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Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Berührungspunkte zweier Lebenswege

Das Meer in Gold und Grau
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Nachdem Katia Werner eine Auszeit von ihrem bisherigen Leben braucht und sich für ein geplantes verlängertes Wochenende zu ihrer bis dato unbekannten Tante an die Ostsee begibt, beginnt für sie ein neuer ...

Nachdem Katia Werner eine Auszeit von ihrem bisherigen Leben braucht und sich für ein geplantes verlängertes Wochenende zu ihrer bis dato unbekannten Tante an die Ostsee begibt, beginnt für sie ein neuer Lebensabschnitt denn aus zwei Tagen werden fast zwei Jahre. An der holsteinischen Ostseeküste betreibt ihre betagte Tante Ruth ein eher altmodisches doch gemütliches kleines Strandhotel. Gemeinsam mit einer bunten Mischung aus Personal, die fast alle im Rentenalter sind, trotzt sie Wind, Wetter und Veränderungen. Katia und Ruth finden Gefallen aneinander und die junge Frau bringt sich immer mehr in den Hotelbetrieb ein, so dass Ruths „Palau“ in neuem Glanz erstrahlt. Doch während die Lebenskräfte der einen nun zur vollen Entfaltung kommen, lassen die der alten Frau immer mehr nach und so entsteht eine spezielle Verbundenheit zwischen den Generationen, die ähnlich wie die Wellen am Strand einem ständigen Auf und Ab unterworfen ist.

Veronica Peters entwirft in diesem Roman, der bereits mein zweiter der Autorin ist, eine wunderschöne, sehr bildliche Sprache. Sie verpackt Gedanken, Lebensweisheiten und Naturbeschreibungen in einem anspruchsvollen Schreibstil, der das Lesen zum Erlebnis werden lässt. Die beiden Hauptprotagonisten aber auch alle anderen auftretenden Charaktere werden umfassend und liebevoll beschrieben, so dass man als Leser definitiv um die Stärken und Schwächen der entsprechenden Person weiß. Man fühlt sich ihnen verbunden und nah, fast so als würde man neben ihnen stehen und eigene Beurteilungen abgeben. Dieser Detailtreue und Aufmerksamkeit ist es auch zu verdanken, dass ich das Buch gerne gelesen habe, obwohl mich die eigentliche Geschichte nicht packen konnte.

Die Thematik von Neubeginn und Abschied, von Bestand und Veränderung, von Lebenssinn und Lebensabend wurde hier relativ emotionslos behandelt. Sowohl Katia als auch Ruth behalten sich ein Hintertürchen offen und gehen nur ein Stück des gemeinsamen Weges zusammen, bevor sich beide wieder oder nicht mehr in ein eigenes Leben verabschieden. Die beiden starken Frauen des Romans sind Einzelgänger, gewesen und geblieben, daran konnte ihre Bekanntschaft leider nichts ändern und ihre ganz individuelle Art von Liebe, die sie sicherlich füreinander empfunden haben, war für mich nur schwer nachvollziehbar.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne für einen sprachgewaltigen, sehr speziellen Roman, der meine Liebe zur Literatur ausgesprochen gut widerspiegelt, aber dessen Handlung für meinen Geschmack zu wenig greifbare Liebe, zu wenig Herzlichkeit, zu wenig Emotionalität besaß. Die Bücher von Veronica Peters lesen sich einfach wundervoll und aus diesem Grund freue ich mich darauf ihren aktuellen Roman „ Aller Anfang fällt vom Himmel“ bald kennenzulernen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Ein letzter Wunsch fürs Glücklichsein

Das Institut der letzten Wünsche
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Mitten in Berlin haben sich zwei Frauen selbstständig gemacht und betreiben gemeinsam „Das Institut der letzten Wünsche“, ein Dienstleistungsunternehmen für Sterbenskranke und deren Angehörige, welches ...

