungen immer stärker werden, doch noch hat sie Träume, die es zu verwirklichen gilt, Hoffnungen und Pläne, die sie in die Tat umsetzen möchte. So wird es ein langer Abschied mit vielen Tränen aber mindestens genau so vielen wunderschönen, lebenswerten Momenten.

Dieser Roman beschäftigt sich mit der schweren Thematik des Sterbens, insbesondere wenn man noch jung ist, Verantwortung trägt und ganz andere Gedanken hegt, als die an ein baldiges Lebensende. Generell beschreibt die englische Autorin Amanda Prowse hier nicht nur die Geschichte einer Krankheit und den bitteren Leidensweg, der damit in Verbindung steht sondern in erster Linie eine anrührende, von Liebe geprägte Erzählung, die eine ganz normale Familie durch dieses Szenario begleitet. Traurige Momente stehen neben lebensbejahenden Handlungen, Tränen und Freude gehen Hand in Hand und dadurch entsteht ein authentischer, bewegender Roman, der die Normalität und ihr Abhandenkommen wunderbar einfängt und direkt ins Herz des Lesers trifft. Eine Geschichte wie sie uns jeden Tag und überall auf der Welt begegnen könnte, voller zerplatzter Seifenblasen und bunter Traumschlösser – ein Abschied in Würde und gleichermaßen ein Verlust der beweist, dass das Leben weitergeht, auch wenn ein geliebter Mensch fehlt.

Dieses Buch und die Autorin durfte ich in einer Leserunde kennenlernen. Schreibstil und Handlung des Romans sind einprägsam und zeitgemäß und die Geschichte geht zu Herzen. Ein paar kleine Schönheitsfehler möchte ich dennoch nennen. Manchmal hat mir das bedrückende Gefühl gefehlt, welches sich einstellt, wenn man weiß, dass die Hauptprotagonistin sterben wird. Und auch der Umgang mit dem Tod, dem Sterben und seiner elementaren Bedeutung innerhalb der Familie hat mich etwas enttäuscht, denn die Kinder wurden meist außen vor gelassen und nicht wirklich darauf vorbereitet, wie es ohne Mutter sein wird.

Fazit: Ich vergebe 4,5 Sterne für eine bewegende, realistische Erzählung, der es spielend gelingt Tränen der Freude und des Leids zu vereinen und die Hoffnung am Lebensende in den Vordergrund stellt. Ich spreche eine Leseempfehlung für all jene aus, die Gefallen an emotionalen Romanen finden und sich für die Thematik Trauer, Verlust und Sterben interessieren.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Der Überlebenskampf einer Unbestimmten

Die Bestimmung - Tödliche Wahrheit
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Der Kampf zwischen den Fraktionen stellt Beatrice Prior, geborene Altruan, gewählte Ferox vor ein großes Problem. Nicht nur die Tatsache, dass sie ihre Eltern verloren hat und ihr Bruder in die feindlichen ...

Der Kampf zwischen den Fraktionen stellt Beatrice Prior, geborene Altruan, gewählte Ferox vor ein großes Problem. Nicht nur die Tatsache, dass sie ihre Eltern verloren hat und ihr Bruder in die feindlichen Reihen wechselte, sondern vor allem ihre Liebe zu Tobias scheint unter den gegebenen Umständen unmöglich zu sein. Ständig steht sie unter Strom, ist gezwungen ihre Mitmenschen zu verraten und zu belügen, um den Gegner auszuschalten. Doch immer wieder scheitern ihre selbstlosen Versuche: Freunde werden zu Feinden und umgekehrt. Als Beatrice erkennt, dass ihr bisheriges Weltbild ein einziger Trugschluss ist, setzt sie alles auf eine Karte, um die Wahrheit herauszufinden und schließt sich gegen den Willen ihres Freundes dem feindlichen Lager an.

Nachdem ich voller Begeisterung und innerhalb weniger Tage den ersten Band der Trilogie gelesen habe, waren meine positiven Erwartungen an Band 2 natürlich ziemlich hoch. Leider schafft es der Folgeroman nicht in die Liste meiner Favoriten, weil einfach viel zu viel fehlt. Zum einen verlagert sich die Handlung unschöner Weise auf ein chaotisches Kriegsfeld, zwischen Schutt und Asche, Menschen die wie Roboter agieren und einer verwüsteten Welt, dort versucht ein junges Mädchen zur Heldin zu werden. Zum anderen stagniert sowohl die begonnene Liebesgeschichte als auch die charakterliche Weiterentwicklung der Protagonistin. Es gibt auf den knapp 500 Seiten des Buches zahlreiche Hänger, langweilige Episoden und ein mühsames Weiterhangeln im Verlauf. Deshalb ist dieses Jugendbuch alles andere als ein Pageturner und hat ganze zwei Wochen Lesezeit in Anspruch genommen.

Dennoch gelingt es der Autorin durch einen munteren, Ursachen erforschenden Schreibstil und einem geschickten Textaufbau den Leser zu erreichen, so dass es durchaus keine Zeitverschwendung ist, bis zum spannenden Finale weiterzulesen. Es bietet sich hier geradezu an, die Bände in chronologischer Reihenfolge aufzunehmen, damit sich die richtigen Verknüpfungen und Rückschlüsse ziehen lassen. Außerdem fehlt es Band 2 an einer eigenständigen Geschichte, die es separat zu erzählen lohnt.

Fazit: Ein eher schwacher Folgeroman, ohne nennenswerte Höhen und Tiefen, den es sich nur zu lesen lohnt, wenn man sich für die Geschichte der Fraktionen interessiert und beabsichtigt auch den Abschlussroman der Trilogie kennenzulernen. Insgesamt vergebe ich 3 Sterne für ein durchschnittliches Werk im Bereich Jugendbuch/ Dystopie.