Mitten in Berlin haben sich zwei Frauen selbstständig gemacht und betreiben gemeinsam „Das Institut der letzten Wünsche“, ein Dienstleistungsunternehmen für Sterbenskranke und deren Angehörige, welches es sich auf die Fahne geschrieben hat, den wichtigsten Herzenswunsch des Todgeweihten zu erfüllen, damit dieser in Frieden sterben kann. Dabei kommt es vor allem auf Einfallsreichtum und gute Kontakte an, denn die Klienten haben nicht nur absonderliche Vorstellungen sondern sind meist gar nicht mehr in der Lage dazu, ihre Wünsche zu realisieren. Doch Ingeborg und Mathilda geben immer ihr Bestes, sie lassen es im Sommer schneien, verwandeln die Ostsee in das Mittelmeer, organisieren Spieleabende in der Studenten-WG und erwecken selbst die totgeglaubte Maria Callas zu neuem Leben. Als eines Tages der ziemlich junge Birger Raavenstein im Institut auftaucht, um seine verlorengegangene Jugendliebe wiederzufinden, bevor er an einem Lungentumor stirbt, verändert sich für Mathilda alles, denn Birger ist nicht nur ihr neuer Klient sondern in erster Linie der Mann, in den sie sich unsterblich verliebt …

Ein absolut ansprechender Roman, der es schafft ein sehr berührendes, trauriges Themengebiet weitgehend positiv und hoffnungsfroh darzustellen. Hier geht es nicht nur um das Sterben und das Leid sondern in erster Linie um die unbändige, alles verändernde Kraft, die Sterbenskranke entwickeln, wenn es darum geht sich einen Herzenswunsch zu erfüllen. Es geht um Menschlichkeit und Nähe, um große Taten zu absolut unpassenden Zeiten und ganz wesentlich um die Würde des Menschen, um seine Selbstbestimmtheit in den letzten Lebensmonaten. Die Autorin entwirft mit viel Gefühl ein ganz spezielles Szenario, sicherlich kein allzu realistisches dafür aber ein Bild einer wild zusammengewürfelten Mannschaft, in deren Zentrum der Mensch und seine Persönlichkeit steht. Nicht jeder ist mit allem einverstanden, doch außergewöhnliche Menschen erfordern ebenso außergewöhnliche Maßnahmen. Und während die Ärzte den Betreffenden nicht mehr viel Zeit geben, schenkt das Institut ihnen wunderschöne letzte Augenblicke, auch wenn es für die Absolution, die Rettung ihres Lebens definitiv zu spät ist.

Der Roman ist ein Gleichnis – er vermittelt ein feinsinniges Gespür für die Endlichkeit des Daseins, für die guten Momente eines erfüllten Lebens, für die Kraft der Liebe und nicht zuletzt für das einfache, unkomplizierte Glücklich-Sein. Seine Botschaft lautet ganz klar: „Egal, wie lang oder kurz dein Leben auch ist, egal was du verpasst oder erreicht hast, dass einzige was wirklich zählt ist dein persönliches Glück, welches dich im Regen tanzen lässt und im Rollstuhl schwimmen …“

Fazit: Ich vergebe 5 Sterne für ein emotionales, berührendes Buch über das Leben und Sterben im Einklang mit den eigenen Wünschen. Ein Buch, welches mich zum Lachen und Weinen brachte und mir ganz ungefragt gute Ratschläge mit auf den Weg geben konnte. Empfehlenswert für alle, die sich gerne mit dem Thema auseinandersetzen und denen ein positiver Fokus wichtig ist, der die Hoffnung in den Vordergrund rückt und nicht die Endlichkeit unseres Lebens.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine Heimat für die Seele

Baba Dunjas letzte Liebe
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Baba Dunja ist längst keine 82 mehr, dafür aber eine der wenigen alten Dorfbewohner, die wieder in ihren Heimatort Tschechow zurückgekehrt sind. Dort will nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl niemand ...

Baba Dunja ist längst keine 82 mehr, dafür aber eine der wenigen alten Dorfbewohner, die wieder in ihren Heimatort Tschechow zurückgekehrt sind. Dort will nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl niemand mehr leben, weil alles verstrahlt ist und so reiht sich eine Ruine an die nächste und die Natur erkämpft sich ihren Platz wie eh und je. Die verbleibenden Menschen lassen sich durch nichts mehr abschrecken, weder durch die einfachen, primitiven Lebensbedingungen, noch durch ein einsames Dasein – abgeschottet von der Zivilisation. In ihrem selbst gewählten Exil lebt jeder wie er gern möchte, ganz im Einklang mit den Gegebenheiten doch füreinander sind die Menschen des Dorfes da, ersetzen fast eine fehlende Familie. Als eines Tages ein junger Mann mit seiner kleinen Tochter nach Tschechow kommt, um sich in einem leerstehenden Haus einzuquartieren, fährt Baba Dunja schwere Geschütze auf, denn sie wird es nicht dulden, dass ein bis dato gesundes Mädchen der tödlichen Strahlung ausgesetzt sein soll. Als der Vater nicht kooperiert geschieht ein Unglück, doch diesmal umgibt eine Mauer des Schweigens den Ort …

Die junge Autorin Alina Bronsky entwirft in ihrem kurzen Roman eine besondere Studie über eine alte Frau, über ein selbstbestimmtes Leben weitab von Fortschritt und Entwicklungspotential, dafür aber ganz nah an den eigenen Bedürfnissen und das wirkt sehr autark. Baba Dunja wird zum Sinnbild einer Generation, die durchaus eigenwillig aber aus voller Überzeugung handelt, die ein weltlich abgekehrtes, von politischen Entscheidungen unabhängiges Dasein führt und der selbst großes Unglück nur einen kleinen Dämpfer versetzen kann. Dennoch handelt es sich bei dieser Denkweise keineswegs um Desinteresse sondern eher um ein tief verwurzeltes Heimatgefühl, dem äußere Einflüsse nur bedingt etwas anhaben können. Baba Dunjas letzte Liebe ist nicht die zu ihrem Mann, auch nicht die zu ihren Kindern und Enkeln sondern die zu ihrem Heim, in dem ihre Seele innere Zufriedenheit gefunden hat.

Fazit: Ich vergebe 5 Sterne für einen tollen Roman, der gerade durch seine sachliche, präzise Erzählweise überzeugt und den Leser in eine ihm fremde Welt entführt. Ganz gewiss möchte man nicht tauschen mit der Hauptprotagonistin des Buches aber man möchte sie gerne kennenlernen – die Baba Dunjas dieser Welt, weil sie rechtschaffene Charaktermenschen sind. Kurze, zeitgenössische Prosa in Bestform – absolut empfehlenswert.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Lebenslügen und ihre Folgen

Du hättest es wissen können
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Grace arbeitet als erfolgreiche Eheberaterin und steht kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Romans. Aber ihr Bilderbuchleben gerät ins Wanken, nachdem ihr über alles geliebter Mann Jonathan förmlich ...

Grace arbeitet als erfolgreiche Eheberaterin und steht kurz vor der Veröffentlichung ihres ersten Romans. Aber ihr Bilderbuchleben gerät ins Wanken, nachdem ihr über alles geliebter Mann Jonathan förmlich über Nacht verschwindet. Dabei handelt es sich keinesfalls- wie gehofft- um ein Missverständnis, sondern um eine alles überschattende Lebenslüge, die für Grace ungeahnte Ausmaße annimmt. Nach und nach gesellt sich ein böses Detail zum anderen und Grace fällt in ein tiefes Loch, von dessen Existenz sie bisher nicht einmal etwas wusste. Als sie schließlich akzeptiert, dass Jonathan ganz und gar nicht der war, der er vorgab zu sein, steht sie selbst vor den Scherben ihres ganz persönlichen Glücks.

„Du hättest es wissen können“ thematisiert die Fehleinschätzung einer liebenden Person innerhalb einer Ehe, einer Frau die ihr ganzes Vertrauen auf ihren Mann gerichtet hat, der es seinerseits nicht verdient hat und die im Gegenzug viele eigenständige Entscheidungen nicht mehr traf, weil keine Notwendigkeit dafür bestand.

Trotz bester Voraussetzungen ist auch sie nicht vor Fehleinschätzungen sicher und belastet sich ähnlich wie ihre hilfesuchenden Klienten mit bitteren Selbstvorwürfen.

Sehr eindringlich beschreibt die Autorin den langsamen aber unaufhaltsamen Verfall einer unausgewogenen Partnerschaft. Sie führt sowohl den Leser als auch die Hauptprotagonistin an den Wendepunkt der Geschichte und bietet die Perspektive auf einen Neuanfang.

Trotzdem fehlt es der Geschichte meines Erachtens an Handlung und daraus resultieren unschöne Längen, die gerade im Mittelteil bereits an Langeweile grenzen. Der Kummer und die seelischen Verletzungen werden ausführlich erörtert, doch der untreue, lügende, mordende Ehemann bleibt eine blasse Randfigur, so dass man sich ernsthaft fragt, warum er überhaupt so großen Schaden anrichten konnte. Wahrscheinlich hätte mir der Roman mit wechselnden Erzählperspektiven (aus Sicht von Mann und Frau) besser gefallen.

Fazit: Ich vergebe 3,5 Sterne für einen beziehungsorientierten Unterhaltungsroman, der sich mit Lebenslügen im Allgemeinen und ihren traurigen Konsequenzen im Besonderen auseinandersetzt, der aber noch wesentlich mehr Entwicklungspotential gehabt hätte.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Die Zukunft gehört dir, doch dein Körper gehört uns!

Starters
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Nach den Sporenkriegen splittet sich die Gesellschaft in sehr junge Menschen, genannt Starters und extrem alte Menschen, genannt Enders. Während viele der Jugendlichen ums bloße Überleben kämpfen, genießen ...

Nach den Sporenkriegen splittet sich die Gesellschaft in sehr junge Menschen, genannt Starters und extrem alte Menschen, genannt Enders. Während viele der Jugendlichen ums bloße Überleben kämpfen, genießen die Alten ihr Dasein in Reichtum und Überfluss. Dieses Ungleichgewicht macht sich das ominöse Unternehmen der „Body-Bank“ zu Nutzen, indem es einen Mietvertrag zwischen den Enders und Starters vermittelt, in dem es um das Verleihen jugendlicher Körper gegen gute Bezahlung geht. Um an das nötige Geld für die ärztliche Behandlung ihres kleinen Bruders zu kommen, schließt sich die 16-jährige Callie der Body-Bank an. Doch ihre Mieterin verfolgt einen ganz anderen Plan: Mithilfe von Callies Körper will sie die korrupten Machenschaften des Firmenimperiums aufdecken und ein Attentat auf den Vorstand verüben. Doch der reibungslose Ablauf des geheimen Unterfangens misslingt und bald schweben beide Personen in Lebensgefahr …

In ihrem Debütroman, zu dem es mittlerweile eine Fortsetzung gibt, entwirft die Autorin ein ansprechendes, sehr spannendes Zukunftsszenario. Ausgangspunkt dieser Dystopie ist die alte Menschheitsfrage nach dem Leben in ewiger Jugend und dem damit verbundenen Wunsch nach Perfektion und Erfahrung. Viele Gegensätze werden hier vereint: arm gegen reich, jung gegen alt und über allem steht der Machtanspruch Einzelner gegenüber der Gesellschaft. Die Hauptcharaktere sind sympathisch und der Schreibstil zieht den Leser in seinen Bann, so dass der Verlauf der Geschichte unterhält und zum Nachdenken anregt. Auch der Fokus auf den zweiten Band, auf den Fortgang der Erzählung gefällt mir sehr gut, denn obwohl hier Zwischenbilanz gezogen wird, scheint es noch weit mehr zu erzählen zu geben.

Fazit: ich vergebe gute 4 Sterne für einen gelungenen Jugendroman, der mit einer interessanten Thematik aufwartet und nicht nur junge Leser begeistern kann. Prädikat: lesenswert.